[einspieler dagmar berghoff]
Henner:
[0:23] Guten Tag Frau Berghoff, zu Ihnen kommen wir noch zunächst. Hallo liebe Hörerinnen und Hörer und moin Gunnar.
Gunnar:
[0:28] Hallo Henner und hallo alle.
Henner:
[0:31] Gunnar, nachdem wir drei uns jetzt begrüßt haben, ist es ja an der Zeit unser Gesprächsthema vorzustellen. Da gibt es nur ein Problem, es hat keinen Namen. Oder was meinst du, wie heißen die Computer, über die wir heute sprechen?
Gunnar:
[0:43] Die 400-800 Computer?
Henner:
[0:46] Ja, aber es kommen ja noch welche danach.
Gunnar:
[0:49] Nein, es sind die 400-800 Computer und der ganze Rest ist wurscht. Darunter ist alles subsummiert.
Henner:
[0:55] Ach so, sehr pragmatisch gelöst, ja. So kann man es machen. Ich glaube, die Folge haben wir aber genannt 8-Bit-Heimcomputer oder Atari 8-Bit-Computer.
Gunnar:
[1:04] Ja, genau. Wir wollen über die 8-Bit-Computer der Firma Atari sprechen. Über alle.
Henner:
[1:09] Ja, aber das ist ja keine Benennung, das ist eine Beschreibung. Aber was anderes bleibt uns nicht übrig. Es geht also um eine Serie von 8-Bit-Heimcomputern von Atari ohne Seriennamen. Die begann 1979 mit den Modellen 400 und 800 und wurde dann fortgesetzt mit den XL-Computern und den XE-Modellen. Und diese uneinheitliche Benennung, die hat mich früher schon immer verwirrt. Ich habe ja in den frühen 90er Jahren als ST-User manchmal Atari-Magazine gelesen und stolperte darin immer wieder über diese komischen Bezeichnungen Atari XL, Atari XE, Atari 800. Ich habe nie begriffen, dass die alle zusammenhängen irgendwie.
Henner:
[1:51] Aber auch anderswo sind mir diese Rechner schon begegnet. Auch im Stay Forever Kontext, obwohl wir sie noch nie direkt thematisiert haben. Denn wir sprachen ja ausführlich über die Geschichte Commodores und deren erste Heimcomputer, den VC20 und den C64. Und in der Vorbereitung auf diese Commodore-Folgen, da war der Atari 400 stets präsent, nämlich als Ärgernis, denn da machte es so schwer, die Commodore-Rechner richtig historisch einzuordnen, ihren großen Errungenschaften zu würdigen, denn Atari war halt immer schon zwei bis drei Jahre früher dran. Ich wollte zum Beispiel den VC20 damals dafür loben, dass er der erste wirklich bezahlbare Farbcomputer war, nur stimmt nicht, Atari war zuerst da. Oder der erste für Spiele konzipierte Computer, nee stimmt auch nicht, Atari war früher dran. Oder der erste Computer mit Fokus auf Benutzerfreundlichkeit, beim VC20 spielte das eine große Rolle, stimmt auch nicht, Atari hat es zuerst gemacht. Ja und so wird es jetzt endlich mal Zeit, dass wir Atari für diese Verdienste anständig würdigen.
Gunnar:
[2:53] Ja, denn die Commodore-Rechner könnte man auch sehr durch die Linse der Atari-Rechner sehen. Also man könnte die ganze Commodore-Rechner-Welt zu der Zeit, also den VC20 und den C64, als Reaktion auf Atari-Computer sehen. Ich habe damals nie gecheckt, dass das zwei Rechner sind. 400, 800. Ich dachte, das wäre der 400, 800. Die haben halt einfach blöde Namen. Der C64 hat halt ein C und ein 64 und der hat halt 400 und ein 800.
Henner:
[3:19] Ja, es sind blöde Namen.
Gunnar:
[3:21] Es waren schwierige Zeiten.
Henner:
[3:23] In der Tat. Dies hier ist quasi der zweite Teil unserer Atari-Reihe, denn wir haben ja über die Frühzeit von Atari, von der Gründung bis zum VCS, also der Atari-Konsole, schon eine eigene Episode gemacht. Deswegen reisen wir jetzt durch diese ganze Vorgeschichte, also durch alles, was vor den Atari-Heimcomputern passiert ist, nochmal im Schnelldurchlauf durch. Das müssen wir machen, weil ihr wahrscheinlich jetzt nicht nochmal die alte Folge anhören wollt, oder? Na ja, könnt ihr natürlich auch machen. Wenn ihr nochmal drei Stunden habt, zieht sie euch gerne nochmal rein, dann seid ihr bestens vorbereitet. Aber für alle anderen gehen wir nochmal das Wesentliche durch.
Henner:
[4:02] Also Atari, gegründet im Jahr 1972 von zwei Herren. Der eine von denen heißt Nolan Bushnell und war dann auch langjähriger Präsident von Atari. Und der hat ganz früh das Potenzial von diesen Videospielen erkannt. Er hat nicht als allererstes diese Idee gehabt, dass man sowas auch machen kann, dass man auf dem Fernseher quasi spielen kann. Das haben auch andere vor ihm schon erkannt. Aber er hat das große Marktpotenzial erkannt. und mit Pong dann auch den ersten wirklich erfolgreichen Videospielautomaten gebaut und verkauft. Und auf Pong folgten weitere Arcade-Automaten.
Henner:
[4:40] Atari wurde zu einer Größe auf diesem jungen Arcade-Markt. Und 1975 folgte dann auch der Einstieg in den Heimkonsolenmarkt mit einer Heimversion von Pong, also einem Gerät, das nichts anderes konnte als Pong-Spielen auf dem heimischen Fernseher. Und so wurde Atari dann auch zur Weltmacht auf dem Videospiele- und Konsolenmarkt. Und dann ist Atari kräftig gewachsen und dafür brauchten sie Geld. Und dann hat Bushnell sein Unternehmen verkauft an Warner. Warner Communications, das ist der Name des Konzerns, den es heute noch gibt. Der damalige Name des Konzerns, zu dem auch das Filmstudio Warner Bros. Gehört oder auch DC Comics. Aber Bushnell hat seinen Posten als Präsident erstmal behalten.
Henner:
[5:25] Aber er brauchte das Geld von Warner, denn Atari hatte Großes vor. Die wollte auf die Heimversion von Pong etwas noch Größeres folgen lassen, nämlich eine richtige Konsole, also eine Konsole mit austauschbaren Spielen, die ein bisschen mehr beherrscht als nur Pong. Und das war das Projekt Stellar, eine programmierbare Heimkonsole auf der Basis eines Mikroprozessors mit austauschbaren Spielmodulen und die kam 1977 auf den Markt als VCS Video Computer System. Später hieß das Gerät dann ja Atari 2600. Dieses Gerät haben wir schon in einer eigenen Folge gewürdigt.
Gunnar:
[6:03] Das Gerät basiert auf dem 8-Bit-Mikroprozessor 6507 von MOS Technology. Das ist seit 1976 eine Tochter von Commodore. Die haben wir in den Commodore-Folgen ausführlich gewürdigt, diese Firma. Und dem selbst entwickelten Videochip TIA, Television Interface Adapter. Dieser Chip beherrscht 128 verschiedene Farbtöne und Sprites. Kann also CPU-unabhängig verschiebbare und skalierbare Grafiken darstellen, was die Bildberechnung erheblich beschleunigt und die Umsetzung beliebter Arcade-Spiele möglich macht, etwa Breakout oder Defender. Krachergerät zu der Zeit, muss man mal sagen. Und vor allen Dingen, es kann ja mehrere Spiele mit austauschbaren Modulen. Also, das ist ja echt Wahnsinn.
Henner:
[6:54] Ja, die waren nicht die Ersten, die das gemacht haben, aber sie haben dieses Konzept groß gemacht.
Gunnar:
[6:58] Atari war ja zu der Zeit mit vielen Sachen nicht die Ersten, aber sie haben halt den Markt erkannt. Anders als die frühen Computer zu dieser Zeit kann das Gerät keine alphanumerischen Zeichen ausgeben. Eine Punktestandsanzeige in so einem Spiel muss dann bei Bedarf aufwendig über so kleine Pixelblöcke realisiert werden. Aber Mai, wir sind hier in den 70er Jahren. Das reicht völlig aus.
Henner:
[7:22] Ja, längere Texte muss das Gerät gar nicht anzeigen. Das war für diese Spiele nicht üblich. Man hat ja da keine Text-Adventures oder sowas gespielt. Wie du das sicherlich gerne gemacht hast zu der Zeit.
Gunnar:
[7:33] Auf dem VCS meinst du?
Henner:
[7:36] Das VCS war also technisch bahnbrechend die beste Konsole ihrer Zeit.
Henner:
[7:41] Aber der Verkauf blieb trotzdem anfangs unter den Erwartungen. Es war nicht von Anfang an ein Hit. Wir haben es ja schon gesagt, 1977 kam die auf den Markt. Aber Atari hat mehr produziert, als sie verkaufen konnten. Und kurz darauf hat Warner, also die Mutterfirma von Atari, wieder erwogen, diesen jungen Zukauf schon wieder abzustoßen nach wenigen Jahren, dieses Problemkind, aber sie haben sich doch noch eines Besseren belehren lassen durch einen neu eingestellten Herrn namens Raymond, kurz Ray Kassar.
Henner:
[8:13] 1978, Anfang 78 haben sie den eingestellt und der wurde Chef von Ataris Consumer-Abteilung, also nicht der Arcade-Abteilung, sondern der Heimgeräte-Abteilung. Und der war ein Marketing-Experte, der hatte eigentlich mit Computern oder mit Videospielen in seiner bisherigen Karriere nichts zu tun. Der kam aus dem Modegeschäft, aber der kannte sich aus mit Marketing. Und der hat Warner davon überzeugt, Atari zu behalten und stattdessen kräftig zu investieren und die Verkäufe anzukurbeln durch ein neues Marketingkonzept. Und fortan hat Atari dann nicht mehr, wie das bisher üblich war, nur zu Weihnachten Werbung gemacht oder kurz vor Weihnachten, sondern das ganze Jahr über. Vor allem mit Fernsehspots. Und der hat einige populäre Testimonials, also Stars aus Sport und Film und Fernsehen engagiert, um Werbung zu machen für die Konsolen. Dann hat er auch in andere Bereiche noch eingegriffen. Die Fertigungsprozesse hat er optimiert, Die Qualitätssicherung, den Vertrieb, der hat überall eingegriffen und das Konzept ging dann auch auf. Im Jahre 78 stiegen da tatsächlich die Verkaufszahlen des Atari VCS. Der Absatz hat sich so langsam stabilisiert, es war immer noch kein großer Hit, aber zumindest hat das VCS genug eingespielt, sodass Warner dabei geblieben ist.
Henner:
[9:32] Aber während sich der Absatz so langsam stabilisierte, zerfiel das alte Atari, die Firma Atari, ein wenig. Oder sie veränderte sich zumindest sehr stark, denn Kassar hat alles umgekrempelt.
Gunnar:
[9:45] Man muss bedenken, das war ja eh schon keine Liebesheirat. Diese beiden Firmen Warner ist halt ein Riesenkonzern. Seriös, bürokratisch und weil sie halt einen starken Fokus auf Endkonsumenten haben, auch ein stark marketinggetriebener Konzern. Wie man sich das vorstellt, da geht man schön mit dem Schlips ins Büro, man hat geregelte Arbeitszeiten, das ist alles ein bisschen steif. Atari hingegen ist ja schon oft beschrieben worden, das ist ja so wie so eine Hippie-Kommune, nur halt mit technischen Fähigkeiten. Das sind halt ein Haufen talentierter Nerds, kreative Ingenieure, die machen ausschweifende Büropartys, Meetings im Whirlpool, da ist alles ein bisschen wilder, da gibt es nicht so eine starke Kontrolle von oben. Und die Entwickler haben erstaunlich viel freie Hand für Entwickler zu dieser Zeit. Die können die Spiele und die Technologie dafür quasi in Eigenregie entwerfen, die kriegen da keine großen Vorgaben aus dem Management. Hauptsache sie verbrauchen nicht so viel Speicherplatz dabei und so, dass das alles noch so draufpasst, dass die Spiele nicht zu groß werden. Ansonsten können die halt auch einfach ihre Ideen umsetzen und das ist halt auch eine Umgebung, in der man das kann und in der dann neue Ideen gedeihen, wie zum Beispiel ja auch das VCS eine eigene Idee ist, die aus dieser Entwicklungsabteilung kommt.
Henner:
[11:04] Ja, das sieht man auch bei anderen Firmen zu der Zeit, bei Commodore genauso. Die Entwicklung der Heimcomputer, die geht ja auch zurück auf Ideen einzelner Ingenieure. Das war auch keine Managemententscheidung von oben. Jetzt machen wir Heimcomputer, sondern das war ein Vorschlag von irgendeinem Nerd, der in seiner Freizeit ein bisschen rumgebastelt hat. Und so sind ganz große Produkte entstanden auf diese Weise. Das war das Erfolgsrezept dieser Zeit in dieser jungen Branche. Aber Warner hatte eine völlig andere Firmenkultur, sehr hierarchisch, sehr klar von oben gesteuert. Und als das VCS eben anfangs strauchelte, wie wir es beschrieben haben, hat Warner mit Kassar und mit anderen Managern die Zügel angezogen und versucht, die Unternehmenskultur bei Atari zu ändern und die Macht aus der Entwicklungsabteilung von den Technikern wegzuziehen und in Richtung des Marketings zu verlagern. Für Atari war bei Warner ein Vizepräsident zuständig namens Manny Gerrard und der und Bouchnell, also der Mitgründer von Atari und noch Präsident, die haben sich permanent gestritten.
Henner:
[12:06] Die beiden hatten eben völlig unterschiedliche Vorstellungen davon, wie so ein Unternehmen zu führen ist. Der Bouchnell hat das später mal im Interview über diese Zeit gesagt, wir hatten ein sehr starkes Ingenieursteam, das an vielen Projekten gearbeitet hat. Viel mehr als es Mani, also dem Herrn Girard, recht war. Und Girard, der wurde auch interviewt, der hat dazu gesagt, die hatten keinen Vertrieb, die hatten keine Werbung, die hatten kein Marketing, die hatten nichts als Forschung und Entwicklung. Ich konnte das überhaupt nicht fassen, was für einen Haufen er da vorgefunden hat.
Henner:
[12:38] Das konnte nicht lange gut gehen und Buschnell wurde langsam klar, dass er die Kontrolle verliert, dass er gegen die neuen Eigentümer, gegen Warner und deren Management nicht ankommt. Und Ende 78 hat dann Buschnell sein eigenes Unternehmen verlassen und sich anderen Dingen gewidmet.
Henner:
[12:55] Dann gab es ein kurzes Chaos in der Führungsebene und zur Mitte des Jahres 79 hat dann Ray Kassar, also dieser Marketing-Experte, die Gesamtleitung Ataris übernommen. Und der hat weiter die Zügel angezogen, neue Regeln eingeführt, ein Dresscode. Jetzt mussten also auch die Nerds, die Ingenieure, die bislang freie Hand hatten und mit kurzen Hosen zur Arbeit gekommen sind, die mussten jetzt auch Anzüge anziehen und es gab geregelte Arbeitszeiten und klare Vorgaben für ihre Arbeit. Er hat ganz viele Manager eingestellt, die genau wie er überhaupt keine Erfahrung in der Spielebranche hatten, sondern mit Marketing primär. Und ja, jetzt hatten eben die Marketing- und die Vertriebsspezialisten bei Atari das Sagen. Und man sollte meinen, das kann nicht gut gehen, aber anfangs ging es gut.
