REVIEW | The Excavation of Hob’s Barrow
In den letztes Jahren durchlebt das Grafik-Adventure ein bemerkenswertes Comeback, meist im pixeligen Retrolook. Ein Text von Rahel Schmitz.
Ich mag Point-and-Click-Adventures. Trotz all ihrer Schwächen, trotz der häufig gleichbleibenden Logik, trotz all der tollen anderen Spielgenres, die es da draußen gibt. Alle paar Jahre führt dieses Faible dazu, dass ich völlig unvorhersehbar und aus Versehen in einem bodenlosen Loch versacke und erst nach mehreren Wochen meine vermiefte Point-and-Click-Höhle wieder verlasse.
Bei drei dieser plötzlichen Attacken bin ich in den letzten zehn Jahren über dasselbe kleine Indie-Studio gestolpert: Cloak and Dagger Games. 2016 lockte mich das kostenlose, kurze Adventure A Date in the Park (2014) aufgrund der eigentümlichen Beschreibung „inspiriert von dem Gefühl der Seltsamkeit, das in alltäglichen Situationen entstehen kann“ – und überraschte mit einem fulminanten Ende. Nur drei Jahre später stieß ich dann im Zuge einer Lovecraft-Recherche für ein Game-Studies-Projekt auf das ebenfalls kostenlose Spiel The Terrible Old Man (2019), das die gleichnamige Kurzgeschichte H. P. Lovecrafts recht werknah adaptiert. Beide Adventures waren kleine, aber äußerst liebenswürdige (Horror-)Begegnungen mit einem Studio, dessen Entwicklerinnen und Entwickler ausschließlich in ihrer Freizeit arbeiten. Diesen Monat war es dann wieder einmal soweit, und die alljährliche Point-and-Click-Raserei stand an – ich gebe zu, die obige Phrase „völlig unvorhersehbar“ mag nicht ganz wahrheitsgetreu gewesen sein. Auf dem Plan stand unter anderem das Folk-Horror-Spiel The Excavation of Hob’s Barrow (2022), in dem ich die junge, aufstrebende Archäologin Thomasina Bateman steuere. Wie überrascht war ich, als ich direkt zu Spielbeginn dieses Spontankaufs das Logo des mir so bekannten Studios Cloak and Dagger Games entdeckte!
Doch genug über die kreativen Köpfe hinter dem Titel. Werfen wir lieber einen Blick auf das Spiel an sich. Thomasina reist in das verschlafene Örtchen Bewlay irgendwo im englischen Nirgendwo, wo sie das Hügelgrab Hob’s Barrow erforschen möchte. Die Einheimischen reagieren jedoch verschlossen und abweisend, sobald die Archäologin das Thema anspricht. Auch ihre Kontaktperson, die sie nach Bewlay einlud, ist plötzlich vom Erdboden verschluckt. Fest entschlossen, ihr Forschungsprojekt umzusetzenn, ermittelt Thomasina Bateman auf eigene Faust, was es mit dem Grab auf sich hat und warum es ganz Bewlay in Angst und Schrecken versetzt.
In Hinblick auf die Story ist The Excavation of Hob’s Barrow klassischer Folk-Horror, versehen mit einer Prise kosmischem Horror à la H. P. Lovecraft. Das Spiel mag charmant und gemütlich beginnen, doch es scheut sich nicht, den Gruselfaktor sukzessive höher zu schrauben und dabei gelegentlich auch grausige Szenen zu zeigen. Bewlay ist ein isoliertes Dorf auf dem Land, dessen Bewohner in einer anderen Zeit zu leben scheinen. Die großstädtische, moderne Thomasina kommt als fremdes Störelement in diese eingeschworene Gemeinschaft. Für die Bewohner Bewlays stehen Themen wie Religion, Tradition und auch Folklore an erster Stelle. Alles Brauchtümer, von denen die Archäologin nicht sonderlich viel hält – bis sie feststellen muss, dass in diesem Dorf andere Regeln herrschen und ihre Wissenschaftlichkeit ihr nur bedingt weiterhelfen werden. Dieser Gegensatz von Stadt und Land, Moderne und Vormoderne, Religion/Folkore und Rationalität wird im Spiel auf beeindruckend simple und doch überzeugende Weise inszeniert. Ausgeprägte Landei-Dialekte der Bewohner von Bewlay vermitteln von der ersten Minute an den passenden Lokalkolorit. Auch wird die Landschaft samt Schmuddelwetter angemessen in Szene gesetzt. Mehrere Screens im Spiel erfüllen keine spielmechanische Funktion, beinhalten also keine Hotspots und werden nie zu Treffpunkten mit Charakteren. Stattdessen dienen sie ausschließlich dem Zweck, die weitläufigen Moore um Bewlay herum zu zeigen und somit die Abgeschiedenheit und Naturnähe des Dorfs zu vermitteln. Tagsüber regnet es häufig; abends legt sich dagegen über diese Landschaft dichter Nebel. Die subtile Musik tut ihr Übriges, um daraus die passende Atmosphäre zu stricken.
Während sich der Look von The Excavation of Hob’s Barrow in nostalgischer Pixel-Optik darbietet, folgt das Point-and-Click-Adventure den modernen Standards. Hotspots können per Tastendruck hervorgehoben werden; das Menü lässt sich intuitiv bedienen; und dank zweierlei Schnellreisel-Möglichkeiten kann ich mich sowohl innerhalb eines Screens als auch zwischen verschiedenen Screens innerhalb kürzester Zeit bewegen. Anders gesagt: Das Spiel lässt sich so simpel und leichtgängig bedienen, wie wir uns heute gerne an die Point-and-Click-Adventures von damals erinnern wollen. Lediglich das Rätseldesign vermag nicht so recht zu überzeugen. Wirklich schwierige Puzzle gibt es keine, und das Spiel gibt mir stets nützliche Stichworte, um mein Hirn ohne große Umwege zur richtigen Lösung zu lenken. Hier hätte The Excavation of Hob’s Barrow den Spielenden ruhig etwas mehr zutrauen dürfen. Der düsteren und dichten Atmosphäre des Spiels schadet dieser kleine Negativpunkt jedoch nicht.