Gunnar:
[0:23] Mensch, Christian, dass ich das noch erleben darf. Ein Amiga-Spiel.
Chris:
[0:28] Hatten wir nicht schon alle verfügbaren Amiga-Spiele durch, Gunnar?
Gunnar:
[0:32] Nee, es fehlen noch einige. Und es fehlen noch so viele C64-Spiele, Christian. Aber zwischendurch müssen wir immer wieder ein PC-Spiel machen. Letztens sogar eins aus einer Ära, wo ich gar nichts kannte. So mit CGA oder wie das heißt. Crazy.
Chris:
[0:46] Ja, dann solltest du dich heute wie zu Hause fühlen, denn der Amiga ist ja eine deiner Herzensplattformen. Und wir sind ja auch, wir nehmen das auf im Jahr 2025, im 40. Jubiläumsjahr des Amiga. Also es passt alles wunderbar zusammen heute.
Gunnar:
[1:00] Es ist quasi Teil unserer Amiga-Festspiele, die wir machen. Parallel hierzu läuft ja gerade die Staffel Stave River Technik. Henna und ich sprechen in drei Folgen über den Amiga. Was würde da besser zu passen, als auch ein Spiel zu besprechen, das auf dem Amiga Furore gemacht hat?
Gunnar:
[1:19] Da konnte sich der Christian dieser inhärenten Logik nicht verschließen und dann haben wir unsere Hörer gefragt und die gebeten zu entscheiden, welches Amiga-Spiel wir spielen sollen. Zur Auswahl standen It Came From The Desert, Cannon Fodder, The Chaos Engine, Alien Breed und Uridium 2. Alles fantastische Spiele, ich hätte gar nicht gewusst, wie ich mich entscheiden soll.
Chris:
[1:43] Das fiel unseren Unterstützerinnen und Unterstützern nicht so schwer. Die haben sich nämlich mit einer fabulösen Mehrheit für It Came From The Desert entschieden. Und das ist ja immer ein ganz gutes Zeichen dafür, dass das ein Spiel ist, das offensichtlich einen Ruf wie Donnerhall hat, das also sehr beliebt oder zumindest sehr bekannt da draußen zu sein scheint.
Chris:
[2:02] Und das ist ja ein Spiel, das zu dem Oeuvre eines bekannten Publishers gehört, zu Cinemaware. Wir haben schon mal über ein Cinemaware-Spiel gesprochen, Gunnar, über Defender of the Crown. Das ist lange her.
Gunnar:
[2:12] Ja, ich erinnere mich deutlich, dass es eine gewisse Kontroverse in der Bewertung des Spiels gab.
Chris:
[2:17] Ich fand es toll und du? Nur so mittel.
Gunnar:
[2:19] Ich glaube, du hast ganz schön gemault. Die ganze Zeit durchgemault hast du.
Chris:
[2:24] Ja, das klingt nach mir.
Gunnar:
[2:25] Und hast dieses sensationelle Spiel die ganze Zeit ungerechtfertigt kritisiert und ich musste mich dagegen wehren. Die Fahne des Amiga hochhalten, das kann heute auch nochmal passieren, glaube ich.
Chris:
[2:35] Du könntest ja ein Déjà-vu heute passieren, ich wollte es gerade sagen, ja. Wir sind ja mit It Came From, das hat einige Jahre später in der Schaffung von Cinemaware, in, ich möchte fast sagen, der Hochphase. Cinemaware war ja nur sechs Jahre lang im Geschäft von 1986 bis 1991, hat aber in der Zeit mehr als ein Dutzend Spiele rausgebracht und darunter sind Klassiker wie eben Defender of the Crown oder auch Wings, also das eine Spiel am Anfang des Schaffens, das andere am Ende. Und dann gibt es da aber auch eine ganze Reihe von missglückten Experimenten wie King of Chicago oder Sinbad and the Throne of the Falcon. Und heute sprechen wir beide, wie gesagt, über It Came from the Desert. Und da schauen wir mal, Gunnar, in welche von diesen beiden Kategorien sich das einordnen wird, das Spiel.
Gunnar:
[3:19] Ja, schauen wir mal. So sicher ist es nicht. Die Hörer sind ja erstmal der Meinung, dass es ja wahrscheinlich zu den Gelungeneren gehört, sonst wäre das nicht so überzeugt gewählt worden.
Chris:
[3:28] Absolut.
Gunnar:
[3:30] Oder es ist so diese Lust am Unfall, den Auffahrunfall, den man dann doch aus der Nähe sehen will. Mal gucken.
Chris:
[3:36] Nee, das glaube ich nicht. Das It Came from the Desert hat schon einen sehr guten Ruf.
Chris:
[3:40] Die Cinemaware-Spieler von Ende der 80er, die sind ja alles andere als uniform oder formelhaft, sondern die sind im Gegenteil überraschend divers. Und die Spannweite reicht davon grafisch exzellent, wie zum Beispiel bei Defender of the Crown, bis zu laienhaft. Ich sage nur Sinbad.
Chris:
[4:00] Und spielmechanisch ist das all over the place. Da sind ja sogar Sportspiele mit drin im Programm. Das ist mal mehr erzählend, mal weniger erzählend. So ein Spiel wie SDI hat nicht so viel Erzählung. King of Chicago hat sehr viel. Es ist mal linearer, mal weniger linear. Da wechseln auch die Designer häufiger. Also das ist gar kein großes Wunder, dass da die Spiele sehr unterschiedlich sind. Aber die ganzen Spiele haben doch ein paar Gemeinsamkeiten, die sich da wie ein roter Faden durchziehen. Zum einen, die Inszenierung steht in der Regel im Vordergrund. Es geht um grafische Schauwerte, insbesondere auf dem Amiga, das ist ja die Power-Plattform seiner Zeit. Zweitens, der Fokus liegt häufig auf Minispielen, also auf einer spielmechanischen Diversität, auf Abwechslung, auf, wenn man möchte, so eine Art Szenenhaftigkeit. Und nicht zuletzt, der Name Cinemaware legt es ja nahe, es gibt immer einen Bezug zum Kino. Und zwar zum Kino der klassischen Ära von Hollywood, zwischen 1930 und 1960, als die Filme in der Regel noch schwarz-weiß waren. Und als es da dominante, populäre Genres gab, wie den Mantel-und-Degen-Film, den Gangster-Film, den Noir-Krimi und aber insbesondere auch in den 50er Jahren eine Welle von Sci-Fi-Filmen und darunter auch viele der Gattung Big Bug Movies, also Filme, in denen es um riesige Monster geht.
Gunnar:
[5:18] Das sind immer die Inspirationen, die sich Cinemaware sucht. Sie nehmen ein sehr leicht wiedererkennbares Thema, indem sie sich entweder an den populären Filmen anlehnen, wie bei dem Sintbad-Spiel, das ziemlich genau modelliert ist auf den Film Forty Thieves. Oder halt indem sie so eine Blaupause nehmen, die so wiedererkennbar ist, dass die Amerikaner sofort wissen, worum es geht. Und dann siedeln sie da ein Spiel an, in dem die Inszenierung im Vordergrund steht, in dem man filmhafte Set Pieces baut und in dem man irgendwie noch ein Spiel reinquetscht. Weil es sind ja Spiele. Also die ganzen ersten Spiele sind eher leichte Strategiespiele mit ein bisschen Action drin.
Chris:
[6:01] Und weil die CinemaWare-Spiele also so starke Bezüge zu Kinovorbildern machen, ist es zwar nicht zwangsläufig notwendig, aber doch hilfreich, diese Kinovorbilder zu kennen, beziehungsweise grundsätzlich mal zu wissen, was sind denn da die Fassadsstücke, aus denen sich die Spiele bedienen, was ist denn da die Stilistik, die Ästhetik, die sie versuchen nachzuahmen, welche dramaturgischen Elemente vielleicht auch sind deswegen im Spiel, weil man sie vorher schon im Kino gesehen hat. Und so ist es also natürlich auch bei It Came From The Desert. Das Spiel basiert auf diesen Big Bug Movies, diesen Science Fiction Filmen der 50er Jahre, in denen riesige mutierte Monster vorkommen. Das ist ein ganzes Genre. Also wir reden hier über einen Blumenstrauß von Filmen.
Chris:
[6:45] Und wenn ich wir sage, dann meine ich nicht uns beide, Gunnar, denn wir sind ja jetzt nicht als die Filmexperten hier, sondern als die Spielerexperten. Aber wir haben ja einen hauseigenen Filmexperten im Stay Forever Universum, nämlich den Christian Genzel, bekannt aus unseren Pixelkino-Folgen. Und wie es der Zufall so will, ist der Christian heute hier. Hallo Christian.
Christian:
[7:04] Ja, hallo Christian. Hallo Gunnar. Danke für die Einladung.
Gunnar:
[7:06] Hallo.
Chris:
[7:07] Christian, dann können wir dich gleich mal löchern, damit du uns und unseren Hörerinnen und Hörern erklären kannst, auf was für Filme sich It Came From The Desert bezieht. Ich hatte ja gerade schon gesagt, das ist also schon allein in seinem Titel, aber auch in seinen Gestaltungselementen stark angelehnt an B-Movies der 50er Jahre. Kannst du uns erstmal genauer erklären, um was für Filme es sich dabei handelt?
Christian:
[7:33] Also der ganz zentrale Film, auf den sich It Came From The Desert bezieht, ist ein Film, der im Original Them! heißt, also Them Ausrufezeichen aus dem Jahr 1954. Bei uns heißt das Formicula. Aber du hast das vorhin so schön als Blumenstrauß bezeichnet. Also es gibt da ein komplettes Universum an ähnlichen Filmen, wo es auch verschiedene Strömungen gibt. Und It Came From The Desert greift wirklich dann von vielen Filmen aus dieser Machart etwas auf.
Gunnar:
[8:01] Erzähl uns doch mal ein bisschen mehr über die Atmosphäre, die diese Filme zu erzeugen versuchen und die wir dann später in It Came From The Desert wiederfinden.
Christian:
[8:11] Es sind sehr dramatische Filme. Also wenn man sich schon die Poster anschaut, das sind oft fantastische Plakate mit eben großen Monstern und großen Bedrohungen und vor allen Dingen viel Text, der dir gigantische Sensationen verspricht.
Christian:
[8:25] Also beispielsweise das Plakat von der Blob, da heißt es dann unbeschreiblich, unzerstörbar, nichts kann es aufhalten. Auch da sind wieder viele Ausrufezeichen drin. Man kann also fast gar nicht anders, als sich diese Filme dann anzuschauen. Und die Filme sind dann auch sehr dramatisch inszeniert. Die Musik ist sehr groß und sie sind auch sehr ernst erzählt. Und das ist dann auch der Grund, warum wir vor allen Dingen heute die Filme so ein bisschen mit Schmunzeln betrachten oder vielleicht auch etwas stärkerem schmunzeln, weil die Kluft zwischen dem, wie groß das behauptete Drama und der Terror ist und wie es dann tatsächlich ausfällt, geht dann doch weit auseinander. Die Filme waren schon ernst gemeint und sie waren schon damals auch etwas, wo man vielleicht schaudern konnte, wo man vielleicht irgendwie staunen konnte auch und ein bisschen, nicht vielleicht Panik kriegen konnte, aber dann doch ein bisschen Angst kriegen konnte, ob dieser Gefahren, die da kommen, aber gleichzeitig sollten sie auch Spaß machen. Es waren Filme vor allen Dingen für Teenager, die dann ins Autokino zum Beispiel gehen und dann dort ihr Vergnügen mit diesen Monster angriffen haben.
Gunnar:
[9:30] Heute würde man ja sagen, das ist Schund. Ja, so Groschenroman als Film. War das damals auch schon als Schund gemeint? Oder war das leichte Unterhaltung oder wurde das irgendwo in ernsthaften Filmzeitschriften auch diskutiert?
Christian:
[9:44] Also ernsthaft diskutiert wurden die gar nicht. Und da ist der Film, der hier als Aufhänger dient, dann auch eigentlich schon wieder ein atypisches Beispiel. Them ist eine Studioproduktion, es ist von Warner Brothers inszeniert. Das ist ein Film, der hat tatsächlich 1955 eine Oscar-Nominierung für die besten visuellen Effekte gekriegt. Es gibt ein paar Filme, die von den Studios damals produziert wurden. Nicht für das größte Geld, aber zumindest dann halt mit vernünftigem Budget und auch mit fähigen Leuten, die das inszeniert haben. Ein ganz großer Teil dieser Bewegung ist aber eine Filmproduktion, die von Independence gemacht wird. Das sind Enthusiasten, das sind Leute, die mit geringstem Geld innerhalb von ein paar Tagen diese Streifen runterkurbeln und dann oft mit sehr, sehr Hand- und Hausgemachten Effekten dann irgendwie ihren Schrecken zu verbreiten suchen. Du bist mit den Groschen-Romanen da schon auf einer richtigen Spur. Der Appeal ist natürlich der gleiche wie bei Groschenheften. Und sie wurden auch dann so als minderwertige Ware angesehen.
Chris:
[10:40] Worum geht es denn in diesen Filmen? Worum geht es insbesondere in Them?
Christian:
[10:44] Also pauschal, worum es geht. Du hast gesagt, Big Bugs. Es kommen Monster, die irgendwie den American Way of Life bedrohen. Es gibt dann oft so ein apokalyptisches Moment, dass dir gesagt wird, dass was immer da jetzt passiert, sich verbreiten würde und dann innerhalb von einer Zeit die ganze Menschheit auslöschen könnte. In Them sind es gigantische Ameisen. Man findet also eine Polizeistreife in der Wüste von New Mexico, ein verängstigtes Kind, die Eltern sind verschwunden und dann wird ein Wohnwagen gefunden, der ist zerstört und dann finden sie so einen Gemischtwarenladen, der ist auch zerstört und der Eigentümer ist dort umgebracht worden. Sie wissen nicht, was es damit auf sich hat. Wissenschaftler kommen und dann finden sie eine Riesenameise dort in dieser Wüste. Eine gigantische haushohe Ameise, die sie auch sofort angreift. Und sie müssen sich dann mit Waffenkraft erwehren. Und der Wissenschaftler informiert sie dann darüber, dass Ameisen gewöhnlich in großen Staaten auftreten. Das heißt, da wird es irgendwo einen Bau geben, wo es dann Dutzende, Hunderte, vielleicht sogar Tausende von diesen Ameisen gibt. Sie müssen diesen Bau also finden, die Ameisen ausrotten. Und dann kommt der Moment, wo der Wissenschaftler sagt, naja, da gibt es Königinnen, die können wegfliegen und bauen dann irgendwo eine neue Kolonie auf. Das heißt, die können sich in kürzester Zeit wirklich über die komplette Welt verbreiten.
Chris:
[12:01] Das ist ja unangenehm.
Christian:
[12:03] Das will man verhindern, ja. Und deswegen rückt dann auch das Militär sehr schnell an.
Chris:
[12:06] Bevor wir dazu kommen, wie das dann ausgeht, das kann ja nur Teil eines Genres sein, wenn es also auch noch Filme mit anderen großen Monstern gibt in dieser Ära. Was finden wir denn da so? Ameisen ist ja jetzt schon nicht unbedingt das erste, das naheliegendste Tier, auf das ich kommen würde, wenn ich irgendetwas riesenhaft übersteigern möchte. Aber was haben wir denn da noch so?
Christian:
[12:25] Also du hast im Prinzip alles. Ich habe leider noch keinen Murmeltierfilm gefunden, aber es gibt Spinnen, es gibt Ameisen, Es gibt Krabben, es gibt Seeschlangen, Blutegel, Kraken, wirklich alles. Es gibt auch Riesenmenschen, auch diese Variante gibt’s. Ganz besonders interessant ist da der Filmemacher Bert I. Gordon, dessen Initialen, B.I.G., Ja schon darauf hinweisen, dass er sich gern mit Sachen beschäftigt hat, die groß werden. Der hat also nicht nur Spinnen, der hat Grashüpfer, der hat große Enten, der hat große Katzen, der hat sogar große Teenager in seinen Filmen. Alles, was da kreucht und fleucht, das Einzige, was nie groß war bei ihm, waren die Budgets.
Gunnar:
[13:03] Ha, ha, ha.
Chris:
[13:05] Ich habe dich aber richtig verstanden, dass wenn man sich jetzt nur Them anguckt, den Film, dass man dann vielleicht ein falsches Bild von dieser Art von Filmen bekommt, weil das eine Studioproduktion war und damit vergleichsweise professionell und aufwendig. Wie muss ich mir denn dann den typischen Riesenkreaturenfilm der Zeit vorstellen?
Christian:
[13:25] Naja, du stellst dir quasi einen Film vor, der sehr, sehr kurz ist. Viele von denen dauern dann 70 Minuten oder so. Die sind dann in manchmal vier Tagen oder einer Woche für ganz, ganz günstiges Geld herabgedreht und du hast ein Monster, was vielleicht für 50 Dollar in irgendeiner Garage zusammengebaut wurde. Also ich habe Bert I. Gordon zum Beispiel genannt und dem sein wunderbarer Grashüpferfilm Beginning of the End, in dem eben gigantische Grashüpfer uns bedrohen und das Militär rückt an. Da gibt es dann eine Szene, wo die Grashüpfer an einem großen Gebäude hochklettern und das ist so inszeniert, dass du ein Foto von einem großen Gebäude hast und daran klettern dann normal große Grashüpfer herauf. Und die sind angetrieben mit einem Föhn, damit die sich überhaupt in die richtige Richtung bewegen und dann schneidet der Film halt auf irgendwelche Flugzeuge und Helikopter, die auf diese Grashüpfer schießen und dann schneidet er zurück zu den Grashüpfern, die runterfallen und runterfallen tun sie, weil Bert Gordon von hinten gegen die Fotografie geklopft hat, damit die Grashüpfer dann nach unten fallen.
Christian:
[14:28] Du hast Filme, die gigantischen Blutegel, The Giant Leaches, das sind Leute in irgendwelchen Gummimänteln und da siehst du halt auch schon mal Schwimmflossen. Du hast Filme, wo du die Reißverschlüsse von den Kostümen siehst oder wo kaschiert wird, dass du sie nicht siehst, indem sich die Monster dann nur rückwärts bewegen und sich nie umdrehen. Sie waren sehr kreativ, wie man ohne Geld sowas inszenieren kann. Meistens sind die Filme natürlich auch nicht so spektakulär, wie es die Plakate dann suggerieren. Aber das ist eigentlich so der Modus, in dem die sich befinden. Heute verschwimmt das natürlich ein bisschen, weil heute auch ein guter Spezialeffekt aus den 50er-Jahren extrem offensichtlich ist. Und egal, wie kreativ gemacht er ist, trotzdem sofort als Spezialeffekt identifiziert wird. Aber selbst für die damalige Zeit waren das natürlich häufig bei den Billigfilmen durchschaubare Effekte, wo die Leute auch damals geschmunzelt haben. Eines der legendärsten und berüchtigsten Monster der Filmgeschichte ist in The Creeping Terror aus der Zeit. Das ist ein Monster, das sieht aus wie ein Teppich. Das ist einfach ein Teppich.
Chris:
[15:31] Also ich nehme an … Die Filmemacher haben ihre Monster in diesen Fällen denn in der Regel aus Scham oder vielleicht auch aus Budgetgründen auch nicht so häufig gezeigt in den Filmen? Also netto wird da nicht so viel Monster drin sein in der Laufzeit, oder?
Christian:
[15:45] Tatsächlich heben sie sich die Monster oft für ganz später auf, natürlich, weil sie nicht so effektiv sind. Manche Filmemacher können besser damit umgehen als andere. Aber es gibt beispielsweise die Geschichte von dieser legendären Roger Corman-Produktion The Beast with a Million Eyes, wo dann der Mann vom Vertrieb sich beschwert hat, dass überhaupt nicht dieses Beast with a Million Eyes im Film vorkommt. Dann haben sie halt Szenen nachgedreht, eben mit einem Monster, was für 50 Dollar schnell gebaut wurde. Und ein Raumschiff für 200 Dollar haben sie auch. dazu gebaut. Das sah natürlich nicht aus wie das Plakat, mit dem sie den Film schon verkauft hatten. Da gab es dann kurz Diskussionen darüber, ob sie das vielleicht alles nochmal neu machen sollen. Aber nein, er ist dann genauso rausgekommen und hatte dann so im hinteren Drittel ein paar drangeklebte Monsterszenen, die vielleicht gar nicht im Film sonst gelandet wären.
Gunnar:
[16:32] Du hast gesagt, Them sei das offenkundige Vorbild. Und das ist ja auch der bekannte, Film, in dem Ameisen vorkommen, also schon klar. Aber ich habe irgendwann mal It Came From Outer Space gesehen. Und das hat ja zumindest eine Namensähnlichkeit zu It Came From The Desert. Und wenn man sich das Intro anschaut von It Came From Outer Space, dann ist das sehr ähnlich zu dem Intro des Spiels. Ist das auch einfach ein Film aus dieser Reihe oder ist das ein bisschen was anderes, weil es da nicht um riesenhafte Teenager geht, sondern um Aliens?
Christian:
[17:05] Ja, das ist eine andere Strömung, die sich durchaus vermischt und gar nicht so leicht trennen lässt. Also ja, das Intro in It Came From Outer Space, Gefahr aus dem Weltall, heißt der bei uns. Dann landet so ein Meteorit bei so einer Kleinstadt. Es gibt eine Explosion und dann verschwinden plötzlich Bewohner dieses Dorfes und kommen nach kurzer Zeit wieder zurück. Und sie sind irgendwie anders. Die werden quasi repliziert und sind dann halt eigentlich Außerirdische. Und das ist eine Strömung, die vermischt sich sehr mit diesen Monster-Movies. Das ist eine generelle Science-Fiction-Strömung zu der Zeit. Also zum Kontext muss man dazu vielleicht bedenken. 1947, also ein paar Jahre vorher, gab es die erste UFO-Sichtung. Kenneth Arnold, ein Pilot, hat behauptet, dass er fliegende Untertassen gesehen hat, beziehungsweise die Bezeichnung fliegende Untertassen, ist etwas, was dann fehlberichtet wurde. Er wollte nur irgendwie erklären, wie die fliegen. Er meinte, die fliegen ungefähr so, wie wenn du eine Untertasse übers Wasser wirfst und die springt dann immer so wieder nach oben.
Christian:
[18:03] 1951 kommt dann der große Science-Fiction-Monsterfilm »Das Ding aus einer anderen Welt«.
Christian:
[18:09] Das ist so ein bisschen eine Mischung. Das ist ein Monster. Das ist aber kein gigantisches Monster, sondern das ist ein menschenähnliches Monster, was so im ewigen Eis gefunden wird und dann die Mitarbeiter von seiner Forschungsstation in Unruhe bringt und bekämpft werden muss. Und das startet natürlich ein großes Interesse an Science Fiction am Weltall. Und die ganze Raumfahrt ist ja da noch Zukunftsmusik. Erst 1957 ist tatsächlich der erste Satellit im Weltall, Sputnik. Und erst 1969 sind wir dann bei der Mondlandung. Alles, was hier passiert, ist also wirklich aufgrund eines, sage ich mal, naiven Interesses am Weltall.
