Ein frühes PC-Spiel, das nur mit Schwarz-Weiß-Bildschirmen funktioniert? Ein Text von Christian Schmidt.

Was war eigentlich das Start-Lineup des PCs? Als IBM den Heimcomputer im Oktober 1981 auf den Markt bringt, liegt – wir wissen es alle – dem Betriebssystem ja immerhin schon das erste PC-Spiel überhaupt bei, nämlich donkey.bas. Der PC erweist sich als ungeheuer populär, und IBM unterstützt und befeuert das in den ersten Jahren mit dem Aufbau einer umfassenden Software-Bibliothek. Unter den ganzen Tools, Anwendungsprogrammen, Programmiersprachen etc. befinden sich zwischen 1981 und 1983 genau acht offizielle Spiele.

Microsoft Adventure (1981) zum Beispiel, das erste kommerzielle PC-Spiel überhaupt, schlicht eine DOS-Portierung des legendären Textadventures Colossal Cave.

Oder Adventure in Serenia (1982), Sierras erstes PC-Spiel, bevor sie zwei Jahre später für IBM den Hit King’s Quest schreiben. Auch Serenia ist nur eine Portierung des zwei Jahre alten Apple-2-Adventures The Wizard and the Princess, aber im Gegensatz zu Microsoft Adventure besitzt es immerhin Grafik.

Mit Microsoft Decathlon (1982) hat der PC quasi ab Werk sogar ein waschechtes Sportspiel am Start; zwar auch das nur eine Portierung vom TRS-80, aber immerhin voll animiert!

Das hätte man der biederen Büromaschine PC gar nicht zugetraut, die eher für sowas wie Dame, Mühle & Co (Strategy Games, 1983) oder für die unvermeidliche Glückspiel-Simulation (Casino Games, 1982) geeignet schien, die sich selbstverständlich auch in IBMs Pilot-Portfolio befinden. Die nutzen brav den Textmodus des PCs: Schriftzeichen statt Sprites.

Das ist auch einigermaßen naheliegend, denn ein guter Teil der ersten PCs kann überhaupt keine Grafik darstellen. Schließlich hatte IBM (mehr oder weniger absichtlich) ein offenes System erschaffen, bei dem Nutzer zwischen verschiedenen Komponenten wählen können, so auch bei der Grafikkarte: Der luxuriöse Color Graphics Adapter (CGA) mit seinen vierfarbigen Darstellung ist nur eine Option, für Büroanwendungen zudem die schlechtere. Dafür eignet sich der Monochrome Display Adapter (MDA) sehr viel besser, dank höherer Auflösung mit gestochen scharfem Bild. Allerdings in reinem Textmodus, ohne Schnickschnack wie Grafik oder Farben.

Wenn ein Spiel auch auf MDA benutzbar sein soll, muss es also zwangsläufig im Textmodus laufen. Microsoft Adventure: geht. Decathlon: geht nicht. Entsprechend unterstützen die frühen Spiele entweder beide Grafikkarten oder eben nur CGA. Den umgekehrten Fall, also reine MDA-Unterstützung ohne CGA-Support, gab’s dagegen nicht – wozu auch, schließlich kann CGA den MDA-Textmodus problemlos darstellen.

Mit einer Ausnahme.

Denn in IBMs acht ersten Spielen befindet sich eines, das sein Alleinstellungsmerkmal schon im Namen trägt: One Hundred and One Monochrome Mazes (1983). „Monochrome“ wie im Monochrome Display Adapter. Und tatsächlich: One Hundred and One Monochrome Mazes tut seinen Dienst ausschließlich auf MDA-Karten. Wer es in CGA startet, bekommt eine schnöde Fehlermeldung: „Sorry. Dieses Spiel läuft nicht auf einem Farbmonitor.“

Das ist glatt gelogen, denn One Hundred and One Monochrome Mazes funktioniert problemlos auf CGA und entsprechenden Farbmonitoren, technisch gibt’s da kein Hindernis. Es SOLL nur nicht darauf laufen, deshalb prüft das Programm die verwendete Grafikkarte und bricht im Zweifel den Start ab. Was soll das?

