REVIEW | From Ants to Zombies: Six Decades of Video Game Horror
Eine Buchkritik zum Horror-Kompendium von Bitmap Books, geschrieben von Rahel Schmitz.
Mehr als 130 Horrorspiele! Für über 70 Hardware-Plattformen! In einem vollfarbig gedruckten Buch! Mit 664 Seiten und einem Gewicht von über 2 kg ist From Ants to Zombies: Six Decades of Video Game Horror ein unübersehbarer Hingucker im Regal.
Vorweg sei gesagt: Der Titel ist etwas irreführend, denn das Sachbuch ist weder eine alphabetisierte Enzyklopädie noch eine historische Aufarbeitung des Horrorgenres im Videospiel. Vielmehr stellt Alexander Chatziioannou in knappen Porträts die Titel vor, die er für besonders wichtig erachtet. Seine Auswahl ist recht subjektiv – und genau deswegen erfreulich kontrovers. Kaum ein Abschnitt, in dem man beim Lesen nicht selbst eine persönliche Bestenliste anlegt; kaum ein Kapitel, bei dem man nicht von teils obskuren Titeln überrascht wird oder aber bei vergessenen Klassikern noch einmal neu in Erinnerungen schwelgen kann.
Allerdings gibt es zwei Punkte, die den Lesespaß bei From Ants to Zombies etwas schmälern. Als erstes fällt hier die recht arbiträre Aufteilung der Spiele auf. Die einzelnen Kapitel befassen sich mal mit thematischen Subgenres („Space Horror“, „Haunted Mansions“), dann wieder mit bestimmten Figuren („Relentless Pursuers“, „Universal Monsters“), um schließlich einen großen Zeh in Spielgenres zu tauchen („Text Adventures“, „Interactive Movies“) und mit dem Kapitel „New Retro“ in einem unförmigen Sammelbecken abzuschließen. Was aber ist mit denjenigen Spielen, die in mehrere dieser Kategorien passen? Das offenbart bereits das erste Kapitel, das uns in die erschreckenden Weiten des Weltraums entführt. Die Einleitung erwähnt den viel gelobten C64-Klassiker Project Firestart, da er schließlich zu den bahnbrechenden Space-Horror-Spielen von Electronic Arts gehöre. Doch der Titel ist im Kapitel nicht enthalten und wird erst im Abschnitt „Survival Horror“ vorgestellt. Immer wieder ‚stehlen‘ sich die jeweiligen Kategorien so gegenseitig ihre Titel und verfehlen damit ein Stück weit ihren Zweck, die schiere Masse an besprochenen Spielen sinnvoll zu sortieren.
Der zweite Kritikpunkt trifft die Texte, die in kurioser Umkehrung des „Form folgt Funktion“-Prinzips in ein straffes, stets gleichbleibendes Korsett gezwängt werden: Jede Spielbesprechung besteht aus einer doppelseitigen Illustration und einem zwei- oder vierseitigen bebilderten Text. Das hat den positiven Effekt, dass die jeweiligen Titel als nahezu ebenbürtig behandelt werden, denn ihnen allen wird derselbe Raum zugesprochen. Lediglich besonders wichtige Spiele stellt das Buch auf vier Textseiten vor. Gleichzeitig setzt die Form den Inhalten klare Grenzen. Vorwissen zu den Spielen sollte man mitbringen, denn die jeweiligen Abschnitte können in der Regel nicht sonderlich auf Handlung und Spielmechanik eingehen. Auch fällt damit die kritische Diskussion der Titel – warum sie denn so wichtig sind – immer wieder unter den Tisch. Besonders deutlich wird das in den zahlreichen Abschnitten, die Interviews mit den Spieleentwicklern enthalten. Nach einem einleitenden Absatz von höchstens drei Sätzen überlässt Chatziioannou seinen teils sehr ausschweifenden Interviewpartnern die Bühne, ohne ihre Aussagen jemals zu diskutieren oder analysieren.
Kann man über diese zwei Punkte hinwegsehen, dann ist From Ants to Zombies das perfekte Buch zum Schmökern. Es sticht insbesondere deswegen aus der Masse hervor, weil es sich nicht ausschließlich mit älteren oder aber neueren Spielen befasst, sondern einen Rundumblick liefert. Denn selbst, wenn Chatziioannou sein Sachbuch nicht als Chronologie des Horrorspiels versteht, so zeigen schon allein die enthaltenen Screenshots die spannende Entwicklung auf, die das Genre im Lauf der Jahrzehnte durchgemacht hat. Hinzu kommen die kurzen Porträts, die zwar keine bahnbrechenden, tiefgründigen Einblicke bieten, aber immerhin einen guten Eindruck des jeweiligen Spiels vermitteln.
Doch das wichtigste, abschließende, unschlagbare Kaufargument kommt zum Schluss: Nicht nur ist From Ants to Zombies mit einer wunderschönen Cover-illustration ausgestattet, die von reißerischer B-Movie-Schrift begleitet wird. Viel besser: Der Umschlag leuchtet im Dunkeln.
From Ants to Zombies gibt es bei Retro Shirty versandkostenfrei für 41,99 Euro:
(Dieser Artikel erschien zuerst im Stay Forever Insider, 2/2024)