Christian:
[18:43] Und das bietet sich natürlich an, dass sich das vermischt. Und die Monster, die irgendwie groß werden, haben dann meistens etwas damit zu tun, dass im Zweiten Weltkrieg Atombomben abgeworfen wurden. Es gab ja Experimente mit Atombomben und es gab dann die Abwürfe von Atombomben auf Japan. Und die haben dann etwas mit der Strahlung zu tun. Die anderen Science-Fiction-Filme haben etwas mit Besuchern aus dem Weltall zu tun. Aber beides vermischt sich dann oft. Und du hast dann auch sehr häufig irgendwelche mutierten Aliens beispielsweise. Du hast zum Beispiel eben der Blob, den ich erwähnt habe, so eine Alien-Amöbe, die eine Kleinstadt auffrisst. Du hast alle möglichen Arten von Seemonstern oder beispielsweise in dem Film The Beast from 20,000 Fathoms, Panic in New York, der ist sogar ein Jahr vor Them erschienen. Das ist dann ein großer Dinosaurier, der kommt und der ist auch durch Atombombentests aufgeweckt worden. Da finden also so ein paar, sag ich mal, Kontextideen zusammen, die dann darin natürlich gipfeln, dass auf die eine oder andere Weise Amerika sich einer ständigen Bedrohung entgegensieht.
Chris:
[19:43] Das mit der atomaren Strahlung als Auslöser ist ja auch in Them so. Die Ameisen werden deswegen riesenhaft, weil wir sind nicht ohne Grund in New Mexico dort Atomwaffentests durchgeführt worden vom amerikanischen Militär. Die Trinity Test, die erste Atombombe in der Wüste von New Mexico, hat laut der Lore des Films dafür gesorgt, dass die Ameisen dann Jahre später mutiert und riesenhaft geworden sind. Was gibt es denn noch an anderen Erzählmustern oder wiederkehrenden Elementen, die wir in dieser Gattung von Filmen in den 50er Jahren finden, außer dass irgendetwas riesenhaft übergroß geworden ist?
Christian:
[20:18] Also was ein ganz großer Bestandteil immer dieser Geschichten ist, ist so eine, ich sage mal, pseudowissenschaftliche Erklärung. Wissenschaftler spielen da immer eine ganz, ganz wichtige Rolle. Und das hat natürlich sowohl mit der Atombombe als auch mit diesen UFO-Sichtungen zu tun, weil wir ja in beiden Fällen von irgendeiner Technologie reden, die irgendwie noch etwas unbekannt ist oder nicht richtig erforscht ist und gleichzeitig Angst macht. Und deswegen sind die Wissenschaftler dann auch sehr unterschiedlich gezeichnet in diesen Filmen. Also du hast dann sehr, sehr häufig eine Szene, wo der Wissenschaftler einen Vortrag hält, wo er die Bedrohung erklärt. Das hast du in Wem ja auch, da gibt es diesen älteren Herren, der dann den Ameisenbau erklärt. Und er hat ja dann dazu auch seine Papiere, also Zeichnungen und irgendwelche Unterlagen, wo er dann Daten herauswirft, eben wie Ameisen leben. Er hat ja sogar einen Lehrfilm mitgebracht, wo wir dann kleine Ameisen sehen, wie die halt irgendwie in ihrer Kolonie herumwuseln und sich fortpflanzen und alles. Und das hast du in anderen Filmen dann auch. Manchmal sind diese Wissenschaftler auch als sehr verantwortungslos gezeichnet oder zum Beispiel als sehr kühl. Im Erwähnten das Ding aus einer anderen Welt beispielsweise, da ist der Wissenschaftler derjenige, der das Biest erforschen und nicht umbringen will, soweit verständlich. Aber er hat keinerlei Empathie für die Menschen, die auf dieser Station umkommen durch das Biest, sondern für ihn ist die Forschung das, was über allem steht.
Christian:
[21:40] Bezeichnenderweise heißt es an einer Stelle dann, er ist nicht wie unser Eins, er ist ein Wissenschaftler.
Chris:
[21:48] Also wenn die Wissenschaft so eine große Rolle in diesen Filmen spielt, um die Bedrohung erklären zu können. Hilft sie denn am Ende dann auch, sie zu besiegen? Wie werden denn die Riesenmonster in diesen Filmen typischerweise in die Knie gezwungen? Ist es dann der heldenhafte Einzelkämpfer oder ist es die geballte Macht der US-Armee oder ist es irgendein Wissenschaftler, der einen Supervirus züchtet oder sowas?
Christian:
[22:12] Ja, nee, es ist tatsächlich die gute alte amerikanische Art der brutalen Gewalt meistens.
Chris:
[22:18] Kommt die Kavallerie am Schluss.
Christian:
[22:19] Richtig, ja. Das Militär rückt an, große Panzer und Waffen und Flammenwerfer. Das ist sehr beliebt, dass die Monster dann abgefackelt werden und auf irgendwelche andere Weise vernichtet werden. Also die Bedrohung muss wirklich nicht nur zurückgedrängt, sondern vernichtet werden. Es ist tatsächlich auch immer so eine kollektive Arbeit eigentlich. Also im Zweiten Weltkrieg war es ja noch so in Amerika, dass dieser Einsatz für das größere Gute noch ein Narrativ war, was ja gefruchtet hat bei den Leuten. Also wir halten zusammen, um jetzt das Richtige zu tun. Und das merkst du in diesen Filmen dann schon auch noch. Wenn es da so Einzelkämpfer gibt, dann können die manchmal gewisse Einzelaktionen lösen, also dass sie zum Beispiel eine bestimmte Figur retten können, aber nicht, dass sie die komplette Bedrohung zurückschlagen. Und die Wissenschaftler helfen dann halt manchmal mit dem, was sie den Leuten an Informationen geben, so wie du das bei Formicola oder Them hast, wo der ja durch die Informationen, die er über Ameisen hat, Hinweise immer wieder streuen kann, wohin sie jetzt als nächstes schauen müssen, um dieser Bedrohung Herr zu werden. Aber manchmal sind die eben auch kinderlich und dann müssen die ignoriert werden oder vielleicht auch mal ausgenockt werden mit einem Schlag aufs Kinn, damit dann die echten Männer wieder die Problemlösung in die Hand nehmen können.
Chris:
[23:35] Ich habe zu dieser Kategorie von Film verschiedene Arten von Genre-Einordnungen gelesen. Das wird mal als Science-Fiction-Film klassifiziert, mal als Horrorfilm, hat aber ja auch Elemente von einem Thriller stellenweise oder vielleicht auch von einem Action-Film. Kann man das irgendwie festnageln, Christian, oder ist das im Endeffekt eine Genre-Mischung?
Christian:
[23:57] Das ist eine Genre-Mischung, was man schon daran merkt, dass wir hier immer über Science-Fiction-Filme reden, aber sie halt eigentlich Horrorelemente haben, nämlich Monster, die dann in irgendwelchen Köhlen zum Beispiel hausen oder aus irgendeinem Bau hervorkommen und Menschen umbringen. Die Action spielt insofern eine Rolle, als dass du natürlich diesen Militäreinsatz siehst und Waffengewalt und so weiter. Das überliegende Prinzip ist eigentlich das Spektakel, mit dem dich die Filme locken wollen.
Gunnar:
[24:22] Aber ich habe das schon richtig verstanden. Das ist in Autokinos gelaufen. Ich hätte jetzt gedacht, in Autokinos laufen eher die Blockbuster für die anspruchsvolle Jugend vom Dorfe. Aber solche Sachen, die ja dann so offenkundig zweitklassig waren oder vielleicht Camp, die liefen da schon auch.
Christian:
[24:39] Genau, ja, die Drive-In-Kinos waren tatsächlich ein sehr, sehr großer Absatzmarkt dafür. Also es gab in den Städten ja diese Grindhouse-Kinos, den Begriff kennt man ja mittlerweile dank Quentin Tarantino, das bei uns vergleichsweise das Bahnhofskino wäre, also dort, wo die nicht so reputablen Filme laufen. Aber die Drive-In-Kinos draußen, die waren natürlich gerade für die Teenager besonders interessant, weil man dort mit seinen Freunden rausfahren kann und dann macht man eine Büchse Bier auf oder so und hat Spaß mit dem Film. Oder man fährt mit einem Date hin und wenn es dann vielleicht mal gruselig wird, dann hilft das ja auch bei der Annäherung, ganz andere Geschlecht. Da ist die mangelnde Qualität der Filme oder dieses, sage ich mal, sehr Handgemachte der Filme dann auch kein Hinderungsgrund, weil du nicht als Cineast hingehst, sondern auch so ein bisschen als kollektive Erfahrung, sage ich mal, dass du mit anderen Leuten dort bist und einfach deinen Spaß hast zum Zeitvertreiben. Und tatsächlich sind Teenager ja auch ein ganz, ganz großer Absatzmarkt für diese Filme, weswegen es da dann tatsächlich auch Filme gibt, die sich mit Teenagern kreuzen sozusagen. Also Burt I. Gordon hatte gigantische Teenager, aber es gibt dann auch Teenagers from Outer Space und so weiter. Also auch dieser Markt wird dann tatsächlich angezapft.
Chris:
[25:43] Vielleicht zum Abschluss noch Christian, wenn das also eine Welle von Filmen war, die über ein paar Jahre oder vielleicht ein Jahrzehnt hinweg populär waren und dann aber auch wieder verschwunden sind, wie ist denn die Nachwirkung bzw. Wie würdest du jetzt mit dem Abstand von 70, 75 Jahren den Charme dieser Filme beschreiben? Ist das was für die historische Schublade? War damals cool, jetzt vergessen. Oder hat das irgendetwas, wo man auch heute noch mit dem historischen Blick sagen würde, das war relevant?
Christian:
[26:17] Also ganz viele Filmemacher beziehen sich auf diese Filme, weil das halt die Filme ihrer Jugend sind. Also beispielsweise Guillermo del Toro, der dann mit The Shape of Water sich bezieht auf der Schrecken vom Amazonas, von Jack Arnold. John Carpenter beispielsweise, der ist großer Fan von diesem 50er-Jahre-Film gewesen. Der hat dann diese Idee von Watch the Skies, die am Ende von Das Ding aus einer anderen Welt steht, auch in andere seiner Filme übernommen. Man muss sie mit ein bisschen Augenzwinkern sehen. Wenn man die jetzt wirklich als ganz ernsthafte, aufregende Science-Fiction-Unterhaltung sieht, dann wird man da bestenfalls schmunzeln, aber vielleicht das Ganze auch abdrehen. Aber der Charme, den sie haben, der ist tatsächlich da. Und der hält sich auch. Und ich glaube, gerade in der heutigen Zeit, wo ja viele Leute der CGI-Overkill so etwas überdrüssig sind, ist das tatsächlich auch sehr interessant, sich anzuschauen, wie jemand ohne diese Mittel einen Film gemacht hat. Also wie diese Monster gebaut wurden, wo du eben tatsächlich auch die Nähte siehst, wo du siehst, wie sie gesteuert wurden, wo du siehst, wie dann vielleicht nicht die besten Schauspieler rekrutiert wurden, sondern Leute, die halt hoffnungsfroh waren und jung und einfach nur mal für 100 Dollar froh waren, die Hauptrolle in einem Spielfilm gekriegt zu haben.
Christian:
[27:28] Das sind Filme, die so ein bisschen das auch anregen, diesen Gedanken, ach, das kann ich ja auch. Oder das ist spaßig, sowas zu unternehmen. Wenn man diesen Blick darauf hat, dann sind die, finde ich, auch alle reizvoll und charmant. Aber man muss auch immer das Historische mit daran betrachten. Also sie werden einfach nicht mehr so aufregend sein, wie sie es vielleicht damals waren. Oder ich sage mal, wie die Besten ihrer Art damals waren. Es gibt natürlich sehr gute aus der Zeit. Formicula oder Them ist einer davon. Tarantula von Jack Arnold ist einer davon. Das sind wirklich tolle und aufregende Filme, die man auch heute noch sehr gut schauen kann. Und die anderen Filme, da gibt es Liebhaber für und man kann sie entdecken, aber ein bisschen Augenzwinkern muss man mitbringen.
Chris:
[28:08] Wunderbar, Christian. Dann haben wir jetzt, glaube ich, einen guten Eindruck davon gewonnen, über welche Art von Filmen wir hier sprechen und wie die gestaltet sind. Dann werden Gunnar und ich uns jetzt mal das It Came From The Desert genauer angucken und schauen, was wir da aus den Filmen wiederfinden und wie es diese ganzen Stilistiken aufgreift. Vielen Dank dafür, dass du uns hier deine Expertise mitgebracht hast.
Christian:
[28:29] Ja, danke für die Einladung und viel Vergnügen bei It Came From The Desert. Ich war im Kampf gegen die Ameisen leider nie sehr gut. Ich hoffe, ihr könnt uns retten.
Chris:
[28:36] Wir tun unser Bestes.
Christian:
[28:38] Tschüss.
Chris:
[28:39] Tschüss.
Gunnar:
[28:40] Ciao.
Chris:
[28:40] So, und damit sind wir also wieder bei It Came From The Desert, das, wie gesagt, insbesondere auf Them basiert. Jetzt muss ich noch vorweg schicken, Gunnar, es ist jetzt natürlich nicht ungewöhnlich, dass Spiele, auch in dieser Ära, It Came From The Desert ist ja von 1989, also Spiele der späten 80er auf Filmen basieren. Im Jahr 89 lief in den Kinos zum Beispiel Batman, da lief Indiana Jones und der letzte Kreuzzug, James Bond Lizenz zum Töten, Zurück in die Zukunft 2. Zu jedem von diesen Filmen gab es eine Spielumsetzung. Aber das sind dann Spiele, die exakt den jeweiligen Film umsetzen, also wo man den nachspielen kann und jetzt nicht unbedingt Spiele, die so ähnlich sein wollen wie eine bestimmte Gattung von Filmen.
Chris:
[29:24] Das gibt es aber auch schon vor It Came From The Desert. Das ist aber seltener. Also sowas wie wenn wir ins Infocom-Lineup schauen, da finden wir The Leather Goddesses of Phobos von Steve Maritzki. Das bezieht sich auch auf die Pulp-Sci-Fi-Filme jetzt eher der 60er. Also vor allen Dingen Barbarella mit Jane Fonda. Oder wir haben bei Stay Forever schon über Déjà-vu gesprochen. Also über ein Spiel, das sich explizit auf die Noir-Krimis der 40er bezieht. Borrow Time wäre auch noch so ein Beispiel, das in die gleiche Kategorie fällt. Also da geht es nicht um ein Spiel, das auf einem bestimmten Film basiert, sondern einfach auf einer Genregattung. Und diese Arten von Spielen, die nehmen dann in der Regel halt so inhaltliche und stilistische Versatzstücke aus ihren Vorbildern, weil sie eine bestimmte Atmosphäre erzeugen wollen, die ähnlich ist wie im Film. Aber sie wollen nicht unbedingt sein wie ein Film. Die stellen nicht die Inszenierung an erste Stelle, sondern schon die Spielmechanik.
Chris:
[30:16] Und das Neue und Besondere an manchen der Cinema-Wer-Spieler, zum Beispiel Defender of the Crown, war, dass die Inszenierung jetzt einen viel höheren Stellenwert hat. Das soll jetzt nicht nur inspiriert sein von filmischen Vorbildern, sondern das soll sich auch in den Schauwerten und in der Dramatik, dem Handwerk des Films.
Chris:
[30:36] Also nicht nur reine Spielmechanik wie bei Arcade-Spielen, sondern das Ganze schon eingebettet in Erzählszenen, in zeigende Szenen und aber auch nicht nur lange und geruhsame Erzählungen wie bei einem Adventure, sondern schon auch ständiger Tempowechsel, unterbrochen durch abwechslungsreiche Interaktionspassagen, wo was passiert, wo Dramatik entstehen kann, also überwiegend Actionsequenzen, wo man auch klassische klischeehafte Kinoszenen dann ausspielen kann an seinem Computer. Das Schwertkampf-Duell im historischen Abenteuerfilm, das Drive-By-Shooting im Gangsterfilm, die Tortenschlacht in der Slapstick-Komödie, das alles zum Selberspielen. Das ist das, was wir so im Programmheft von CinemaWerdern finden.
Gunnar:
[31:17] Und das ist auch wirklich auch zu dieser Zeit noch neu und frisch und anders. Ich finde, du hast es sogar noch ein bisschen unterverkauft mit den Spielen, die sich Versatzstücke nehmen. Ganz oft ist das Versatzstück ja nur die Figur und der Name. Wenn wir uns mal so an die Frühzeit erinnern, an das E.T.-Spiel, da ist diese ganze komplexe Unterhaltung mit dem Alien, das nach Hause muss, ist reduziert auf, ich laufe über so eine Ebene und falle in irgendwelche Löcher. Oder man nimmt sich aus dem Film eine Kampfszene und die ist dann in Extenso ausgespielt, das Spiel. Und die ganze Handlung des Films wird gar nicht wiedergegeben, macht man sich auch gar keine Mühe oder man macht ein paar Zeilentext dazu und vielleicht ein Bild. Das ist schon ein wesentlicher Unterschied, weil jetzt hier bei It Came From The Desert man sozusagen beim Denken mit dem Film anfängt und dann ins Spiel kommt, weil man braucht ja noch Spielelemente und nicht umgekehrt. Sonst ist es halt so, ich habe eine Game-Mechanik, was weiß ich, ich laufe von links nach rechts, ich schieße und kann dabei hochspringen und jetzt muss das noch irgendwie auf Film getrimmt werden und dann kommt halt noch eine Einblendung oder so. Und diese Dynamik, die Spiele zu der Zeit oft noch haben, ist umgekehrt jetzt hier.
Chris:
[32:27] Das ist natürlich auch ein Zeichen der rapiden technologischen Entwicklung auf dem Atari VCS. Da sind Filmumsetzungen zwangsläufig, in der Regel Umsetzungen eines einzigen Gedankens oder eine Szene. Ich erinnere da nur an die Empire Strikes Back, wo das gesamte Spiel nur aus Schießen auf AT-ATs besteht. Der gesamte Film von 90 Minuten Laufzeit runterkondensiert auf eine einzige Actionsequenz und das ist das dazugehörige Spiel.
Chris:
[32:52] Aber mehr geht halt auch einfach nicht. Und jetzt sind wir ja zehn Jahre später, im Endeffekt, Ende der 80er, auf einer Maschine auf dem Amiga, das ist ganz wichtig, die so ein technologisches Wunderwerk ist, in dieser Zeit so ein technologischer Sprung, dass auf einmal ganz andere Dinge möglich werden, dass Spiele viel vielfältiger und auch viel zeigefreudiger sein können und auch multimedialer in der Hinsicht, dass da jetzt also auch Musik, Samples, Sprachausgabe sogar sich mit vergleichsweise hochauflöchstenden Pixelgrafiken verbinden lassen. Das Ganze soll dann aber trotzdem natürlich auch noch irgendwie ein Spiel ergeben. Und an dieser Herausforderung, da irgendwie noch ein Spiel draus zu machen, ist Cinemaware ja jetzt schon jahrelang gescheitert zu diesem Zeitpunkt. Ja, das glaube ich, können wir mehr oder weniger so festhalten. Da gibt es ja eine lange Reihe von mehr oder weniger gelungenen Versuchen, so etwas zu machen. Und überwiegend ist es auf der weniger gelungenen Seite. Und jetzt kommt It Came From The Desert. Und ich glaube, da müssen wir jetzt erst mal zusammen das Spiel in Szene setzen.
Gunnar:
[33:56] Wir sind im Jahr 1951, wir befinden uns irgendwo im Westen der USA und wir sind natürlich in der Wüste. Die Explosion, die wir gerade gehört haben, das war der Einschlag eines Meteoriten in der Nähe der Kleinstadt Lizardbreath. Das ist ein gottverlassendes Kaff irgendwo in der US-amerikanischen Steinwüste.
Chris:
[34:52] Dieser Meteorit namens Stohlheinz A. 221357 ist ein Glückstreffer für uns, Dr. Greg Bradley, denn wir sind Geologe. Und wir sind genau deshalb in Lizard Breath, um dort nach Meteoritensplittern zu suchen. Als das Spiel beginnt, waren wir gerade eine Woche im Urlaub, kommen nach Lizard Breath zurück und erfahren dann, dass da vor ein paar Tagen dieser Meteorit eingeschlagen ist, irgendwo da draußen in der Wüste. Aber irgendwas hat sich in der Zeit, in der wir weg waren, auch verändert. Neben der drückenden Hitze liegt eine neue Schwere über der Stadt und eine unbestimmte Stimmung flirrt in der Luft.
Gunnar:
[35:32] Da ist zum Beispiel Geez. Und das ist ein Prospektor, ein alter, weißbärtiger Mann, der kommt am Morgen des 1. Juni 1951 an unsere Tür und will uns wie immer Gesteinsproben bringen. Und dabei erzählt er, sein Maultier, das bockt seit Neuestem und das weigert sich in Richtung des Vulkankraters im Südwesten zu gehen.
Chris:
[35:56] In dem Moment, als wir mit Geez sprechen, kommt auch Biff herein. Das ist ein Student hier im Ort, den wir als Aushilfe angeheuert haben. Und fragt, ob wir es schon gehört haben. Einige Arbeiter wollen seltsame Geräusche aus der Pipeline im Norden gehört haben. Und JD, einer der Rinderfarmer in der Gegend, hat einer seiner Kühe tot aufgefunden, ohne Kopf.
Gunnar:
[36:17] Dann klingelt das Telefon und am anderen Ende ist Bert Lamont, der Reporter der örtlichen Tageszeitung, und fragt, ob wir Zeit hätten für ein Interview wegen dieses Meteoriten. Wir sollen in der Redaktion vorbeikommen. Der Biff ist nicht begeistert, als er davon hört, Er hält den Lamont für einen zwielichtigen Typen, der angeblich schon mal mit dem Messer auf jemanden losgegangen sei.
Chris:
[36:37] Aber jetzt haben wir ja erst noch mal was Vorrangigeres zu tun, nämlich diese Gesteinsproben anzugucken, die Geez uns vorbeigebracht hat. Das machen wir gemeinsam mit Biff und eine davon ist ausgesprochen seltsam. Die ist nämlich glühend heiß und als wir sie messen, stellen wir fest, die strahlt auch intensiv radioaktiv. Wo hat Gies diesen Stein gefunden? Jetzt ist er schon weggegangen, aber wir wissen, der Alte sitzt um die Zeit meistens in der Stadt im Riordan’s Pub und wenn wir Glück haben, ist er noch dort.
Gunnar:
[37:18] Im Pub plätschert Country-Musik aus dem Radio. Es ist nicht viel los um diese Zeit, aber Gies sitzt da. Er kann sich nicht genau erinnern, wo er die Gesteinsproben her hat. Aber vielleicht ein Getränk? Dann könnte er sich vielleicht wieder erinnern. Das wird ihm auf die Sprünge helfen. Dann geben wir ihm ein Mineralwasser aus. Und die Proben erzählt Geez uns dann. Die hat er hinter dem Steinbruch eingesammelt.