Gunnar:
[13:41] Ja, denn weil ja das VCS anfängt zu wachsen, sieht das jetzt so aus, als hätte Casar hier voll das Richtige getan. Und er ist ja auch nicht doof. Er erkennt schon schnell, dass die Kreativität, die reine Kreativität der Spielideen für den Markterfolg gar nicht so wichtig ist wie zu kräftige Namen. Und Atari bemüht sich dann fortan auch um Lizenzen für populäre Arcade-Automaten von anderen Herstellern, allen voran das bekannte Space Invaders von Taito. Davon gibt es dann eine VCS-Version, die erscheint im Frühjahr 1980 und wird zur ersten Killer-Application für das System. Nach drei Jahren im Markt hat es die erste Killer-Application auch heutzutage nicht mehr so denkbar, dass das Gerät da so lange im Markt schläft. Und in diesem Jahr verdoppeln sich dann die VCS-Verkäufe auf enorme zwei Millionen Stück. Und nun erlebt die Warner-Tochter ein explosionsartiges Wachstum. Die New York Times nennt Atari im Dezember 1982 rückblickend die vielleicht am schnellsten wachsende Firma des Landes. Die Mitarbeiterzahl wächst bis dahin auf 10.000 Leute. Die haben über 50 Gebäude im Silicon Valley von San Francisco. Atari beherrscht zu der Zeit etwa 75 Prozent des Videospiele-Markt. Atari spielt zu der Zeit aber schon längst in einem anderen Spiel, nämlich auf dem Computermarkt.
Henner:
[15:05] Jawohl, aber um dort zu landen, müssen wir zum nächsten Schritt zurück machen, ins Jahr 77. Das ist ja das Jahr des VCS. Das erscheint aber erst im August. Die Hardware-Entwicklerinnen und Entwickler, die sind aber mit ihrer Arbeit schon im Frühjahr fertig. Jetzt übernehmen andere die Vorbereitung für die Massenproduktion und die Entwicklung der Software. Die Ingenieure haben demnach Zeit für neue Projekte. Nolan Bushnell ist noch an Bord zu dieser Zeit. Noch hat er die Führung von Atari inne. Bushnell versteht sein Geschäft. Der weiß um den technischen Fortschritt und verlangt daher von seinen Ingenieuren, sich sofort an die Arbeit an einem Nachfolgesystem zu machen. Aber auch denen ist völlig klar, das VCS hat zwei, maximal drei Jahre auf dem Markt. Denn die Wettbewerber werden schnell handeln und wenn Atari das nicht selbst tut, Dann werden die es sein, die das VCS obsolet machen und mit eigenen Geräten ablösen. Der Plan sieht also vor, ein neues Gerät 1979 auf den Markt zu bringen.
Henner:
[16:06] Nun lebt das VCS in Wahrheit ja 15 Jahre lang. Aber das kann damals nun wirklich keiner ahnen. Und technisch wird es ja schon viel früher überholt. 1979 etwa durch das Intellivision. Es ist also durchaus Eile geboten. Zu dem Kernteam, das sich nun an die Arbeit macht, gehören mehrere Ingenieure, die bereits maßgeblich am VCS beteiligt waren. Jay Miner, der jetzt auch wieder die Projektleitung übernimmt, Steve Meyer und Joseph, genannt Joe DeCure. Das ist ein Name, den wir heute noch häufiger hören werden. Sie setzen sich am 17. Februar 1977 zusammen in einem Meeting unter dem recht unspezifischen Titel New Machines. Das wissen wir so genau, weil De Cure all das vorbildlich notiert hat in seinem Engineering Notebook, das er mittlerweile veröffentlicht hat und das eine wichtige Quelle war für unsere Recherche.
Henner:
[16:59] Minor, Meyer und De Cure haben keine klaren Vorgaben aus dem Management, was sie nun eigentlich konkret machen sollen. Cassar ist noch nicht da, Warner macht noch keinen Druck und Bushnell, der lässt seinen Leuten sowieso immer viel Freiheit. Und so entscheiden die Ingenieure selbst über die Ausgestaltung dieser neuen Maschinen. Und sie setzen bei ihrer Arbeit vor allem an am VCS-Grafikchip, dem TIA. Der ist ja für die Spieleberechnung die wichtigste Komponente neben der CPU, aber die wird ja zugeliefert, auf die hat man weniger Einfluss. Der neue Chip soll darauf aufbauen, auf den TIA, aber genug Potenz bekommen, um die Portierung auch neuerer Arcade-Spiele zu ermöglichen. Dafür soll er nicht nur mehr Rechenleistung und mehr Speicher bekommen, sondern auch eine ganz wesentliche Funktion erhalten, die dem TIA noch gefehlt hat, die Ausgabe alphanumerischer Zeichen, sodass der Chip nicht nur Pixel-Bitmaps ausgeben kann, sondern auch einfach und schnell Texte und Ziffern. Vorgegebenen Zeichensätzen, die im Raum abgelegt sind. Das Konzept für dieses Nachfolgesystem erhält den Namen Stellar X oder auch Stellar AN, also Alphanumeric. Alphanumerisch. Und diese Notiz aus dem Februar 77 über die Fähigkeiten des Stellar AN ist also die Initialzündung für das Projekt, das schließlich die Atari Heimcomputer hervorbringt.
Gunnar:
[18:22] Endlich Text Adventure.
Henner:
[18:25] Ja, ich weiß nicht, ob Sie das gerade unbedingt im Sinn hatten. Ich glaube, es ging ihm schon primär um schönere Grafik, angereichert durch Texte.
Gunnar:
[18:33] Also denen schwebt schon noch was anderes vor als nur Spiele. Das merkt man hier schon. De Cure erklärt in einem Interview, dass einer der Gründe, weshalb er überhaupt 1975 zu Atari gekommen ist, ist der, dass er dachte, das Projekt nach der Spielemaschine, also nach dem VCS, würde dann ein Computer sein. Und Computer faszinieren den. Ich meine, ein bisschen freudloses Hobby, wenn man ein Computer-Fan ist 1975. Da gibt es ja einfach nichts.
Henner:
[19:03] Er muss ja selber einbauen, ja.
Gunnar:
[19:05] Er ist auch persönlich zugegen, als Steve Wozniak 1976 im legendären Homebrew-Computer-Club den Apple I präsentiert. Und nun erhält er seine Chance, hier bei Atari, bei seinem Arbeitgeber, einen eigenen Computer zu bauen.
Gunnar:
[19:22] Dazu haben wir einen kurzen Einspieler, da hören wir die Stimme von The Cure bei einem Vortrag über die Hybrid-Entscheidung. So, wir hatten eine Entscheidung zu machen. Wir versuchen eine neue Game Machine zu machen, unterschiedlichkeiten sind, aber die Inhalte waren die gleiche. Und so wird dann der VCS-Nachfolger, schon auch weil Dicure das so möchte, keine reine Spielkonsole, sondern auch ein Computer. Und zwar ein Gerät aus der neuen Gattung Personalcomputer, Personalcomputer. Das soll kompakt sein, günstig, leicht zu bedienen, massentauglich. Du hast mit DeCure gesprochen und er hat dir im Interview gesagt, dass dieses Ziel von Anfang an festgestanden hätte, obwohl in anderen Quellen zuweilen steht, dass diese Computeridee erst im Lauf der Entwicklung entstanden sei oder dass es eine Vorgabe von Ray Kassar gewesen sei. Das kann eh überhaupt nicht stimmen. Der Kassar wird ja erst 1979 dann zum Präsidenten. Da war das Projekt ja schon fast fertig. Nein, DeCure und seine Leute haben von Anfang an gewollt, dass sie einen Computer bauen.
Henner:
[20:33] Und das ist wirklich im Frühjahr 77 ein sehr kühner Plan, weil diese Gerätegattung des PCs, des persönlichen Computers, die gibt es eigentlich noch gar nicht richtig. Es gibt zwar schon Computer für Heimanwender, die ein einzelner Mensch kaufen, aufbauen und benutzen kann, aber das sind in der Regel noch solche Bausätze wie der Altair 8800 von 1975, mit denen man kaum produktiv sinnvoll irgendwas machen, geschweige denn spielen kann.
Henner:
[21:00] Die richten sich halt an Nerds, an Lötkolben, Bastler und die werden in Stückzahlen von einigen Tausend bis Zehntausend verkauft. Aber das ist noch nichts für den Massenmarkt. Der Computer für den Massenmarkt, der Computer für jedermann, der richtige persönliche Computer, der kommt erst im Laufe des Jahres 77 raus. Das ist ja dann die oft zitierte, von der Zeitschrift Byte so getaufte PC Trinity, die Trinität aus drei Computern, die in diesem Jahr erscheinen. Der Tandy TRS-80, der Apple II und der Commodore PET oder PET. Das sind vormontierte, keine Bausätze, vormontierte Computer, die sofort, wenn man sie an den Fernseher oder Monitor anschließt, sofort einsatzfähig sind und auch leistungsfähig genug, dass man damit einigermaßen was Sinnvolles tun und vielleicht sogar ein bisschen spielen kann. Die aber trotzdem bezahlbar sind, anders als die Mainframes dieser Zeit oder die Minicomputer. Diese drei ersten richtigen PCs, bevor IBM später den Namen ja für sich gepachtet hat, erscheinen erst im Laufe des Jahres 77. Der Apple II, der kommt erst zur Jahresmitte 77 raus, die anderen beiden, also der Tandy und der Commodore noch später.
Henner:
[22:12] Das heißt, im Frühjahr 77 schon diese Entscheidung zu fällen, wir bauen einen massentauglichen PC, das ist visionär. Und auch einen Computer für jedermann für zu Hause, nicht fürs Büro zu bauen, das ist noch visionärer. Denn der TRS-80, der Tandy, der ist zwar auch für den Heimanwender gedacht, aber die anderen beiden, der Apple II und der Commodore Pad, die sind eigentlich Arbeitsmaschinen, die sind fürs Büro gedacht. Also einen richtigen Heimcomputer zu planen, 77, das ist wirklich vorausschauend.
Gunnar:
[22:45] Man weiß ja noch gar nicht, ob es da überhaupt einen Markt für gibt. Das ist alles Stochern im Dunkeln. Man weiß zu der Zeit nicht, ob es einen Markt geben wird für Leute, die einen Computer zu Hause haben. Dass es einen Markt geben wird für Computer in Büros, das zeichnet sich jetzt schon langsam ab dann. Und die großen Rechenmaschinen, die sind ja auch für den professionellen Einsatz. Aber dass Leute einen Computer zu Hause haben, das muss man den Leuten auch noch erst erklären, was sie damit sollen. Da sind wir noch nicht ganz.
Henner:
[23:14] Ja, genau. Und damit wird Atari auch so seine Probleme haben, den Leuten überhaupt klarzumachen, was sie damit sollen. Nun habe ich gerade gewürdigt und gepriesen, wie visionär das war, einen Heimcomputer zu planen im Jahr 77. Dazu muss man allerdings auch sagen, dass auch Konsolen zu dieser Zeit gern als Computer bezeichnet werden. Also die Unterscheidung Konsole, Computer, die ist damals noch nicht so in Stein gemeißelt, wie sie es heute ist. Das VCS heißt ja mit vollem Namen auch Video Computer System oder es wird auch die Intellivision Konsole kurz darauf angekündigt und die wird auch in der Presse bezeichnet als Computer Based Entertainment System, weil halt Mikroprozessoren drin sind, weil man sie programmieren kann. Also diese klare Unterscheidung, Computer oder Konsole, die ist zu dieser Zeit nicht üblich. Die werden als eng verwandt betrachtet. CPU-basierte Konsolen gelten als Einzelzweck-Computer, wenn man so will. Ataris große Idee ist es nun, diese Zweckbindung aufzuheben, keine reine Konsole zu bauen, sondern einen vollwertigen Computer, der auch Arcade-Spiele beherrscht, die technische Speerspitze des Mediums. Und Jay Miner, der Projektleiter, hat damals auch immer gesagt, Jodie Cure zitiert ihn da sehr gerne, ein großartiger Heimcomputer spielt auch großartige Videospiele. Das war, da hat er ja völlig recht, ja das stimmt bis heute, klar.
Henner:
[24:31] Und mehr noch, dieser Computer, den sie da entwickeln, der soll sich nicht nur für solche Spiele eignen, also man soll damit nicht nur spielen können, sondern man soll diese Spiele auch auf dem Gerät entwickeln können. Und das ist auch ein wegweisender Ansatz, denn das geht nun auf einem VCS oder auf anderen Konsolen definitiv nicht. Also ein Gerät, mit dem ich die Spiele, die ich damit spiele, selber entwickeln kann, das ist schon auch wegweisend.
Gunnar:
[24:55] Auch der Bouchnell findet diese Verschmelzung von Computer und Konsole relativ logisch. Also Atari ist schon visionär an der Stelle, da hast du recht, aber das ist auch schon ein bisschen das Denken der Zeit, das von dir zitierte Intellivision. Die versuchen ja dann auch, ihre als Konsole gedachte Konsole dann noch aufzubohren zu einem Computer mit Zusatzbauteilen und so. Also man hat das schon so ein bisschen verschmolzen gedacht, glaube ich, zumindest mal ab 1980. Und Buschnell sagt ja auch, ja gut, die Technik ist ja sehr ähnlich. Wozu braucht man denn da zwei Geräte? Das ist ja ein bisschen komisch. Er ist aber nur noch indirekt beteiligt am Computerprojekt. Das hat der Decur dir erzählt. Er hat zwar verfolgt, aber er hat nicht selber mitgearbeitet. Und Ende 78 ist er ja dann eh aus dem Unternehmen raus. Also sein Teil der Geschichte endet auch hier.
Gunnar:
[25:47] Aber das kleine Team unter der Leitung von meiner, die beginnen jetzt mal an einem Hybridgerät zu arbeiten, ohne konkrete Vorgaben aus dem Management. Und, ja, mei, der Deküer sagt sehr mutig in einem anderen Interview, dass es schon klar war, dass es ganz schön teuer sein wird, einer Spielkonsole Computerfunktion hinzuzufügen, dass man auch gar nicht wusste, wie sich das alles auswirken würde, aber dass sie halt einfach mal mit dem Hardware-Design angefangen haben und gedacht, naja, die restlichen Probleme lösen wir während der Zeit dann schon. Meine Herren, ey, was das für Zeiten waren.
Henner:
[26:20] Ja, das ist mal wahrer Pioniergeist. Man sieht auch an seinen Notizen sehr schön, wie sich das Konzept im Laufe der Zeit immer weiter verändert und wandelt. Ganz interessant, ja. Also das passiert auch, sie lernen mit der Zeit dazu und sie entwerfen dieses Konzept, wie das Gerät überhaupt ausgestaltet sein soll, nach und nach.
