Vor 30 Jahren erschien Syndicate, eine echte Bösewicht-Simulation in einer düsteren Zukunft, natürlich von Göttersimulations-Profi Peter Molyneux und Bullfrog. Ein Text von Christopher Bär.

Seit Populous, das 1989 erschien, machte sich das Entwicklerstudio Bullfrog Productions als innovatives und experimentierfreudiges Studio einen Namen. Unter der Leitung des legendären Peter Molyneux entstanden Spiele, die ihresgleichen suchten und mit frischem Gameplay und wilden Genremixen andere Entwickler inspirierten und ganze Gattungen etablierten. Dank Populous war der Begriff „Göttersimulation“ en vogue, dessen Genre Molyneux 1997 mit Dungeon Keeper mit Echtzeit-Strategie und einem parodistischen Anstrich versah. Magic Carpet (1994) vermischt den Aufbau-Gedanken mit einer Flugsimulation, Theme Park (1994) erschafft das Sandbox-Prinzip. In vielen dieser Produktionen hat der Spieler die ultimative Macht über Länder, Gebiete, und ihre Bewohner. Die zynischen Molyneux-Werke lassen den Spieler dabei nicht nur die guten Seiten des Götterdaseins ausleben, sondern bieten auch die Möglichkeit, Chaos zu stiften. Auf die Spitze treibt Bullfrog die Idee des bösen Herrschers in Syndicate, das vor genau 30 Jahren im Juni 1993 erschien.

Peter Molyneux

Syndicate entführt uns in eine beklemmende Zukunft, in der Megakonzerne die Welt beherrschen und skrupellos um Macht und Kontrolle kämpfen. Als Spieler und Syndikats-Boss kontrolliert man die Agenten einer dieser Organisationen, die ihre Aufträge ohne Rücksicht auf Verluste erfüllt. Syndicate brach die Grenzen moralischer Vorstellungen, indem der Spieler selbst rücksichts- und gewissenlos Zivilisten Gehirnwäschen unterzieht, sie eliminiert oder erpresst.

Wie andere Bullfrog-Spiele zeichnet sich Syndicate durch sein innovatives Gameplay aus. Spieler steuern ein Viererteam von Cyborg-Agenten, die mit einer Vielzahl von Waffen und Implantaten ausgestattet sind. Taktische Planung in den Missionen ist Pflicht, um die bockschweren Levels durchzustehen. Auch in Syndicate kann der Spieler göttergleich unschuldige Zivilisten übernehmen und kontrollieren, hier möglich gemacht nicht durch göttliche Kräfte, sondern durch allgegenwärtige Chip-Implantate, die die Bevölkerung unterjochen. Apropos schwer: Nicht immer war das Erfüllen der Missionsziele das Problem, sondern das Heimbringen der Agenten. Wenn das Team nur knapp die Mission überstand, wussten Spieler schon, dass sie wahrscheinlich dank Hinterhalte auf dem Rückweg ihre Agenten doch noch verlieren würden.

Die Agenten sind auf dem Rückweg.

Auch der Simulations-Aufbau-Teil durfte bei Syndicate nicht fehlen: Zwischen den Missionen verdienen erfolgreiche Syndikats-Chefs Geld durch Steuergelder, die sie in die Forschung und Entwicklung neuer Waffen und Cyborg-Upgrades stecken. Die Steuern kommen aus den in Missionen eroberten Gebieten, zu hoch besteuerte Gebiete können rebellieren, was zum Verlust des Gebiets führt und eine Wiederholung der Mission erfordert.

1996 erschien ein gefloppter 3D-Nachfolger namens Syndicate Wars, 2015 konnten sich Fans über einen geistigen Nachfolger, Satellite Reign, freuen, der von Mike Diskett entwickelt und via Crowdfunding finanziert wurde. Mike Diskett, der an der Entwicklung von Syndicate beteiligt war und die Portierung auf verschiedene Systeme leitete, hing immer noch am Originalspiel und ärgerte sich über das Reboot von Syndicate 2012 als Shooter, sodass er in Eigenregie das Spielprinzip von Syndicate wieder aufleben ließ. Das kam gut an: In der GameStar vergab Martin Deppe 83 Punkte. Sein Fluchen über die schwierigen Missionen zeigt, dass Mike Diskett verstanden hat, was Syndicate ausmacht.