Chris:
[37:45] Jetzt wird es mal Zeit für einen Blick auf die Karte. Lizard Breath liegt in einem weiten Wüstental. Das ist im Norden und im Westen eingerahmt von einer Bergkette aus mehreren erloschenen Vulkanen. Und hier betreibt eine Bergbaugesellschaft insgesamt fünf Minen. Das ist der größte Arbeitgeber der Region. Der zweitgrößte ist die Armeebasis im Südosten der Stadt. Im Norden führt an Lizard Breath eine Ölpipeline vorbei und im Umland liegen auch noch ein paar Bauernhöfe. Der Steinbruch, den Gies erwähnt hat, der befindet sich etwa zwei Autostünden im Südwesten der Stadt. Genau hinter JDs Farm, da wo diese kopflose Kuh gefunden wurde. Und auch nicht weit entfernt von dem Vulkankrater, der Geez Esel so widerstrebt.
Gunnar:
[38:29] Gibt es da einen Zusammenhang? Ist etwa dort der Meteorit eingeschlagen? Dr. Greg Bradley steigt in sein Auto und beschließt, na, dann gehen wir der Sache mal auf den Grund.
Chris:
[38:48] Tja, das ist der Einstieg von It Came From The Desert. Was wir euch beschrieben haben, sind die ersten Spielminuten, in denen schon einige Entscheidungen zu treffen waren. Das, was hier passiert ist, das ist nicht notwendigerweise so. Je nachdem, wie man sich in dem Spiel entscheidet, erlebt man einige von den Szenen, die wir beschrieben haben, oder nicht. Denn was wir hier am Anfang des Spiels vorgesetzt bekommen, ist im Endeffekt so eine Art Adventure, Gunnar, oder?
Gunnar:
[39:18] Ja, also es hat eine ganze Reihe von Adventure-Mechaniken. Erstmal, was ganz interessant ist und ein bisschen ungewöhnlich, ist, dass es im Spiel eine Karte gibt von dieser Stadt Lizard Breath und dass da alle möglichen Orte schon vorverzeichnet sind. Also man muss diese Karte nicht erforschen. Man kann da mit der Maus drüberfahren, dann wird einem gesagt, was da ist. Und man kann sich auf dieser Karte frei bewegen. Und diese Stadt Lizard Breath unterliegt einer Art von Simulation, möchte ich nennen, weil es gibt hier einen Tag-Nacht-Wechsel und die Geschäfte schließen zu bestimmten Zeiten und die Leute sind zu bestimmten Zeiten nicht da, wo man sie suchen würde, weil sie einem Tagesablauf folgen.
Chris:
[39:58] Also es gibt überhaupt einen Zeitverlauf, einen Echtzeitverlauf. Während wir auf das Spiel starren, auf unsere Wohnung, in der das ganze Spiel startet oder auf die Karte oder uns in einem Dialog befinden, läuft fortwährend die Zeit weiter. Eine Sekunde in unserer Zeit entspricht ungefähr einer Minute im Spiel.
Gunnar:
[40:16] Und das, wo du eben darauf hinaus wolltest, die Adventure-Mechaniken, das ist ein stark dialoggetriebenes Spiel. Diese ganzen Szenen mit Biff und dem Geez, das sind alles Multiple-Choice-Dialoge, wo man aus ein bis vier Antworten dann auswählt, was man diesen Leuten sagt und was man da mit denen zu besprechen hat. Zum Beispiel kann die Szene mit Biff, wo wir eben lässig gesagt haben, dass wir diesen Gesteinsbocken untersuchen, da kann man auch, wenn man das ein bisschen anders fragt, dann nimmt der Biff das alleine raus, diesen Gesteinsbocken lässt ihn fallen, weil er so heiß ist und dann fängt das Haus an zu brennen, in dem wir sind.
Gunnar:
[40:55] Und dann ist man gleich in der ersten Action-Szene, weil dann sieht man wie bei einem Ego-Shooter über die eigene Hand, die einen Feuerlöscher hält und dann muss man das Feuer löschen mit dem Feuerlöscher.
Chris:
[41:05] Ja, dass die Action-Szenen da nicht weit entfernt sein werden, das ist bei einem Cinema-Ware-Spiel ja eigentlich klar und das ist natürlich nicht die Einzige, die uns in dem Spiel dann begegnet. Aber damit beginnt es natürlich nicht. Und es beginnt auch nicht mit irgendeiner Strategiekarte, wie wir das ja zum Beispiel aus Defender of the Crown kennen, sondern es beginnt mit einer Explorationskarte in einem Avenger-ähnlichen Spiel, wo man sich, wie du schon sagtest, frei von Ort zu Ort bewegen kann und währenddessen vergeht Zeit.
Chris:
[41:30] Natürlich ist die Bewegung insbesondere innerhalb des Umlandes von Lizard Breath eine mit dem Auto. Und diese Autofahrten können schon mal stundenlang dauern, gerade wenn man weiter rausfährt zu dem Steinbruch zum Beispiel, den wir beschrieben haben. Das heißt, im Endeffekt ist das so ein bisschen eine Art Zeitplanungsspiel. Man muss sich überlegen, wo fahre ich denn jetzt hin? Welche Orte möchte ich besuchen? Wo erwarte ich, dass etwas Interessantes passiert, dass ich eine interessante Person treffe, dass ich eine Entdeckung machen kann, dass ein Ereignis passiert? bis mir die Zeit des Tages ausgeht. Denn im Endeffekt ist es so, dass die interessanten Sachen in It Came From The Desert tagsüber passieren. In der Nacht ist eigentlich fast nie was los und unser Protagonist muss auch schlafen. Er braucht seinen Schönheitsschlaf mindestens sieben Stunden pro Tag. Das heißt, es empfiehlt sich sowieso in der Dunkelheit nach Hause zu gehen, auch weil, wie du sagtest, die meisten Geschäfte sind dazu und da ist also nicht mehr viel zu holen.
Gunnar:
[42:21] Man muss das auch ein bisschen, ich will nicht sagen mitschreiben, aber so ein bisschen im Kopf mitführen, wann die Läden aufmachen. Wenn man zum Beispiel vorhat, am nächsten Morgen gleich zum Bürgermeister zu gehen, dann hat es keinen Sinn, da morgens um sechs aufzustehen, weil dann muss man einfach noch warten, bis das Bürgermeisterbüro offen hat. Also dieser ganze Ablauf ist getimed und es gibt auch tendenziell optimalere Wege als andere, obwohl das Spiel auch einigermaßen gnädig ist. Man kann auch einfach ein paar Sachen falsch machen.
Gunnar:
[42:50] Und was man machen muss, ergibt sich so ein bisschen natürlich, weil das Spiel fängt nicht gleich mit einer Auftragslage an. Du musst erst mal überhaupt rausfinden, was hier los ist, weil du weißt das ja nicht. Der Spieler weiß schon, dass es hier um Ameisen geht, um große.
Chris:
[43:05] Leider schon, weil er die Packung angeguckt hat.
Gunnar:
[43:07] Gesehen, wo die riesenhafte Ameise drauf ist. Und den Screenshot von der Ameise, der auf der Rückseite der Packung ist. Der Spieler ist schon sozusagen voraufgewärmt, aber der muss sich jetzt in die Spielfigur versetzen, die von all dem noch keine Ahnung hat und mit der erstmal rausfinden, was dieses Mysterium hier überhaupt zu bedeuten hat.
Chris:
[43:27] Wir haben ja diesen interessanten Spannungsaufbau am Anfang des Spiels, dass also hier schon Vorboten von den Ameisen zu sehen sind durch den Schaden, den sie anrichten. Also, dass der Kuh, der Kopf fehlt, das war natürlich eine von den Riesenameisen.
Chris:
[43:41] Dieser Spannungsaufbau hält allerdings nicht wahnsinnig lange, denn wenn wir jetzt dieser naheliegenden Spur folgen und mal diese Farm besuchen, um den Farmer zu fragen, was mit seiner Kuh los ist, dann treffen wir dort unmittelbar auf die erste Riesenameise. Das ist also innerhalb der ersten fünf Minuten des Spiels. Es ist also jetzt nicht so, als ob das Spiel da uns lange auf die Folter spannen würde und uns über längere Zeiträume erstmal immer drastischere Auswirkungen des Ameisenbefalls zeigen würde, sondern nein, das Viech ist gleich da und es kommt auch dann gleich zum ersten Kampf, denn wir müssen uns mit dem natürlich auseinandersetzen. Das nimmt dann aber trotzdem eine ganz interessante Wendung für uns als Spielender, denn die Herausforderung oder die Hauptaufgabe ist dann nicht mehr rauszufinden, was ist die Bedrohung eigentlich, wie gesagt, das ist unmittelbar klar, sondern wie bringe ich das jetzt eigentlich anderen Leuten bei. Okay, ich habe eine riesige Ameise gesehen, aber wenn ich jetzt in die Stadt gehe und sage, also ich bin gerade haarscharf einer drei Meter hohen Ameise entkommen, dann werden mich die Leute da ein bisschen schräg angucken. Dementsprechend ist die Hauptaufgabe für, sagen wir mal, die erste Hälfte des Spiels, überhaupt erst mal Beweise zu sammeln dafür, dass diese Riesenviecher tatsächlich existieren. Denn außer uns hat die noch keiner gesehen.
Gunnar:
[44:53] Das ist ehrlich gesagt… Das Zarste am Spiel und das, was mir den größten Bruch gebracht hat, also Suspension of Disbelief, sagt man ja oft, man muss ja so ein bisschen an das Glauben, an die Handlung glauben, die einem das Spiel da präsentiert und wenn du dieser Ameise entkommst, dieser ersten Ameise, weil du musst sie nicht bekämpfen und wenn du das Spiel das erste Mal spielst, dann ist es auch ganz logisch, dass du überhaupt nicht checkst, was du in der Actionsequenz machen musst, dann läuft die halt einfach weiter und dann gehst du halt irgendwo hin und erzählst, du hast die gesehen. Wenn du das Spiel aber schon ein bisschen kannst, dann kannst du diese Ameise besiegen. Man muss in so einer Action-Sequenz, wo man in Ego-Shooter-Sicht quasi so schießbudenartig eine Pistole abfeuert, da muss man ihr die Fühler abschießen. Dann bricht sie da zusammen und dann, lieber Christian, dann liegt da eine tote Ameise. Ich weiß nicht, wo das Problem ist, dass ich da jetzt noch Leute überzeugen muss und ihnen dann Gewebeproben von einer Ameise bringen muss und so. Wenn da eine tote Ameise liegt, geht doch hin, guckt sie euch an.
Chris:
[46:05] Ja, nicht nur das. Erstens haben wir uns ja in dem Moment, wo die Ameise kommt, mit dem Farmer unterhalten, der dann schnurstracks abhaut, weil er das riesige Viech sieht. Es gibt also mindestens einen weiteren Zeugen.
Chris:
[46:15] Und zweitens, diese Kampfsequenzen mit den Ameisen sind immer zweigeteilt. Denn dem Kampf gegen die einzelne Ameise in dieser Schießbude folgt dann immer ein Schwarmangriff. Das ist eine zweite Actionsequenz, die wir aus der Top-Down-Perspektive sehen, wo wir am jeweiligen Ort sind, in diesem Fall auf dem Gelände dieser Farm. Und um uns rum erscheinen riesenhafte Ameisen, die auf einmal über die Zäune krabbeln und uns versuchen, den Garaus zu machen. Und die verwüsten dann da auch die Farm. Also tatsächlich auch sichtbar. Die zerstören Gebäude auf dieser Karte. Und als guter Geologe hat man selbstverständlich Handgranaten dabei und kann die dann auf die Ameisen werfen. Wenn man genügend Ameisen besiegt, dann haut der Rest ab. Schon hier ist klar, es gibt keine Möglichkeit, die zu besiegen per se, sondern du kannst nur erstmal Schlimmeres abwenden, indem du die vertreibst. Aber also in einer halb zerstörten Farm liegen mehrere Leichen rum, die Sache sollte klar sein in den ersten fünf bis sechs Minuten des Spiels. Aber nein, das hat keiner bemerkt und wie von Geisterhahn sind sie alle wieder verschwunden.
Gunnar:
[47:27] Ja, das ist ein bizarrer Dreh im Spiel, finde ich. Ich finde diese Szene, wo du diese riesenhafte Ameise dann bekämpfst mit deinem kleinen Revolver, irgendwie noch sehr schlüssig. Du bist halt der Geologe, du bist halt Amerikaner, hast halt immer einen Revolver dabei, ja mei. Und dann kämpfst du halt gegen die aus Verzweiflung, um dich zu wehren, weil du halt nicht weißt, was da los ist. Und das ist ja auch ganz cool, eins gegen eins. Und in der nächsten Szene bringst du aber mit deinem halben Dutzend Handgranaten, das du dabei hast, vier bis sechs von den Viechern um. Und die verschwinden, wie gesagt, magisch. Das passt da irgendwie nicht rein, ehrlich gesagt. Das fand ich ein bisschen irritiert, dass diese Szene auch so früh kommt mit den Handgranaten, wo du noch gar nicht richtig eine Bedrohung gespürt hast.
Chris:
[48:09] Dass man da mit Pistolen drauf schießt, das stammt aus dem Filmvorbild aus Them, weil da läuft die erste Begegnung mit einer Ameise genauso ab. Da wird dann ein Tatort untersucht und dann taucht da eine einzelne Ameise auf. Da sind zwei Polizisten dabei, die beginnen dann da drauf zu schießen und auch anwesend ist ein Wissenschaftler, der weist sie dann darauf hin, dass sie auf die Fühler schießen sollen. Und auch das finden wir im Spiel wieder, nur dass der Wissenschaftler dort, Professor Valls heißt er im Spiel, nicht dabei ist, wenn wir in der Gegend rumfahren, sondern den muss man in seinem Labor besuchen. Und deshalb kann man diese erste Ameise im Spiel eigentlich auch gar nicht besiegen, sondern man muss an ihr scheitern, weil einem dieses Wissen anfangs noch fehlt. Da muss man erst die Ameise gesehen und dann mit Professor Valls gesprochen haben.
Chris:
[48:53] Und übrigens, wie müssen wir uns diese Ameisen denn vorstellen? Was heißt denn große Ameise? Ist die so groß wie ein Hund oder was? Oder wie ein Mensch? Nun, das Spiel beschreibt die als 8 bis 10 Meter lang, 4 Tonnen schwer und es macht einen recht anschaulichen Vergleich. Die sind etwas so groß wie ein Güterwagon. Das ist also ein ordentlicher Kaventsmann. Das rechtfertigt auf jeden Fall den Begriff Monster. Und deshalb… Moment, was passiert jetzt?
Chris:
[49:28] Huch, da ist gerade unsere Horrorexpertin Rahel in einer Rauchwolke erschienen. Hallo Rahel.
Rahel:
[49:34] Hallo zusammen.
Gunnar:
[49:36] Hallo Rahel, das ist ja eine schöne Überraschung.
Rahel:
[49:38] Ja, ich habe gehört, dass ihr über Horror sprecht und naja, da habe ich mich einfach mal prompt hier materialisiert.
Chris:
[49:44] Das trifft sich, dass du hier bist, weil du sprichst ja mit dem Kollegen Christian Beuster in unserer Podcast-Reihe Monster-Managerie regelmäßig über den kulturhistorischen Hintergrund von bekannten Monstertypen.
Chris:
[49:55] Da kann ich dich gleich mal fragen, sag mal, diese Idee von ins Riesenhafte gewachsenen Tieren, wo kommt das eigentlich her? Ist das eine Erfindung des Kinos oder findet man das vorher schon irgendwo?
Rahel:
[50:08] Das ist schon eine super Frage, weil da würde ich ganz am Anfang schon direkt zwischen zwei Dingen unterscheiden. Denn einmal riesenhafte Tiere allgemein, wo ja beispielsweise auch King Kong zu zählen würde oder Godzilla, also klassische Kaiju oder auch Riesenhaie. Sowas haben wir ja sogar schon in der Bibel mit Jonah, der von einem Wal verschluckt wird. Oder auch Drachen sind ja irgendwo streng genommen gigantische magische Riesenechsen. Aber das ist ja nicht das, was wir in It Came From The Desert haben. Da sehen wir nochmal was sehr anderes, nämlich Rieseninsekten. Und die haben ein bisschen eine andere Geschichte. Also wir haben auch frühe Beispiele für riesenhafte Insekten. Also Beelzebub, der Herr der Fliegen, einer der Höllenfürsten, manchmal wird er auch synonym für den Satan genutzt, der wird ganz gerne als gigantische Fliege oder Motte dargestellt. Oder in der griechischen Mythologie, da haben wir die Myrmeken, auch bekannt als Goldameisen, die wohl ungefähr die Größe von einem Hund haben sollen und nach Goldsand graben. Aber so richtig in Fahrt kommen Rieseninsekten erst in den 1950er Jahre. Und da dann vor allem im Film. Aber auch die Literatur hat sich damit befasst. Also es gibt beispielsweise ja den Highline-Roman Starship Troopers von 1959, aus dem dann fast 40 Jahre später der phänomenale Film wurde.
Rahel:
[51:28] Aber auch Tolkien hat ja in abgewandelter Form mit Riesenspinnen dann eben gearbeitet. Sowohl in der Herr der Ringe als auch in seinem ganzen Weltenbau.
Gunnar:
[51:39] Aber was ist denn so gruselig daran, wenn etwas so Vertrautes wie eine Ameise halt riesengroß wird?
Rahel:
[51:46] Bleiben wir zuerst bei Insekten allgemein. Warum sind die überhaupt gruselig? Naja, die sind fremdartig, sie bewegen sich anders, sie haben für uns keine verständliche Körpersprache oder auch Gesichtsausdrücke. Und vor allem vermehren sie sich anders. Fun Fact an der Stelle über Kellerasseln, das sind Bauchbrüter. Selbst nachdem ich die plattgetreten habe, werden die immer noch Eier ausbrüten können. Gern geschehen für diese Info.
Chris:
[52:11] Danke.
Rahel:
[52:12] Und das passiert übrigens auch noch alles sehr rasant. Das ist schon mal so der eine Punkt, diese Fremdartigkeit und dass Insekten eben sich sehr schnell vermehren können. Dann kommt noch dazu, dass die meisten Insekten und insbesondere eben Ameisen ungefragt und unkontrolliert in unsere menschlichen Lebensräume vordringen. Gleichzeitig fühlen sie uns damit aber natürlich auch vor Augen, dass es ja ganz streng genommen andersrum ist. Insekten gibt es schon deutlich länger als den Menschen. Sie haben schon so manche Naturkatastrophe überdauert. Und eigentlich wäre es sinnvoller, darüber nachzudenken, dass wir den Lebensraum von Insekten angefangen haben einzunehmen. Der letzte Punkt bei Insekten im Allgemeinen, den ich noch hervorheben würde, ist, anders als beim Kaiju geht es hier nicht um die individuellen Tiere. Wir haben hier nicht den einen King Kong und den einen Godzilla, sondern Insekten sind nicht individualisiert. Sie haben auch keinen eigenen Charakter oder keine Persönlichkeit. Und dadurch wird nochmal ihre Menge, ihr Schwarmverhalten in den Vordergrund gerückt. Und sie lassen sich eben nicht einfach, naja, ausmerzen, indem ich mich nur auf ein einzelnes Tier konzentriere.
Rahel:
[53:20] Kommen wir mal spezifisch zu den Rieseninsekten. Warum sind die denn ein Gruselproblem? Naja, zum einen, wir dachten, wir würden die Welt um uns herum verstehen und kontrollieren können, aber nach diesen Regeln dürften die Tiere nicht so groß sein. Das heißt, dadurch, dass sie auf einmal gigantisch sind, wird das uns Bekannte entfremdet. Und dann auch noch von etwas, das eigentlich schon die ganze Zeit da war und um uns herum schwirrt. Zweiter Punkt, naja, Rieseninsekten stoßen uns vollends vom Thron als vermeintliche Krone der Schöpfung.
Rahel:
[53:53] Riesenameisen, wie wir die in It Came From The Desert sehen, die sind größer als wir, stärker als wir. Dank Schwarmwissen sind sie auch intelligenter als wir, überlebensfähiger und zahlenmäßiger, einfach im Vorteil. Das heißt, Insekten an sich waren schon immer gruselig für den Menschen, aber in ihrer Riesenform können wir sie noch nicht mal mehr platt treten. Plötzlich sind wir eben selbst die sprichwortlichen, machtlosen Ameisen.
Chris:
[54:16] Das stellt ja das Kräfteverhältnis auf einmal auf den Kopf. Ich als Mensch kann normalerweise einen ganzen Schwarm von Ameisen terrorisieren, aber jetzt kann auf einmal eine einzelne Ameise eine ganze Gruppe von Menschen terrorisieren.
Chris:
[54:28] Und in diesem Licht, das ist jetzt vielleicht eine etwas naive Frage, aber wir Menschen leben ja nun in einer Welt, in der es schon eine ganze Menge Tiere gibt, die uns schaden können, die uns im Zweifel auch töten können. Und wir haben uns zumindest heutzutage darauf eingestellt, dass man schon mit denen koexistieren kann und auch koexistieren sollte. Warum ist das im Fall von Riesenmonstern eigentlich nie eine Option? Warum müssen die immer mit Stumpf und Stil ausgerottet werden?
Rahel:
[54:57] Horror mit Rieseninsekten suggeriert eigentlich immer, dass es ein Entweder-Oder ist. Entweder wir rotten die Insekten aus oder sie werden irgendwann die Menschheit ausrotten. Diese Bedrohung ist einfach größer, als wenn ich Mini-Insekten habe. Also Riesen, Ameisen sind fortwörtlich eine größere Bedrohung. Dann kommt noch ein Punkt dazu, nämlich sie sind ja nicht Teil der natürlichen Ordnung. Sie sind auf unnatürliche Art und Weise entstanden. Und Horror arbeitet nun mal häufig damit, dass die bestehende Ordnung hinterfragt oder auch gestört wird, dann aber zum Schluss wieder hergestellt wird. Wobei extrem häufig die Vermutung dreut, dass eben doch nicht alles wieder beim Alten ist. Jetzt kommt aber noch der Faktor dazu, dass die Riesenameisen in den meisten Filmen, oder sagen wir mal die riesen Insekten in den meisten Filmen menschgemacht oder zumindest durch menschliches Fehlverhalten entstanden sind. Da muss man jetzt sagen, das ist beim Spiel nur bedingt der Fall, weil wie entstehen die gigantischen Ameisen? Naja, durch den verstrahlten Meteoriten. Das ist erstmal ein Naturphänomen. Was aber dann dazu kommt, ist dieses menschliche Versagen, dass nämlich die Warnung von Dr. Bradley so spät erst überhaupt ernst genommen wird. Seine Expertise als Wissenschaftler wird ja lange Zeit erstmal hinterfragt. Und das ist der Fehler, der menschliche Fehler, der ausgemerzt werden muss, in dem auch die Riesenameisen dann zum Punkt, wo es eigentlich schon sehr spät ist, doch noch getötet werden. Nicht, dass wir daraus irgendwas für die Zukunft lernen würden.
Gunnar:
[56:26] Vielen Dank, Rahel. Schön, dass du vorbeigeschaut hast und bis bald.
Rahel:
[56:31] War mir eine Freude.