Henner:
[26:43] Im Sommer 77 steht dann ein allererstes Konzept für diese neue Hybridmaschine, also Heimcomputer und Konsole in einem. Das ist auch wieder in The Cure’s Notizen sehr gut dokumentiert. Da sieht das Konzept noch aus wie folgt. Und Spoiler, dabei wird es nicht bleiben. Damals planen sie im Sommer 77 also noch eine Basisbox, eine Kiste mit CPU, also mit den wesentlichen Grundlagen, mit der Hauptplatine, mit integriertem ROM-Speicherchip mit Arbeitsspeicher 4 Kilobyte und mit den Spezialchips für die Bilderzeugung und die Klangerzeugung. Der Vorgänger, das VCS, das hatte ja praktisch gar keinen Arbeitsspeicher. Das hatte nur einen kleinen Zeilenpuffer von 128 Byte. Also das ist schon ein wesentlicher Unterschied zum VCS. Und es hatte auch keinen ROM, also keinen Speicherchip, aus dem man irgendwas hätte auslesen können. Das VCS ist ja komplett auf die ROM-Module angewiesen. Dieses neue Gerät soll aber ein eigenes Betriebssystem mitbringen in einem ROM-Chip und auch einen Zeichensatz. Aber es soll trotzdem bei diesem neuen Gerät, bei dieser Basisbox, die jetzt geplant wird, einen ROM-Modulschacht geben, also einen Steckplatz für Spiele-Module, genau wie bei Stellar bei der VCS-Konsole.
Henner:
[27:57] Aber im Gegensatz zum VCS soll diese neue Konsole, dieses neue Gerät geeignet sein für nicht nur zwei Spieler, sondern für bis zu vier Spieler, die gleichzeitig vor dem Gerät sitzen. Das ist schon sehr früh erkennbar in den Notizen, dass das also vier Joystick-Anschlüsse bekommen soll. Und… Man soll auch in diese Basisbox ein Basic-Modul einschieben können, mit dem man dann auch einfache Programme selber schreiben können soll und außerdem soll man damit Musik machen können oder eine Anwendung, die immer wieder zitiert wird in den Notizen von The Cure, ist die Haussteuerung, Hausautomatisierung, computergesteuert. Also taucht immer wieder auf, ganz erstaunlich. Ich weiß nicht, ob es irgendjemand mal jemals gemacht hat. Die Idee des Smart Homes ist ja eine sehr moderne.
Gunnar:
[28:42] Was wollen sie denn da steuern?
Henner:
[28:45] Das ist nicht so ganz klar.
Gunnar:
[28:47] Die ganzen Geräte im damaligen Haushalt sind doch nicht ansprechbar per Computer. Also vielleicht Licht?
Henner:
[28:52] Ja, die Alarmanlage wird öfter mal genannt dafür, ja. Oder vielleicht ein Anrufbeantworter oder so.
Henner:
[28:59] Das ist nicht so ganz genau ausgeführt, aber es wird immer wieder erwähnt. Haussteuerung soll irgendwie ein wesentlicher Baustein sein des Einsatzszenarios. Naja, außerdem soll es Schnittstellen geben nach außen. Die hat das VCS ja auch noch nicht, bis auf den Ausgang für den Fernseher. Da soll man also einen Kassettenrekorder für den Programmspeicher anschließen können, ein Telefon oder eine Alarmanlage. Das ist dann ein Teil dieser Haussteuerung. Und all das wird natürlich angeschlossen, wie auch die VCS-Konsole, an einen normalen Fernseher für die Bild- und die Tonausgabe.
Henner:
[29:33] Das Ganze, was wir gerade beschrieben haben, das ist also die im Sommer 77 geplante Basisbox. Und das ist eine Unterhaltungsmaschine, so nennen sie es in den Notizen, die für 80 bis 90 Prozent des Marktes ausreicht. Aber jetzt gibt es ja noch die weiteren 10 bis 20 Prozent, die noch höhere Ansprüche haben an so ein Gerät. und für die haben sie auch was geplant, Für die ernsthafte Arbeit, für den Büroarbeiter, für kleine Unternehmen, für Wissenschaftler, denen das nicht ausreicht, diese Unterhaltungsbox, für die gibt es noch eine zweite Box und die soll sich in die erste reinstecken oder andocken lassen, ein Hardware-Add-on und das bringt dann eine richtige Schreibmaschinentastatur mit, zusätzlichen Speicher, ein richtiges vollständiges Basic, weitere Anschlüsse für ein Diskettenlaufwerk, für einen richtigen professionellen Monitor, für einen Drucker, für einen Scanner, für einen Modem. Also damit wird das Gerät jetzt zu einem richtigen Computer, einem richtigen PC. Das ist das Konzept im Jahr 77.
Gunnar:
[30:33] Kannst du mir kurz erklären, was der Unterschied ist zwischen an die Basisbox lässt sich ein Telefon anschließen und an die zweite Box ein Modem?
Henner:
[30:44] Ja, müsste eigentlich der gleiche Anschluss sein, das stimmt.
Gunnar:
[30:48] Also das ist doch zu der Zeit noch, diese Modem-Technologie wurde den Telefonhörer in so ein Bett legst.
Henner:
[30:53] Der Akustikkoppler.
Gunnar:
[30:55] Der Akustikkoppler heißt es genau. Da kann man doch kein Telefon anschließen, oder? Das ist derselbe Anschluss, das heißt nur anders, oder?
Henner:
[31:01] Das ist gut möglich. So detailliert sind die Notizen leider nicht.
Gunnar:
[31:05] Sehr schade. Aber also da ein Telefon anzuschließen, wäre ganz schön visionär gewesen, finde ich.
Henner:
[31:10] Ja, allerdings.
Gunnar:
[31:11] Naja, diese zweite Box, die soll dann auch noch Steckplätze für Erweiterungskarten bereithalten. Zum Beispiel, dass man noch weitere Schnittstellen befeuern kann, um Prozessoren nachzurüsten, möglicherweise ein anderes Betriebssystem. Vorbild des Apple 2, der zu diesem Zeitpunkt dann draußen ist. Und es gibt ja auch noch andere Systeme auf dem Markt mit dem S100-Boss, wo das so möglich ist.
Gunnar:
[31:35] Und dann sind wir jetzt schon im Sommer des Jahres 1977. Also die Entwicklung schreitet rasch voran, zumindest mal im Notizbuch, also in der Planung, im Brainstorming. Da erhält dieses modulare Computerprojekt dann seinen Codenamen. Und wie schon bei Stella ist es der Name einer Mitarbeiterin. Das Projekt heißt Colleen. Ein damaliger Atari-Ingenieur hat gesagt, die Dame hieße mit vollem Namen Colleen de Grande, de Grand oder Del Grande und arbeitet in der Abteilung im kalifornischen Los Gatos einigen Quellen nach als Sekretärin.
Henner:
[32:09] Ich habe übrigens vieles versucht, um die Dame ausfindig zu machen, aber es ist mir nicht gelungen. Ich hätte sie zu gern interviewt, aber möglicherweise hat sie seitdem ihren Namen geändert oder dieser Atari-Ingenieur erinnert sich vielleicht auch falsch. Und man weiß es nicht. Ich habe sie leider nicht gefunden. Schade.
Gunnar:
[32:24] Das wäre noch gut gewesen.
Henner:
[32:25] Ja, aber es bleibt ja nicht bei Colleen. Denn Colleen bekommt bald eine Schwester, denn das Konzept, es wandelt sich bald. Rund um den Jahreswechsel 77, 78 ändern die Ingenieure jetzt dieses Konzept einer Hybridbox, einer Add-on-Box, die man in die erste reinschiebt. Und statt einer solchen Basismaschine mit dem optionalen Hardware-Add-on sind es jetzt zwei separate, zwei eigenständige Geräte, die unabhängig voneinander verkauft werden. Wenn man das Profigerät haben will, also das, was vorher dieses Add-on bereitstellen sollte, die voll ausgestattete Computermaschine mit allem drum und dran, mit allen Anschlüssen und dieser Erweiterungsmöglichkeit mit Steckplätzen für Erweiterungskarten, dann kauft man Colleen. Also dieses Gerät behält den ursprünglichen Codenamen, Jetzt gibt es aber ein weiteres Gerät, ein funktionsreduziertes, nicht mehr erweiterbares Gerät. Die Basiseinheit heißt dann Candy. Auch das ist der Name einer Mitarbeiterin, die ich nicht ausfindig machen konnte. Da ist aber auch kein Nachname überliefert.
Henner:
[33:30] Candy ist jetzt streng genommen eigentlich wieder eine Konsole, aber ein bisschen mehr mit Anschluss für ein Kassettenlaufwerk, sodass man auch eigene Programme abspeichern kann und mit einer optionalen Tastatur. So jedenfalls notiert The Cure das im Januar 1978. Ganz interessantes Detail dabei, für diese Tastatur ist kein eigener Anschluss vorgesehen bei Candy. Stattdessen soll man einfach zwei von den vier Joystick-Ports nutzen und darüber die Tastaturanschluss. Das ist eine coole Idee, sehr pragmatisch. Candy ist also weiterhin das Unterhaltungsgerät, der eigentliche VCS-Nachfolger, primär zum Spielen und für ein bisschen einfache Arbeit oder halt Alarmanlagensteuerung. Das, was die ursprüngliche Basismaschine war und daraus geht später dann der Atari 400 hervor. Colleen mit den ganzen optionalen Erweiterungen, mit das Kettenlaufwerk und Monitor und so weiter. Das ist der spätere Atari 800. Aber die Chips im Inneren, der Grafikchip, die CPU und auch die Steckmodule, die man weiterhin benutzen können soll, die sind für beide Geräte identisch. Also gleiche Hardware-Basis, aber zwei separate, ziemlich unterschiedliche Märkte.
Gunnar:
[34:44] Zwischendurch arbeiten sie sogar noch an einer dritten Dame. Elizabeth soll noch kommen. Das ist ein Computer auf der Basis von Colleen, aber mit einem integrierten 13-Zoll-Farbmonitor. Und der Dequeur glaubt da schon gar nicht dran. Das wird technische Probleme geben, meint er, und der wird schon gar nicht gebaut werden. Und so kommt es auch. Das Elizabeth-Modell erblickt nie das Licht der Welt.
Gunnar:
[35:08] Colleen hingegen ist als Konzept Mitte 78 weitgehend fertig. Aber über den genauen Aufbau jetzt der kleineren Schwester von Candy ist das Entwicklerteam noch uneins. Sollte man da nicht eine Tastatur dann doch ins Gerät einbauen vielleicht? Das ist nur so optional da dran, auch irgendwie doof. Im Herbst 78 entscheidet Atari dann schließlich Candy als vollwertigen Computer zu vermarkten, nicht als erweiterte Konsole, auch um den Bildungsmarkt zu adressieren. Also jetzt nicht nur Heimanwender und Büros, sondern auch Studenten sollen sich diesen Rechner kaufen und Universitäten. Und deswegen erhält der Atari 400 nun doch eine integrierte Tastatur.
Henner:
[35:52] Ja, damit bleiben also alle vier Joystick-Ports frei für Joysticks. Ganz interessant, der Designer, der das Gehäuse des Atari 400, also von Candy, gestaltet hat, Doug Hardy, der hat später in einem Interview das Gerät ein Laptop genannt. Aber nicht wie wir heute ein Laptop verstehen, sondern Laptop im wörtlichen Sinne. Lab heißt ja Schoß und die Nutzer sollen das Gerät bitteschön auch auf den Schoß nehmen. Aber wie auch sonst? Die sitzen ja vor einem Fernseher, müssen aber gleichzeitig die Tastatur benutzen können. Das geht ja eigentlich gar nicht anders, als sich direkt davor zu setzen auf den Teppich und diesen Computer auf den Schoß zu nehmen. Schöne Vorstellung. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass das irgendjemand wirklich so gemacht hat. Aber klar, dieses Gerät ist nicht vorgesehen für den Schreibtisch. Für denjenigen, der wirklich damit arbeiten will, der kauft halt den Atari 800.
Gunnar:
[36:43] Hat der das Wort Laptop erfunden?
Henner:
[36:45] Das weiß ich nicht. Gute Frage. Könnte sein. Oh, das habe ich nicht recherchiert.
Gunnar:
[36:49] Wikipedia sagt, der Terminus Laptop tritt zum ersten Mal in den frühen 80ern auf.
Henner:
[36:54] Aha, okay.
Gunnar:
[36:55] Also als es dann ja wirklich dann tragbare Computer gibt. Und er macht das ja noch in der Konzeptphase, also in den 70ern. Das ist jetzt schon ganz realistisch anzunehmen, dass das die erste Nennung ist.
Henner:
[37:08] Jetzt ist also entschieden, wie die Geräte am Ende aussehen werden. Beide bekommen eine integrierte Tastatur, auch wenn die sich unterscheidet. Dazu kommen wir später noch. Aber diese Entscheidung, da gibt es ganz verschiedene Angaben darüber, warum sie jetzt eigentlich getroffen wurde. Du hast ja gerade gesagt, der Bildungsmarkt ist ein wesentlicher Faktor. Da geht es nicht nur um Schulen und Universitäten, sondern auch darum, dass die Leute zu Hause sich fortbilden sollen. Und dafür braucht man halt eine Tastatur. Außerdem sollen die Leute damit ja auch einfache Basic-Programme schon schreiben können. Auch dafür ist eine Tastatur nun mal nötig. Und deswegen wird die nicht mehr extern angeschlossen, sondern wird direkt eingebaut. Aber Joe DeCure, der nennt bei vielen Gelegenheiten, nicht nur mir gegenüber, noch einen weiteren Grund für diese Entscheidung, die Tastatur direkt einzubauen in den Atari 400, nämlich das Atari-Spiel Star Raiders. Dazu kommen wir später noch, das ist die erste Killer-Applikation. Das ist ein relativ komplexes Spiel, das viele Eingaben verlangt, nicht nur über den Joystick, sondern auch über die Tastatur.
Henner:
[38:08] Und dieses Spiel, das hätte das Atari-Management so begeistert, dass sie deswegen entschieden hätten, die Tastatur zu integrieren, damit man damit auch, ohne noch Zubehör kaufen zu müssen, Star Raiders spielen kann. Da gibt’s aber ein Problem, denn die Arbeit an Star Raiders, die beginnt eigentlich erst im Frühjahr 79. Und da ist diese Entscheidung zum Einbau der Tastatur schon getroffen. Also irgendwas passt da nicht. Aber wer bin ich, dass ich Jodie Cure widerspreche? Das würde ich nie tun, also ich habe nichts gesagt. So war es. Star Raiders ist der Grund.
Gunnar:
[38:41] Ich würde sagen, zu der Zeit müssen sich schon die Text-Adventure von Scott Adams abgezeichnet haben und seiner Firma Adventure International, die ja ab 8081 ein Dutzend an Text-Adventures für den Atari 400 produzieren und den 800er. Ja, so wird es gewesen sein. Egal, Colin, der spätere Atari 800, der bekommt dann auch eine vollwertige Schreibmaschinentastatur im QWERTY-Layout. The Cure schreibt in seinem Liedsbuch, muss sexy sein. Bin nicht ganz sicher, was er damit meint, aber sehr hippie. Und Candy, der Atari 400, der hat das gleiche Layout, die Tastatur, aber es ist nur eine Folientastatur, die Erfindung von Satan. Die ist natürlich günstig herzustellen und sieht halt auch aus wie eine Tastatur, aber wir haben schon ein paar Mal gesagt in diesen Folgen, etwa beim ZX81, dass das alles kein Spaß ist mit diesen Folientastaturen und solchen Gummitastaturen. Wir wollen richtige Tastaturen. Die Werbung von Atari macht dann aber später da eine Tugend raus und sagt, ja, diese Tastatur ist halt besser vor Flüssigkeiten geschützt und daher kinderfreundlicher. Was ein brillanter Take ist.
