Digital Eclipse hat Jordan Mechners Karateka ein interaktives Denkmal gesetzt. Ein Text von Fabian Käufer.

Das Geschäft mit Retrospielen ist fast so alt wie Videospiele selbst. Es gibt weltweit Studios, die sich auf Neuveröffentlichungen alter Spiele spezialisiert haben, darunter M2 aus Japan, Bluepoint Games aus Texas und Digital Eclipse, ebenfalls aus den Vereinigten Staaten.

Digital Eclipse hat eine wilde Geschichte hinter sich, die 1992 begann. In den 90er-Jahren veröffentlichte das Studio eine Flut an Arcade-Portierungen für Nintendos Game Boy Color, da die CPU des Handhelds dem Zilog Z80 ähnelte, einem alten Arcade-Prozessor. So entstanden bemerkenswerte und portable Ports von Hits wie Ghosts ‘n Goblins und Dragon’s Lair.

Digital Eclipse wurde durch eine Fusion in den Nullerjahren zu einer Division der neuen Firma Backbone Entertainment, bevor es später wieder zur Abspaltung kam. Seit 2015 existiert Digital Eclipse erneut unter altem Namen, CEO ist der einstige Gründer Andrew Ayre. Nach einigen gelungenen Retro-Compilations für Capcom und Konami überzeugte Digital Eclipse 2022 mit Atari 50: The Anniversary Collection.

Mit The Making of Karateka geht Digital Eclipse den Weg weiter und möchte Retro-Neuauflagen noch stärker über das reine Wiederkäuen des alten Hauptspiels hinausheben. The Making of Karateka ist der erste Titel einer neuen Gold Master Series und gleichermaßen Dokumentation wie Spielesammlung. Hier ist über das reine Spiel hinaus Vieles enthalten, was wir für Stay-Forever-Folgen zu anderen Spielen an Infos und Zusatzmaterial recherchieren, anfragen oder in Interviews erfahren. Die Entstehung von Jordan Mechners Frühwerk aus dem Jahr 1984 wurde zum Glück schon damals aufwendig und auch in Videoform dokumentiert, sodass es nicht nur neu gefilmtes Bewegtbild-Material zu sehen gibt, sondern zum Beispiel auch Aufnahmen zu den für die mit Rotoskopie erstellten Animationen, die damals so beeindruckend waren.

Die Menüs sind von klarer und stilvoller Eleganz.

Neben der Urversion von Karateka für den Apple II sind auch Portierungen für 8-Bit-Ataris und C64 dabei. Obendrauf gibt’s noch Prototypen und eine modernisierte Fassung, die sich etwas flotter spielt als das Original. Da The Making of Karateka aber viel Kontext der Entstehungsgeschichte mitliefert, sind weitere Spiele enthalten, darunter Mechners Asteroids-Klon namens Asteroid Blaster aus dem Jahr 1981 und verschiedene Versionen seines unveröffentlichten Shoot ’em ups Deathbounce.

Die modernisierte Version von Mechners Deathbounce.

Natürlich ist Karateka, das übrigens 2012 bereits ein 3D-Remake unter Mechners Beteiligung erfuhr, heute kein Spiel mehr, das für Stunden vor den Bildschirm bannt. Es ist fast 40 Jahre alt, behäbig und nicht sehr tiefgründig. Aber 1984 war seine Filmhaftigkeit natürlich sensationell. Und das Wichtigste an The Making of Karateka ist unter Umständen nicht die Qualität des behandelten Spiels – es ist die sorgfältige und aufwändige Arbeit, die hier im Dienste der Bewahrung von Videospielen als Kulturgut geleistet wurde. Sicher kann man nicht jedes alte Spiel in dieser Form bearbeiten – was im Rahmen der Entstehung nicht gefilmt oder niedergeschrieben wurde, ist als Originalquelle nie mehr zu rekonstruieren. Dennoch sind wir gespannt darauf, welches Spiel Teil 2 der Gold Master Series wird. Abseits dieser Reihe hat Digital Eclipse bereits das nächste Retro-Projekt auf die Schienen gesetzt: die Early-Access-Version eines 3D-Remakes von Wizardry: Proving Grounds of the Mad Overlord.

The Making of Karateka ist für PC, PlayStation, Xbox und Switch erhältlich, der Preis liegt bei jeweils knapp 20 Euro.