Chris:
[56:42] Okay, zurück zum Spiel. Wir haben die erste Monsterameise nun also gesehen und vielleicht auch schon erfolgreich bekämpft. Was jetzt?
Gunnar:
[56:50] Naja, jedenfalls gehst du dann mit diesen Erkenntnissen zum Bürgermeister und der Bürgermeister ist ein richtiges Arschloch. Selbst wenn du jetzt hier zu dem Zeitpunkt schon irgendwas weißt, der Bürgermeister weiß alles von sich. Der glaubt dir nicht und insbesondere glaubt er dem Wissenschaftler nicht. Also das ist ja was, was Christian vorhin angesprochen hat, dass es da auch oft diese Wissenschaftlerfigur gibt, die ein bisschen ambivalent ist. Der Wissenschaftler hat hier überhaupt gar keinen guten Stand. Der Bürgermeister will richtig hardcore überzeugt werden.
Chris:
[57:16] Ja, der hat auch andere Prioritäten. Also das Spiel gibt uns auch mit, dass in zwei Wochen das jährliche große Festival stattfinden wird, dass dann eine Menge wichtiger Personen und Touristen in diese verschlafene Kleinstadt lockt. Das ist natürlich der Stolz des Bürgermeisters. Und das allerletzte, was er brauchen kann, sind irgendwelche Riesenameisen, die hier die Gegend terrorisieren. Das ist aber so ein bisschen geplätschern nebenbei. Das ist kein Hauptaugenmerk der Story, aber das gibt uns ein bisschen Kontext, was das Verhalten von einzelnen Personen erklärt.
Chris:
[57:44] Das Entscheidende aus unserer Perspektive ist, dass also eine offensichtliche Bedrohung existiert, von der wir wissen und das muss idealerweise im Keim erstickt werden. Aber davor muss erstmal Überzeugungsarbeit geleistet werden. Und das bedeutet Beweise dafür zusammen, dass diese Ameisen existieren. Insgesamt sind es vier Stück, die wir finden müssen. Nämlich erstens eine Gewebeprobe von einer Ameise. Zweitens eine Probe der Säure der Ameisen. Dann eine Tonaufnahme von ihren Kommunikationsgeräuschen. Schon in dem Film Them ist das ein wichtiger Aspekt, dass die Ameisen hörbar miteinander kommunizieren. Das ist so ein hohes, pulsierendes, ein bisschen zirpenartiges Geräusch. Das findet sich hier im Spiel auch wieder.
Chris:
[58:36] Und viertens einen Fußabdruck. Der Ameisen, wo man einen Gipsabdruck macht. Auch das ist etwas, was wir im Filmvorbild genauso haben. Und die Aufgabe für uns ist jetzt erstmal zu gucken, wo kriegen wir denn diese Sachen her? Und das ist letztendlich eine Erkundungsaufgabe. Wir müssen ja also die Umgebung abklappern in den folgenden Tagen des Spiels, dabei uns immer daran orientieren, wo denn irgendwelche seltsamen Dinge aufgefallen sind, irgendwelche komischen Sichtungen. Und das ist eine der schönen Sachen, and it came from the desert. Dadurch, dass das einen Zeitverlauf hat, passieren im Laufe der Zeit Dinge. Also zum Beispiel schon am zweiten oder dritten Tag gibt es Unruhe in der örtlichen Mine. Irgendwas ist da seltsam, also irgendwelche Probleme gibt es da. Hm, was ist denn da los? Dann haben wir diese Gerüchte, dass bei der Pipeline im Norden irgendwas los ist.
Chris:
[59:25] Und dann schon am frühen Morgen von Tag zwei klopft es auf einmal an der Tür von unserem Geologen, der gerade frisch aufgestanden ist und draußen steht eine ziemlich zerfletterte junge Frau.
Gunnar:
[59:37] Die berichtet atemlos von einem Unfall, den sie hatte, weil sie war mit einer Freundin im Auto unterwegs. Sie hat nur auf der Rückbank geschlafen und die Freundin hat das Auto gelenkt und dann wacht sie auf im Crash sozusagen und der Wagen liegt im Graben und die Freundin ist weg. Was soll sie denn jetzt tun? Sie bittet um deine Hilfe. Es gibt verschiedene Optionen und eine dieser Optionen ist halt, dass man mit ihr zu diesem Auto geht.
Gunnar:
[1:00:06] Und dann kannst du dir dieses Auto angucken, das da als Schrotthaufen in der Landschaft steht, total zerdeppert. Dann versucht die Dame, dich sogar noch dazu zu bringen, ein bisschen weiterzugucken nach der Freundin, weil man findet dann von ihr noch einen Gegenstand. Also ist sie irgendwie vielleicht verschleppt worden, man weiß es nicht. Dann bleibt die Dame im Hintergrund stehen und du gehst mal voran und dann ist da natürlich eine Ameise. Und du hast von vier Gegenständen gesprochen. Wenn wir hier das so gespielt haben, wie eben gesagt, dann hast du jetzt hier schon zwei. Die Gewebeprobe findest du gleich nach dem ersten Kampf. Und hier kann man die Ameisenflüssigkeit finden, also das ist dann die Säure.
Chris:
[1:00:47] Genau. Gegenstände ist jetzt nicht im Sinne von Inventar wie in einem Adventure-Spiel, sondern irgendwo im Hintergrund merkt sich das Spiel, dass das existiert. Wir sehen das nie, müssen dann aber beim Labor vorbeigucken, um das dann in einem Dialog wiederum abzugeben, damit der Wissenschaftler Professor Valls sich das angucken kann.
Chris:
[1:01:02] Diese Geschichte von Jackie insbesondere ist ein Beispiel für einen von den Subplots, also von Erzählsträngen im Spiel, die existieren parallel zur Haupthandlung. Und die teilweise damit verwoben sind. Diese Jackie-Geschichte ist der markanteste von denen, denn das geht dann natürlich weiter. Damit verbunden ist die Frage, was ist denn mit ihrer Freundin passiert? Die ist ja verschwunden, was ist denn mit der los? Zweitens, wer ist die Frau und was macht die hier? Und das ist nicht so, als ob Lizard Breath, abgesehen von den Ameisen, nicht auch noch andere Probleme hätte. Da hat sich zum Beispiel eine kultische Vereinigung niedergelassen. Die betreiben da eine Halle im Süden der Stadt, die Neptunianer, die irgendein sehr zwielichtiger, quasi religiöser Orden sind. Was hat es mit denen auf sich? oder Lizard Breath und vor allen Dingen auch der Tankwart Elmer in der Stadt wird terrorisiert von einer Straßengang, von so Halbstarken in einem Roadster, die sich Hellcats nennen und Autos von den Straßen abdrängen und generell nervig sind. Also das gibt schon auch noch weitere Probleme, die jetzt nicht unmittelbar was mit den Ameisen zu tun haben und dem kann man auch nachgehen.
Chris:
[1:02:06] Dieser Zeitungsreporter zum Beispiel, der uns von unserem Studenten Biff als zwielichtig beschrieben wird, Der ist auch echt ein ganz schön arroganter Typ, wenn man bei ihm in der Zeitung vorbeiguckt. Der kann sich auch gar nicht mehr daran erinnern, dass er uns angerufen hat und verwechselt uns mit einem Lieferjungen, der ganz dringend eine Gesteinsprobe abliefern muss. Und sobald wir aber sagen, nee, sorry, wir sind dieser Geologe, sie haben mich eingestellt, lässt er diese Gesteinsprobe ganz schnell in seinem Schreibtisch verschwinden. Und es wird also nahegelegt, dass er irgendwas auf sich haben muss, dass er die irgendwo her haben muss, vielleicht aus dem Steinbruch. Da, wo er nämlich am nächsten Tag ein Interview führen möchte mit den Steinbruch-Mitarbeitern über das, was sie beim Meteorabsturz gesehen haben und da hätte er uns, den Geologen, gerne dabei.
Chris:
[1:02:48] Wenn man da mitgeht und diesem Interview beiwohnt, dann kann man ihn ansprechen bei der Gelegenheit auf diese seltsame Probe, die er unterschlagen hat, woraufhin der Reporter im Anzug sofort einen Klapp besser zieht und wir in einem Messerkampf landen auf einmal als Zwischensequenz. Eine sehr unerwartete Wendung. Aber das nur als Beispiel dafür, dass also im Zusammenhang mit unserem Kennenlernen von Lizard Breath und dem Umland und unserem Erkunden der Leute und der Orte auch noch andere Handlungsstränge auftauchen.
Gunnar:
[1:03:33] Der Bird ist ein ganz gutes Beispiel dafür, wie das Spiel an ein paar Stellen funktioniert. Du hast jetzt eben den Weg beschrieben, wenn man mit ihm spricht. Dann nimmt er dich halt mit zu diesem Interview. Man kann auch einfach zu diesem Ort fahren, zu diesem Steinbruch. Dann spricht man da die Leute an. Dann sagen die, wir erzählen gar nichts. Wir haben morgen ein Interview mit Bird. Und der hat uns verboten, irgendwas zu erzählen. Der will die Geschichte exklusiv haben. Dann fahre ich am nächsten Tag zu Bird, um mit ihm darüber zu sprechen. Und dann sagt man mir bei der Zeitung, nee, der ist rausgefahren zum Steinbruch. Dann fahre ich zum Steinbruch und da sagt er mir, es ist ein privates Interview, hauen Sie hier ab, ich habe sie nicht bestellt. Weil dann hast du diesen Weg nicht richtig beschritten, dass du das mit ihm besprochen hast. Aber das fand ich hübsch, weil das diese Folgerichtigkeit auch zeigt. Der Ort ist erstmal gesperrt wegen Bert. Bert ist nicht in seinem Büro, weil er im Steinbruch ist. Und wenn du da hinfährst, dann ist er da auch wirklich. So funktioniert das Spiel, dass durch diese Tagesabläufe du die Leute auch berechenbar irgendwo finden kannst.
Chris:
[1:04:31] Man kann vor allen Dingen durch die Zeitabläufe Dinge verpassen. Kann es ja nicht überall gleichzeitig sein.
Chris:
[1:04:37] Und das Schöne ist an It Came From The Dessert, dass es insbesondere in diesem ersten Teil, als es darum geht, die Beweise zusammenzutragen, eine ganze Reihe von Möglichkeiten gibt, wie und wo man das tun kann. Nämlich indem man selber aktiv wird, also zum Beispiel indem man den Vulkan im Südwesten besucht, wo Ameisen gesichtet wurden ab Tag 4 und dann dort tatsächlich so einen Abdruck entdeckt und ihn nimmt. Oder es kann auch sein, dass einem das abgenommen wird. Also Geese, der Prospector zum Beispiel, findet später im Spiel selbst einen Abdruck und liefert den gleichen Labor ab. Oder diese Geräuschaufzeichnungen, die man machen muss, da kann man selbst in ein Flugzeug steigen. Es gibt auch einen Flugplatz in der Nähe von Lizard Breath und dann in einem Minispiel die Karte abfliegen auf der Suche nach Ameisen schwärmen. Wenn man über die drüber fliegt, dann wird das Geräusch aufgenommen.
Chris:
[1:05:38] Das geht erst ab einem bestimmten Zeitpunkt, wenn diese Flugzeuge mit einem Aufnahmegerät ausgerüstet sind. Das passiert nicht am Anfang des Spiels, sondern da muss ein bisschen Zeit vergehen. Aber wenn man das nicht macht oder aus irgendeinem Grund verpasst, dann können auch die Bergleute in den Minen eine Aufzeichnung machen oder es kann auch ein Autounfall auf der Straße passieren, wo die Polizei dann eine Tonaufnahme in dem Auto findet. Und dann muss man halt nur an den jeweiligen Ort fahren, um die abzuholen. Aber auch davon muss man erst mal erfahren. Das heißt, mindestens mal muss man seine Ohren aufsperren, mit Leuten reden, um zu erfahren, dass da irgendwelche Dinge gesammelt wurden und die dann mitnehmen. Oder eben man zieht selbst aus und macht sich selbst auf die Suche.
Gunnar:
[1:06:20] Man stolpert im Spiel über vieles, wenn man sich einfach nur bewegt und mit Leuten redet. Das Spiel gibt einem schon die Sachen an die Hand. Du kannst alle von diesen vier Sachen, vier Beweisgegenständen, kannst du auf drei Arten finden, würde ich sagen, mindestens.
Chris:
[1:06:35] Mindestens, ja.
Gunnar:
[1:06:36] Und manche davon sind sehr viel einfacher noch als andere. Das Spiel bemüht sich auch dir, die vor die Füße zu legen nach einer Zeit.
Gunnar:
[1:06:43] Das Spiel will, dass es weitergeht. Das Spiel will, dass du ans Ende kommst. Das Spiel läuft 15 Tage lang. In diesen 15 Tagen musst du diese Beweise gefunden haben und dann auch noch die sich daraus ergebenden Handlungen vorgenommen haben. Und diese 15 Tage, die vergehen einfach. Und wenn du es nicht machst, dann versucht das Spiel dir noch Hinweise zu geben, aber dann gibt es halt einen Ausgang. Anderes Ende sozusagen. Also dann wird es am Ende ein bisschen anders. Aber wie du diese 15 Tage verbringst, das liegt völlig bei dir und ist auch gut möglich, ohne Probleme, wenn du an anderer Stelle Effizienz spielst, einen Tag oder zwei völlig zu vergeuden mit irgendwas. Einerseits tust du ja Sachen, indem du rausfährst und mit Leuten sprichst oder irgendwas suchst und so. Oder aber das Spiel kommt ja auch zu dir, wie diese Szene, die wir vorhin beschrieben haben, mit der Dame, die an deiner Tür klingelt, wegen ihrem Autounfall. Also das Spiel gibt dir auch einfach Aktionen, auf die du dann reagieren musst und die du dann mitnehmen kannst und wo du nicht darauf angewiesen bist, die selber gesucht zu haben.
Chris:
[1:07:42] Die du aber auch verpassen kannst. Ich war zum Beispiel nicht da, als die Jackie versucht hat, bei mir zu klingeln, weil ich schon früh aus dem Bett war und woanders unterwegs. Dann kam ich abends wieder heim und dann fand ich einen Zettel von Biff, der sagte, hier war eine junge Frau, die geklingelt hat. Ich habe die auf ihren Wunsch bei den Neptunianern abgegeben. Und dann kann man da noch vorbeigucken und dann aber bei der Gelegenheit schon nicht mehr mit ihr reden, weil dann nämlich der Anführer der Neptunianer, Billy Bob Morris, der sie gleichzeitig als ihr Vater entpuppt, sie unter der Fuchtel hat und sagt, ah ja, die junge Frau hier, die ist vom rechten Weg abgekommen, da müssen wir, glaube ich, erstmal ein bisschen mit ihr arbeiten. Ein paar Tage später flieht sie dann auch, dann erreicht einen selbst die Nachricht, oh, Jackie ist verschwunden, ob wir bei der Suche helfen können. Dann kann man sich wiederum auf die Beine machen und sagen, okay, Biff, du suchst den Norden ab, ich gehe im Süden, die hier heute abklappern. Das kostet alles Zeit, das bringt einen nicht weiter im Hinblick auf die Ameisen. Das muss man aber dann abwägen. Ist einem das wichtig genug, diese Jackie-Geschichte, um dem nachzugehen oder nicht?
Gunnar:
[1:08:42] Es gibt sozusagen harte Aufgaben und weiche Aufgaben und man muss auch nicht alles machen. Hauptsache, man kriegt diese vier Beweise zusammen und auf welche Art, das ist dem Spiel erstmal egal.
Gunnar:
[1:08:54] Die Jackie kann ja sogar ein Love Interest sein. Das Spiel hat eine Romanzen-Option an einer Stelle. Dazu muss man natürlich dann den Weg mit ihr auf eine vernünftige Art gegangen sein und da kann man sie nicht bei den Neptusianern abgeliefert haben. Das geht dann nicht. Die will dann bei dir wohnen ein paar Tage, bis sie sich erholt hat. Wenn du das zulässt, dann entspinnt sich da ein romantisches Band.
Chris:
[1:09:16] Sehr zum Missfallen deiner Freundin, denn offensichtlich hast du eine in der Stadt. Die Radiomoderatorin Dusty kriegt das dann natürlich spitz, dass du eine fremde Frau bei dir einquartiert hast. Da glüht die Eifersucht dann aber. Die sagt dann ja, schmeiß die bitte sofort wieder raus.
Gunnar:
[1:09:29] Alle Versatzstücke eines Films hier. Sogar das Liebesdreieck ist dabei. Nicht nur die Monster, auch der arrogante Bürgermeister und das Liebesdreieck und die Halbstarken mit dem Musclecar. Das ist alles da.
Chris:
[1:09:43] Und natürlich auch die Lage, die sich zuspitzt, denn unabhängig davon, ob wir jetzt da mit unseren Ermittlungen voranschreiten oder nicht, treten spätestens ab Tag neun die Ameisen in solcher Masse in Erscheinung, dass es da kein Leugnen mehr gibt, dass jeder in der Stadt bemerkt, oh Mist, hier ist irgendwas im Argen. Und der Bürgermeister spätestens dann also auch uns die Vollmacht gibt, ausgerechnet uns die Vollmacht gibt über die Verteidigungsmaßnahmen. Vielleicht, weil wir der örtliche Ameisenexperte sind, das wird nicht weiter erklärt. Auf einmal dürfen wir auf jeden Fall in einer Art Strategie-Mini-Spiel dann auf der Karte von Lizard Breath Einheiten verteilen, nämlich sowohl die der örtlichen Militärbasis als auch die der Polizei, als auch Einheimische der Stadt und sogar Arbeiter an einer nahegelegenen Baustelle. Da sieht man dann also auf einer Übersichtskarte, wo gerade die Ameisen Orte heimsuchen. Das beginnt überwiegend in der Mine und da in dem Vulkankrater beim Steinbruch, also die Orte, was sie ja sowieso vermutet. Aber das breitet sich über die ganze Karte rund um Lissard Breath aus und wir versuchen da also Truppen zuzuordnen, um das zu unterdrücken. Das hat keine weitere strategische Komponente, da werden keine Schlachten ausgefochten oder irgendwelche Echtzeit-Dinge verschoben, sondern du ordnest da halt Kontingente zu, die einen Ort verteidigen sollen und dann siehst du im Laufe der Zeit, wie die Zahlen da runtergehen.
Chris:
[1:11:00] Orte, die aber nicht verteidigt werden, werden dann auch zerstört. Also dann kann man zum Beispiel den Steinbruch einfach nicht mehr besuchen oder
Chris:
[1:11:07] die Farmen, weil die bereits von den Ameisen überrannt wurden. Und wenn man es wirklich so weit kommen lässt, dass es zu Tag 15 kommt, dann haben die Ameisen alles im Umland zerstört und greifen jetzt in einer letzten Aktion die Stadt selbst an. Dann gibt es noch eine heldenhafte Verteidigung, an der kann man auch teilnehmen, aber die ist letztendlich aussichtslos. Die Lösung ist nicht, dass die Ameisen in irgendeiner Form zurückgeschlagen werden können. Das funktioniert nicht. Die sind übermächtig und werden die Stadt zerstören. Die einzige richtige Lösung ist, so wie im Film auch, die Schlacht zu ihnen zu tragen, also ihr Nest zu finden und ihre Königin zu töten.
Gunnar:
[1:11:44] Genau, das ist eine eigene Recherche danach, die genauso funktioniert wie diese Beweissuche auch und das ist sozusagen der dritte Teil des Spiels, wenn man das so sagen kann, nach dieser ersten Beweissuche, dann diese Verteidigung der Stadt mit den Armee-Einheiten, mit denen du auch in manchen Szenen dann gemeinsam kämpfen kannst, in diesem Top-Down-Kampf mit den Handgranaten, der immer wieder wiederholt wird, kannst du auch in Situationen dann geraten, wo die Ameisen an der Stelle ankommen, wo zum Beispiel die Armee steht und dann schießen die Panzer der Armee auch auf die Ameisen. Also hast du so ein gemeinsames Gefühl.
Gunnar:
[1:12:19] Aber das Ziel dieses Teils ist dann halt das Nest zu finden, in dem die sind. Und dann kannst du da hingehen, den Eingang zum Nest suchen. Das ist eine Stelle in der Grafik, wo auch Ameisen dann plötzlich aus dem Boden
Gunnar:
[1:12:33] kommen und dann da reingehen und dann schaltet die Ansicht um auf so eine Höhlen-Grafik. Also ganz primitiv, einfach flach von oben. Das ist ja auch eine ganz einfache Grafik, deine Figur, der siehst du auf dem Kopf, das ist nicht isometrisch oder so und dann musst du in dieser Höhle die.
Gunnar:
[1:12:51] Ameisenkönigin suchen und die Höhle ist wie so ein Labyrinth und wie so ein Dungeon, die hat auch noch mehrere Ebenen und zwischendurch kommen natürlich immer Ameisen aus dem Nichts, die du bekämpfen musst, aber du hast zu dem Zeitpunkt auch schon den Flammenwerfer, das ist dann ganz hilfreich, das ist ja auch wieder eine Anleihe aus den Filmen, das hat ja Christian Genzel vorhin gesagt, der Flammenwerfer ist oft eine Waffe, die man da gerne sieht in solchen Filmen, weil der auch spektakulär aussieht.
Gunnar:
[1:13:14] Irgendwann gehst du halt runter zur Ameisenkönigin, findest sie da, aber da geht es dann nicht drum, dass du sie mit dem Flammenwerfer bekämpfst, sondern da legst du dann Sprengladungen und dann fängt ein Countdown an, ein Timer, dann hörst du so ein Ticken im Hintergrund und dann musst du den gleichen Weg wieder raus. Wenn du es dann rausgeschafft hast, dann explodieren hinter dir die Bomben und dann ist die Ameisenkönigin besiegt.
Gunnar:
[1:13:37] Und dann erlaubt sich das Spiel noch ein Halb offenes Ende, weil es sagt, ja, vielleicht ist noch eine andere Ameisenkönigin da gewesen. Wissen wir nicht.
Chris:
[1:13:45] Nun, wir sehen schon, das ist also in diesem Fall eine heroische Einzelkämpferaktion, die der Bedrohung den Garaus bereitet, hoffentlich. Hier kann die Armee nur zur Verteidigung anrücken, aber nicht die letztendliche Entscheidung herbeibringen. Das muss der heldenhafte Geologe mit dem Flammenwerfer machen in diesem Spiel.
Chris:
[1:14:02] Und wir haben innerhalb unserer Beschreibung des Spielablaufes jetzt auch schon eine ganze Reihe von den Actionsequenzen gestreift, die es in dem Spiel gibt, die in typischer CinemaWare Manier als relativ kurze und relativ simple Minispiele präsentiert sind. Und je nach Zählung gibt es da sieben oder acht davon. Das wäre zum einen dieser Schießbuden-Shootout mit der Riesenameise, die hin und her läuft und man muss ihre Fühler treffen. Dann gibt es die Schlacht mit den Ameisen, die von oben gezeigt wird. Man würde heutzutage sagen ein Twin-Stick-Shooter, nur hier gibt es noch keine Twin-Sticks. Hier ist es ein Single-Stick-Shooter, wo wir also Granaten auf die Ameisen werfen oder später auch im Panzer fahren können. Die Variante davon, die ich fast als eigenes Minispiel zählen würde, ist eben diese Erkundung des Ameisenbaus, wo man dann mit dem Flammenwerfer um sich schießt. Aber das funktioniert ähnlich. Dann gibt es das Flugzeugfliegen, wo man die Karte abfliegt mit dem Flugzeug, um die Ameisen ausfindig zu machen. Wenn man in einen Nahkampf mit dem Messer gerät, was dreimal im Spiel passieren kann, gibt es ein simples Kampfspiel, wo man ausweichen, sich wegducken und verschiedene Angriffe machen kann.