Henner:
[39:51] Und das funktioniert auch. Also es gibt ganz viele Testberichte oder Ankündigungsberichte in der Presse, die genau das so wiedergeben und sagen, ja, das ist eine ganz tolle Funktion übrigens, die Tastatur ist spritzwasserresistent. Also die fallen alle drauf rein.
Gunnar:
[40:07] So brillant. Ja, das ist ja auch wahr. Folientestatur kann bauweisenbedingt kein Wasser aufnehmen. Sehr schön. Aber gut, Tastatur hin oder her. Erstmal müssen die Chips fertig werden.
Henner:
[40:18] Stimmt, da war ja noch was. Daran arbeitet das Design-Team ja vor allem, also das Ingenieursteam rund um Jay Miner und Joe D. Cure. Um die Tastatur kümmern sich andere.
Henner:
[40:27] Aber zuallererst kümmern sie sich um den Prozessor. Den bauen sie nicht selbst, aber sie müssen ja sich für einen entscheiden, den sie zukaufen wollen. Und da werden, das kann man auch alles in den Notizen wunderbar nachvollziehen, mehrere Modelle erwogen. Im VCS steckt ja der 6507 von MOS Technology, dieser Commodore-Tochter. Das ist ein funktionsreduzierter 6502, ein 8-Bit-Prozessor natürlich. Und genau dieser 6502, also der vollwertige Prozessor, nicht mehr der abgespeckte wie im VCS, genau der wird auch natürlich von Anfang an erwogen, aber er ist nicht der einzige, der in Frage kommt. Sie diskutieren auch in Zusammenarbeit mit MOS Technology diesen 6502 weiterzuentwickeln zu einem Modell namens 6509. Hier wird es ein bisschen verwirrend, denn später kommt bei MOS Technology tatsächlich ein 6509 raus, aber das ist ein anderer. Das ist hier noch ein Konzept, mit dem der 6502 16-Bit-Register bekommen hätte. Das heißt, hier wäre de facto ein 16-Bit-Prozessor entstanden.
Henner:
[41:28] Ganz schön ambitioniert für die 70er Jahre, aber die Cure hat mir gesagt, nee, wir haben uns dann doch dagegen entschieden und diesen Plan mit dem 16-Bit-Prozessor lieber erstmal auf Eis gelegt, denn das wäre ja ein neues Chip-Design gewesen, das in Zusammenarbeit mit MOS Technology erstmal hätte entwickelt werden müssen. Und wir hatten schon drei eigene Chip-Designs, zu denen kommen wir gleich. Und das Management hat dann entschieden, dass das dann doch genug Risiko sei für diese neue Maschine, die ja immerhin innerhalb von zwei Jahren fertig werden muss. Außerdem ziehen sie noch den MOS Technology 6.5.10 in Erwägung, der später im C64 kommt. Das ist im Grunde ein 6502, der ein bisschen mehr Arbeitsspeicher adressieren kann. Der C64 hat ja 64 Kilo bei.
Henner:
[42:12] Und außerdem haben sie noch weitere Modelle, die sie genauer untersuchen. Da kommen also Vertreter aus der ganzen Chipbranche zu Atari und sie untersuchen Modelle von Texas Instruments zum Beispiel und von Motorola. Aber am Ende bleibt es dann doch beim bekannten 6502. Aber gegenüber dem VCS der Vollausbau und mit höherer Taktfrequenz 50% mehr als vorher mit jetzt 1,8 Megahertz. Und The Cure hat bei einer anderen Gelegenheit, also nicht im Gespräch mit mir, auch mal gesagt, der 6502 war einfach der beste 8-Bit-Prozessor seiner Zeit, architektonisch besser als der Intel 8080 oder der Motorola 6800. Und ich glaube, er war auch besser als der Z80 von C-Log. Und so basieren dann auch die allerersten Prototypen schon auf diesem 6502, genauer auf einem KIM-1.
Henner:
[43:02] Manch einer erinnert sich an die Commodore-Folge, da haben wir den schon besprochen. Das ist so ein 6502-basierter Einplatinen-Computer-Bausatz von Commodore, noch bevor die richtige Heimcomputer oder auch den Pad im Sortiment hatten. Auf dieser Basis entstehen also erste Prototypen. Das heißt, dass Atari hier schon sehr früh mit Commodore zusammenarbeitet. Nicht nur als Chip-Lieferant, sondern auch bei der gemeinsamen Entwicklung der ersten Prototypen arbeiten die durchaus zusammen. Und nicht nur das, Commodore bietet ihnen auch noch den Video-Chip VIC an, den WIC. Der wird aber abgelehnt und der ist ja später die Grundlage des VC20.
Henner:
[43:42] Aber die anderen Chips, um die es vor allem geht, die wesentlichen Chips, vor allem natürlich den Grafikchip, die entwickelt Atari lieber selbst.
Gunnar:
[43:52] Der TIA-Prozessor im VCS, der war noch allein verantwortlich für Bild- und Tonausgabe. Es gab ja auch nicht viel Bild und nicht viel Ton. Und diese Aufgaben verteilen sie nun auf drei separate Chips. Die heißen Antic, CTIA und Pokey. Antic und CTIA kümmern sich um die Grafik und Pokey um den Sound sowie die Verarbeitung von Tastatureingaben. Und dazu kommt der PIA, das ist ein Chip von Motorola, der betreut die vier Joystick-Ports und weitere Peripherie. Der Deque hat dir erzählt, dass sie in einem Gebäude gearbeitet haben, direkt neben den Arcade-Maschinenentwicklern und dass das dazu geführt hat, dass er mehrmals pro Woche mit denen rumgehangen ist. Die haben dann bewusst Funktionen in die Hardware eingebaut, um Arcade-Spiele zu unterstützen, damit dann die neuen Maschinen auch Portierungen aufnehmen können der aktuellen Arcade-Hits. Der Dequeue macht übrigens hauptverantwortlich den Antic-Chip und CTIA wird derweil von George McLeod entworfen. Und um diese Unterstützung von Arcade-Hits möglich zu machen, soll die CPU so weit wie möglich entlastet werden. Das heißt, die Grafikchips übernehmen das Scrollen der Hintergrundebene, also horizontal und vertikal, und unterstützen gegenüber dem VCS mehr Sprites und komplexere Sprites, damit sich ein bisschen was bewegt.
Henner:
[45:21] Ganz wichtiges Thema bei neuen Konsolengenerationen ist ja immer die Frage nach der Abwärtskompatibilität. Kann die neue Konsole die Spiele der Vorgängerkonsole abspielen? Was heutzutage selbstverständlich ist, damals war es das nicht. Und das wird in der Entwicklung auch erwogen. Da finden sich mehrfach in Decures Notizen Hinweise drauf. Aber es wird am Ende nicht realisiert. Es ist zu aufwendig, das umzusetzen. Und zwar, weil, so stellt Decure das dar, Atari damals bei der VCS Entwicklung zu sparsam war. Denn Decure hat schon damals am Ende der VCS-Entwicklung vorgeschlagen, das vollwertige Modell 6502 als CPU zu verwenden und nicht die beschnittene Version 6507. Die hat nämlich mehr Adressleitungen und mit dieser höherwertigen CPU hätte man… Auch aufwendigere Spiele umsetzen können. Und auf dieser Basis hätte man leichter aufbauen können.
Henner:
[46:14] Und so hätte sich das VCS leichter erweitern lassen können auf eine Nachfolgegeneration unter Beibehaltung der Kompatibilität zu den VCS-Spielen. Aber so kommt es nicht. Atari ist damals sehr sparsam. So wie die Cure das darstellt, hat Atari damals entschieden, ungefähr 50 Cent einzusparen bei der Hardware und diese beschnittene Lösung zu wählen. Da geht es allerdings nicht nur um die CPU, sondern auch um die Adressleitungen im Modulschacht, aber insgesamt ist das ein Unterschied von wenigen Cent. Und weil dieser Betrag aber damals eingespart wurde, kann man jetzt nicht einfach einen abwärtskompatiblen Nachfolger auf dieser Basis entwickeln, sondern muss eben was komplett Neues entwickeln, eine vollständige, inkompatible Neuentwicklung.
Henner:
[46:59] Und das Grafik-Subsystem, dieses neue nicht abwärtskompatible System, das erreicht im August 77 den ersten Meilenstein. Da läuft nämlich einer der Chips schon, ein Prototyp in der Atari-Zentrale wird da präsentiert, dem Management, das hat DeCure damals in seinen Notizen vermerkt. Working Antic in Grass Valley, also da wurde dem Management in der Zentrale etwas lauffähiges vorgestellt. Gibt es auch schöne Polaroid-Aufnahmen von Testbildern in seinen Notizen dazu, natürlich in schwarz-weiß, die auch die neuen Schriftzeichen zeigen, die der neue Chip ja ausgeben kann. Ganz aufregend, das ist toll, man ist richtig live dabei, wenn man diese Notizen liest. Das ist ja aber nur die Grafik, dann kommt ja noch der Sound dazu. Aber Steve Meyer, einer der hauptverantwortlichen Ingenieure, der hat später mal in dem Interview gesagt, auch beim Sound haben wir eigentlich nicht viel gemacht. Das sollte eigentlich nur so bleiben wie beim VCS. Das VCS konnte zwei Kanäle ausgeben parallel.
Henner:
[48:01] Und das sollte eigentlich auch reichen. Und dann soll dieser Soundchip halt zusätzlich noch Tastatureingaben kontrollieren, mehr auch nicht. Aber dann stellen sie einen neuen Ingenieur ein, Doug Neubauer. Der wird uns heute auch noch das ein oder andere Mal begegnen. Und der ist etwas ambitionierter. Der bringt diesem Soundchip viel mehr Fähigkeiten bei. Der verbessert die Soundeffekte des VCS und fügt vor allem zwei weitere Kanäle hinzu. Das heißt, dieser neue, der Pokey-Chip, der auch die Tastatur kontrolliert, der beherrscht jetzt vier Audio-Kanäle gegenüber zwei beim VCS. Das heißt, der neue Rechner, die neue Konsole, es ist ja beides, wird auch besser klingen.
Gunnar:
[48:43] Ist ganz schön abgefahren, dass das dann so ein Chip-Designer entscheiden kann. Ob der zwei oder vier Kanäle hat. Und das ist ja dann wahrscheinlich ohne Mehrkosten passiert, oder? Das ist doch dann nur das reine Chip-Design. Oder hat das den Chip wohl teurer gemacht? Dann hätte das doch bestimmt nicht gedurft. Alles sehr abgefahren in der Zeit, wie solche Entscheidungen da entstehen und wie das aus der Initiative der Leute zu entspringen scheint zumindest. Naja, das sind die Prozessoren, denen zur Seite stehen gewaltige 4 KB Arbeitsspeicher, so steht es zumindest in den frühen Spezifikationen. Im Lauf der Entwicklung steigt dann die Speichermenge zumindest mal für Colleen auf 8 KB, was sich dann auch im finalen Produktnamen zeigt. Und jetzt wissen wir endlich, warum die so heißen. Der 400er hat 4 Kilobyte, der 800er 8 Kilobyte. Das ist ein bisschen lustig, aber in der Zeit fallen halt die Speicherpreise ständig. Deswegen erhalten dann am Ende doch beide Geräte 8 Kilobyte und realisiert wird das mit Teildefekten und daher sehr günstigen 16 Kilobyte Chips.
Gunnar:
[49:47] Der Atari 800 kann aber dann mit Steckmodulen auf bis zu 48 Kilobyte erweitert werden, was dann dem Vollausbau eines Apple II entspricht. Das ist dann schon eine richtige Ansage für den Markt zu dieser Zeit vor dem C64. Aber die Zeit drängt. Der DeCure schreibt es in seinen Notizen. Sie erwarten Stellar bis 1979 zu verkaufen. Also muss dann der VCS-Nachfolger bereit sein. Also Stellar ist ja das VCS-System und wenn der Chipsatz verfügbar wäre im November 78, dann könnten wir im Januar schon demonstrieren, schreibt er in seinen Notizen
Gunnar:
[50:26] und das gelingt ihnen dann auch, aber es gibt noch eine Hürde vorher, eine gewaltige Hürde vorher. Ein Monster.
Henner:
[50:36] Ja, ist es aus Ataris Sicht auf jeden Fall. Und dieses Monster ist die FCC. Das ist eine US-amerikanische Behörde, die reguliert dort Funk und Fernsehen. Das ist ungefähr vergleichbar mit der Deutschen Bundesnetzagentur. Die wacht auch über die Einhaltung von technischen Normen. Und die haben einige strenge Regeln, die Atari einiges Kopfzerbrechen bereiten. Denn die neuen Computer, die hier entstehen bei Atari, die geben einfach zu viel elektromagnetische Strahlung ab.
Henner:
[51:05] Fernseher haben damals in den 1970er Jahren, anders als heute in Zeiten von HDMI oder Toslink, nur einen einzigen Signaleingang für Bild und Ton, den HF- oder Hochfrequenzanschluss, den Antennenanschluss für die Hausantenne. Und die Konsolen und die Computer, die man daran anschließen will, die wandeln ihr digitales Signal, also Bild- und Tonsignal, deswegen in der Regel auch über einen Modulator, einen HF-Modulator oder im Englischen RF-Modulator, in ein solches Antennensignal, um damit der Fernseher das verstehen und anzeigen kann.
Henner:
[51:39] Das führt jetzt allerdings zu Problemen, als in den 70er Jahren die ersten Heimcomputer und Spielkonsolen für zu Hause auftauchen, denn diese Geräte, die strahlen einfach über diese Modulatoren zu starke Signale ab. Das sind ja keine Funkgeräte, die funktionieren ja nicht kabellos, aber trotzdem kommen da so starke elektromagnetische Signale raus, dass es Interferenzen gibt mit anderen Geräten, nicht nur mit Geräten im eigenen Haushalt, Nicht nur mit dem Fernseher, der vielleicht ein Stockwerk drüber steht, sondern teilweise sogar in benachbarten Häusern. Das heißt, man schließt sein VCS an und der Nachbar sieht, wie ich Pong spiele. Daraufhin führt die FCC, die darüber wacht, neue strengere Prüfnormen ein für solche neuen Geräte mit TV-Ausgang. Und diese super strengen Prüfnormen, die stellen jetzt die Computerhersteller vor große Probleme. Denn die müssen ihre Geräte jetzt besser abschirmen, also Metallrahmen drumherum bauen, der diese elektromagnetische Strahlung abfängt.
Henner:
[52:40] Aber das ist schwierig bei einem Gerät wie einem Apple II zum Beispiel oder einem anderen Computer, der ja Erweiterungsslots hat. Also Steckplätze, die offen sein müssen oder nur durch eine kleine Klappe abgedeckt. Denn dadurch kommt einfach zu viel Strahlung raus, dadurch, dass die so exponiert sind. Oder bei externen Anschlüssen. Auch die müssen ja freiliegen, die müssen ja aus dem Gehäuse rausführen. Und die kann man also nicht richtig abschirmen. Das ist ein Problem, das sich nur sehr schwer lösen lässt. Und die einzelnen neuen Computerhersteller, die zu dieser Zeit in den späten 70er Jahren auf den Markt kommen, die lösen alle dieses Problem auf unterschiedliche Weise. Die sind sehr kreativ. Apple zum Beispiel lagert diesen Modulator, der also das Computersignal in ein Antennensignal umwandelt, aus in ein separates Gerät. Steckt also nicht im Apple II selbst, sondern ist ein separates Teil. Und das verkauft Apple nicht selbst, sondern das überlassen sie einem Dritthersteller, auf dem nicht Apple steht. So entgehen sie jeder Verantwortung. Die sagen ja, für diesen externen Modulator, den die Leute da anschließen an unsere Computer, dafür können wir ja nichts. So müssen sie selbst diese Norm halt nicht einhalten. Das könnten sie auch gar nicht mit ihrem Apple II.
