TOP 10 | Westwood Box Art
Meine persönliche Top 10 der besten Schachtelmotive der Firma Westwood. Ein Text von Paul Schmidt, dem Grafiker von Stay Forever.
Als die Westwood Studios 2003 geschlossen wurden, konnten sie auf eine lange und bewegte (Spiele)Geschichte zurückblicken. Bekannt waren die Jungs um Brett Sperry und Louis Castle vor allem für ihre Echtzeit- und Rollenspiele. Besonders Command & Conquer, aber auch die Lands of Lore-Reihe sind auch heute noch jedem Spieler ein Begriff. Auch abseits dieser Genres konnten sie Erfolge verbuchen: Fans klassischer Adventures erinnern sich an die Legend of Kyrandia-Reihe, und auch Jump & Runs wie The Lion King hat das Studio in 18 Jahren Firmengeschichte entwickelt.
Werfen wir also einen Blick auf ihre – meiner Meinung nach – besten Packungs-Covers.
Platz 10 – Young Merlin
Weniger ist oft mehr. Und mehr als einen imposant gestalteten Schriftzug auf felsigem Untergrund braucht es bei unserem ersten Artwork nicht, um das Interesse des Betrachters für dieses SNES-Spiel von 1995 zu gewinnen. Das wir es hier mit einem Fantasy-Spiel zu tun haben wird jedenfalls auf den ersten Blick klar. Nicht sofort klar wird hier allerdings, dass es sich bei Young Merlin um ein Zelda-artiges Action-Adventure handelt, das im Spiel mit einer sehr farbenfrohen Grafik daherkommt.
Das Design stammt von Lauren Rifkin, die in den 90ern für einen Großteil der Verpackungs-Designs bei Westwood zuständig war.
Unter ihrer Führung ist dann aber auch eine deutlich unschönere Version dieses Covers entstanden …
… denn das Cover der PAL-Version fängt zwar einerseits den insgesamt recht bunten, cartoonigen Look des Spiels ein. Andererseits sieht es aber auch aus wie ein Ausschnitt aus einem billig produzierten Samstagmorgen-Cartoon. Was hat es mit der Augenklappe auf sich? Sind das Wasserblasen, die er da zaubert? Und wieso sehen die Bäume im Hintergrund so übertrieben glücklich aus? Eindeutig zu viele Fragen.
Also schnell weiter zu Platz 9.
Platz 9 – The Lion King
Es gibt insgesamt drei verschiedene Cover für dieses Spiel. Und natürlich verwenden sie alle Motive aus dem gleichnamigen Film. Passender ließe sich Westwoods anspruchsvolles Jump & Run zum Kinohit von 1994 auch kaum illustrieren. Denn auch die Marketing-Kampagne des Films umfasste mehrere Poster-Varianten für die unterschiedlichen Märkte weltweit.
Die meisten davon wurden vom amerikanischen Künstler John Alvin geschaffen. Der war ab Mitte der 70er auf das Gestalten von Filmpostern spezialisiert und schuf legendäre Klassiker wie Jurassic Park, Gremlins oder E.T. Er war bis spät in die 2000er noch in der Branche aktiv und zementierte mit den Postern zur Herr-der-Ringe-Trilogie, Harry Potter oder Fluch der Karibik seinen Ruf als Ausnahmekünstler.
Wenig überraschend also, dass Westwood auf seine Artworks setzte, da sich auch das Spiel optisch sehr an die Filmvorlage hält. Das Team arbeitete dabei so eng mit Disney zusammen, dass sie teilweise sogar Grafiken aus geschnittenen Szene verwenden durften, um im letzten Drittel des Spiels mehr Levels mit dem erwachsenen Simba zu erschaffen.
Mein Favorit ist die etwas schlichte, aber umso ikonischere DOS-Variante. Die knallige Rot/Gelb-Kombination allein würde vermutlich schon ausreichen, um bei fast allen Betrachtern die Assoziation mit dem König der Löwen zu wecken. Sollte das nicht reichen, unterstreichen die schwarzen Silhouetten der bekannten Charaktere und der zeitlose Schriftzug die Nähe zum Film.