Chris:
[1:15:12] Diese Autogang, die Hellcats können uns abfangen, während wir auf der Fahrt zu irgendeinem Ort sind. Und dann spielen die mit uns ausgerechnet ein Schisshasespiel. Also man fährt frontal auf das andere Auto zu. Die Hellcats kommen frontal auf uns zugerast in so einer 3D-Sequenz des Highways. Und wer ausweicht, verliert. Wenn man mit ihnen zusammenrasselt, verliert man aber auch. Also das ist ein sehr seltsames Spiel. Das ist wirklich nur so ein paar Sekunden lang. Die Lösung ist hier wirklich nur strax auf sie zuzuhalten, weil in diesem Fall sind sie dann immer der Schisshase und weichen aus. Alles andere führt zu einem Scheitern.
Gunnar:
[1:15:54] So bizarr. Also das sind wirklich, das sind Sekunden.
Chris:
[1:15:57] Das sind Sekunden, ja.
Gunnar:
[1:15:58] Du fährst einmal drauf und dann war es das. Und dafür haben sie ja extra ein Minispiel programmieren müssen.
Chris:
[1:16:04] Ja, kein sonderlich tolles natürlich.
Gunnar:
[1:16:06] Das war nicht sehr effizient.
Chris:
[1:16:07] Ja, noch viel absurder ist dieses Feuerlöschen-Minispiel, das du beschrieben hast. Das findet nämlich genau einmal statt. Nämlich am Anfang des Spiels für den Fall, dass man Biff den Stein rausnehmen lässt und er ihn dann fallen lässt.
Gunnar:
[1:16:19] Über 50 Prozent der Spieler verpassen das einfach.
Chris:
[1:16:21] Ja, genau. Es ist aber auch ein sinnloses Spiel. Es bringt dir ja auch nichts, sondern du verhinderst halt nur, dass hier … Also es brennt ja nicht mal dein Haus nieder. Das kann ja nichts Schlimmes passieren.
Chris:
[1:16:30] Denn, und das ist das letzte Minispiel, wenn irgendwas Schlimmes passiert, wenn wir von den Ameisen besiegt werden, wenn wir im Feuer ohnmächtig werden, was auch immer. Wir wachen immer im örtlichen Krankenhaus von Lizard Breath wieder auf. Unser Geologe kann nicht sterben. Selbst beim schlechten Ende, wo die Ameisen Lizard Breath überrennen, flieht die Bevölkerung. Also selbst da sind wir nicht tot. Es geht immer weiter für uns, aber wir können im Krankenhaus landen. Und im Krankenhaus heißt Zeit verlieren, denn gepflegt werden kostet ein oder zwei Tage, bis wir wieder entlassen werden. Und da gibt es aber die Möglichkeit
Chris:
[1:17:03] zu sagen, ich muss hier raus, ich fliehe jetzt, Flucht aus dem Krankenhaus. Und das ist das kurioseste Minispiel des Spiels, finde ich, Gunnar.
Gunnar:
[1:17:12] Ja, das ist so bizarr. Das Krankenhaus ist wie so ein 80s Spiel, was so eine Art Labyrinth ist, also das Krankenhaus von oben gesehen und da laufen random Wachen drin rum und Krankenschwestern. Und wenn sie dich sehen, dann verfolgen sie dich oder kommen auf dich zu. Und du bist aber einigermaßen schnell, also mindestens mal so schnell wie die Schwestern, die holen dich nicht von hinten ein und du musst dann halt den Weg aus dem Krankenhaus rausfinden und dabei die Krankenschwestern und die Wachen vermeiden und am Ende ist es halt so, wenn du kurz vor Schluss bist, dann ziehst du so einen Strang aus, vier, sechs, acht Figuren hinter dir her, die alle nach dir rufen und versuchen, dich aufzuhalten. Das ist der Mann. Da geht es.
Gunnar:
[1:18:08] Ich weiß nicht, ist das lustig? Ich fand das sehr bizarr. Das Spiel nimmt sich ja sonst einigermaßen ernst. Es hat auch so einen leichten Touch und durch das Pulp-Thema ist es ja nie ganz ernst. Aber sonst versucht es schon, so eine innere Logik herzustellen und es hat ja auch eine Horror-Komponente mit den großen Monstern ein bisschen. Und dann ist hier so eine Szene, wo man sich so eine Benny-Hill-Musik im Hintergrund vorstellen würde, wo du so Slapstick-artig da aus dem Krankenhaus verschwindest. Aber das musst du eigentlich machen, weil die Zeit, die du hast, diese 15 Tage, das ist ja quasi die Währung des Spiels. Das ist ja deine Ressource. Und wenn du die da vergeigst und noch nicht alle anderen Sachen richtig gemacht hast, dann ist das schon doof. Also es lohnt sich schon, aus dem Krankenhaus zu kommen.
Chris:
[1:18:49] Wenn du es schaffst. Das ist meiner Meinung nach das schwerste, oder mit das schwerste Minispiel des Spiels. Das Schießen auf die Ameisen ist auch nicht einfach. In neun von zehn Fällen wird man da wieder eingefangen und muss die Zeit dann doch absitzen, weil dann hat man auch keine zweite Chance.
Chris:
[1:19:04] Das ist It Came From The Desert. Inhaltlich haben wir das jetzt vollständig beschrieben. Vielleicht noch die kurze Anmerkung. Du hattest vorhin kurz erwähnt, wenn man auf dieser Karte unterwegs ist und von Ort zu Ort reist, dass man da mit der Maus auf die Orte klickt. Eine Maussteuerung gibt es hier nicht in dem Spiel, obwohl es ja auf dem Amiga stattfindet, sondern man steuert das vollständig mit dem Joystick selbst in den Passagen, wie auf der Karte, wo die Maus eigentlich viel mehr Sinn machen würde. Dann ist es schon ein klein bisschen mühsam mit dem Joystick da, die teilweise pixelgroßen Häuschen in Lizard Breath anzuwählen. Da wäre die Maus doch besser gewesen, aber ich finde, das Spiel entscheidet sich da einigermaßen nachvollziehbarerweise dafür, eine Steuerungsmethode zu benutzen und nicht den Spieler zu zwingen, zwischen Maus und Joystick hin und her zu wechseln, weil den Joystick braucht man dann für die Actionsequenzen wieder. Auch da, ich meine, das Schießen wäre sicher mit der Maus leichter gewesen. Das ist durch die schwammige Joystick-Steuerung jetzt nicht das Ideale. Aber für andere Sequenzen, wie jetzt hier den Krankenhausausbruch, ist der Joystick sicher die sehr viel bessere Wahl.
Gunnar:
[1:20:05] Ja, also die häufigste Actionsequenz ist ja dieser Kampf in der Top-Down-Perspektive.
Chris:
[1:20:10] Ja.
Gunnar:
[1:20:11] Mit dem du ja auch dann zum Beispiel das ganze Ende bestreitest. Und das ist für ein Joystick gemacht.
Chris:
[1:20:15] Genau.
Gunnar:
[1:20:15] Das wäre schon ganz schön doof, wenn du da eine andere Steuerungsmechanik nutzen müsstest. Und insofern ist das auch alles grundsätzlich richtig. Das wirkt halt jetzt sehr träge, weil es halt eine Joystick-Steuerung ist. Aber mei, das geht schon. Ja, aber das ist das ganze Spiel.
Chris:
[1:20:29] Ja, Gunnar, ich habe uns jetzt aufmerksam zugehört. Und das klingt ja doch alles ziemlich gut, was wir da erzählt haben. Das klingt spannend, das klingt abwechslungsreich, das klingt ungewöhnlich. Es gibt da für mich ein großes Aber, das da über diesen ganzen Dingen hängt.
Chris:
[1:20:44] Ich würde aber sagen, vielleicht auch als Cliffhanger, wir gucken uns jetzt erstmal an, wie das Spiel entstanden ist. Denn wie so häufig wird uns auch das später dabei helfen, besser zu verstehen, wo die Stärken und die Sprechen des Spiels liegen und warum sie dort möglicherweise liegen.
Gunnar:
[1:21:01] Ja, dann gehen wir in die Entstehungsgeschichte und wir preschen im Schweinsgalopp nochmal durch die Geschichte von CinemaWare. Wir hatten ja schon eine Folge zu CinemaWare, haben wir schon erzählt, zu Defender of the Crown. Da haben wir das auch schon angerissen, den größten Teil davon schon erzählt. Wir gehen jetzt hier nochmal schnell durch.
Gunnar:
[1:21:21] Im Jahr 1982 zieht Bob Jacob und seine Frau Phyllis, die ziehen von Chicago nach Los Angeles. Der Bob hat ein Geschäft in Chicago und der verkauft das und will jetzt was anderes machen mit seinem Leben. In 1984 dann steigt Bob Jacob in die Softwarebranche ein und wird einer der ersten Softwareagenten. Und zwar vermittelt er Entwickler an Publisher wie Apex, Accolade und Activision. Und das ist ja ein ganz neues Geschäft. Es gibt ja überhaupt den Publisher erst seit kurzem. Und er geht halt rum, sucht diesen Publishern, die ja einen Bedarf haben an neuen Spielen, sucht er Spiele, die er dann teilweise vorfinanziert mit eigenem Geld und denen dann weiterverkauft.
Chris:
[1:22:03] Und in diesem Jahr 1984 erhält Jacob einen Anruf von einer Firma namens Island Graphics. Die haben einen Auftrag, nämlich Grafikprogramme für den kommenden Commodore Amiga zu entwickeln. Einen Computer, der da schon angekündigt, aber noch nicht erschienen ist. Und bei dieser Gelegenheit sieht Jacob einen Prototypen von eben jenem Amiga. Und der ist überzeugt, dass er da die Zukunft gesehen hat, dass dieser Amiga alles revolutionieren wird. Er möchte da mit dabei sein von Anfang an. Er möchte vor allen Dingen einen direkteren Ansatz bei der Spieleentwicklung verfolgen für diesen Amiga. Also er möchte selbst Spieleentwickler werden, ohne da über Mittelsmänner gehen zu müssen. Und dazu braucht er aber Geld. Und das sammelt er jetzt im Folgejahr ein 1985, insbesondere in Salt Lake City in Utah. Dafür bringt Jacob ein Jahr, um von mormonischen Ärzten und Zahnärzten mehrere Millionen Dollar Startkapital für eine Reihe von Spielen und ein Verlagsunternehmen zu sammeln.
Chris:
[1:23:01] Das hat eine hübsche Parallelität zur Geschichte des Amiga, der auch teilweise mit Ärztegeld finanziert ist. Da gibt es mehr dazu in unserer entsprechenden Stay Forever Technik Episode zu hören. Jacob gründet dann eine Kommanditgesellschaft und erwirbt die drei Grafikpakete von Island Graphics. Um auf dem Amiga von Anfang an präsent zu sein.
Chris:
[1:23:22] Im Januar 1986 gründen er und seine Frau dann eine Firma namens Master Designer Software. Und die wiederum bekommt ein Label, ein Label namens CinemaWare. Das soll dafür gedacht sein, Spiele zu machen, nämlich bestimmte Spiele, interaktive Filme. Dieser Label-Name CinemaWare wird ein Jahr nach der Gründung von Master Designer Software dann auch der offizielle Firmenname. Also aus Master Designer Software wird ab dann Cinemaware.
Gunnar:
[1:23:52] Ist ja auch einfach ein sensationeller Name, muss man mal sagen.
Chris:
[1:23:55] Ja.
Gunnar:
[1:23:56] Also, was das für einen Anspruch formuliert. Jacob hat eine ganz klare Vision, der weiß ganz genau, was er will. Er will filmähnliche Erlebnisse schaffen, um die Stimmung von Spielen, zu der Zeit sind die Spiele, die man kennt ja meistens Arcade-Spiele, zu verbinden mit Story, mit komplexeren Zusammenhängen. Zusammenhängen, aber die Spiele sollten eine einfache Benutzeroberfläche haben, keine Texteingabe soll dafür nötig sein und sie sollen aussehen wie Filme, soweit das ein Computer kann. Und der Erfolg und der Misserfolg in diesen Action-Sequenzen, die er da schon ganz stark drin verankert sieht, die sollen den Erfolg oder Misserfolg im Spiel dann auch mitbestimmen. Und das ist eine durchaus geschäftliche Überlegung von ihm. Das ist nicht nur so eine Liebhaberei mit dem Film. Ich habe ein Interview gehört mit Matt Barton, in dem der Jacob den folgenden unsterblichen Satz gesagt hat.
Gunnar:
[1:25:14] Also, Cinemaware lässt sich von Hollywood-Genres und Filmen inspirieren, anstatt von Videospielen. Und zwar ausdrücklich deshalb, weil Filme das reifere narrative Medium sind. Und deswegen ist man schon fortschrittlich im Gaming, wenn man bloß kopiert, was das fortschrittlichere Medium macht. Und das ist ganz schön zynisch, aber das ist natürlich eine richtige Überlegung.
Chris:
[1:25:35] Ja, das ist ein Volltreffer, wenn wir jetzt sehen, was dann mit Defender of the Crown passiert.
Gunnar:
[1:25:39] Ja, und das ist also eine gute Idee und dann geben sie gleich vier Spiele in Auftrag. Das machen sie aber nicht selber, sondern sie geben die an Studios oder an Einzelentwickler raus, damit die sie für sie entwickeln.
Chris:
[1:25:53] Ja, das erste dieser Spiele, das erscheint im November 1986, ist das jetzt schon öfter erwähnte Defender of the Crown für den Commodore Amiga. Da sagen wir jetzt nicht allzu viel dazu, denn da gibt es eine eigene Folge. Aber das ist ein Spiel, das sich Ritterfilme, Mantel- und Degenfilme als Vorbild nimmt und gleichzeitig das Brettspiel Risiko, also ein vergleichsweise simples Strategiespiel. Das ist ein, sagen wir mal, imperfektes Spiel. Das hatten wir in unserer Folge beschrieben. Aber es hat einen ganz großen Wow-Faktor. Es erscheint früh in der Lebenszeit des Amigas und zeigt insbesondere auf grafischer Ebene, auf inszenatorischer Ebene, was diese Maschine zu leisten imstande ist. Also aus der Perspektive von Leuten, die zu dem Zeitpunkt noch auf 8-Bit-Plattformen wie dem C64 oder Gottbewahrer auf dem IBM-PC unterwegs sind, ist das also phänomenal multimedial, was der Amiga da leisten kann.
Gunnar:
[1:26:47] An dieser Stelle kommt eine zweite interessante Person ins Spiel, die wir für unsere Geschichte brauchen und das ist David Riordan. Der sieht Defender of the Crown und das lassen wir Ihnen gleich selber sagen. Der folgende Ausschnitt stammt aus der Mini-Dokumentation zum Film It Came from the Desert von 2017. Also was er da gesagt hat, ist, der hat Defender of the Crown gesehen, war total begeistert, hat dann einen Fanbrief an Cinemaware geschrieben und wurde daraufhin eingeladen und dann auch vor Ort direkt angestellt. Dazu kommen wir später, da stecken wir jetzt eine Nadel in diesen Menschen. Wir machen erstmal weiter im Takt, weil Cinemaware haut jetzt in den nächsten Jahren eine ganze Reihe von Spielen raus und wächst bis 1989 auf fast 50 Mitarbeiter.
Chris:
[1:27:54] Also da kommen dann zum Beispiel Spiele wie SDI, The King of Chicago, Sinbad and the Throne of the Falcon, die alle spielmechanisch relativ unterschiedlich sind, aber eben immer ein Vorbild in filmischen Genres finden, im Gangsterfilm, im Abenteuerfilm aus Tausend und einer Nacht. Die gemeinsamen Merkmale sind, dass die diesem Strickmuster von Defender of the Crown folgen, auch wenn sie nicht zwangsläufig Strategiespiele sind. Manches wie SDI ist auch eher ein Action-lastiges Spiel oder King of Chicago ist eher ein Adventure-lastiges Spiel, aber die haben dieses Zusammengewürfelte aus verschiedenen Minispielen. Können aber nicht an Defender of the Crown anknüpfen, auch deswegen, weil sie grafisch einfach nicht so eindrucksvoll sind. Defender of the Crown ist schon von der optischen Qualität der Zeichnungen einfach nochmal eine ganze Liga über den anderen Spielen.
Chris:
[1:28:46] Defender of the Crown kriegt damals auch Kritik von den Leuten, die es gespielt haben, insbesondere deswegen, weil es unterm Strich ein ziemlich einfaches Spiel ist. Und damit werden die folgenden Spiele dann auch ein bisschen anspruchsvoller. Das ist etwas, was gar nicht so leicht auszutarieren ist innerhalb von CinemaWare, weil Bob Jacob hat ja die Version ausgegeben, dass die Spiele zugänglich sein sollen. Also das ein ständiger Drahtseillakt, also bei sowas wie dem Sinbad zum Beispiel, das schon einigermaßen komplex ist, kann man keinen Spielstand speichern. Da wird erwartet, dass man mehrere Stunden lang am Stück spielt und möglicherweise auch kurz vor Ende noch scheitert und da muss man halt von vorne anfangen. Also insgesamt würde ich sagen als Fazit zu dieser Frühphase, wo die ersten Gehversuche mit interaktiven Filmen, in großen Anführungszeichen von Cinemaware, gemacht werden, dass die originell sind in der Art und Weise, wie sie versuchen, Geschichten zu erzählen, oft auch optisch eindrucksvoll, aber spielerisch jetzt nicht die ganz großen Würfe.
Gunnar:
[1:29:45] Du sagst hier, interaktive Filme in Anführungszeichen. Nee, nee, nee, nee. Das ist ein Begriff, den Cinemaware seit 1986 benutzt. Und das ist ja ein Begriff, der in meinem Kopf jetzt eher was ist, was ich mit den FMV-Spielen der 90er verbinde. Aber der Begriff ist schon hier in der Welt. Und das ist, wie die ihre Spiele bezeichnen, ist halt ein Anspruch, den sie mal mehr und mal weniger einlösen. Und du hast es schon gesagt, die Tragik ist hier, dass das erste Spiel von den Spielen, die hier in den nächsten zwei, drei Jahren erscheinen, deutlich das Beste ist und die anderen da so ein bisschen hinterher hinken.
Gunnar:
[1:30:22] Ich finde, hier lohnt sich vielleicht mal ein kurzer Blick auf die Machart der Titel, weil der Bob Jacob hat dazu in einem Interview mit dem Retro-Videogamer vor knapp zehn Jahren was Interessantes gesagt. Der meinte, ich übersetze das jetzt hier mal frei, wir haben die Action-Szenen in einem Cinema-Ware-Titel früher mit einem Lied aus dem Musical Oklahoma verglichen. Vor dem Musical Oklahoma wurden Lieder einfach zwischen die Szenen einer Handlung eingefügt und das Geniale am Musical Oklahoma war, dass die Songs die Geschichte vorantrieben. Die Lieder waren nahtlos in die Handlung eingebunden und genau so sind die Action-Sequenzen in den Cinemaware-Spielen nicht als eigenständige Einlagen gedacht, sondern dass der Erfolg und der Misserfolg des Spielers die Geschichte verzweigt und so eine einzigartige Synergie erzeugt.
Gunnar:
[1:31:11] Hoher Anspruch. Erstmal, das ist ja eine ganz hübsche Beobachtung. Dieses Oklahoma Musical gilt wirklich als der Beginn des Musicals als Gattung. Davor waren die Shows am Broadway eher musikalische Nummernrevues, einfach Songs aneinandergereiht und dazwischen Tanz und Slapstick. Aber in Bezug auf die Cinemaware-Spiele ist das ja ein bisschen überhöht, denn schon der Schwertkampf in Defender of the Crown ist ja so ein isoliertes Geschicklichkeitsmoment, das sich in identischer Weise wiederholt von Burgüberfall zu Burgüberfall und ist eben nicht ein Moment der Narration. Die einzige Narration, die darin stattfindet, ist, man schafft es oder man schafft es nicht. Da sieht man schon so ein bisschen ein paar der Gründe dessen, warum das nicht ganz so funktioniert mit ihren Einschätzungen.
Chris:
[1:31:55] Ja, dieser Gedanke der Action-Szenen als Äquivalent zu Musical-Songs, die die Handlung vorantreiben, der ist besonders relevant in Bezug auf It Came From The Desert, denn da leiden die Action-Sequenzen nicht nur an genau den gleichen Problemen, die du jetzt gerade für Defender of the Crown genannt hast, sondern die stellen dieses Fortschrittsprinzip sogar auf den Kopf, die missverstehen die Idee völlig, finde ich. Dazu wird gleich noch was zu sagen sein, aber es ist wichtig, dass wir das schon mal im Kopf behalten, was eigentlich der Sinn der Actionszenen in einem Cinemaware-Spiel sein sollte.
Chris:
[1:32:31] Also diese Verbindung der Action-Minispiele mit dem Haupt-Gameplay gelingt mal besser und mal schlechter. Es wird jetzt ein bisschen besser in den weiteren Spielen von Cinemaware. Die bringen ja wie gesagt eine ganze Reihe raus. In die späteren 80er fällt dann Rocket Ranger zum Beispiel. Das finde ich eines der gelungeneren Beispiele von dieser Verbindung.
Chris:
[1:32:51] 1989 kommt dann auch Lords of the Rising Sun. Das ist quasi Defender of the Crown 2.0 jetzt in dem japanischen Setting. Das ist schon auch eine ausgefeiltere Spielerfahrung, als das Defender of the Crown war. Aber wenn wir 1989 schon sagen, dann sind wir ja jetzt auch in diesem Jahr, wo It Came from the Desert entsteht. Das erscheint zum Weihnachtsgeschäft des Jahres 1989 und vorher ist es ungefähr ein Jahr lang in der Entwicklung.
Chris:
[1:33:16] Und damit kommen wir jetzt nochmal zurück zu David Riordan, der mit seinem Fanbrief 1987 bei Cinemaware gelandet ist. Und dass er da so mir nichts, dir nichts bei Cinemaware anfangen kann, das hat natürlich auch mit seiner Vorgeschichte zu tun, denn der gute Mann ist zu dem Zeitpunkt schon 37 Jahre alt und kein unbeschriebenes Blatt.