Henner:
[53:53] Commodore findet eine andere Lösung für den Pad, also für ihren ersten Bürorechner. Die bauen den Monitor einfach direkt ins Gehäuse ein. Das ist ja so ein All-in-One-Gerät. Das heißt, da gibt es gar keinen TV-Ausgang. Und Texas Instruments, die arbeiten auch gerade an einem ersten Computer, dem TI-99-4, Die versuchen sich rechtlich oder politisch im Kongress zu wehren gegen diese neuen Normen. Die haben einiges an Gewicht in der Politik. Die sind ja Lieferant für verschiedene Regierungseinrichtungen, also die haben politisches Gewicht und das werfen sie da auch in die Waagschale, um diese neuen Gesetze, diese Normen zu verhindern. Das gelingt ihnen aber nicht, also zumindest noch nicht. Die müssen dann schließlich aufgeben und einsehen, dass sie damit nicht durchkommen. Und ja, um das Problem zu lösen mit den neuen Normen, liefern sie genau wie Commodore einen Monitor mit. Der ist hier allerdings nicht eingebaut, sondern der wird dann eben im Set, im Bündel mit dem Computer verkauft. Und deswegen brauchen sie auch da die Normen nicht einzuhalten. Damit steigt allerdings für den TE99-4 der Einführungspreis weit über das, was eigentlich mal geplant war, weit über 1000 Dollar. Und das ist ein Vermögen. Dadurch hat es der TE99-4 sehr schwer.
Henner:
[55:04] Ja, und Atari hat das gleiche Problem in den späten 70er Jahren. Wie halten die jetzt diese neuen FCC-Prüfnormen ein?
Gunnar:
[55:11] Also Atari plant ja mit dem Modell 400 Hobbynutzer und Konsolenspieler anzusprechen, also ist der TV-Ausgang unverzichtbar, auch für die Laptop-Situation, wenn man mit dem Gerät dann auf dem Schoß vom Fernseher sitzt. Egal, also umgeben sie die komplette Elektronik der beiden Computer von einem 2 mm dicken Aluminiumschirm im Gerät, der einen teilweisen faradaischen Käfig bildet und somit die Strahlung eindämmt. Das ist die große Lösung, sage ich mal. Die teure, die aufwendige, die große Lösung und diese vollflächige Abschirmung der Platine macht die geplanten Steckplätze für Erweiterungskarten nach dem Vorbild des Apple II schlicht unmöglich.
Gunnar:
[55:57] Geht jetzt nicht mehr. Da müsste man ja dann ständig Löcher in diesem Metallkasten haben. Steve Meyer erzählt dann auch, dass ohne diese FCC-Regeln sie einen viel besseren Apple II hätten bauen können. Also ein Gerät, das besser ist als der Apple II. Stattdessen erhält der Atari 800 nur Steckplätze für ROM und RAM-Module, nicht aber für vollwertige Erweiterungskarten, die direkten Zugriff auf den Prozessorbus haben. Und damit ist auch ein geplanter Parallelport mit einer externen Erweiterungsbox jetzt einfach durch. Das geht jetzt nicht mehr.
Gunnar:
[56:26] Das wirft sich schon ein bisschen zurück. Und das erschwert auch noch den Anschluss schneller Peripheriegeräte, etwa eines Diskettenlaufwerks. Daher ersinnt dann ein Team rund um The Cure einen neuen seriellen Anschluss namens SIO, Serial Input Output, der gleich für mehrere Peripheriegeräte geeignet ist. Der einzelne Port ist dann stark geschirmt und kann man auch vielseitig einsetzen, aber wer mehrere Geräte an diesen Port anschließen will, der muss sie in Reihe hängen. Das heißt, jedes Gerät muss ja dann selber wieder als Host fungieren und das Signal durchschleifen können und braucht halt also auch wieder einen eigenen Prozessor dann zur Steuerung. Und diese Idee eines so universellen seriellen Ports ist visionär, ist ja quasi ein Vorläufer von USB. DeCure wird auch Jahre später an USB selber arbeiten, aber das ist wahnsinnig langsam und treibt die Kosten für externe Geräte in die Höhe. DeCure sagt später auch, naja, ich glaube, das hat das Produkt versenkt.
Henner:
[57:26] Oh, bitter. So früh schon, ja. Nur wegen dieser FCC-Regeln. Es ist wirklich ein Monster-Gegner. Ja, insbesondere der Apple II ist natürlich zu dieser Zeit ein Vorbild und der Maßstab, der IBM PC ist ja noch lange nicht auf dem Markt, also was Erweiterung angeht oder Erweiterbarkeit angeht und den Anschluss von Diskettenlaufwerken, da muss man sich am Apple II messen. Da gibt es ein sehr günstiges und sehr schnelles Diskettenlaufwerk und genau das ist jetzt nicht mehr möglich. Also das Diskettenlaufwerk, das man an einen Atari 800 über diesen SEO-Anschluss anschließen kann, das ist zwangsläufig viel langsamer und auch gleichzeitig, weil es einen eigenen Prozessor braucht, viel teurer als das, was Apple im Angebot hat. Ja, und das für ein Gerät, das eigentlich auch für den Büromarkt geeignet sein soll, sind das sehr, sehr schlechte Startbedingungen. Wir kommen später nochmal zurück zu dieser FCC-Geschichte. Das ist noch nicht ganz zu Ende.
Henner:
[58:23] Aber jetzt müssen wir erstmal weiter in der Entwicklung voranschreiten. Der Computer ist ja auch noch nicht fertig, denn die ganze Hardware wird natürlich über ein Betriebssystem gesteuert. Anders als beim VCS, das hatte kein Betriebssystem. Das hat alle Informationen, alle Daten, die es brauchte, immer aus den Modulen gelesen. Der Computer kriegt ein eigenes Betriebssystem, das in einem eigenen festgelöteten ROM-Speicherchip sitzt. Und dieses Betriebssystem, das wird auch in-house entwickelt bei Atari.
Henner:
[58:52] Ganz interessant, wer das entwickelt, die haben ja keine Betriebssystementwickler, aber sie haben fähige Programmierer bei Atari. Nämlich Leute, die bislang Spiele entwickelt haben. Und so wird auch dieses Betriebssystem entwickelt von vier Herren, Crane, Kaplan, Miller und Whitehead. Und die kennen wir doch irgendwoher, oder?
Gunnar:
[59:11] Ja, das sind die Activision-Gründer. Und der Crane, den haben wir sogar schon mal in einem Podcast besprochen, das ist David Crane, der hat Pitfall gemacht.
Henner:
[59:20] Ja genau, später für Activision, richtig.
Gunnar:
[59:22] Also dann bei Activision 1982, ja.
Henner:
[59:24] Genau, also hier sind sie noch bei Atari und werden eben aus der Spieleabteilung abgezogen, weil sie einfach die fähigsten Programmierer sind. So stellt Crane das zumindest selbst da und entwickeln jetzt eben dieses Betriebssystem für Atari in acht Monaten. Die haben noch ein bisschen Hilfe von zwei weiteren Entwicklern und probieren dabei auch einiges aus. Steve Meyer, der ist allerdings nicht selbst beteiligt an dieser Betriebssystementwicklung, aber der hat in dem Interview mal gesagt, dass sie auch kurz erwogen haben, eine grafische Benutzeroberfläche zu implementieren. Noch nicht mausgesteuert, wie später beim Atari ST, aber trotzdem grafisch, so mit Icons oder so. Das stelle ich mir ganz interessant vor für die 70er Jahre. Dazu kommt es aber nicht. Das ist ein reines, simples, textbasiertes Interface später.
Henner:
[1:00:09] Dieses frühe Atari-eigene Betriebssystem, das enthält keinen Basic-Interpreter. So sind wir es ja aus den 80ern gewohnt, wo die Commodore-Rechner das vormachen, also der VC20 und auch der C64, die haben ja ein integriertes Basic, also eine Programmiersprache direkt im ROM-Chip. Das heißt, wer mit diesen Atari-Rechnern programmieren will, der braucht noch ein zusätzliches Basic-Modul oder eine Basic-Diskette. Allerdings liegt dieses Modul von Anfang an auch bei, sodass das kein großer Nachteil ist.
Henner:
[1:00:42] Erst erwägen sie Microsoft Basic dafür zu lizenzieren, denn das ist marktbeherrschend. Damals ist Microsoft noch nicht so groß auf dem Markt der Betriebssysteme, wohl aber bei den Programmiersprachen führend. Aber dieses Microsoft Basic, das nimmt zu viel Speicherplatz ein. Das soll auf ein 8 Kilobyte Modul passen. Aus Kostengründen kann das nicht größer werden, aber das passt nicht. Das ist viel, viel größer. Und deswegen engagiert Atari dann ein weiteres, ein lokales kleines Unternehmen, um eine angepasste, eine kompaktere Basic-Variante zu programmieren, die in diese 8 Kilobyte reinpasst. Und das machen die dann auch und das Ergebnis heißt Atari Basic, ist also auch nicht voll kompatibel zu Microsoft Basic, was später noch ein Problem wird. Wenn man jetzt den Computer also startet, dann erscheint anders als beim C64 nicht die Basic-Kommandozeile, wo man gleich mit dem Programmieren loslegen kann. Aber irgendwas muss ja da passieren. Und bei Atari erscheint dann ein kleines integriertes Programm namens MemoPad. Und da kann man Zeichen eintippen. Ja, und das ist auch schon alles. Du kannst nicht programmieren. Du kannst es auch nicht abspeichern. Du kannst halt feststellen, dass der Computer funktioniert und dass man Tasten drücken kann. Mehr ist das eigentlich nicht. Ist jetzt also wirklich kein Grund, einen Atari Computer zu kaufen. Aber naja, besser als nix.
Henner:
[1:02:06] Nun ist also die Arbeit an Hardware und Software Ende 78 weitgehend abgeschlossen. Und jetzt ist es also an der Zeit, mit diesem neuen Projekt mit Colleen und Candy an die Öffentlichkeit zu gehen.
Gunnar:
[1:02:19] Am 28. November 1978 kündigt Warner Communications, also die Mutterfirma, dann an, mit der Tochter Atari auf den PC-Markt zu expandieren. Da ist ich ja sehr stolz. Mit dem Allzwecksystem, so nennen sie den Atari 400 und dem spezialisierteren Atari 800. Diese beiden Personal Computer Systems, also schon PCs, sollen im Herbst 1979, also knappes Jahr später, dann verfügbar sein. Dazu soll es eine breite Softwarebibliothek geben mit Haushaltsprogrammen, Lernsoftware und Unterhaltungsprogrammen in genau dieser Reihenfolge. Das ist schon interessant, dass sie mit den Haushaltsprogrammen anfangen. Im Januar 79 werden diese Geräte dann erstmals vorgestellt. Natürlich in Las Vegas auf der Januar CES, wie man das halt damals gemacht hat. Auf der Messe hat auch Texas Instruments den TI 99-4 demonstriert. Der Atari 400 ist aber noch ein Mockup. Die haben diese Entscheidung zum Einbau der Tastatur erst kurz vorher gefällt.
Gunnar:
[1:03:28] Also haben sie noch kein richtig funktionsfähiges Gerät da. Dann schalten sie aber schon doppelseitige Anzeigen in Fachmagazinen wie Merchandising und machen diese Anzeigenkampagnen auch im Laufe des Jahres noch mehrfach. Der Atari 800 wird darin als zeitloser Computer betitelt, der niemals obsolet sein wird. Der einzige Computer, den ihre Kunden jemals kaufen müssen. Das ist optimistisch.
Henner:
[1:03:56] Ja, das ist wirklich mutig. Das erinnert mich an etwas, denn eine Firma namens E-Machines hat 1998 auch PCs mit diesem Slogan, mit diesem Versprechen, der sei niemals obsolet verkauft. Die haben das mit so einem Abo-Modell gemacht. Da hat man dann halt alle zwei Jahre Upgrades bekommen für diese PCs und so sollten die niemals veralten. Das haben sie allerdings nicht lange durchgehalten.
Gunnar:
[1:04:20] Was sie damit meinen natürlich ist, dass der ausbaufähig ist, dass man noch Speicher reintun kann und andere Peripheriegeräte noch anschließen kann, wenn es dann mal neue Peripheriegeräte geben sollte. Es ist halt trotzdem optimistisch anzunehmen, dass man niemals mehr einen schnelleren Prozessor braucht als den 6502, der da drin ist.
Henner:
[1:04:40] Naja, jetzt sind sie jedenfalls in der Welt, also der Atari 400 und 800 und ach, wir müssen noch mal über diese Namen sprechen, das ist so doof. Hätte Atari denen nicht schon früher ein paar Buchstaben spendieren können, wie sie es später gemacht haben mit XL und XE? Dabei liegt das doch auf der Hand. Sie werben hier mit dem Personal Computer System. Ja, dann nennt die halt auch PCS. Es gibt das Video Computer System, das VCS. Dann pack halt das Personal Computer System, das PCS oben drüber und schon ist die Unterscheidung klar, das eine ist eine Konsole, das andere ist ein PC. Aber nein, sie lassen diese Buchstaben weg und nennen das Ding einfach nur Atari 400 respektive 800. Und nee, das ist einfach keine weitsichtige Entscheidung. Und umso seltsamer finde ich die spätere Entscheidung des VCS umzubenennen in Atari 2600, denn damit gab es dann in den frühen 80ern plötzlich ein Gerät namens Atari 2600, viel neuer und mit 550 Prozent höherer Modellnummer als so ein Atari 400, der aber viel teurer und viel schneller und viel mächtiger ist und der eigentliche Nachfolger. Wer soll denn das begreifen? Nehmt Buchstaben, ihr habt jetzt eine Tastatur, nutzt sie.
Gunnar:
[1:05:53] Nein, man kann super gut mit Zahlen arbeiten, aber die Zahlen müssten halt nach oben gehen zu den stärkeren Geräten. 1er-BMW, 3er-BMW, 5er-BMW, das versteht jeder, da gibt es gar keinen Zweifel. Die Zahlen werden größer, desto geiler, aber hier ist das natürlich kaputt. Bei den beiden 400, 800 ist es ja so, aber die Umbelangung des VCS hätten sie sich nicht erlauben dürfen.
Henner:
[1:06:15] Nee, hätten wir 260 nennen können, aber nicht 2600. Naja, egal, wir meckern schon noch das ein oder andere Mal heute über den Namen, aber… Das soll erstmal genug sein.
Henner:
[1:06:25] Jetzt müssen diese Maschinen sich erstmal beweisen auf dem Markt, auch mit ihren komischen Namen.