Diese Zickigkeit wirkt umso seltsamer, als One Hundred and One Monochrome Mazes kein anspruchsvolles Spiel ist. Dem Namen getreu malt es in Zeichensatz-Grafik 101 Irrgärten auf den Bildschirm, die es zu durchqueren gilt. Und zwar in Echtzeit: Unser Spieler-Symbol bewegt sich beständig vorwärts, prallt von Wänden ab und fällt in Gruben, woraufhin man von vorne beginnt. Mit den Pfeiltasten steuern wir es sicher durch die verschlungenen Gänge, in denen in höheren Levels überquerte Wegteile wegbröckeln, Tore hinter uns zufallen und unsichtbare Wände auftauchen, wenn man mit der Nase gegen sie rennt. Entgegen dem ersten Eindruck ist One Hunded and One Monochrome Mazes ein reinrassiges Actionspiel, in dem man mit gut getimten Tastendruck sogar Felder überspringen kann (und bald auch muss). Das wird schnell gehörig knifflig, denn die Labyrinthe sind ziemlich gemein, motivieren aber durch ihre überschaubare Größe zu immer neuen Runs. Unter der schlichten Anmutung steckt ein überraschend spaßiges, poliertes Spiel.

 

Level 65: Ein kniffliger Irrgarten voller Fallgruben, die in Echtzeit übersprungen werden müssen.

Nur: Nichts daran lässt erkennen, warum es ausgerechnet auf eine monochrome Darstellung besteht. Im Gegenteil, ein bisschen farbliche Abwechslung hätte den Levels gut getan, und seien es nur die vier CGA-Farben.

Die Antwort hat dann auch nichts mit einer ästhetischen Entscheidung zu tun, sondern mit einer technischen. Denn der Autor von One Hundred and One Monochrome Mazes, John Vaughn, benutzt einen Trick, der nur auf MDA-Karten und den dazugehörigen Monochrom-Monitoren funktioniert.

25 Zeilen stellt der Textmodus dar, in jede davon passen 80 Zeichen, insgesamt befinden sich also 2.000 Zeichen auf dem Bildschirm. Jedes einzelne davon ist im Grafikspeicher durch zwei Bytes repräsentiert: das erste Byte bestimmt, welches Symbol aus dem ASCII-Zeichensatz dargestellt wird. Das zweite, „Attribute Byte“ genannt, verändert dessen Eigenschaften, unterstreicht es zu Beispiel oder lässt es blinken. Vor allem aber definiert dieses Byte die Vorder- und Hintergrundfarbe des Zeichens – was natürlich nur bei Farbdarstellung sinnvoll ist, also auf CGA. In MDA lassen sich zwar auch Farb-Bits einstellen, auf dem Monitor macht das aber keinen Unterschied.

Das macht sich One Hundred and One Monochrome Mazes zunutze: Die Bodenfelder des Labyrinths sehen alle gleich aus, können aber verborgene Falltüren oder unsichtbare Wände sein. Um die zu unterscheiden, nutzt das Spiel das Attributs-Byte, also die Farbe: Falltüren sind blau, unsichtbare Wände grün. Auf einem Farbmonitor würde man das sofort erkennen, was die verborgenen Hindernisse entsprechen witzlos machte. Im monochromen MDA aber sieht alles gleich aus, die Überraschung bleibt gewahrt. Das Spiel nutzt die klammheimliche Umfärbung außerdem, um nachzuverfolgen, welche Felder der Spieler schon betreten hat, und daraus am Schluss eine Punktzahl zu errechnen. In MDA bleibt das unsichtbar, im Farbmodus zieht das Spieler-Symbol einen hellen Streifen hinter sich her.

So sähe One Hundred and One Monochrome Mazes in Farbgrafik aus: Falltüren leuchten blau, unsichtbare Wände grün. (Bildquelle: int10h.org)

All das hätte man natürlich auch anders lösen können, damit die Labyrinthe auch auf Farbmonitoren ihre Geheimnisse wahren. Aber John Vaughn hat sein Spiel nun mal um diesen eleganten kleinen Kniff herum gebaut, mit der Konsequenz, dass es damit zum historischen Kuriosum wird: das einzige offizielle PC-Spiel, das zwingend eine MDA-Karte voraussetzt.

Entsprechend selten ist One Hundred and One Monochrome Mazes heutzutage, wenig verwunderlich. Ich habe jahrelang nach dieser Rarität gesucht und schätzte mich sehr glücklich, als ich endlich ein Exemplar ergattern konnte. Im Vergleich dazu sind die oben genannten Spiele des IBM-Lineups, von Microsoft Adventure bis Casino Games, relativ leicht zu bekommen.

Aber Moment, ich sprach von acht Titeln – fehlen da nicht noch zwei? Richtig, es gab da auch noch die beiden obskuren Logikspiel-Sammlungen Arithmetic Games Set 1 und 2.
Die habe ich in freier Wildbahn noch nie gesehen. Die Jagd geht weiter.

Quellen: Zum MDA-Grafiktrick von One Hundred and One Monochrome Mazes gibt es sehr gute Beschreibungen bei int10h.org und im Youtube-Kanal Nerdly Pleasures. Wer das Spiel in all seiner monochromen Pracht selbst ausprobieren will, kann das bequem im Browser tun: pcjs.org