Platz 8 – Blade Runner
Auch wenn die Ingame-Grafik zum Erscheinen 1997 wegweisend war und auch heute noch ganz hübsch anzusehen ist – das Cover kann nicht ganz überzeugen. In Bewegung sieht die damalige Rendertechnik dann doch noch einen Tick besser aus. Auf dem starren Artwork hingegen wirkt insbesondere des Protagonisten Ray McCoy doch recht hölzern und blass. Insgesamt trotzdem ein sehr stimmiges Artdesign, das einen durch die Videoleinwand, Neon-Schilder und fliegende Polizeiautos sofort in das Sci-Fi Setting des Spiels hineinzieht.
Zuständig für das Design der Box war Victoria Hart, die den Job als Verpackungs-Designerin bei Westwood Ende der 90er von Lauren Rifkin übernahm. Neben Blade Runner gehen unter anderem fast alle Command & Conquer-Boxen nach Teil 1 auf ihr Konto.
Platz 7 – Dungeons & Dragons: Warriors of the Eternal Sun
Ein klassisches, heute fast schon klischeehaftes Fantasy-Setting: ein düsterer Kerker, Drachen, Hexen, magische Portale und behelmte Helden mit stählerner Bewaffnung. Das Ganze in Szene gesetzt in einem Artwork vom klassischen Fantasy-Künstler Clyde Caldwell. Der war ab den 80ern für viele Artworks beim Dungeons & Dragons Herausgeber TSR zuständig und ist bis heute ein gefeierter Vertreter seiner Zunft. Was sollte da schief gehen? In Sachen Box Art jedenfalls nichts. Und auch das 1992 für den Mega Drive erschiene RPG kommt mit einer zum Cover-Artwork passenden, sehr stimmigen Pixeloptik daher.
Platz 6 – Eye of the Beholder II
Ähnlich wie Platz 7, aber mit einem morbideren Setting und einem etwas detaillierteren Zeichenstil. Das Artwork selbst passt perfekt zur düsteren Spielwelt des Dungeon-Crawlers. Die restliche Gestaltung fügt sich in den klassischen Look der „Legend Series“ vom Publisher SSI ein – auch bekannt als „Black Box“, in Anlehnung an die deutlich bekanntere „Gold Box“ Serie, die ihren Namen von der ikonischen goldenen Verpackung hat. Eines hatten aber alle Spiele dieser Reihen gemeinsam: Sie bedienten sich klassischer Fantasy-Artworks, die in der Regel nicht direkt für das jeweilige Spiel gezeichnet wurden. So auch in diesem Fall. Das Artwork hier stammt von Jeff Easley, der seit den 80ern unter anderem für TSR und Magic: The Gathering tätig ist.
Platz 5 – Lands of Lore
Wieder ein klassisches Fantasy-Setting, zu dem mir glatt ein Gedicht in den Kopf kommt:
Die Hexe Scotia auf dunklem Thron,
schleudert Blitze voller Hohn.
Grimmige Blicke in finsterer Nacht,
wird Zeit das man ihr den Garaus macht.
(Memo an mich: Nie wieder Gedichte schreiben.)
Ebenfalls ein gewagter Move: Den Antagonisten so prominent auf das Cover zu packen. Auch wenn das Artwork noch so schön gezeichnet ist, sieht man so etwas nicht oft. Insbesondere dann nicht, wenn es sich um ein so unschönes Exemplar handelt wie im Falle von Scotia.
Vielleicht war das auch der Grund für die japanische Version. Die kommt nämlich komplett ohne Illustration daher. Ich habe grundsätzlich nichts gegen minimalistische Designs, aber gerade im Vergleich mit der regulären Version kommt die hier doch ein bisschen trist daher. Immerhin blieb der sehr stimmige, in Goldbuchstaben geprägte Schriftzug erhalten.
Wie man minimalistische Cover-Designs deutlich effektvoller einsetzt, zeigt hingegen unser nächster Eintrag.