Henner:
[1:06:29] Das dauert ein kleines bisschen. Sie starten etwas verzögert. Eigentlich sollen sie schon im Spätsommer, Frühherbst, 79er auf den Markt kommen. Aber das verzögert sich ein wenig, weil die ganze Computerindustrie zu dieser Zeit unter einem Mangel an Bauteilen leidet. Und die Computerhersteller streiten sich alle mit der FCC mit relativ wenig Erfolg. Und deswegen wird nichts aus der Auslieferung im August. Jedenfalls nicht in nennenswerten Stückzahlen. Tatsächlich liefert Atari schon im August, am 29. August, ein paar Geräte an die US-Handelskette Sears. Das ist schon seit vielen Jahren ein verlässlicher Partner von Atari. Die haben auch die ersten Heimpong-Konsolen verkauft für Atari. Aber das sind nur ein paar handgefertigte Exemplare und mit denen will Atari einfach nur eine wichtige Deadline einhalten. Denn nur was am 1. September bei Sears auf Lager ist, das kommt auch in den Sears Herbstkatalog. Und da wollen sie unbedingt rein. Deswegen müssen die Ingenieure Überstunden machen und ein paar Geräte handfertigen. Das schaffen sie auch mit einer geringen Zahl an Computern. Und nach dieser Aktion holt Atari sie alle sofort wieder zurück. Und die eigentliche Auslieferung des finalen Gerätes folgt erst im November 1979. Wie auch meine persönliche Auslieferung übrigens im November 1979 war.
Gunnar:
[1:07:54] Du willst damit sagen, du seist da geboren?
Henner:
[1:07:56] Das will ich damit sagen, ja.
Gunnar:
[1:07:57] Ja, ja, ja, das war sehr nerdig ausgedrückt. Na gut.
Gunnar:
[1:08:01] Also so ein Atari 400 mit beiliegendem Basic-Modul und Handbuch kostet rund 550 US-Dollar. Das sind heute inflationsbereitigt etwa 2200 Euro. Das Median-Haushaltseinkommen in den USA damals ist 1380 Dollar. Schon ein stolzer Preis, aber noch durchaus einigermaßen bezahlbar. Ein Atari 800, dann gleich mit Kassettenlaufwerk, BASIC samt Lernkassette und noch zusätzlicher Lernsoftware. Da sind wir bei 1000 Dollar, also heute etwa 4000 Euro. Das Diskettenlaufwerk Atari 810 verdoppelt diesen Preis fast mit weiteren 750 Dollar. Und außerdem im Angebot haben sie neben der Software aus allen möglichen Bereichen einen Drucker, RAM-Module, Joysticks, Paddle-Controller und Lehreinrichtungen, also Universitäten und Schulen, erhalten Rabatte. Diese Preise, die kommen nicht aus dem Nichts. Es gibt ja Geräte im Markt und Atari orientiert sich da sehr klar an der Konkurrenz, nämlich der aktuelle Apple II Plus. Der kostet 1200 Dollar, hat schon auch 16 KB Und wenn man dem Atari 800 ein 8KB-Modul zusätzlich spendiert, dann hat es ja die gleiche Speichermenge wie der Apple 2 Plus. Das kostet nochmal 125, also ist es dann ganz knapp billiger mit insgesamt 1.125 Dollar als der Apple 2 Plus.
Gunnar:
[1:09:30] Selbstbewusst, ja, sie gehen nicht weit drunter, sie halten da schon ungefähr den Preis, den sie da im Markt wahrnehmen. Der gleichfalls neu erschienene TI99-4, der kostet 1150 Dollar, aber der hat ja auch den Monitor dabei, wir wissen es, das war das Resultat des FTC-Debakels.
Henner:
[1:09:51] Der kleine Atari 400, der orientiert sich natürlich auch eher an kleineren Heimcomputern, vor allem am Tandy TRS 80, der in den USA sehr populär ist und über die Radio Shack Märkte vertrieben wird. Das ist zu dieser Zeit der meistverkaufte PC des Landes und kostet nur 500 Dollar. Der Atari 400 ja 550 und dem Tandy liegt auch noch ein Fernseher bei, aber der kann nur schwarz-weiß Textzeichen ausgeben, keine Grafik, keine Farben und der hat auch nur 4 Kilobyte RAM. Also der ist technisch weit zurück. Ja, und dann gibt es natürlich auch noch den Vorgänger. Der fliegt ja nicht sofort aus dem Sortiment. Das VCS gibt es auch weiterhin. Wer also nur spielen will, der kann auch das VCS kaufen. Das kostet Ende 79 etwa 160 US-Dollar. Das ist schon ein erheblicher Unterschied. Der Computer 550, die reine Konsole 160. Die europäischen Märkte kommen natürlich auch irgendwann dazu, Aber erst im Sommer 81, das hat damals immer ewig gedauert, bis wir Europäer auch mal was bekommen haben, aber spielen ja nicht anders. In Westdeutschland kamen die Geräte, die hier beworben wurden als Privatcomputer, da war der Begriff PC noch nicht so etabliert, kamen die auf den Markt im August 81, also fast zwei Jahre nach dem US-Markt. Und hier kostete ein Atari 400 ungefähr 1500 DM. Das entspricht heute auch ungefähr etwas unter 2000 Euro.
Gunnar:
[1:11:18] Darf ich mal loben, was für ein toller Begriff Privatcomputer ist? Das ist ja wohl viel besser. Heutzutage sind das ja alles Personalkomputer, also quasi der Computer für den Butler und den Gärtner und so. Nein, das ist ja mein privater Computer. Also Privatcomputer ist ein perfekter Name und es ist sogar mit PC abkürzbar. Dass sich das nicht durchgesetzt hat, ist eine Tragödie für die deutsche Sprache. So, jetzt habe ich es mal gesagt, das wollte ich schon die ganze Zeit mal sagen.
Gunnar:
[1:11:44] Gut, Atari ist nun eine weltbekannte Firma, aber nur als Konsolenhersteller. Als Computerhersteller ist das ja noch eine unbekannte Größe, das ist ja ihr erstes Gerät. Und in den Notizen von The Cure finden sich denn Anfang 1978 auch die Ergebnisse einer Umfrage des Instituts Gallup unter potenziellen PC-Käufern, die ihr Vertrauen in verschiedene Marken angeben sollen. Wenig überraschend führt IBM vor Xerox, den Innovationskünstlern, vor Texas Instruments, vor Sony, vor HP und Atari und Commodore bilden die Schlusslichter. Das sind ja auch einfach Newcomer, also zumindest mal Atari in dem Markt und Commodore ist ja eine unseriöse Schreibmaschinenfirma, jetzt mal ehrlich. Also da haben nur ein oder zwei Prozent der befragten Menschen da vollstes Vertrauen in eine dieser Marken. Selbst die Spielwarenhersteller MB und Mattel schneiden noch besser ab. Das Marketing hat jetzt also hier ein ganz schönes Rennen noch vor sich, um das Ding auch bekannt zu machen unter diesem Markennamen.
Gunnar:
[1:12:44] Und zur Jahresmitte 1980 startet Atari dann eine multimediale Werbekampagne. Die meisten Anzeigen und TV-Spots unterscheiden sich fundamental von dem, was sie bis dato gemacht haben für den VCS und was sie ja immer noch machen für den VCS. Man merkt hier überhaupt nicht, dass der 400er mal als VCS-Nachfolger geplant war. Spiele kommen hier jetzt erstmal gar nicht vor. Sie setzen voll auf den Computer-Aspekt. Der neue Marketing-Verantwortliche von Atari, der heißt Conrad Judson, der erklärt damals in einem Interview, dass der Umsatz im jungen PC-Geschäft nur zur Hälfte bei den Heimanwendern generiert werde und dass sich diese Haushalte vor allem für seriöse Anwendungen interessieren. Private Finanzverwaltung, Lernprogramme und natürlich die Heimsteuerung für die Smart Homes. Ich weiß nicht, was die da haben mit ihrem Smart Home. Sehr komisch. Ob es das gab alles? Keine Ahnung. Naja, diese erwähnte Gallup-Umfrage von 78 gibt ihm offenbar recht. In der Tat werden Bildungs- und Steuerungsanwendungen am meisten nachgefragt. Das höchste Interesse liegt bei den Befragten im Bereich Hausalarm.
Henner:
[1:13:56] Seltsam.
Gunnar:
[1:13:57] Und jetzt begreife ich auch, was die damit meinen mit Smart Home. Das ist einfach nur der Alarm. Die haben halt einen Alarm und den kann man per Strom an- und ausschalten. Also kein Strom, kein Alarm. Und das ist das ganze Smart Home. Ich wette, dass das so gemeint ist.
Henner:
[1:14:14] Es ist gut möglich.
Gunnar:
[1:14:15] Und dann hat man, weil da ein Ding war, das in keine andere Kategorie passt, hat man da eine neue Kategorie für gemacht. Heimsteuerung. Und Hausalarm ist ja eigentlich ganz geil, wenn du den steuern kannst. Wenn der automatisch angeht mit dem Computer. Naja, egal. Dahinter kommt die Bildung nach dem Hausalarm und Spiele liegen ganz weit hinten. Möglicherweise hat man auch keine Jugendlichen befragt.
Gunnar:
[1:14:36] Sondern nur steife ältere Leute und Lehrer. Die technischen Fähigkeiten der neuen Geräte, die ja einst mit Blick auf Arcade-Spiele entwickelt wurden, werden zwar schon gern hervorgehoben, aber die Spiele selbst werden kaum erwähnt oder schon mal gar nicht gezeigt. Eine Anzeige titelt mehr Farbe, mehr Sound, mehr Grafikfähigkeiten und dann zeigen sie darunter bunte Balkendiagramme. Das ist genau das, was man will. Mehr Grafik, buntere Balkendiagramme. Hätten wir jetzt gut ein Bild von Space Invaders hinmachen können, aber nein, also nicht. Und der Rest wird eingerahmt von technokratischen Schlagwörtern, die kein Mensch versteht, wie 29 Tastatur, Grafiksymbole, ausgerechnet 29, ja, FGC zertifiziert, darauf waren sie sicher sehr stolz und Solid State Software, das spricht alles wahrscheinlich keinen Gamer an.
Henner:
[1:15:28] Es ist wirklich sehr hilflos und ein bisschen traurig zu sehen. Sie entwerfen hier den ersten Gaming-PC quasi, die ultimative Spielemaschine. Es ist ja die beste Spielemaschine ihrer Zeit, damals abgesehen von Arcade-Geräten. Aber sie werben nicht mit Spielen. Sie kommen zwar vor, werden mal erwähnt hier und da, aber sie stehen wirklich nicht im Vordergrund. Also wie gesagt, ganz verschwiegen werden die Spiele in der Werbung nicht. Es gibt schon einige frühe Anzeigen von 79, die etwas holprig die fortschrittlichsten Spiele aller Zeiten versprechen, Zitat, mit Aufregung, mit Aufregung, jetzt auch mit Aufregung, 50 Prozent mehr Aufregung, mit Sounds und Farben, die man sich nie vorstellen konnte. Und dann listen sie im nächsten Satz die aufregenden Spiele-Starttitel auf, die zur Verfügung stehen.
Henner:
[1:16:18] Basketball, Schach, Aktienmarkt, also Stockmarket heißt ein frühes Spiel, das für diese Computer verfügbar ist bei Atari. Ja, da ist jetzt kein großer Arcade-Titel dabei. Dabei ist Atari nach wie vor eine Weltmacht auf dem Arcade-Markt. Die haben jede Menge eigene Arcade-Automaten in den Spielhallen der Welt stehen, aber sie setzen es nicht um. Und das war ja, wie du es gesagt hast und wie Dick Cure das beschrieben hat, mal das Ziel, die neuen Geräte sollen Arcade-Automaten der Jahre 78 und vermutlich 79 ins Wohnzimmer bringen, aber sie werben damit nicht. Das erfährt man in der Werbung nicht, dass das möglich sein soll.
Henner:
[1:16:59] Das ändert sich erst im Laufe der Zeit. Atari lernt dann ja auch dazu und stellt fest, welche Softwareprogramme eigentlich überhaupt gekauft werden. Und das sind vor allem die Spiele. Und so rückt dann in den späteren Jahren die Werbung etwas mehr in den Vordergrund. Die frühesten Fernsehspots, die man im Netz noch finden kann aus dem Jahr 81, die lassen das schon erahnen. Wir können mal in so einen Spot kurz reinhören.
Henner:
[1:17:38] Ja, aber auch hier traut sich Atari nicht nur vom Spielen zu sprechen, sondern es geht immer um beides, um das Lernen, also irgendwas Sinnvolles damit tun und auch nebenbei das Spielen. Das heißt aber auch, es fehlt zu Beginn im Jahr 79 so ein klares Produktversprechen. Es fehlt die klare Aussage, was mache ich überhaupt mit diesem Computer? Weil Spiele sind es offensichtlich nicht. Und das merken auch einige Atari-Mitarbeiter, also diejenigen, die ein bisschen was vom Markt verstehen. Der Crane, der spätere Activision-Mitgründer, der hat das mal in einem Interview so erzählt, dass er, das war damals üblich, als Ingenieur auf einer Messe die Computer vorgestellt hat, weil die Ingenieure sind halt die einzigen, die wissen, wie das funktioniert. Die Manager, die können das nicht. Das müssen die Ingenieure machen. Und so stand er da am Atari-Stand und näherte sich ihm ein Teenager, ein 15-jähriges Mädchen und fragt, ja, was haben sie denn da? Und dann sagt Crane zu diesem Mädchen, ja, das ist ein Atari 800 Computer. Damit kannst du einen Computer zu Hause haben. Und fragt sie, ja, wozu soll ich denn das?
Henner:
[1:18:46] Nun, damit kannst du dein Checkbuch verwalten. Das ist seine Antwort, denn das, so stellt Crane das dar, sei halt die vom Management vorgegebene Standardantwort auf genau diese Frage gewesen. Was mache ich mit dem Computer zu Hause? Ja, du kannst deine Finanzen, deine Ausgaben kontrollieren. Wow, und dafür soll ich tausend Dollar ausgeben? Das überzeugt niemanden. Das ist wirklich sehr hilflos. Aber natürlich ist es noch die Frühzeit des PC-Marktes. Man weiß es vielleicht einfach noch nicht besser.
Gunnar:
[1:19:20] Atari macht aber schon auch ein paar Sachen richtig. Sie erkennen zum Beispiel, dass man nutzerfreundlich sein muss. Und das ist ein Konzept, das muss man so offen sagen. Das ist auf diesem Markt noch unbekannt, also weitgehend unbekannt. Da verkauft man ja immer noch Bausätze, also unfertige Computer an Bastler. Also, dass man da sich bemüht, die Leute heranzuführen, dass da Atari überhaupt dran denkt, ist schon viel wert. Und schon zwei Jahre vor dem VC20 von Commodore, der das ja, haben wir ja in der VC20-Folge erzählt, ja nun wirklich sehr gut macht, stellt Atari das in den Vordergrund, also die Nutzerfreundlichkeit und versucht mit Werbung und Verpackung und der Produktgestaltung den Anfänger anzusprechen, der keine technische Expertise mitbringt. Und dem müssen sie natürlich erstmal erklären, wie eben der Standbesucherin der 15-Jährigen, wozu man überhaupt einen Computer braucht. Es ist schon auch verständlich, dass das Spielen noch nicht so im Vordergrund steht am Anfang, weil der 400er ist ja so viel teurer als eine Konsole. Der kostet ja das Vierfache. Und wenn man da jetzt sagen würde, ja gut, da können sie darauf spielen, wie auf dem VCS nur ein bisschen besser, ist auch ein riskantes Produktversprechen.