Gunnar:
[1:33:39] Der hat schon einiges gemacht. Der hat angefangen als Musiker. Der wuchs in den späten 50ern und den frühen 60ern in Berkeley auf. Das war da stark geprägt von der Folkszene. Der hat Gitarre gelernt von einem Schulfreund, ist dann als Folk-Duo aufgetreten, hat dabei die Größen des Folk-Business kennengelernt, Pete Seeger und die unsterbliche Joan Baez. Hat dann an der California Polytechnic studiert, hat sich dann für psychedelische Musik interessiert, hat in Bands gespielt, hat sogar Songs gehabt, die im Radio gespielt haben. Sein größter Erfolg war ein Credit als Songwriter, also nicht als Sänger oder in der Band, aber als Songwriter für eine andere Band namens Sugarloaf. Die hatten mit dem Lied Green-Eyed Lady 1970 einen Platz-Eins-Hit in den US-Charts. Später hat er dann Solo gearbeitet und dann die Musikbranche wieder verlassen, auch ein bisschen frustriert, weil die Musikbranche zu der Zeit auch kein Spaß war wohl. Aber ein Freund schlägt ihm dann vor, in die Filmproduktion zu wechseln und das macht er dann auch.
Chris:
[1:34:51] Roden hat zwischenzeitlich das MIT besucht, das Massachusetts Institute of Technology und dort wurden zu der Zeit Experimente mit frühen interaktiven Filmprojekten gemacht. Da gab es zum Beispiel ein Laserdisc-basiertes interaktives Erlebnis, wo man mit dem Auto durch die amerikanische Stadt Aspen fahren konnte und bei jeder Kreuzung dann entscheiden, biege ich jetzt links ab, rechts ab oder fahre ich gerade aus. Das ist alles sehr krude, aber wir sind ja hier in der Frühzeit von diesen Medien und das beeindruckt David Riordan doch genug, um in die Entwicklung von Videospielen einzusteigen.
Chris:
[1:35:28] Und das passiert bei Lucasfilm Games im Jahr 1983. In der Frühzeit dieser Firma, wo die gerade frisch aus der Taufe gehoben wurde, da ist David Riordan dabei, als technischer Berater und dann auch als Game Designer und ist bei einem einzigen Spielprojekt beteiligt, nämlich bei der Entwicklung von Ballblazer, einem der allerersten Spieler von Lucasfilm Games.
Chris:
[1:35:50] Dann geht er zu Atari, arbeitet dort an Laserdisc-Spielen für die Arcade, zum Beispiel einem Spiel namens Freedom Fighter. Und von dort aus schreibt er dann seinen Fanbrief an CinemaWare. Also der gute Mann ist schon in der Branche und auch bei Firmen mit gutem Leumund.
Chris:
[1:36:05] Und deswegen kommt er auch nicht zu Cinemaware, um da als Designer an einem neuen Spiel zu arbeiten, sondern der kommt da gleich als Manager. Da gibt es nämlich bei CinemaWare eine Abteilung namens Interactive Entertainment Group. Das ist die Abteilung, wo die ganzen interaktiven Filme entstehen. Deren Leitung übernimmt David Riordan.
Gunnar:
[1:36:25] Genau. Parallel macht er aber auch noch ein Spiel. Er wird am Anfang gefragt, welchen Film würde er denn jetzt als Spiel entwickeln? Wir wissen ja, dass das die Herangehensweise ist. Was ist denn das Vorbild? Und dann gucken wir mal. Und Rodden sagt sofort, ich habe nicht mal gezögert, ich sagte einfach, ich mache den Film mit den Rieseninsekten. Und dann hat Bob Jacob wohl gelacht und gesagt, ja, an den hat er nicht gedacht, aber mach das mal und das war dann der initiale Funke für das Spiel, über das wir heute sprechen und wenn das so stimmt, das hat der Rodden so erzählt, dann ist es schon interessant, wie, unstrategisch und wie spontan man da Themen ausgewählt hat, Hauptsache es war ein Film, gucken wir mal keine Marktanalyse oder sowas aber gut,
Gunnar:
[1:37:05] wir sind ja auch noch in den 80ern David Riordan geht dann ans Design des Spiels dran, so wie an einen Film. Er macht ein kurzes Konzept und entwickelt daraus Storyboards. Die sind dann wieder die Vorlage für den Rest des Teams, vor allen Dingen für die Grafiker. Und sein Konzept orientiert sich am Minispiel-Mix der bisherigen Titel. Er will aber eine wesentliche Neuerung haben, nämlich einen Echtzeitablauf. Das soll Entscheidungsdruck aufbauen und das soll die Spielenden vor die Tatsache stellen, dass sie nicht überall gleich sein können. Wie ich gesagt habe, das soll die Zeit zu einer Art Ressource machen, mit der man haushalten muss. Und die Handlung soll dabei, wie halt in Filmen auch üblich, kontinuierlich voranschreiten und zwar unabhängig davon, ob der Spieler irgendwas macht oder nichts macht.
Chris:
[1:37:51] Das ist übrigens ein ganz interessantes Paradigma für die Zeit, weil das ist ja die Ära von klassischen Text-Adventures und Grafik-Adventures. Also da haben wir ja auch schon in Maniac Mansion, da haben wir diese Ära-Adventures und natürlich schreitet in denen überhaupt nichts voran, sondern das ist alles abhängig von den Aktionen des Spielers. Wenn ich nicht weiterkomme, geht das Spiel nicht weiter. Und dem gegenüber stellt der Jordan jetzt hier mit seinem filmischen Hintergrund den Gedanken, nein, nein, die Handlung läuft. Wir sind da zwar Beteiligter, aber wenn wir nichts machen, dann geht sie trotzdem weiter.
Gunnar:
[1:38:19] Das ist ein interessanter Aspekt, das stimmt. Und das macht das Spiel auch einigermaßen besonders, vor allen Dingen im Vergleich zu den bisherigen Spielen. Wir sind hier schon, zumindest mal im Konzept, in so einer Art zweiten Generation der Cinemaware-Spiele. Der Anspruch und die Ambition ist hier höher als bei den ersten Titeln.
Chris:
[1:38:37] Und David Riordan bringt noch eine Änderung mit rein, ja auch in seiner Position als Leiter dieser Abteilung. Er möchte nämlich die Art und Weise, wie die interaktiven Filme gemacht werden, verändern. Auch wenn CinemaWare eine Firma ist, die stark mit dem Amiga verbunden ist, ist das nicht zwangsläufig die Leitplattform. Also es gab auch vorher schon Spiele wie zum Beispiel King of Chicago, das ist als Lead-Plattform auf dem Macintosh entstanden. Der Macintosh steht bei CinemaWare durchaus auch hoch im Kurs, insbesondere als Entwicklungsplattform. Und auf dem Macintosh gibt es ein Tool namens HyperCard. Stay Forever-Hörende haben das schon mal gehört. Das spielte zum Beispiel in unserer Folge über Myst eine Rolle, weil berühmterweise ja Myst ein Spiel ist, das in seiner ersten Version auf HyperCard entstanden ist. Und das ist im Endeffekt eine Software, die es erlaubt, ganz einfache Querverbindungen, logische Verbindungen zwischen einzelnen Karten oder Bildschirmen herzustellen. Und damit kann man natürlich auch Spiele, gerade so Adventure-artige Spiele machen.
Chris:
[1:39:35] HyperCard scheint David Riordan ein gutes Vorbild zu sein, um auf dieser Basis oder nach diesem Vorbild ein Tool zu entwickeln, mit dem auch Menschen ohne große Programmierkenntnis, Designer, Autoren, Spiellogiken entwickeln können. Und so lässt er also bei Cinemaware ein entsprechendes Tool entwickeln und das nennen sie Masterplan.
Gunnar:
[1:39:58] Das Masterplan soll es halt ermöglichen, interaktive Geschichten zu gestalten, ohne Code schreiben zu müssen. Und das ist ziemlich fortschrittlich für die damalige Zeit. Wir erinnern uns an viele Geschichten, die wir schon gehört haben von anderen Spielen, wo auch zu dieser Zeit der arme Typ, der die Story schreiben muss, das in den Programmcode geschrieben hat, an irgendwelche Stellen, wo Platzhalter waren oder so, dass es da keine Eingabemöglichkeiten dafür gab. Und hier ist es jetzt ein bisschen andersrum. Das Primat bei der Entwicklung hat die Geschichte, hat die Erzählung und der Rest muss sich dem unterordnen und man kann das gesamte Spiel planen in diesem Masterplan-System. Das ermöglicht dann auch leichter, dass andere Leute damit arbeiten. Einer dieser Autoren und damit auch Nutzer dieses Systems ist Ken Melville, der hat die Story geschrieben.
Gunnar:
[1:40:50] Unter der Haube funktioniert das Masterplan Script dann so, dass für It Came From The Desert bei jedem der 37 Orte in der Spielwelt und für jede der 24 Stunden eines Tages festgelegt ist, was an diesem Zeitpunkt an dem Ort passiert und welche Person da anwesend ist, findet ein Ereignis oder ein Dialog statt. Gibt es da Ameisen oder gibt es da keine Ameisen? Und die Spiellogik basiert dabei auf so Flowchartartigen Verzweigungen, je nachdem, welche Auswahl man im Dialogmenü trifft und ob man eine Actionsequenz schafft oder sie nicht schafft. Das verändert dann halt leicht den Ablauf eines Skriptes. Zum Beispiel ist der Professor Wells, also der Wissenschaftler, von dem wir geredet haben, der die ganze Zeit die Analysen macht, wenn man ihm die Beweise bringt, der ist nach Tag 9 nur dann in seinem Labor, wenn man ihn vorher vor den Ameisen gerettet hat. Ansonsten ist er da tot. Das macht keinen Unterschied für den weiteren Spielverlauf, aber das Spiel checkt solche Sachen, merkt sich die und zeigt dir da auch die Konsequenzen deines Handelns.
Chris:
[1:41:49] Also dieses System, dieses Masterplan-System ist natürlich schon für eine bestimmte Art von Spiel gemacht, nämlich für ein sehr szenenbasiertes Spiel, wie diese interaktiven Filme ja gedacht sind. Jeder Ort ist eine Kulisse, in der eine Szene stattfinden kann. Das kann eine Action-Sequenz sein, die da getriggert wird, das kann ein Dialog sein oder halt eben auch nichts. Und zwischen diesen Szenen muss es irgendeine Form von Bewegung geben. Das ist genau das, wofür dieses Masterplan gebaut ist. Jetzt haben wir schon gesagt, die Idee kommt von Mac und Masterplan ist auch ein Mac-Tool. Das heißt, It Came From The Desert zumindest in seinem Story-Rahmen und in seiner ganzen Spielwelt entsteht auf einem Macintosh. Gleichzeitig benutzt Cinemaware während der Entwicklung aber auch Amigas, nämlich zum Zeichnen der Grafik. Deluxe Paint ist damals das Grafiktool der Wahl, logischerweise. Dort arbeiten also die Grafiker. Und IBM-PCs stehen auch noch rum, die machen so Sachen wie Datenkomprimierung und so grobe Rechenarbeit. Wenn Zahlen gecruncht werden müssen, dann lässt man das die PCs machen.
Gunnar:
[1:42:53] Programmierer gibt es in diesem Setup aber natürlich schon auch noch. Randy Platt, der ist seit 1987 bei CinemaWare, ist in den Credits als leitender Programmierer und Co-Designer und damit nominell der zweitwichtigste Mann auf dem Projekt.
Gunnar:
[1:43:08] Seine Hauptaufgabe ist es, diese ehrgeizige Vision von ,, die sogar anfangs in der ursprünglichen Planung neun verschiedene Szenarien umfasste, technisch umzusetzen. Und das Wort Szenarien ist nicht so klar definiert. Ich glaube, das meint hier Storylines im Sinne von Masterplan. Demnach ist das Hauptspiel also ein Szenario, das gesamte Spiel, weil man eine Handlung durchgeht mit verschiedenen Teilaspekten. Und es gibt ja noch ein Add-on kurz danach. Das heißt Endheads und nutzt die gleichen Grafiken und Sounds und erzählt aber eine eigene Geschichte und das wäre dann ein zweites Szenario, also ein zweites Pfeil in Masterplan sozusagen.
Gunnar:
[1:43:46] Dieses Masterplan-System, das wurde so, wie wir das verstehen, von Rorden konzipiert, das war dessen Idee und dessen Wunsch. Dann ging das an David Todd, das war der Vice President Technical Development und der hat das technisch designt und Randy Platt hat es sicherlich in Teilen zumindest oder vollständig dann programmiert. Das ist aber keine Game Engine, um das nochmal ganz klar zu sagen. Das ist ein Story-Verwaltungstool. Die Action-Sequention zum Beispiel, die müssen separat entstehen und die programmiert Tom McWilliams, der da schon Erfahrung hat, weil er das bei Rocket Ranger auch schon gemacht hat. Aber der Pratt ist wohl der, der Roden sagen musste, dass aufgrund der Speicherplatzbeschränkungen nur ein einziges Szenario auf diese drei Disketten passt, die sie da als Platz haben. Und dann entsteht an der Stelle wohl der Plan, das Konzept in mehrere Teile zu brechen und dann die noch als Addons nachzureichen.
Chris:
[1:44:38] Das Spiel erscheint ja als Hauptplattform für den Amiga, also zu dieser Zeit hauptsächlich für den Amiga 500, auf drei Disketten. Das ist schon viel. Die vorherigen Cinema-Ware-Spiele sind überwiegend auf zwei Disketten erschienen. Hier sind es drei. Die heißen bei Cinemaware übrigens gar nicht Disketten, sondern Reels, schon ab Defender of the Crown. Das bekräftigt nochmal das, was du vorhin gesagt hast, dass die von Anfang an das interaktive Filme nennen. Dementsprechend sind das also auch keine Disketten, sondern Filmrollen, die man da in sein Amiga steckt. Aber drei Disketten auf dem Amiga 500, der zwingend ein Megabyte voraussetzt, also der schon eine Speichererweiterung haben muss, heißt trotzdem natürlich Disketten wechseln. Und bei It Came From The Desert heißt es das also logischerweise auch und auch relativ häufig. Also die Ladezeiten sind natürlich ein Problem damals, aber die Diskettenwechsel, das kennen ja alle Amiga-Besitzer, sind auch nicht ideal. Wenn man das Spiel startet, muss die Diskette 1 drin sein fürs Intro, dann, wenn es ins Spiel reingeht, Diskette 2. Schon im ersten Dialog kann es aber sein, dass man die Diskette 3 für eine einzige Animation einlegen muss, dann wieder zurück zu Diskette 2, die Action-Sequenzen sind auf der 3 und so. Also langer Rede, kurzer Sinn, es ist da doch auch einiges an Diskettenwechsel angesagt.
Gunnar:
[1:45:52] Ja, so, das Spiel erscheint dann Ende 1989, bekommt ziemlich viele positive Aufmerksamkeit, kriegt in Deutschland beim traditionell ziemlich freundlichen Amiga-Joker 94 Prozent. Die ASM gibt neun von zwölf Punkten und auch in der kritischen Powerplay muss Anato‘ Locker in seinem Meinungskasten freundlich grinsen und gibt immerhin 73 Prozent. Und Rodden zeigt sich später auch zufrieden. Da hören wir uns ein kurzes Zitat an.
Gunnar:
[1:46:35] Ich übersetze das kurz, auch wenn ich liebte, was ich gemacht hatte, man weiß ja nie, wie es beim Publikum ankommt, aber am Ende hat It Came From The Desert wirklich einen Nerv getroffen, die Reaktionen waren begeistert, es gab hervorragende Kritiken und das Spiel hat sich richtig gut verkauft. Das müssen wir jetzt mal so glauben, weil offizielle Verkaufszahlen gibt es nicht.
Gunnar:
[1:46:53] Ich konnte auch keine Vergleichszahlen finden. Ich habe mal in die Powerplay geschaut, da taucht es in der Ausgabe 590 auf Platz 14 in den Leser-Charts auf. Sensationell als It came from the dessert geschrieben und klettert in der Folgeausgabe auf Platz 12 immerhin und fällt dann wieder aus den Leser-Charts raus. In den internationalen Charts, die die Powerplay abdruckt, das sind Verkaufscharts, da kommt es gar nicht vor. Und einzig in den Händler-Charts eines Ladens namens Joystick, die die Powerplay abdruckt, da kommt es immerhin in die Top 10. Schwer zu sagen, wie erfolgreich es wirklich war, aber der Roden hat überall gesagt, dass es halt super erfolgreich war, immerhin.
Chris:
[1:47:33] Verkaufserfolg hat ja in dieser Zeit gerade auf dem Amiga nicht zwangsläufig was mit Verbreitung zu tun, Stichwort Raubkopien. Und aus irgendeinem Grund ist It Came From The Desert ein Spiel, das keinen Kopierschutz mehr hat, im Gegensatz zu zum Beispiel Rocket Ranger, dem eine Codescheibe in der Packung beilegt, die man auch nun wirklich weitlich braucht im Spielverlauf. Bei It Came From The Desert gibt es etwas Vergleichbares, nicht keine Handbuchanfrage oder sonst irgendetwas. Das wird natürlich auch mit dazu beigetragen haben, trotz der drei Disketten, dass das den Weg in relativ viele Diskettenboxen damals gefunden hat.
Chris:
[1:48:09] Okay, so jetzt, wo das Spiel in der Welt ist, konnten wir uns nochmal der Frage widmen, wie ist es denn jetzt eigentlich? Wie viel Freude hat es damals gemacht, It Came From The Desert zu spielen? Woher zieht es seine Faszination? Was macht es gut und was vielleicht nicht so gut? Wie siehst du das, Gunnar?
Gunnar:
[1:48:31] Es ist ein bisschen dieselbe Problematik wie bei Defender of the Crown. Deswegen erwarte ich auch von dir eine ähnliche Einschätzung. Das Spiel funktioniert durch die Ambition im Kontext seiner Zeit, wo ja Spiele jetzt langsam deutlich komplexer werden, aber wo es immer noch viele Sachen gibt, die sich aus der Arcade herleiten. Es hat auch Schauwerte zu bieten und es hat diesen ganzen Überbau der sich total groß anfühlt. Du hast diese Adventure-Mechanik, du hast diese freie Bewegung. Die Figuren sind auch unterschiedlich vertrauenswürdig und die lügen dich auch mal an. Du kannst dich frei bewegen, hast diesen Zeitablauf. Die Handlung beginnt halt klein mit einem Zufallserlebnis und wird dann größer, wie sich das für Filme gehört. Am Ende kommt die Armee und du musst richtig was leisten und die Welt retten. Das nimmt einen ganz schön im positiven Sinne mit. Das zieht einen rein. Die eigentliche Spielmechanik ist dann aber ein bisschen dünn und das gilt meines Erachtens vor allem für die Actionsequenzen, die ja in diesen Spielen immer eine strategische Funktion haben und die ja auch schon in Defender of the Crown und in anderen von den Spielen von Cinemaware oft diesen Anspruch nicht einlösen.
Chris:
[1:49:47] Ja, It Came From The Desert möchte ja ein bisschen was anderes als Defender of the Crown. Deswegen kriegt es auch eine leicht andere Beurteilung von mir, würde ich sagen. Es möchte, glaube ich, viel mehr noch als Defender of the Crown eine dezidiert filmhafte Erfahrung sein und vor allem auch ein erzählendes Spiel. Defender of the Crown ist ja jetzt kein wahnsinnig erzählendes Spiel, wenn wir ehrlich sind. Das ist ja eher ein Atmosphäre- und Gefühlsspiel. Und hier gibt es ja doch einiges an Text und Storylines. It Came From The Desert gilt ja gemeint als das Spiel, dem es am besten gelingt, an diese filmhafte Erfahrung ranzukommen im CinemaWare-Portfolio. Und das ist eine Einschätzung, die ich nicht teile. Ich finde, dass It Came From The Desert zum Beispiel gegenüber Rocket Ranger eher ein Rückschritt ist als Spiel und auch als Erzählung. Wir müssten eigentlich das Fass aufmachen, was heißt denn interaktiver Film überhaupt? Was soll das bedeuten, ein Spiel, das ist wie ein Film? Weil um beurteilen zu können, ob es It Came From The Desert gelingt, ein interaktiver Film zu sein, brauchen wir ja zwangsläufig eine Definition von diesem wolkigen Begriff. Wenn man sich jetzt das gesamte Werk von CinemaWare anschaut, dann findet man da leider keine eindeutige Antwort. Denn da stehen einträchtig nebeneinander Spiele wie ein King of Chicago, das sehr linear und erzählfokussiert ist und ein The Three Stooges, in dem einem die rohe Spielmechanik förmlich ins Gesicht springt. Also ich sehe da kein gemeinsames Leitprinzip.
Chris:
[1:51:14] Ich glaube, man kann schon wohlwollend davon ausgehen, dass das Cinema wäre jetzt nicht nur darum ging, Spiele zu machen, die mit fast zugekniffenen Augen halbwegs aussehen wie Filme und das reicht dann schon. Also, dass es nur die Grafik wäre. Zudem, die Ästhetik ist ja in der Ära zwangsläufig noch eine ganz andere. Niemand würde die Pixelgrafik von Defender of the Crown mit einem Kinofilm verwechseln. Es muss also eher um eine Erfahrung gehen, die man im Film findet und die auch in Cinemaware-Spielen wiederfindbar sein soll. Dass sich das Spiel im besten Sinne anfühlt wie ein Film. Dass man sich hier in eine plastische Welt versetzt fühlt, in sie eintaucht und von einer Erzählung mitgerissen wird. Es geht um Weltenbau, Dramaturgie, Bildsprache. Das wären dann demnach Dinge, an denen man It Came From The Desert messen dürfen sollte, seinem eigenen Anspruch nach.
Chris:
[1:52:09] Aber gleichzeitig will und muss es ein Spiel sein. Und da ist It Came From The Desert nicht besonders gut. Das hast du ja auch schon angedeutet, insbesondere in den Action-Sequenzen. Diese Action-Szenen sind nicht sonderlich gelungen und machen nicht viel Spaß. Am besten noch der Krankenhausausbruch. Der könnte richtig lustig sein, wenn der Bildausschnitt ein bisschen größer wäre. Aber der ist, ich weiß nicht, ob absichtlich oder nicht, du bist so nah dran, dass du eigentlich ständig Gefahr läufst, in Personal reinzurennen, das du nicht rechtzeitig siehst.
Chris:
[1:52:40] Deswegen ist das auch relativ schnell dann immer vorbei, dieser Krankenhausausbruch. Obwohl man ja die Möglichkeit hat, sich da zu verstecken, in Betten zu legen, die Decke über sich zu ziehen und so was, in Räume zu flüchten. Das ist eigentlich echt cool. Das könnte ein richtig spaßiges Spiel sein. Macht aber nicht sonderlich viel Spaß.
Chris:
[1:52:56] Und diese Actionsequenzen, die haben so ein subtiles, aber für mich wichtiges Problem. Da würde mich interessieren, ob du das genauso siehst. Und zwar noch mal im direkten Vergleich mit Rocket Ranger. In Rocket Ranger macht man Actionsequenzen, um einen Fortschritt im Spiel zu erzielen.