Platz 4 – Mines of Titan
Eines der Frühwerke von Westwood verpasst nur knapp einen Platz auf dem Siegertreppchen. Dieses klassische RPG von 1989 kommt mit einem sehr schlichten, auf das wesentliche reduzierten Cover daher und fängt damit die „Abenteuer auf einem fernen Planeten (bzw. Mond)“-Atmosphäre des Spiels perfekt ein. Der massive Schriftzug auf schmutzigem Boden passt zur Stimmung und Ingame-Grafik des Titels. Drumherum gibt es dann mit allerlei Viehzeug, Explosionen und laserwaffenschwingendem Helden in Schutzanzug einen guten Vorgeschmack auf das Spiel.
Der Titel ist eine weiterentwickelte Version von Mars Saga, dass ein Jahr vorher erschien. Dessen Cover hat eine recht ähnliche Farbgebung. Schriftzug und Illustration sind aber eher im Stil klassischer Sci-Fi-Romane oder -Groschenhefte wie Perry Rhodan gehalten. Und bei genauerem Hinsehen werden kleine Ungereimtheiten offenbar. So ist die hintere Hand des Raumfahrers deutlich massiger als die vordere. Und auch das Gesicht wirkt so, als wäre es nachträglich in den Helm retuschiert worden.
Gezeichnet wurde diese Version von Dave McMacken. Der kam ursprünglich aus dem Musik-Business und gestaltete Alben-Cover und Tour-Poster für die Beatles, Frank Zappa und AC/DC. Später kam er in die Spielebranche und erschuf unter anderem die Illustrationen zum ersten Simon the Sorcerer und Secret of Evermore.
Mein Favorit im direkten Vergleich der beiden Mars Saga-Title bleibt aber das minimalistische Cover der späteren Version.
Platz 3 – Command & Conquer
Ähnlich wie bei Blade Runner hat auch hier der Zahn der Zeit etwas an der Render-Optik genagt. Die Explosionen und Fahrzeuge erscheinen unecht, und auch die Retusche auf die Brille des Soldaten wirkt etwas künstlich. Das restliche Motiv basiert aber auf einer Fotografie und wirkt deutlich stimmiger. Der ernst dreinblickende, in Schwarz-Weiß gehaltene Soldat mit dem riesigen Gewehr macht sofort klar: Hier geht es zur Sache. Zusätzlich unterstrichen wird das durch den massigen, leicht futuristischen Schriftzug. Die dezent gesetzten konzentrischen Kreise im Hintergrund bringen etwas Bewegung in das ansonsten eher starre Motiv.
Auf den ersten Blick mag das Motiv also recht einfach wirken, offenbart aber bei genauerem Hinsehen doch recht viele Facetten. Und gibt damit einen klaren Ausblick auf das, was uns im Spiel erwartet: Soldaten, Fahrzeuge und Explosionen in einem ernsten, futuristisch angehauchten Setting.
Das Cover war eine der letzten Arbeiten von Lauren Rifkin für Westwood. Sie definierte damit den Look der ganzen Serie, denn auch die späteren Ableger und Erweiterungen griffen das von ihr entworfene Gestaltungskonzept auf, prominent insbesondere Red Alert und Tiberian Sun.
Platz 2 – Dune II
Jahre vor Command and Conquer war das Echtzeit-Genre noch nicht etabliert. Dune II war einer der ersten Ableger dieser noch sehr jungen Gattung. Entsprechend gab es auch noch keine Konventionen, wie man das Cover-Design auf das eigentliche Gameplay abstimmen kann. Spätere Titel griffen oft darauf zurück, die verschiedenen Fraktionen zu zeigen, beispielsweise Age of Empires. Besser noch, wenn sie direkt zeigen, dass sie sich nicht grün sind, wie es die ersten beiden WarCraft-Teile sehr prominent getan haben.
Bei Dune II war sich Westwood selber wohl nicht sicher und brachte schließlich zwei Versionen raus.