Henner:
[1:20:34] Ja, sie haben es nicht leicht, das stimmt schon. Beschreiben wir die Geräte mal, die da auf den Markt kommen, Ende 79. Fangen wir mal außen an und dann arbeiten wir uns nach innen vor, würde ich sagen. Also beide haben so ein beige-graues Gehäuse, wie das dann ja auch in den 80ern üblich sein wird. Das ist ja die quasi vorgeschriebene Farbe für alle PCs. Die müssen immer beige-grau sein, bloß keine Farben.
Henner:
[1:20:59] Die haben so eine angenäherte Keilform, vorne recht flach, hinten etwas höher. Und die Tastatur ist integriert, wie das auch bei den Heimcomputern dieser Ära noch üblich ist. Also keine abgesetzte, separate Tastatur, sondern direkt ins Computergehäuse integriert. Die hat das typische englische Kuverti-Layout, wie der C64 das später auch haben wird. Also auch in Deutschland kein Kuverts. Y und Z sind vertauscht aus unserer Sicht. Und der 400 hat eben diese fürchterliche, drücksensitive Folientastatur. Der 800 hat eine richtige Schreibmaschinentastatur mit einem richtigen Tastenhub. Die kann man also richtig runterdrücken. Was damals nicht selbstverständlich ist, beide Tastaturen erlauben den Wechsel zwischen Groß- und Kleinschreibung. Klingt ein bisschen albern, aber ein TRS-80 von Tandy zum Beispiel, der kann das damals nicht. Da gibt es nur Großbuchstaben. Über dem Haupttastenfeld mit den Buchstaben liegen auch Zahlen und Sonderzeichen, so wie man es auch heute noch kennt von der Standardtastatur. Und oben links, sehr modern, gibt es eine Escape-Taste. Da fühlt man sich gleich zu Hause als PC-User. Das ist ja die wichtigste Taste von allen. Und die hat C64 später nicht, die Escape-Taste. Was sie beide nicht haben, sowohl die beiden Atari-Computer als auch der C64, sind richtige Pfeiltasten. Die kann man nur über die Control-Taste erreichen, Also die Pfeilfunktion für die Cursor-Steuerung, die liegt auf anderen Tasten.
Henner:
[1:22:26] Rechts vom Haupttastenfeld, da hat der C64 ja seine F-Tasten, die frei programmierbar sind und für verschiedene Zwecke zur Verfügung stehen. Die hat Atari nicht, zumindest noch nicht, die kommen später dazu. Da hat Atari vier Zusatztasten mit vorgegebenen Funktionen. Das sind Start, Select, kennt man von der Konsole, Option und wieder etwas, was der C64 nicht hat. Reset für den Warmstart. Das hat man auf dem C64 nur, wenn man das mit einer Bastellösung nachrüstet. Sehr fortschrittlich, eine Reset-Taste. Aber auch ziemlich mutig, muss ich sagen, die Reset-Taste direkt oben auf dem Tastenfeld zu haben. Kann man ja mal versehentlich draufkommen vielleicht.
Gunnar:
[1:23:08] Ja, ganz bestimmt ist es passiert, oder? Das ist doch ein total blöder Ort.
Henner:
[1:23:12] Ja, naja, bei der 400er Tastatur passiert das nicht so leicht. Da kommt man nicht so leicht drauf. Die muss man auch ziemlich stark runterdrücken, damit da überhaupt was passiert.
Gunnar:
[1:23:21] Ja, da drückt man ja nicht mal die Tasten runter, die man drücken wollte.
Henner:
[1:23:25] Ja, genau. Aber diese Tasten sind wirklich sehr clever, denn damit kann man Programme von Kassette oder von Diskette ohne weitere Ladebefehle starten direkt. Dazu kommen wir später noch, wie das funktioniert. Aber das ist wirklich fortschrittlich, vor allem verglichen mit dem C64.
Henner:
[1:23:42] Ja, jetzt müssen wir noch mal über diese 400er Tastatur sprechen. Die ist wirklich fürchterlich und sie ist zum Blindschreiben überhaupt nicht zu gebrauchen. Also wenn man die Augen auf dem Fernseher hat und die Finger liegen auf der Tastatur, dann kann man nicht erwarten, auch nur eine Taste richtig zu treffen. Man muss immer genau hinsehen, wo man hindrückt. Die Tasten lassen sich halt nicht erfühlen. Ja, sie ist nicht nur zum langen Schreiben von längeren Texten nicht geeignet, sie ist eigentlich für gar nichts wirklich geeignet, wie alle Tastaturen dieser fürchterlichen Bauart. Es gibt keinen spürbaren Druckpunkt, es gibt gar nichts, was man ertasten kann, nur diese flache Folie. Und damit man weiß, dass man eine Taste gedrückt hat, das kann man ja nicht erfüllen, gibt es einen kleinen Piepser, ein kleines Pieps-Geräusch, das über einen integrierten Lautsprecher wiedergegeben wird. Eine Notlösung, ziemlich verzweifelt.
Henner:
[1:24:37] Es blüht dann sehr schnell das Angebot von Drittherstellern, die eigene Tastaturaufsätze für den Atari 400 anbieten, genauso wie beim Sinclair ZX81 auch, die man also auf dieses Folientastenfeld drauflegt, um das Gefühl einer richtigen Tastatur unter den Fingern zu haben. Später wird Atari allerdings selbst richtige Tastaturen einbauen, auch bei den Einstiegsmodellen.
Gunnar:
[1:25:00] So eine Tastatur, die man da draufsetzt, ist ja ganz schön für das Gefühl, aber piepsen tut es dann immer noch.
Henner:
[1:25:06] Das stimmt.
Gunnar:
[1:25:07] Das ist kein Spaß. Naja, gehen wir mal weiter zu den Modulen. An der Oberseite der beiden Geräte findet sich jeweils eine robuste Klappe, unter der ist der Modulschacht. Das ist die dicke Stelle da, deswegen diese angedeutete Keilform. Beim Atari 400 ist da ein einzelner Modulschacht, beim 800er gleich zwei nebeneinander. Wenn man die Klappe öffnet, dann schaltet sich automatisch der Rechner ab, damit nichts schief geht. Dieser doppelte Schacht im Atari 800 ist gedacht für modulare Software. Man dachte sich, naja, links steckt man zum Beispiel das Basisprogramm einer Lernsoftware ein und rechts die Lektionen. Und da kann man immer die Lektionen tauschen, ohne links die Lernsoftware zu tauschen. Das ist eine absurde Idee.
Gunnar:
[1:25:55] Habe ich noch nie von gehört bei einem anderen Gerät, dass ein Programm dann zwei Slots wechselbar belegt, abgefahren. Ja, ganz coole Idee, aber setzt sich nicht durch am Markt. Nur ganz wenige Programme nutzen diesen rechten Slot, denn den hat ja der 400er nicht. Das heißt, wenn man halt eine Software anbietet, die den rechten Slot nutzt, dann ist man automatisch nicht mehr kompatibel zum 400er. Und das will kaum ein Hersteller. Der 400er ist das System mit der größeren Verbreitung. Also müssten sie dann ja den Großteil des Marktes rauslassen, also machen sie das nicht. Und wenn man schon komplexe Büroanwendungen machen will, dann kann man es ja auch auf Diskette ausliefern. Dann hat man dieses Problem nicht mit dem Doppelschacht. Atari sieht das auch ein und bei späteren Modellen entfällt der zweite Schacht dann.
Henner:
[1:26:41] Dafür gibt es beim 800er noch mehr Steckplätze, nicht nur diese zwei Modul-Steckplätze. Denn wenn man diese Klappe nicht nur aufklappt, sondern komplett entfernt, dann sieht man, aha, darunter sind ja noch vier weitere Steckplätze. Und zwar für RAM-Erweiterung und für ROM-Module. Die sind etwas breiter als die Programm- und Spiele-Module. und der vorderste von diesen vier Steckplätzen, der ist schon werkseitig bestückt. Da steckt nämlich das Betriebssystem drin in einem eigenen Modul. 10 Kilobyte großes Modul. Das heißt, ich kann das rausnehmen und ein anderes Betriebssystem reinstecken, ohne was installieren zu müssen im Software-Sinne. Einfach nur austauschen. Das nutzt Atari später für Betriebssystem-Upgrades, für neuere Versionen. Die werden auf diese Weise dann vertrieben. Man kann aber auch ganz andere alternative Dritthersteller-Betriebssysteme auf die Weise einsetzen. Das ist schon ziemlich cool.
Henner:
[1:27:34] Die anderen drei, die hinteren Steckplätze, die sind für RAM-Module gedacht. Der erste von diesen dreien ist auch schon werkseitig bestückt mit dem 8 Kilobyte großen RAM-Modul. Das kann man aber auch austauschen. Du kannst auch 16 reinstecken und wenn du alle drei RAM-Steckplätze belegst mit jeweils 16 Kilobyte, dann hast du diesen Vollausbau von 48 Kilobyte nach dem Vorbild des Apple II. Das ist aber auch das maximum was die cpu in dieser form ansteuern kann der speicher beim 400 der ist nicht erweiterbar der bleibt also erstmal bei acht kilobyte es gibt allerdings darüber bin ich zufällig gestolpert eine anzeige aus dem jahr 79 und in dieser werbeanzeige ist davon die rede dass man den arbeitsspeicher auf 16 kilobyte erweitern können soll und, Aber offiziell geht es nicht. Da hat irgendwie die Werbeabteilung den Ingenieuren nicht richtig zugehört oder weiß nicht. Ganz seltsam.
Henner:
[1:28:30] Es kursieren dann aber recht bald Drittherstellerlösungen, die es ermöglichen, das interne RAM-Modul auszutauschen. Auch wenn das nicht so vorgesehen ist, man kann das Gerät natürlich aufschrauben und den Arbeitsspeicher tauschen und so selber 16 Kilobyte einbauen. Und später bietet Atari solche Bastellösungen auch ganz offiziell an. Aber vorgesehen ist das eigentlich nicht. Das ist also eine geschlossene Box, da kann man weder das Betriebssystem noch den Arbeitsspeicher tauschen. Ist halt ganz auf Einsteigerfreundlichkeit getrimmt, dieser Atari 400. Ist ja auch eigentlich quasi eine Konsole.
Gunnar:
[1:29:04] Ja genau, quasi eine Konsole, wie sich das gehört. Da geht das halt nicht.
Gunnar:
[1:29:08] Unterschiede zwischen den beiden Geräten gibt es auch bei den Anschlüssen. An der rechten Seite findet sich in beiden Fällen dieser universelle SAO-Anschluss. Damit kann man Laufwerke anschließen und Drucker. Und es gibt natürlich noch einen An-Aus-Schalter. Das hat ja, wie wir wissen, auch nicht jedes Gerät. Und einen Netzteilanschluss. Der 800er bietet hier jetzt noch einen zusätzlichen Monitorausgang an, obwohl Atari selber gar keine Monitore anbietet. Und der 400er hat diesen Monitorausgang nicht, der muss Bildschirmgeräte über diesen rückwärtigen Antennenausgang anschließen. Über diese beiden Ausgänge gibt der Atari auch seine Töne aus.
Henner:
[1:29:46] Ja, bis auf die Tastaturpiepser.
Gunnar:
[1:29:48] Da braucht es den Tastatur-Lautsprecher für. Genau. An der Vorderseite haben beide Geräte je vier Controller-Ports, ganz schön Killer für so ein Gerät, belegbar mit halt eben vier Joysticks oder sogar acht Pedals. Die Pedals haben ja nur zwei Richtungen sozusagen und deswegen kann man davon acht anschließen, diese Drehregler-Pedals, die es schon beim Atari VCS gibt. Diese Controller-Ports entsprechen den neuen Pin-Anschlüssen, die das VCS hat oder auch der spätere C64 hat. Aber vier Stück, ja, vier Stück, das ist mal eine Ansage. C64, der Schneider CPC, MSX, Amiga, ST, die haben alle nur zwei. Der ZX Spectrum hat nur einen, ist der einäugige hier in dieser Liste. Der Apple II hat natürlich gar keinen, das ist ja ein anständiges Bürogerät. Und auch die Konsolen haben ja alle nur zwei Anschlüsse bis dahin. Man kann dann schon Anschlüsse nachrüsten mit Adaptern oder Steckkarten, aber hier von Haus aus vier Anschlüsse und dann in der Anzeige keine Spiele zeigen, weiß ich nicht.
Henner:
[1:30:54] Ja, da hat das Marketing versagt, eindeutig. Das ist schon visionär oder weit vorausschauend, diese vier Joystick-Anschlüsse da einzubauen. Vor allem, wenn man bedenkt, wie groß im Wii-Zeitalter viele, viele Jahre später so Partyspiele wurden und dass heute vier Spieler das Minimum sind, was moderne Konsolen unterstützen. Also eine PS5, die unterstützt, soweit ich das ermitteln konnte, ich habe ja selbst keinen, die unterstützt bis zu vier Controller, eine Switch und eine Xbox, sogar acht. Und Atari hat damals eben schon in den 70er Jahren vier ermöglicht, was in den 80ern und 90ern kaum jemand geboten hat. Also ganz schön weit voraus ihrer Zeit.
Henner:
[1:31:37] Ja, dann gehen wir mal weiter ins Innere. Da sitzt natürlich die CPU. Das ist dieser MOS Technology 6502 mit 1,8 Megahertz. Rund der C64, der später kommt, der hat nur 1 Megahertz. Also die CPU läuft hier schon deutlich schneller. Und dann gibt es die beiden Videochips, den CTIA oder CTR und den Antic. Das sind die wichtigsten Komponenten auf der Hauptplatine.
Henner:
[1:32:01] Und daneben natürlich noch der POKEY. Dass es diese selbst entwickelten Videochips gibt, das hat noch einen wesentlichen Vorteil, denn dadurch kann man den Computer nicht so leicht klonen. Das ist ein Problem, unter dem der Apple II leidet und auch später natürlich der IBM PC berühmterweise. Da werden ja von anderen Herstellern haufenweise Klone auf den Markt geworfen. Das geht hier nicht so einfach, weil man diese Videochips nicht so einfach im Handel kaufen kann, wie man die CPU erwerben kann. Das ist also quasi ein Hardware-Kopierschutz für die Hardware selbst.
Henner:
[1:32:34] Aber nicht nur das, mit diesen Videochips vor allem ist der Atari 400 respektive 800 halt die beste Spielemaschine auf dem Markt. Beschreiben wir mal, was er kann, grafisch, dieser erste Gaming-PC. Der erreicht eine Auflösung von 320×192, aber nur bei monochromer Darstellung, das ist ja damals so üblich. Wenn man mehr Farben will, dann muss man die Auflösung ein bisschen reduzieren. Und insgesamt gibt es eine Palette von 128 Farben, genau wie beim VCS. Das sind 16 verschiedene Farbtöne in jeweils acht Helligkeitsstufen. Ja, kein Fortschritt gegenüber dem VCS zunächst zumindest. Aber ein C64, der ja erst 82 auf den Markt kommt, der hat nur 16 Farben. Und dagegen sind 128 schon ein Brett.