Chris:
[1:53:14] Erbeutest du Raketenteile, da erbeutest du Treibstoff. Rocket Ranger ist so ein Science-Fiction-artiges Spiel, wo man eine Rakete zusammenbauen muss und mit Treibstoff betanken muss, um zum Mond zu fliegen. Und jede Action-Sequenz bringt dich diesem Ziel näher. In It Came From The Desert dagegen machst du die meisten von den Action-Sequenzen nicht, um einen Fortschritt zu bekommen, sondern um einfach weiterspielen zu dürfen. Das sind schlicht Hindernisse. Also dieses Schisshasenspiel zum Beispiel. Du bist auf dem Weg zu einem Ziel, dass du mit dem Auto anfährst und zufälligerweise kann dieses Schisshase-Spiel kommen und wenn du das gewinnst, darfst du nur deinen Weg fortsetzen. Du hast dann nichts gewonnen, du hast nur ein Scheitern verhindert. Der Krankenhausausbruch verhindert nur einen Zeitverlust, aber bringt dich keinem Ziel näher. Selbst die Strategiekarte und die Abwehrschlachten gegen die Ameisen mit Granaten und Panzern und Luftangriffen und allem, was da drin möglich ist, erkaufen nur Zeit. Und konsequenterweise sind die für das erfolgreiche Abschließen des Spiels vollkommen unnötig. Wenn man gut spielt, bekommt man die nie zu Gesicht. Und der Gipfel davon, die reinste Inkarnation, ist das von uns erwähnte Feuerlöschen-Minispiel.
Chris:
[1:54:23] Das ja ausschließlich als Strafe für eine einzige falsche Entscheidung eingesetzt wird. Also die Art und Weise, wie It Came From The Desert die Actionsequenzen verwendet, finde ich erstaunlich kontraproduktiv und entgegengesetzt zu dem, was sie laut dem Oklahoma Musical Vergleich ja eigentlich bezwecken sollen. Ich möchte doch gerne eine Belohnung, einen fühlbaren Fortschritt aus der Bewältigung dieser Sequenzen haben und die nicht einfach nur ständig als Stöcke in die Speichen geschoben bekommen.
Gunnar:
[1:54:55] Ja, das hat noch einen anderen Aspekt, dass sie auch noch überraschend kommen oft. Also nicht so wie, aha, ich muss jetzt die Burg erobern in Defender of the Crown und jetzt kommt die Szene, wo ich die Burgmauer runterschieße, die ist ein Teil davon. Und wenn ich es geschafft habe, dann habe ich halt meine Belohnung. Sondern die kommen hier so ein bisschen stressig, da so dazwischen. Und ich finde, dass sie echt nicht gut aussehen.
Gunnar:
[1:55:17] Dass das so ein Bruch ist im Spiel. Ich finde, bei Rocket Ranger siehst du halt in den meisten dieser Actionszenen die Figur einigermaßen groß. Fliegen von hinten oder die Faustkämpfe in Rocket Ranger gegen die Nazis von geschreckter Seite in so einer 3D-Anmutung.
Chris:
[1:55:33] Der ist ein Schick, ja.
Gunnar:
[1:55:34] Bei Defender of the Crown hast du ja auch diese großen Figuren da von den Leuten, die da die Burg angreifen oder diese wunderschöne Szene, wo du die Burg einschießt.
Gunnar:
[1:55:42] Und hier switcht das Spiel und dann hast du so eine, weiß nicht, vierpixel große Figur, die du ganz fern siehst, weil das Spiel diese Karte unbedingt nutzen will, glaube ich, die dann da auf dieser Karte rumläuft und mit Granaten wirft. Und das ist ein ziemlich großer Bruch auf die Filmhaftigkeit. Das ist nicht so sehr ein Bruch auf das Spielkonzept in sich, finde ich. Weil ich finde das schon interessant, dass das Spiel seine Karte so konsequent nutzt. Das ist ja auch eine Karte, die dem Spiel noch mal beiliegt, in einer anderen Form. Und dann finden ja auch viele andere Sachen ja auch noch auf dieser Karte statt. Dieser Großangriff der Ameisen, diese kleinen Kämpfe da mit den Handgranaten.
Chris:
[1:56:20] Das Flugzeugfliegen.
Gunnar:
[1:56:21] Das Flugzeugfliegen, genau. Mit dem Flugzeug kannst du ja sogar die ganze Karte abfliegen. Und dass das so hochintegriert ist, Das macht dieses Lither Breath zu, ich will nicht sagen zum lebendigen Ort oder zu einer simulierten Stadt, aber zu einer Vorstufe davon immerhin. Und ich verstehe schon, dass sie die Entscheidung so getroffen haben, aber das bezahlen sie an anderer Stelle damit, dass die Actionsequenzen sehr gamey wirken und wenig filmhaft. Ich kann den Szenen in Defender of the Crown oder auch den Faustkämpfen in Rocket Ranger, die ich auch nicht so dolle finde, kann nicht gut verzeihen, dass sie spielerisch ziemlich einfach sind, weil sie halt in dieses Szenario so passen und da so schön aussehen drin. Und hier sind diese, auch gerade diese Messerkämpfe, diese total sinnlosen Messerkämpfe. Der Reporter zieht ein Messer, echt jetzt? Dass dann hinterher der Chef von dieser Gang ein Messer zieht, ja, das ist schon okay, aber doch nicht der Reporter, naja, egal. Also diese Kämpfe, die sehen wirklich nicht gut aus und das ist nichts, wo man so hinguckt und denkt, oh, voll die Filmszene hier.
Chris:
[1:57:17] Ja, auch abseits von den Action-Sequenzen ist das, was man in It Came From The Desert macht, spielmechanisch ganz schön altbacken und trivial. Die Szenen, in denen wir hier unterwegs sind, wo die Dialoge stattfinden, sind ja Schaubilder ohne Interaktivität. Du kannst ja in die wirklich hübschen Szenen, in denen du hier unterwegs bist, in den Städten nicht reingreifen oder irgendwie reinklicken wie in Adventures. Die sind ja wirklich nur Kulisse. Und die Spielmechanik ist ausgelagert in ein Textinterface, wo man Multiple-Choice-Auswahl trifft. Das ist also auf dem Niveau eines Choose-Your-Own-Adventure-Buches, eines Abenteuerbuches. Und sowas wie Law of the West hat das Jahre vorher schon viel besser gemacht, finde ich.
Chris:
[1:57:57] Genau die gleiche Art von Mechanik da ist. Das aber halt auch die Kernmechanik des Spiels. Das könnte theoretisch natürlich eine ganz ordentliche Varianz haben, selbst mit diesen Textentscheidungen. Das hat es in der allerersten Szene des Spiels ja auch, wo Dinge gleichzeitig passieren. Wo Geass dich besucht, dann kommt Bill rein, dann klingelt das Telefon und sowas. Und dieses Level von Varianz wird nie wieder im ganzen Spiel erreicht. Nie wieder. Das ist einmal in dieser ersten Szene. und ab dann sind es vielleicht mal ein oder zwei Varianten, die da vorkommen und fast nie irgendwas, was gleichzeitig passiert. Das heißt, die Butter- und Brotspielmechanik des Spiels wird nicht sonderlich gut genutzt. Und dadurch, dass das Spiel ja im Endeffekt im Baukasten geplant ist, in dem Masterplan, ist es trotz dieser Pseudosimulation relativ linear und vor allem hat es keine Varianz. Eine der Hauptaufgaben ist ja, den Bau der Ameisen zu finden. Wo ist der Bau der Ameisen, Gunnar?
Gunnar:
[1:58:50] Da, wo der Meteor eingeschlagen ist, logischerweise. Im Südwesten der Karte.
Chris:
[1:58:53] Im Südwesten, genau. Warum variiert das nicht von Spiel zu Spiel? Warum immer da? Wäre das nicht viel spannender, wenn das jedes Mal zufällig woanders wäre? Und die Hinweise, die die Leute geben, hier ist was Seltsames passiert, hier wurden Beobachtungen gemacht oder sowas, dich jedes Mal in einen anderen Ort leiten. Aber das gibt es nicht in It Came From The Desert. Das ist immer gleich. Ein wichtiger Aspekt im Spiel ist das Wetter. Du kannst ja extra von jedem Ort, wo ein Telefon ist, immer beim Wetterdienst anrufen, um zu erfahren, wie ist das Wetter heute und wie wird es morgen werden. Warum? Weil die Ameisen nämlich in ihrem Bau bleiben, wenn es zu heiß ist oder wenn es regnet. Nur bei vergleichsweise milden Temperaturen kommen die auch wirklich raus. Wenn du also zum Beispiel sie mit dem Flugzeug beobachten möchtest, Zaunaufnahmen machen möchtest, muss das Wetter entsprechend passen, sonst verschwendest du hier Zeit. Das ist eigentlich cool. Ist das Wetter variabel? Nein. Bei jedem Spieldurchlauf wird in jedem Tag immer das gleiche Wetter sein. Also ein Spiel, das quasi schreit danach, ein bisschen zufällige Elemente zu haben, hat dergleichen gar nicht oder fast gar nicht. Das finde ich auch relativ schade. Das passt natürlich zu dem Film-Aspekt, dass hier halt ein Film gespült wird und der ist immer gleich, aber wir sind ja immer noch im Medium-Spiel und dessen ureigene Stärken darf man schon zum Tragen bringen, wenn sie sich so anbieten wie in diesem Fall. Aber das nutzt es Came from the Desert leider nicht.
Gunnar:
[2:00:17] Ja gut, wir sind im Jahr 1989. Es ist jetzt auch nicht so, dass es da so viele Spiele zu der Zeit gegeben hätte, die das konsequent ausleben, mit ihrer Karte neu auswürfeln oder so. Es wäre hier logisch gewesen und wir wissen natürlich nicht, ob das ihr System überhaupt hergegeben hätte, sowas zu bauen. Und es hätte zu dem Spiel sicherlich gepasst, weil es das Spiel ja nicht in der Grunderzählung verändert hätte.
Chris:
[2:00:41] Offensichtlich war es nicht möglich, das zu machen, sonst hätten sie es ja gemacht.
Gunnar:
[2:00:45] Hätten sie es wahrscheinlich gemacht, genau. Aber das Spiel ist ja schon so gebaut, dass man es eigentlich mehrmals spielen soll, weil man kann ja Sachen verfassen und es kann ja auch einfach schief gehen. Also insofern hätte es gut zu Gesicht gestanden in diesem Spiel, wenn das Wiederspielen noch ein bisschen aufregender gewesen wäre, als wenn man schon wüsste, was da los ist.
Chris:
[2:01:02] Wobei, das ist natürlich ein guter Punkt, das ist ja auch ein bisschen unfair im Spiel, was vorzuwerfen, was es nicht gemacht hat. Also so eine Art, Christians wünsch dir was, wir müssen das Spiel dafür das nehmen, was es ist. Und du hast recht, das will mehrmals gespielt werden, weil man sich auf diese Art und Weise das erschließen soll, was passiert.
Chris:
[2:01:19] Und damit kommen wir zu einer, wie ich finde, großen Stärke von It Came From The Desert, dass das vermutlich eines der frühen Spiele für viele Menschen gewesen sein wird, das sie mit einer fragmentierten Erzählung konfrontiert hat. Weil sich das, was geschieht in Lizard Breath in der Regel zusammensetzt aus den vielen Einzelbeobachtungen, die man macht. Und dadurch, dass man an verschiedenen Orten der Spielwelt zu jedem Zeitpunkt sein kann, muss es da auch Redundanzen geben. Da reden dann Leute in der Bar über etwas, was du auch zum Beispiel erfahren kannst, wenn du in den Radiosender gehst und dort mit deiner Freundin sprichst. Also was sozusagen Stadtgespräch ist, kann man an verschiedenen Orten entdecken. Aber manche Leute wissen halt Sachen, die andere nicht wissen. Und gerade für diese Sub. Plot strenger. Also ein Beispiel, was ist denn jetzt eigentlich mit der Freundin passiert von Jackie? Und das ist etwas, was man sich halt im Laufe der Tage dann aus ein paar einzelnen Meldungen zusammen reimt. Da wird dann mal zum Beispiel an Tag 5 dann darauf hingewiesen, entweder indem man die Polizei besucht oder vom Radio, dass eine Leiche gefunden wurde bei den Neptunianern und die Polizei ermittelt. Leiche einer jungen Frau.
Chris:
[2:02:27] Natürlich vermuten alle, oh, haben die da Dreck am Stecken? Dann stellt sich aber an den nächsten Tagen raus, ach nein, die Leiche wurde identifiziert. Das ist eben die verschwundene Freundin von Jackie. Dann stellt sich aber raus, die kann nicht dort umgebracht worden sein. Die ist offensichtlich schon fünf Tage tot. Die muss also eines anderen Todes gestorben sein. Und das alles tut überhaupt nichts zur Sache. Das führt auch zu nichts. Also das ist nicht relevant für irgendeinen Storypunkt oder für die Lösung des Spiels, sondern das sind halt Fragmente von dieser weiteren Erzählung, die man an verschiedenen Tagen, an verschiedenen Orten erfahren kann oder eben nicht. Es gibt ja auch Irrwege. Also diese ganze Geschichte mit der Pipeline im Norden, da ist irgendwas passiert. In Lizard Breath gibt es auch eine Wahrsagerin, die munkelt zum Beispiel am Anfang, oh, irgendeine Dunkelheit braut sich im Norden jenseits der Pipeline zusammen. Und da kannst du dir vertrauen oder nicht und kannst deine Erkundungen in diese Richtung lenken. Das ist aber irreführend. Da ist nichts. Da wirst du nichts rausfinden, sondern das Spiel legt da einfach nur eine falsche Fährte. Und auch hier das Wahre vom Unwahren zu unterscheiden, zu gucken, wem gehe ich nach Ach und wie setze ich meine Informationen zusammen? Das ist hier fragmentiert zerstreut über Zeit und Raum dieser Spielwelt. Und das ist schon spannend. Da muss man It Came From The Desert mehrmals spielen, um da wirklich ein einigermaßen vollständiges Bild zu bekommen.
Gunnar:
[2:03:44] Ich habe das als großzügig empfunden, um da mal jetzt ein Wort zu bringen. Ich habe da kein besseres für. Ich habe das als ein Reichtum des Spiels empfunden. Das Spiel profitiert sehr stark davon, wenn man es heute nochmal spielt, wenn man es nicht mit Lösung spielt. Weil sonst weiß man einfach sofort, was man so machen muss und zieht das dann so durch. Aber ohne Lösung kann man auch eine ganze Weile im Dunkeln tappen. Nicht bei den entscheidenden Sachen, das kriegt man schon mit. Aber bei diesen Nebenaspekten, bei den Subplots. Und man hat immer das Gefühl, ich verpasse hier jetzt gerade irgendwas, weil ich kann mich halt nicht zerteilen. Ich kann halt nicht alles machen. Und durch die Tatsache, dass du auch das Telefon noch als Mechanik hast, zusätzlich zu der Bewegung, dass du ja auch noch immer anrufen kannst und damit auch Sachen in Erfahrung bringen kannst, fühlt sich das alles komplex an. Das fühlt sich komplexer an, als es ist, möchte ich sagen. Ich habe eben schon ein bisschen von meiner Enttäuschung berichtet mit diesen Action-Sequenzen, die ich so ein bisschen sehr einfach finde. Aber ey, als ich das Flugzeug hatte, das erste Mal, da dachte ich, ach boah, das ist auch noch drin.
Gunnar:
[2:04:42] Wow, nicht schlecht. Und dieses Flugzeug so nutzen zu können, damit kannst du dann die Ameisen angreifen natürlich, er ist jetzt auch nicht besonders wild und die Ameisen sehen dann halt aus wie in diesen Draufsichtsequenzen immer. Aber dass du damit dann nochmal diese komplette Karte abfliegen kannst, fand ich schon auch so programmiererisch und vom technischen Aspekt her eine ganz schön ordentliche Leistung. Vorher kannst du die ja nicht frei abfahren mit dem Auto. Vorher nimmst du sie nur so in Inkrementen wahr, indem du dann so eine Art automatische Reise zum nächsten Punkt auslöst, wo dann Zeit vergeht. Und plötzlich ist diese Karte in Echtzeit befliegbar mit dem Flugzeug.
Gunnar:
[2:05:15] Das fand ich schon eine ganz schöne Ansage für eine Action-Sequenz. Und es hat mich auch wieder ein bisschen entschädigt für ein paar von den anderen.
Chris:
[2:05:22] Ja, also in Sachen Worldbuilding ist das gar nicht schlecht mit Camp Dona Dessa. Das hat hier ja eine zusammenhängende Welt, die du auf verschiedene Weisen erleben kannst und mit dem Flugzeug ja auch zusammenhängend überfliegen kannst. Die Orte in dieser Welt sind alle sinnvoll, die passen in das Szenario und die sind teilweise sogar spannend. Also vielleicht jetzt nicht unbedingt die Farmen, aber dass es da halt auch ein Autokino gibt, dass es da eine Baustelle von einem zukünftigen Wellnesshotel gibt, natürlich den Flughafen D, Army Base. Das ist schon alles ganz schlüssig und das Erkunden dieser Welt macht auch Spaß.
Chris:
[2:05:56] Das Problem von It Came From The Desert ist, dass sich herausstellt bei fast jedem von den Elementen im Spiel, bei den Erzählungselementen, bei den spielmechanischen Elementen, bei den Erkundungselementen, dass da praktisch keine Substanz dahinter steckt. Also das Fliegen mit dem Flugzeug ist ein gutes Beispiel. Ja, es ist toll, die Karte zu erkunden. Wofür brauchst du es, um den Ameisenbau zu finden und um Aufnahmen zu machen?
Chris:
[2:06:25] Sonst für nichts. Die haben da eine Spielmechanik reingebaut, die sie für viel mehr hätten nutzen können, aber die nur für eine Sache genutzt wird. Diese ganzen Subplots, ob das der Jackie-Subplot ist, diese Leiche von ihrer Freundin, der Typ von der Zeitung, es führt alles zu nichts. Es hat keine Konsequenzen auf die Handlung, es versickert, es ist seichtest möglich, was hier passiert. Also es sind ja sowieso klischeehafte Erzählungen, selbst diese Romanze, die Eifersucht, die ich vorhin erwähnt habe. Es ist egal, die Jackie ist irgendwann wieder weg, dann ist das die wieder sie selbst. Es hat keine nachhaltigen Konsequenzen, mal abgesehen davon, dass es sowieso keine Auswirkungen auf den Hauptplot hat. Unser Protagonist ist farblos, bleibt uninteressant. Die ganzen Charakterzeichnungen sind oberflächlich klischeehaft und auch immer nur angedeutet. Diese Neptunianer, diese Sekte, was wollen die, warum sind die hier? Das ist am Ende völlig egal. Es ist als ob das Spiel das vergisst auf dem Weg. Es hat keinen Zusammenhang, es hat keinen Einfluss, es wird alles aufgemacht und dann aber nicht zu Ende geführt. Und deswegen ist das nach einer Weile, der Weile der initialen Fesselung und Begeisterung, ist zumindest bei mir die vorherrschende emotionale Erfahrung mit It Came From The Desert Enttäuschung.
Gunnar:
[2:07:40] Ich finde, das ist wieder ein sehr moderner Blick und ein Blick, der sehr von so einem perfektionistischen Idealding ausgeht. Der Anspruch hier ist ja nicht, ich mache halt 14 Handlungsfäden auf und führe sie perfekt wieder zusammen, wie in so einem supermodernen Krimispiel, wenn das da überhaupt klappt, sondern der Anspruch ist hier, ich versuche einen Ort zu schaffen, in dem eine Handlung passiert und in dem aber auch noch andere Sachen passieren, die den richtigen Weg verschleiern, die die Nebenaspekte aufmachen und in der du sozusagen selbstmotiviert ja noch Sachen lösen kannst. Du musst ja nicht in allen Sachen, du wirst ja nicht gezwungen, dich mit der Gang anzulegen und dem Elmer zu helfen, dem Tankwart, den sie belästigen. Das kannst du halt selbstmotiviert machen. Das ist ja ganz angenehm, finde ich, dass es halt dir nicht so einen Katalog gibt, so jetzt löse alle Probleme dieser Stadt, wie in Baldur’s Gate, in einem Rollenspiel, wo das immer so typisch ist, sondern du hast hier eine Aufgabe, aber halt noch andere Aspekte, go for it. Ja, und wahrscheinlich verpasst du einiges und guckst nochmal rein beim zweiten Mal und guckst dann, ob du mehr rausfindest.
Chris:
[2:08:44] Ja, du hast natürlich recht, dass das jetzt ein moderner Blick auf das Spiel ist, aber auch als zeitgenössischen Blick. Also zum einen ist ja nicht so, als ob das Spiel wahnsinnig revolutionär wäre, gerade was jetzt zum Beispiel diese Echtzeit angeht. Ein Spiel, wo so eine Pseudosimulation von Zeit drin ist, hatten wir schon in Deadline zum Beispiel 1982 oder 89 erscheint, The Colonel’s Bequest von Sierra. Genau das Gleiche. Leute können in unterschiedlichen Räumen zu unterschiedlichen Zeiten sein. Diese Spiele machen das besser als It Came From The Desert. Ich glaube aber, das will auch gar nicht so sehr abheben darauf auf diesen Simulationsaspekt. Das ist ja ein Atmosphärespiel. Da sind wir wieder bei dem Punkt von vorhin. Gelingt It Came From The Desert das, was es sich vorgenommen hat, also eine filmhafte Erfahrung zu sein? Ich meine, dass das Szenario interessant ist, das ist, wenn wir ehrlich sind, zum großen Teil das Verdienst des Filmvorbilds, Them, weil da stammt es ja her. Aber das hat It Came From The Desert immerhin sauber übertragen und effektiv ausgestaltet. Aber ich finde, das Schizophrenie an diesem Spiel ist, dass ab dem Moment, wo die Welt etabliert und die Handlung aufgemacht ist.
Chris:
[2:09:49] Spieldesign gegen die intendierte Erfahrung arbeitet. Das Spiel lädt mich durch seine Offenheit und Parallelität dazu ein, die Welt zu erkunden und Spuren zu verfolgen. Das, würde ich sagen, ist die Kernmotivation. Aber wenn ich mich auf diese narrative Schnitzeljagd einlasse, wenn ich den Storyfäden folge, wenn ich den Menschen in Lizard Breath helfe, dann werde ich dafür bestraft. Weil ich das nur tun kann, wenn ich die Hauptaufgabe liegen lasse und aller Wahrscheinlichkeit nach werden dann die Ameisen die Stadt überrennen. Man könnte sagen, das ist doch mega gut. Das ist für die Zeit nachgerade super progressives Emergent Storytelling. Du spielst hier deinen eigenen Film und der besteht aus den Storyparts, die dir wichtig sind. Vielleicht ist das eine Love Story mit Jackie, dramatische Liebe in der Zeit des Untergangs. Vielleicht ist das ein Noir-Thriller, der schmutzige Deal des schmierigen Zeitungsmanns. Vielleicht ist das ein Jugenddrama, mein Struggle mit der halbstarken Straßengang. Und vielleicht ist es die Big-Bug-Hommage an die 50er-Jahre-Filme, wie ich die Riesenameisen aus dem All bezwang. Der Weg ist das Ziel.