Mir persönliche gefällt die US-Version dabei ein wenig besser. Die zeigt ähnlich wie frühere RPG-Titel eine stimmige Sci-Fi-Illustration, eingefasst von einem goldenen Rahmen auf einem fast schon erdrückenden schwarzen Grund. Zusammen mit dem schlichten, ebenfalls goldenen Schriftzug entsteht so eine sehr hochwertige Optik, die dann durch die düstere Illustration (bewusst) wieder gebrochen wird. Ein Soldat in futuristischem Kampfanzug gibt mit erhobener Hand seinen (nicht sichtbaren) Kameraden einen Befehl. Im Hintergrund sehen wir für uns fremde Gebäude mit unbekannter Funktion, eines wurde gerade von einer Explosion erschüttert. Die zwei Monde im Hintergrund und die rötliche Atmosphäre machen zusätzlich klar: Wir sind hier weit weg von zuhause. Und es geht hier definitiv nicht friedlich zu.
Das alternative Cover für alle Märkte außerhalb der USA schafft es mit anderen Mitteln, eine ähnliche Atmosphäre zu schaffen. Auch hier haben wir zwar einen massiven schwarzen Rahmen und einen schlichten Schriftzug. Es dominieren mit Gelb und Blau aber ganz andere Farben. Und das Motiv verrät durch das Flimmern in der Luft und die enorme Menge an Sand nur sehr indirekt, dass es sich hier um einen fremden Planeten handeln könnte. Durch die brennenden Gebäude im Hintergrund wird aber auch hier der Konflikt-Charakter des Titels klar.
Für mich gibt die wunderschöne Illustration der US-Version dann aber letztendlich den Ausschlag. Sie sichert sich damit Platz 2 auf unserer Liste.
Platz 1 – The Legend of Kyrandia: Book Three
In Teil 3 der Adventure-Reihe Legend of Kyrandia übernimmt der Spieler erstmals die Rolle des Antagonisten der ersten beiden Teile: Malcolm, seines Zeichens ehemaliger Hofnarr und Königsmörder.
Das Cover gibt dabei einen guten Einblick in die abgedrehte Spielwelt und den wirren Geist des Hauptcharakters und fängt die Stimmung des Spiels damit perfekt ein. Mit den knalligen Gelb- und Lilatönen werden außerdem – gerade für PC-Spiele – recht ungewöhnliche Farben verwendet, die sicherlich dazu geführt haben, dass der Titel in den Regalen der Händler sofort ins Auge stach. Generell ist die Legend of Kyrandia-Reihe reich an schönen Cover-Artworks. Im direkten Vergleich hat Teil 3 für mich die Nase aber ein Stück weiter vorne. Gerade auch, weil man sich hier getraut hat, mit Malcom einen eher unsympathischen Charakter in den Fokus zu rücken. Ähnlich wie bei Lands of Lore auf Platz 5 erzeugt das gleich eine gewisse Spannung. Außerdem ist auf den ersten Blick auch nicht recht klar, was Malcom da eigentlich genau macht. Wieso ist er auf einem Friedhof? Was hat es mit dem Clownsgesicht auf sich? Und auf welches Unheil will uns die Explosion in seinen Händen hinweisen?
Genau das macht unterm Strich ein gutes Cover-Artwork aus. Es zwingt uns dazu, mehrmals hinzusehen, fängt die Stimmung des Spiels ein und bleibt durch seine Gestaltung lange im Gedächtnis.
Lange im Gedächtnis geblieben ist mir leider auch diese Variante hier …
… die uns als kleinen Rauswerfer noch eines der grausigsten Cover der Westwood-Geschichte offenbart. Wenn nicht sogar aller Adventure-Spiele insgesamt. Die US-Version von Legend of Kyrandia: Book Three kommt mit einem komplett gerenderten Cover daher. Das ist natürlich passend(er) zum Spiel, das wechselt ja auch vom schönen Pixel-Look des zweiten Teils in einen Render-Stil, zeigt aber auch wieder überdeutlich, wie stark der Render-Look der damaligen Zeit gealtert ist.
Und machen wir uns nichts vor: schon damals wird man für dieses Machwerk keinen Design-Preis gewonnen haben.