Ein Remake eines Klassikers, leider für die Mülltonne. Ein Text von Christopher Bär.

Hierzulande ist Portopia Renzoku Satsujin Jiken kaum bis gar nicht bekannt – das liegt nicht nur am langen japanischen Titel, der übersetzt The Portopia Serial Murder Case bedeutet, sondern auch daran, dass das Spiel nie woanders als in Japan oder in einer anderen Sprache als Japanisch erschien. Das ist für historisch interessierte Menschen wie uns bedauerlich, denn The Portopia Serial Murder Case ist ein für die Entwicklung der Spielegeschichte einflussreiches Spiel. Das 1983 von Yuji Horii entwickelte Spiel war einer der frühen Vertreter der Grafikadventures und festigte Konventionen des Genres.

The Portopia Serial Murder Case wird in der Ich-Perspektive erzählt, die verschiedenen Ereignisse werden mit Standbildern und Textausgabe beschrieben. Spieler interagieren mit dem Spiel über einen Verb-Nomen-Parser. In der Detektivgeschichte, laut Publisher Square die erste Detektiv-Adventure-Story, müssen Spielerinnen und Spieler in der fiktiven Hafenstadt Portopia den mysteriösen Mord an einem reichen Geschäftsmann aufklären. Dafür redet man Adventure-typisch mit verschiedenen Figuren, untersucht Gegenstände und besucht verschiedene Orte. Das Spielprinzip war besonders einflussreich für das japanische Visual-Novel-Genre. Zudem nennt der legendäre Spieleentwickler Hideo Kojima The Portopia Serial Murder Case als eines der Spiele, die ihn am meisten beeinflusst haben. Kojima sagt, er habe von Portopia die Möglichkeit der Dramatik in Spielen gelernt.

Hideo Kojima

Bis 2023 fristete The Portopia Serial Murder Case seine Zeit als Kleinod der Spielegeschichte; einflussreich, aber im Westen wenig beachtet. Das änderte sich, als Square Enix auf der diesjährigen Game Developers Conference eine 30-minütige Live-Demo eines KI-Rätselspiels vorstellte, die zeigte, wie „KI“-Technologie im Stil von ChatGPT Spiele verbessern kann, indem sie den Spielern mehr Kontrolle über ihre Äußerungen gibt und NSCs hat, die „intelligent“ auf Eingaben reagieren. Der Traum: weg vom Rätselraten, welches exakte Wort das Spiel hören will. Bei dem Rätselspiel handelte es sich natürlich um ein Remake von Portopia. Was spannend klingt, war leider ein Desaster: Die „KI“, also der Parser, ist immer noch genau so verbohrt wie 1983.

Da es auf Steam oft Review-Bombing bei Spielen gibt, die zwar fehlerhaft sind, aber doch ganz gut laufen, wollte ich mir die Demo selber anschauen (die es übrigens kostenlos zum Download gibt). Vor allem, da sie die Möglichkeit versprach, Portopia heute zu erleben, ohne rar gesäte Fan-Übersetzungen zu testen. Zudem erschien Portopia zunächst nur für den japanischen NEC PC-6001, entsprechend schwierig ist es, eine frühe ROM von Portopia zum Laufen zu kriegen. Also fix bei Steam die Demo geladen.

Der „Endboss“ von Portopia: Alle Eingaben scheitern an unserem Assistenten.

Relativ unvermittelt wirft mich das Spiel nach einem kurzen Einleitungstext, der den Mord beschreibt, in ein Visual-Novel-typisches Interface. Ein junger Mann, der sich als mein Assistent vorstellt, kann mittels simpler Eingaben von Personen und Orten berichten, und ich kann ihn zum Herumfragen wegschicken. Wenn in seinen Berichten ein neuer Name oder Ort auftaucht, wird dieser in einer praktischen Liste rechts hinzugefügt. So weit, so gut. Die Qual beginnt, als ich versuche, einen anderen Ort aufzusuchen. Ich will zum Tatort, das wäre Yamakawa’s Mansion, das Heim des Toten Kozo Yamakawa. In meinen Versuchen, dahin zu reisen, lerne ich die drei Lieblingssätze meines Assistenten kennen: „I’m not sure what to say about that“, „Maybe we should focus on the task at hand?“, und besonders hilfreich: „Hmm…“. Okay.

Go to mansion.
Hmm…
Go To Yamakawa’s Mansion.
Hmm…

Unerwähnt bleiben hier hundert verschiedene Variationen, Abkürzungen, Synonyme, und so weiter. Helfen kann mir mein Assistent auch nicht, Eingaben wie „help” oder „what should I do” werden mit einem „Maybe we should focus on the task at hand?“ beantwortet. Ich versuche, mehr über die Figuren herauszufinden.

Tell me about Yamakawa.
„Maybe we should focus on the task at hand?“

JA DAS IST DOCH DER TASK! Das Mordopfer! Moment.

Tell me about Kozo.
„Kozo Yamakawa, head of Yamakin Loans. (…)“

Aha, das Spiel akzeptiert also den Vor-, aber nicht den Nachnamen. Ich habe fast das Gefühl, dass das 1983 besser funktioniert hat. Aber wie komme ich jetzt zum Tatort? Nach einer halben Stunde Herumprobieren bin ich mir fast schon sicher, dass das Spiel kaputt ist und jede Eingabe zu „Hmm…“ führt. Als ich das Spiel zum zehnten Mal neu starte und zum vierhundertsten Mal „Go to mansion” eingebe, funktioniert es plötzlich. Ich möchte gleichzeitig lachen und weinen. Endlich geht es weiter. Ich stehe vor Kozos Haus. Der Mord geschah aber im Arbeitszimmer.

Go to study.
Hmm…
Enter study.
I’m not sure what to say about that.

Nun, „examine study” hat das gewünschte Ergebnis gebracht, als sei das Arbeitszimmer ein Gegenstand vor meiner Nase. Um meiner Gesundheit Willen schließe ich an dieser Stelle das Spiel. Mit jeder Eingabe versucht diese Neuauflage von The Portopia Serial Murder Case den Spieler in den Wahnsinn zu führen.

Das Original aus dem Jahr 1983 sieht sehr charmant aus.