Chris:
[2:10:58] Aber auch hier, das ist nicht Christians Wünsch dir was, das ist erkennbar nicht das, was das Spiel sein will. Diese anderen Erzählfäden fasern alle aus, wenn die Ameisen kommen. Das Spiel sagt dann klipp und klar, sorry, das war’s nicht, spiel mich nochmal. Und da sind wir dann bei Trial and Error. Und ich meine, auch das könnte lohnend sein im Sinn von einem anspruchsvollen Film, wo man bei jedem neuen Anschauern neue Details entdeckt und das macht dann neue Interpretationsräume auf und so. Nur It Came From The Desert ist halt nicht deep. Das ist erzählerisch seicht. Nur kurz als Randbemerkung, im Filmvorbild, in Them, da hast du mit Dr. Patricia Medford eine weibliche Hauptfigur, die ist nicht nur eine selbstbewusste Akademikerin, sondern die setzt auch gegen den Willen der ganzen Männer durch, dass sie mit in den Ameisenbau geht. Und das in den 50er Jahren. Im Spiel gibt es sowas nicht. Da ist Jackie, das Liebchen, in Not und fertig. Im Film wird die Bedrohung gelöst durch Kooperation zwischen allen beteiligten Instanzen. Von der Polizei über die Wissenschaft bis zur Politik und dem Militär. Im Spiel ist es der heroische Einzelkämpfer, der den Tag rettet. Im Film ist eine wesentliche Vorbedingung zum Sieg über die Ameisen, dass man sie vorher versteht. Wir haben ja von Christian vorhin sogar gehört, dass im Film Them ein Lehrfilm über Ameisen gezeigt wird, ein Film im Film. Und der ist auch toll, das funktioniert hervorragend. Also man kann aus Them gar nicht rausgehen, ohne ein bisschen was über Ameisen gelernt zu haben.
Chris:
[2:12:24] Im Spiel ist das weg. Aber Klammer zu, wir waren bei Trial and Error. Nun bedeutet Wiederholung beim Spiel natürlich die erneute Auseinandersetzung mit der Spielmechanik. Und die, da schließt sich der Kreis, tut halt unerklärlicherweise alles dafür, um dir im Weg zu stehen. It Came From The Desert ist ein mühsames Spiel. Das ist heute so, das war damals schon so. Man spielt das nicht wegen, sondern trotz seiner Mechaniken. Und ich finde, der Lohn ist am Ende die Mühe nicht wert. Bei all den tollen Momenten, die es hat, bei all der grafischen und auch soundtechnischen Opulenz, bei der spannenden Grundstimmung, am Ende sind das Potemkin’sche Dörfer. Am Ende entpuppt sich das alles als Pappe. Das ist unterm Strich leider schlechtes Handwerk und zwar sowohl schlechtes Handwerk im Spieldesign als auch schlechtes Handwerk im filmhaften Erzählen. Und das finde ich ungeheuer schade, weil man will It Came From The Desert einfach mögen.
Gunnar:
[2:13:18] Ich finde, diese erste Begegnung mit der Ameise, das ist eine filmhafte Inszenierung mit den Mitteln eines Spiels. Also diese ersten Minuten, wo du halt am Anfang diese Fülle hast an Entscheidungen, wo auch relativ viel gleich passieren kann, wo du dann zwei Charaktere sofort kennenlernst. Dann fährst du auf diese Farm, hast halt diese Interaktion mit dem Farmer, der dann wegläuft und siehst dann diese Ameise übergroß. Und wie gesagt, du bekämpfst sie ja wahrscheinlich zu dem Zeitpunkt noch gar nicht richtig, weil du nicht checkst, was du machen musst. Da ist das voll eingelöst. Auch optisch von den Schauwerten her, von der Art, wie es funktioniert. Du bist da halt nicht so Actionheld-mäßig und ziehst sofort die MG und ballerst die Ameise weg, sondern die taucht da erst mal auf wie so eine Warnung und geht dann wieder ihres Weges, mindet ihr eigenes Business, wie meine Tochter sagen würde. Und das fand ich schon ganz schön super. Das wird dann alles noch ein bisschen entzaubert, wenn du sie dann besiegst und diese 2D-Draufsichtssachen kommen. Das ist fast ein bisschen schade, dass sie sich dafür entschieden haben. Aber ich finde, ein paar Szenen gelingt ihnen das. Da ist das schon da, aber halt nicht flächendeckend. Und diese Mechanik mit den Multiple-Choice-Sachen, gut, das ist natürlich das Gespräch, der Dialog, den gibt es ja auch im Film und das sind ja oft ganz schön gepixelte Szenen, wo du dann Leuten gegenüberstehst, aber das ist natürlich schon sehr statisch, hast du schon recht. Da passiert auch nicht so richtig viel sonst.
Chris:
[2:14:39] Ja, also das klingt jetzt auch wiederum harscher dann im Urteil, als das gerechtfertigt ist. Denn um nochmal zum Anfang zurückzukommen, es ist ja ein ausgesprochen beliebtes Spiel. Das hat damals viele Menschen positiv beeindruckt. Ich glaube, es gibt Spiele, denen verzeiht man einfach viel. Das ist ja ein Thema, das wir hier häufiger haben bei Stay Forever. Und Defender of the Crown ist auch ein Spiel, an das ich und andere Menschen viel nostalgische Erinnerungen haben. Da ist natürlich auch viel Verklärung drin. Bei nüchterner Betrachtung ist das ein grauenvolles Spiel. Aber das haben wir damals nicht so empfunden, weil da kommt natürlich ein gewisses Maß an Selbsttäuschung und Wunschdenken dazu, weil man denkt, okay, vielleicht ist der Schwertkampf in Defender of the Crown richtig toll und ich check ihn nur einfach nicht. Wenn ich nur lang genug übe, dann kapiere ich das Lanzenstechen auch. Das ist mein Fehler, das ist nicht Fehler des Spiels.
Gunnar:
[2:15:24] Aber das Lanzenstechen sieht halt auch so spektakulär gut aus.
Chris:
[2:15:28] Ja, ja, ja.
Gunnar:
[2:15:28] Dass es auch wieder egal ist. Das ist egal. Es ist ja nicht nur Selbsttäuschung. Und man verzeiht dem Spiel natürlich auch, weil es Sachen macht, die andere Spiele nicht machen.
Chris:
[2:15:36] Genau, man verzeiht dem Spiel, weil es so toll aussieht und weil man hofft, okay, vielleicht kommt da noch mehr. Ich möchte die nächste Szene noch sehen, ich möchte die nächste Belohnung noch haben. Und da ist dann natürlich auch das mittelmäßige Spiel, ist da nur Mittel zum Zweck, um in diesem Fall Dinge sehen zu können, einfach nur erleben zu dürfen und eintauchen zu dürfen. Und ich würde sagen, bei It Came From The Desert ist es schon auch so, das ist auch ein Spiel, dem man wirklich leicht viele Dinge verzeihen kann, weil es ihm schon gelingt, diese grundlegende Faszination des Szenarios aufzumachen. It Came From The Desert, das ist ein Spiel, das muss man nicht mal gespielt haben, da muss man nur davon gehört haben und ist schon neugierig auf dieses Spiel. Es gibt vermutlich einige von euch, die hier zuhören, die kennen das Spiel, ohne es je gespielt zu haben. Das spricht schon dafür, dass hier schon grundlegend was richtig gelaufen ist, allein bei der Wahl des Szenarios. Und dann macht es ja auch seinen Schauplatz, seinen Ort und das, was daran passiert, erst mal richtig gut auf. Es hält das Versprechen halt nicht. Es zieht nicht durch. Aber dieses Grundversprechen trägt trotzdem erstaunlich lang. Also ich habe auch wirklich lange daran festgehalten, diese Vorstellung, da ist noch mehr. Da muss noch mehr sein. Ich will das noch weiter erkunden.
Gunnar:
[2:16:42] Ja, man kriegt ja schon was mit beim Erkunden. Es ist ja nicht so, dass du wie bei Amnesia nur durch eine leere Stadt läufst. Hier ist ja einfach was. Das passiert ja auch einfach was an den Orten. Und das hat ja auch einen inneren Zusammenhang und so.
Chris:
[2:16:53] Also an den allermeisten Orten passiert halt auch nichts, zu jedem beliebigen Zeitpunkt.
Gunnar:
[2:16:57] Nee, wenn sie halt nicht da sind. Also du kannst ja nicht immer überall hingehen.
Chris:
[2:17:00] Ja, ja, also bei den 37 Orten, ich würde sagen, zu jedem beliebigen Zeitpunkt gibt es in der Welt 10 Orte, wo vielleicht wirklich was passiert. Und zwei Drittel der Orte, da ist halt einfach nichts.
Gunnar:
[2:17:10] Ja, genau.
Chris:
[2:17:10] Ist ja auch klar, das sind ja wahnsinnig viele Permutationen. Du kannst ja nicht zu jedem Zeitpunkt überall irgendwas Interessantes sein.
Gunnar:
[2:17:17] Ja, ja, ja.
Chris:
[2:17:18] Also unter dem Strich mehr Schein als Sein. Aber der Schein ist schon cool. Der Schein ist schon sehr, sehr sexy von diesem Spiel.
Gunnar:
[2:17:24] Ja gut, also das grundsätzliche Prinzip der Spiele von CinemaWare ist ja mehr Schein als Sein. Die wenden sich ja auch ausdrücklich nicht an Leute, die Spiele erfahren sind oder die Hardcore-Gamer sind. Das sind ja Spiele, die sollen das Thema Gaming oder interaktive Unterhaltung aufschließen für Leute, die aus anderen Bereichen kommen, die eher keine Kids sind, die Joystick erfahren sind. Und da ist noch eine andere Frage, ob das immer eingelöst wird in allen Spielen. Auch hier zum Beispiel mit den Action-Sequenzen. Aber dass das alles ein bisschen trivial ist, auch spielerisch, würde ich ihnen erstmal nicht vorwerfen. Sie wollen halt auch lösbar sein. Deswegen sind sie auch nicht so harsch in der Bestrafung. Es gibt ja keine Tode und das ist ja vergleichsweise ein kurzes Spiel.
Chris:
[2:18:09] Und man kann sogar speichern, im Gegensatz zu anderen CinemaWare-Spielen.
Gunnar:
[2:18:13] Genau, zu der Kardinalsünde, die sie bei Sinbad gemacht haben, das machen sie hier rückgängig und man kann speichern. Und man kann das aber, wenn man weiß, dass man tut, spielt man es in einer Stunde durch oder in anderthalb. Das ist jetzt nicht ein Riesenspiel. Diese ganze Erforschung, die findet dann sozusagen außerhalb der Kernspielzeit statt.
Chris:
[2:18:29] Ich bezweifle, dass das mit dem Unlocken von Nicht-Gamern funktioniert hat mit It Came From The Desert. Aber bei der Zielgruppe haben wir dann am Ende, finde ich, doch noch eine hübsche Parallele zu den Vorbildfilmen aus den 50er Jahren. Weil die Filme haben damals junge Leute ins Kino gezogen, in dieses noch vergleichsweise junge Massenmedium mit dem Versprechen des Spektakels, wie Christian vorhin gesagt hat. Und weil die sehenswerte Kreaturen hatten und wegen dem Reiz des Neuen, hat man ihnen dann die dramaturgischen und technischen Schwächen verziehen. 35 Jahre später ist It Came From The Desert dann das zeitgemäße audiovisuelle Spektakel in einem vergleichsweise jungen Massenmedium, dem Computerspiel. Und weil es sehenswerte Kreaturen hat und wegen dem Reiz des Neuen, verzeiht man auch ihm die dramaturgischen und technischen istgleich spielmechanischen Schwächen. Also am Ende bleibt es seinem Vorbild dann doch treu.
Chris:
[2:19:27] Nun, um die von dir erwähnte überschaubare Spielzeit zu erweitern, gab es ja dann noch etwas Ungewöhnliches für Cinemaware und generell für diese Zeit der Spieler, nämlich ein Add-on.
Chris:
[2:19:39] Jetzt springen wir nochmal zurück zu der Zeit, wo das Spiel erschienen ist. Du hattest es ja vorhin schon beschrieben. Das kam bei den Kritikern sehr gut an und David Worden, der Schöpfer, war sehr zufrieden damit. Natürlich wird das erstmal portiert, das Spiel, aber nur auf den PC. Das kriegt also noch eine DOS-Version 1990. Die kann nicht so wahnsinnig erfolgreich gewesen sein. Die ist zwar inhaltsgleich, aber die ist absolut hässlich. Also EGA-Grafik kann schön sein, wenn man sich damit auskennt und wenn man sich nicht damit auskennt, wenn da weniger talentierte Grafiker dran sind, dann ist das furchtbar. Und leider ist die DOS-Version von It Came From The Desert ein Beispiel dieser Kategorie. Ziemlich furchtbar, gibt also keinen Grund, die zu spielen, zumal sie natürlich auch vom Sound meilenweit entfernt ist von der Amiga-Version.
Chris:
[2:20:23] Aber das ist also erstmal hier so die Basisfassung und dann erscheint aber 1990 noch dieses kuriose Add-on. Per Post bestellbar für 20 Dollar von CinemaWare. Da musste man die erste Diskette von It Came From The Desert einschicken als Beleg dafür, dass man das Spiel gekauft hat und natürlich einen Scheck mit 20 Dollar und dann hat man zurückbekommen die Disketten von Ant-Heads. Was ist das?
Gunnar:
[2:20:49] Das ist ganz schön crazy. Das ist wie eine Fingerübung für ihr Masterplan-System, weil es ist eine Erweiterung auf Basis der bestehenden Assets, wie wir im Denglisch der Spielebranche sagen. Also die Grafik und der Sound und der grundlegende Code des Spiels werden nicht verändert, aber es hat eine neue Geschichte, neue Charaktere, die natürlich dann schon neue Grafiken haben, okay. und ein bisschen anderes Setup mit einem kürzeren Zeitlimit und so. Aber es ist ansonsten eine Variante des bestehenden Spiels.
Chris:
[2:21:23] Ja, normalerweise wurden die CinemaWare-Spiele ja noch auf weitere Systeme portiert. Da hat jetzt hier It Came From The Desert nicht so viel bekommen. Das lag aber auch daran, dass eine geplante Version gar nicht rauskam. Nämlich für das Mega Drive sollte auch eine Umsetzung passieren. Allerdings keine 1 zu 1 Konvertierung, sondern ein ganz anderes Spiel, nämlich ein Top-Down-Shooter unter dem gleichen Namen, aber mit anderen Protagonisten. Da wäre man dann Buzz, ein Schädlingsbekämpfer gewesen, andere Handlungen und sowas. Das war auch fast fertig, aber Cinemaware hat es nicht rausgebracht. Das kann man heute im Internet finden. Der ROM-Dump existiert davon, obwohl es wie gesagt nie rausgekommen ist.
Chris:
[2:22:03] Aber wen das interessiert, der kann da mal reingucken. Aber dann gab es noch eine weitere Version von It Came From The Desert. David Roden nennt diese weitere Version selbst immer It Came From The Desert 3. Also seiner Erzählung nach ist das Hauptspiel 1, das Add-on Ant-Heads 2 und was Gunnar ist jetzt It Came From The Desert 3.
Gunnar:
[2:22:26] Das ist einem interessanten Twist dieser Geschichte, der Sargnagel der ganzen Firma. Das ist ein hoch ambitioniertes Projekt. Das ist die TurboGrafx-Version für die PC Engine. Und das ist eine Kooperation zwischen Cinemaware und NEC. NEC kauft auch extra Anteile an Cinemaware, 20 Prozent immerhin, um sich diese Version zu sichern und die auch mitzufinanzieren. Und das ist das erste Mal, dass sie mit dem CD-Medium arbeiten bei CinemaWare und es ist auch überhaupt ein sehr frühes CD-Spiel. Wir sind hier noch im Jahr 1991. Und das soll die Killer-App werden für das CD-Add-on des TurboGrafx-16.
Chris:
[2:23:07] Also der PC-Engine, wie das bei uns hieß.
Gunnar:
[2:23:09] Der PC-Engine, genau. Und diese Version soll dann echte Schauspiele haben, orchestrierte Musik. Das sieht dann schon aus wie ein sehr frühes FMV-Spiel, Also unbekannte Schauspieler, die vor Greenscreens spielen. Das ist aber erstmal nicht das Problem, die Qualität dieses Spiels. Da wird auch wirklich viel investiert von Seiten Cinemawares. Das Problem ist die Plattform. Ich meine, die PC Engine, das CD, Adorn, floppt total. Und das System, das ist ja so ein 8-Bit, 16-Bit-Hybrid. Das kann das gar nicht gut darstellen, diese FMV-Grafik flüssig. Das ist einfach eine totale Todgeburt. Bob Jacob hat später gesagt, dass das Spiel der Untergang war von Cinemaware. Das Projekt kostet 700.000 Dollar in der Entwicklung. Das ist das Vier- bis Fünffache dessen, was damals so Spiele gekostet haben. Und das sah obendrein auch noch scheiße aus, weil halt die Hardware dann doch nicht so doll war dafür. Also ein Rückschritt gegenüber den Amiga. Und dann haben sie auch noch das Gameplay stark vereinfachen müssen. Und das hat dann die ganze Firma in Schieflage gebracht, weil sie dafür so viel Geld ausgegeben haben und davon echt nichts zurückbekommen haben.
Chris:
[2:24:34] Also der Fluch des Pioniers früh auf eigentlich das richtige Medium gesetzt, nämlich die CD-ROM.
Chris:
[2:24:40] Nur, wie du sagtest, leider auf der falschen Plattform. Ja, und damit kommen wir zum Ende von CinemaWare. Im Jahr 1990 kommt noch das letzte Hurra, nämlich Wings, dieser Flugsimulator im Ersten Weltkrieg. Ich hatte vorhin schon erwähnt, das ist dann nochmal ein spätes Highlight und ein weiteres CinemaWare-Spiel, das sicher nochmal eine eigene Stay Forever-Folge bei Zeiten wert ist. Das reicht aber auch nicht mehr, um die Firma zu retten. 1991 ist CinemaWare dann insolvent. Die Belastungen durch diese teure Turbo-Grafx-CD-Version von It Came From The Desert in Kombination mit Raubkopien und auch noch einem wirtschaftlichen Absprung sorgen dann dafür, dass CinemaWare Schulden von über einer Million US-Dollar hat Anfang 1991. Gibt es noch Verhandlungsübernahmen, ob Columbia Pictures oder Electronic Arts vielleicht, CinemaWare kaufen wollen, aber nein, das scheitert an alles. Dann muss Bob Jacob erst Mitarbeiter entlassen. Damit wird es natürlich noch schwieriger, Projekte fertigzustellen und im Sommer kommt dann eben die Insolvenz und dann wird die Firma auch tatsächlich liquidiert und die Vermögenswerte und der Markenname verkauft. Die meisten von den Marken landen in England bei Mirosoft.
Gunnar:
[2:25:47] Ja, das war’s dann. Der Rorden und der Autor Melville, die machen weiter unabhängig voneinander im Bereich der echten interaktiven Filme. Die werden beide zentrale Beteiligte an frühen FMV-Spielen. Der Rorden kommt bei Philips unter und ist da dann der Designer für das FMV-Spiel Voyeur. Der Titel verrät es schon, ist ein Spiel für Erwachsene und für die Spielumsetzung der Serie Thunder in Paradise mit Hulk Hogan.
Gunnar:
[2:26:13] Und Ken Melville, der landet bei Digital Pictures, entwirft dort Mega-CD-Spiele für Sega, unter anderem Sewer Shark und Corpse Killer. Die Leute danach Mega-CD und CDI. Ich meine, Life-Choices, naja.
Chris:
[2:26:28] Ja, also aber durchaus einflussreiche Leute dann noch in dem Bereich des interaktiven Films und zwar das tatsächliche interaktive Films, so wie wir das dann in den 90ern verstehen, nämlich halt Spiele, die wirklich aussehen wie Filme, weil sie mit Filmmaterial gemacht sind. Ja, jetzt könnte die Geschichte eigentlich zu Ende sein, aber wir leben ja in einer Zeit, wo alte Marken nicht ruhen dürfen. Manchmal zum Glück, manchmal leider. CinemaWare zum Beispiel wird im Jahr 2000 schon wiederbelebt. Die probieren ja auch mal einen Kickstarter für Wings und sowas.
Chris:
[2:26:59] It Came From The Desert kriegt dann in einem hübschen Twist der Geschichte eine Verfilmung. Das ist eines von den Computerspielen, die in der nicht ganz so langen Liste der Spiele stehen, die tatsächlich mal verfilmt wurden. Und zwar im Jahr 2017. Also da wurde der Film veröffentlicht. Der heißt auch It Came From The Desert ist ein Horror-B-Movie mit ein bisschen Comedy-Einschlag. Hat jetzt mit dem Spiel nicht so viel zu tun. Er hat das generelle Szenario, aber keine der Handlungen. Das ist also eine ganz andere Handlung und kam auch nicht so wahnsinnig gut an.
Chris:
[2:27:32] Ja, und dann gibt es noch eine Art spirituellen Nachfolger. It Returned to the Desert. Das ist ein Indie-Titel, der aber gar nichts mit CinemaWare oder den damaligen Beteiligten zu tun hat. Also eher ein Fan-Projekt aus dem Jahr 2023.
Gunnar:
[2:27:45] Ja, ein Hommage. Die letzten drei Sachen, die wir erzählt haben, vertiefen wir nochmal in einer Folge. Wusstet ihr eigentlich, insbesondere würde ich gerne mal mit dem Entwickler von It Returned to the Desert sprechen, der ist nämlich aus Karlsruhe und hat früher in der gleichen Firma gearbeitet wie ich. Da schauen wir mal, ob wir den noch an Land kriegen, um da ein bisschen drüber zu plaudern, was er da gemacht hat. Ansonsten sind wir jetzt mit unserer Erzählung so weit durch, Christian, oder hast du noch was hinzuzufügen?
Chris:
[2:28:13] Nee, ich habe nichts weiter hinzuzufügen, aber ihr da draußen habt ja möglicherweise etwas hinzuzufügen. Ihr habt euch das schließlich gewünscht, dieses Spiel. Wie steht ihr zu unserer Einschätzung? Was sind eure Erinnerungen? Teilt es gerne mit uns und allen anderen da draußen, idealerweise in unserem Forum auf www.stayforever.de.
Gunnar:
[2:28:32] Vielen Dank fürs Zuhören und bis zum nächsten Mal.
Chris:
[2:28:35] Danke Gunnar, bis zum nächsten Mal und hier geht es jetzt weiter mit Musik.
Das ist ja Geburtstag und Weihnachten für Amiganer. Das Spiel war in der Frühzeit des Amiga einfach die Topanwendung. Das Gameplay ist natürlich heute etwas verworren. Ich liebe es trotzdem.
Typografisch dachte ich weniger an … From Outer Space, sondern eher:
Den hier liebe ich auch:
Tarantula ist schuld an meiner Spinnenphobie.
@Rahel außer Brundle Fliege! Aber der ist auch ein Hybride.
Sehr cool . Mir sind die Tippfehler in der Werbung hängen geblieben wie it came for dessert.. drum nenn ich es immer noch so
Fand es damals schon verworren und habe es nicht geschafft weit zu kommen.
Irgendwann habe ich es dann im YouTube let’s play angesehen und bin nun gespannt auf die Fakten und Hintergründe
Keine Kapitelbilder? Bei mir sind trotz reload keine zu sehen? Liegt der Fehler bei mir?
Brundlefly macht was mit mir. Aber ich weiß noch nicht was.