Henner:
[1:33:24] Es gibt ganz viele verschiedene Grafikmodi. Es gibt also grafische Bitmap-Modi, pixelbasierte, aber es gibt auch reine Text-Modi. Und die einzelnen Zeichen in diesem Textmodus lassen sich auch dynamisch umdefinieren. Das kennen wir auch schon von Commodore. Im reinen Textmodus gibt das System bis zu 40 Zeichen pro Zeile aus. Das ist damals eine wichtige Kennzahl. Damit vergleicht man die Geräte und da trennt sich auch die Spreu vom Weizen so ein bisschen. Denn in der Bürowelt bei den Profigeräten sind 80 Zeichen pro Zeile üblich. Das ist so der Standard, der durch die Schreibmaschine etabliert wurde. Und wenn ein Gerät nur 40 Zeichen pro Zeile schafft, dann ist das schon ein großer Nachteil. Der Apple II kann anfangs auch nur 40 Zeichen, aber es gibt halt bald Erweiterungskarten für den Apple II, die das aufrüsten auf 80 Zeichen pro Zeile. Dass der Atari das nicht kann, ist also von Anfang an ein großer Nachteil, zumindest im Büroeinsatz für Spiele. Ist das natürlich egal. Ich glaube sogar, ein Textadventure kann man mit 40 Zeichen pro Zeile ganz gut spielen. Aber da erlaube ich mir kein Urteil.
Henner:
[1:34:30] Diese beiden Videochips, die müssen wir nochmal genauer beschreiben. Was machen die überhaupt? Die arbeiten im Tandem. Das kennen wir schon von der Voodoo-Folge. Bei den Voodoo-Chips, da war das auch so, das waren Chipsätze. Zwei Chips, die sich die ganzen grafischen Aufgaben geteilt haben. Und so ist das hier auch schon. Das eine ist der Antic, das andere der CTR. Und der Antic, der Alphanumeric Television Interface Controller.
Henner:
[1:34:56] Was macht der? Der holt sich per direkten Speicherzugriff, per DMA, aus dem Arbeitsspeicher eine Liste mit Befehlen. Der fängt seinen Arbeitsalltag also erstmal damit an, dass er sich die Aufgaben abholt. Die werden dort im Arbeitsspeicher abgelegt durch die CPU und die macht natürlich das, was der Programmcode vorgibt. Und diese Liste an Grafikbefehlen, das ist die Displaylist, so heißt die. Sie arbeitet da also ab und damit erstellt er jetzt Zeile für Zeile das gesamte Spielfeld, wenn wir mal von einem Spiel ausgehen, was hier dargestellt werden soll. Und auf diesem Spielfeld agieren dann später die Sprites, also die Spielfigur, die Gegner, die Projektile und so weiter. Und diese Displaylist, diese Befehlsliste, die enthält zum Beispiel Scrolling-Befehle, also in welche Richtung das Spielfeld bewegt werden soll, und auch Angaben zum gewünschten Bildschirm-Modus. Soll es jetzt ein Text-Modus sein oder ein Bitmap-Grafik-Modus, welche Auflösung soll da haben, welche Farbpalette soll dafür genutzt werden, das lässt sich über diese Displaylist für jede Zeile einzeln vorgeben.
Henner:
[1:36:03] Und das ist wirklich revolutionär. Das erlaubt ungeahnte Freiheiten bei der grafischen Gestaltung von Spielen. Also für jede einzelne Zeile kann man separat entscheiden, will ich jetzt einen Textmodus haben, will ich hier einen Bitmap-Modus haben, wie viele Farben brauche ich dafür und so weiter. Das kann man alles mischen. Das wird sehr deutlich in Star Raiders, in diesem Atari-eigenen Vorzeigespiel, das wir schon mal erwähnt haben, so ein Weltraumballerspiel. Da sieht man am oberen Rand Textmeldungen. Das ist also der Textmodus. Darunter kommt dann die eigentliche Action im Weltraum, wo die Planeten und die Gegner und die Projektile dargestellt werden. Das ist dann ein Grafikmodus. Und ganz unten stehen wieder Statusanzeigen. Wie viel Energie habe ich noch und so weiter. Das wird wiederum mit Zahlen und Buchstaben im Textmodus realisiert. Das heißt, der Programmierer muss sich jetzt nicht entscheiden, stelle ich das ganze Spiel im Textmodus dar oder im Grafikmodus, sondern man kann je nach Zeile, je nach Bedarf hin und her springen. Das ist schon ziemlich cool. Dann entstehen auf diese Weise fertige Pixeldaten, die gibt der Antic dann schließlich weiter an den zweiten Chip, den CTR, Color Television Interface Adapter. Und der ergänzt jetzt die Farben, die der Antic bestellt hat für die einzelnen Pixel. Die koloriert er jetzt quasi. Und er setzt jetzt die Sprites drauf, also die individuell per Grafikchip steuerbaren Bildelemente, Spielfigur, Gegner, wie gesagt.
Henner:
[1:37:29] Das sind bis zu acht Sprites, die er da drauf setzt und bewegt. Und für diese Sprites nimmt dieser Chip auch die Kollisionsprüfung vor. Also treffen die sich, treffe ich mit meinem Projektil den Gegner oder trifft der Gegner mich. Das wird ja auch alles geprüft vom Grafikchip, ohne dass die CPU da viel zu tun hätte. Es gibt vier größere Sprites, die heißen allerdings bei Atari nicht Sprites, sondern Player-Elemente. und vier kleinere, die bei Atari Missiles heißen, die jeweils nur zwei Pixel breit sind. Und diese Sprites, die sind anders als beim späteren C64 nur einfarbig. Da ist er also ein bisschen schwächer als der Commodore-Rechner. Aber es gibt dazu noch einen Transparenzwert. Also es sind nicht nur grobe Klötze. Man kann auch einzelne Pixel transparent gestalten. Und es lassen sich auch mehrere Sprites kombinieren zu einem Supersprite, das dann auch mehrfarbig sein kann. Ja, und schließlich fügt dieser zweite Grafikchip, der CTR, alle Elemente zusammen zu einem finalen Bild, das dann ausgegeben wird an den Fernseher. Und dann ist es da, das Bild auf dem Fernseher. Und dann kann ich damit spielen. Und das ist wegweisend, diese ganze Konstruktion.
Henner:
[1:38:42] Weil sie einfach ihrer Zeit weit voraus ist und in vielerlei Hinsicht auch dem C64 später voraus ist. Diese Displaylist, diese Befehlsliste, die der Prozessor abarbeitet, die erlaubt halt eine ungeahnte Freiheit, die man halt bei früheren Computern nicht hatte. So ein Commodore-Pad zum Beispiel, der hat ja nur einen Textmodus. Der hat überhaupt keinen Grafikmodus. Sowas kann der gar nicht. Und hier kann ich jetzt für jede Zeile einzeln bestimmen, was ich überhaupt haben will.
Henner:
[1:39:08] Und diese Befehlsliste, die wird ja auch ohne Zutun der CPU abgearbeitet. Das macht der Grafikchip alles selbst. Fast wie eine moderne GPU in der heutigen Grafikkarte mit den Grafikshadern. Der Vergleich hinkt vielleicht ein bisschen. Da gibt es schon noch ein paar Unterschiede. Aber das ist schon sehr weitsichtig, dass man sagt, Alles, was Grafik angeht, soll der Grafikchip bitte schön machen, damit die CPU frei ist für andere Aufgaben. Das klappt nur begrenzt, wollen wir nicht verschweigen.
Henner:
[1:39:37] Jedes Mal, wenn der Grafikchip, der Antic, aus dem Arbeitsspeicher die aktuelle Befehlsliste abruft, die Displaylist, dann wird jedes Mal die Arbeit der CPU unterbrochen durch einen Interrupt-Befehl. Das heißt, was immer der Prozessor gerade tut, wird für einen kurzen Moment pausiert und das verlangsamt die Programmausführung ein bisschen. Also es ist nicht perfekt, das System, aber trotzdem schon fortschrittlich. Und damit sind die Atari Computer auch mit diesem Grafik-Subsystem fertig. Die ersten, die hardwaregestützte Sprites unterstützen und hardwaregestütztes Scrolling, was also nicht nur die CPU berechnen muss, sondern was die Grafik-Hardware autark berechnet. Das ist auch innovativ, wobei wir nicht verschweigen dürfen, dass es ja auch noch diesen TI-Rechner gibt, den Texas Instruments 99-4, der kann das auch und der erscheint ungefähr gleichzeitig, aber trotzdem. Also Atari gehört hier mit zu den Pionieren, was das angeht, denn sowas, Hardware-gestützte Sprites und Scrolling, das beherrschten bislang nur Konsolen. Aber Computer sind Arbeitsmaschinen, die kennen Textzeichen, aber keine Sprites. Es ist wahrlich keine Übertreibung, wenn Atari damals davon spricht, sie hätten die fortschrittlichsten Grafikfähigkeiten aller PCs. Der TE99-4, der ist auch nicht schlecht, wie gesagt, aber der hat weniger Farben zum Beispiel und weniger Flexibilität bei der Bildzusammenstellung.
Henner:
[1:41:01] Ein Apple II, der kann nicht mit Sprites umgehen. Der hat auch kein Hardware-gestütztes Scrolling. Der hat auch nicht so viele Farben. Ein TRS-80, der hat überhaupt keine Farben. Und ein Pad auch nicht. Der weiß ja nicht mal, was überhaupt Grafik sein soll, was ein Pixel sein soll. Also das sind alles keine richtigen Spielemaschinen. Die Atari-Computer sind es, dank dieses Grafik-Subsystems. Und auch gegenüber dem VCS ist der Sprung schon sehr groß. Die Spiele sehen viel besser aus. Nicht nur, weil sie jetzt richtige Buchstaben enthalten, sondern weil die Sprites auch viel detaillierter sind, weil es mehr davon gibt, weil die nicht ständig flackern. Bei Pac-Man auf dem VCS hat man immer noch das Problem, dass ständig die Geister ein- und ausgeblendet werden, weil die Hardware mit so vielen Sprites einfach überfordert ist. Die müssen sich quasi abwechseln in der Darstellung und das Problem hat man jetzt nicht mehr. Pac-Man läuft ohne Geflacker. Und das ist ja schon mal ein gutes Verkaufsargument. Das hätte der Crane mal auf der Messe erzählen sollen. Pac-Man ohne Flackern. Na gut, das gab es damals noch nicht. Und das bleibt nicht dabei, weil 1981 kommt es dann zu einem Upgrade seitens Atari. Der CTR, der erste Grafikchip, der wird ersetzt durch den GTIA, den Graphic Television Interface Adapter. Der ergänzt noch ein paar Grafikmodi und der hat jetzt 256 verschiedene Farben statt 128.
Henner:
[1:42:22] Also ein Grafikchip-Upgrade, das in der laufenden Produktion eingespielt wird. Also die Geräte, die im Jahr 81 entstehen und alle folgenden, die haben schon diesen fortschrittlicheren Grafikchip. Und man kann die sogar bei Atari im Rahmen der Garantie tauschen lassen. Kann also seinen alten Atari 800 zu Atari bringen und die tauschen dann den Grafikchip durch das neueste Modell aus. Echt cool und sehr nutzerfreundlich. Das war allerdings von Anfang an schon geplant, diesen fortschrittlicheren Grafikchip zu verwenden, aber der ist nicht rechtzeitig zur Markteinführung fertig geworden, deswegen mussten sie diesen etwas reduzierten CTIA verwenden und haben das dann später eingebaut. Aber ein Grafikupgrade, hey, das ist ja wie im 21. Jahrhundert, ja, alle paar Monate neue Grafikkarte, das kennen wir und das hat Atari damals schon gemacht.
Gunnar:
[1:43:12] Kommen wir mal zum Sound. Das ist ja der Poke-Chip oder Poke-Chip. Das ist selbstverständlich. Wir sind ja in Amerika ein Akronym. Poke steht für Potentiometer und Keyboard. Was dem Chip nicht gerecht wird, ein bisschen unfairer Name. Der kontrolliert ja nicht nur die Potentiometer der Paddle Controller sowie die Tastatur, sondern er erzeugt auch richtig die Klänge. Also nach dem Poke würde man ja annehmen, der ist nur für die Steuerung von Eingabegeräten zuständig. Der ist ein Soundchip mit vier unabhängigen 8-Bit-Kanälen. Das hatten wir ja schon gesagt, das ist die Verdoppelung der zwei Kanäle aus dem VCS. Das heißt also, man kann hier gleichzeitig Musik und Sounds in Spielen wiedergeben oder polyphone Musik abspielen. Jeder Kanal gibt einfache Rechteckwellen für so saubere und nicht modulierbare Töne aus, deren Frequenz und die Lautstärke und die Rauschverzerrung dann definierbar sind. Und zwei der Kanäle lassen sich für besseren Klang zu einem einzelnen Kanal mit 16-Bit-Frequenzen kombinieren.
Gunnar:
[1:44:14] Das hören wir uns mal an. ARD Text im Auftrag von Funk.
Gunnar:
[1:44:29] Nicht so schlecht, das war das Spiel Laserhawk. Der Poki ist für seine Zeit ein sehr starker Synthesizer, der die einfachen Tongeneratoren der bisherigen Computer deutlich übertrifft. Vergleichbar ist er bei Erscheinen nur mit dem Soundchip des schon öfter genannten TI-99. Der hat drei Tonkanäle und einen Rauschkanal. Auch nicht schlecht.
Gunnar:
[1:44:50] Wir hören uns jetzt aber mal noch ein Stück für den Atari an, für den Poki an. Das hier ist Rob Hubbard aus dem Spiel The Extirpator.
Gunnar:
[1:45:38] So, und das ist jetzt hier für eine ganze Weile State-of-the-Art, unübertroffen bis 82. Nicht so lange, ne? Dann kommt der C64er mit dem berühmten SID-Chip und der hat noch mehr Flexibilität in Bezug auf Wellenformen und Filteroptionen und klingt dann einfach besser. Atari nutzt diesen Pokechip oft in doppelter oder vierfacher Ausführung, auch in einigen Arcade-Automaten. Und der steckt dann in Centipede und Missile Command.
Henner:
[1:46:08] Ich finde dieses Musikstück, das wir gerade gehört haben, das klingt gar nicht so weit weg von dem, was man auf dem C64 hört. Also bei Soundeffekten ist der C64 deutlich besser. Der kann halt die einzelnen Wellen ein bisschen detaillierter umformen und so verschiedene Geräusche nachahmen, was der Atari nicht ganz so gut kann mit seinen Rechteckklängen. Aber die Musik klingt auch echt gut. Also das Extirpator-Stück, das habe ich mir gerne angehört, immer wieder in der Vorbereitung.
Henner:
[1:46:38] Nun braucht man ja nicht nur Chips, sondern man muss die Spiele auch über irgendwas steuern können. Und das tut man ja bei deinen geliebten Text-Adventures über die eingebauten Tastatur. Aber für die allermeisten Spiele braucht man natürlich auch Joysticks. Das ist ja noch die Ära, in der man Spiele nicht mit dem Gamepad gespielt hat, sondern grundsätzlich mit dem Joystick. Wir haben es schon beschrieben, beide Geräte haben vier Anschlüsse an der Vorderseite, sehr nutzerfreundlich. Ich hatte ja diverse STs später, STF und STE, da sind die verborgen unter dem Gerät, man musste es anheben, um Joysticks anzuschließen. Völlig beklopptes Design.
Gunnar:
[1:47:14] Was?
Henner:
[1:47:15] Ja, das ist ganz dämlich.
Gunnar:
[1:47:18] Das habe ich ja komplett vergessen, wie abgefahren ist das denn? Wow.
Henner:
[1:47:21] Und hier sind sie halt einfach vorne an der Stirnseite. Also besser geht’s gar nicht. Das sind die gleichen CX40-Joysticks, die man schon vom VCS kennt. Und die liegen in manchen Bundles auch direkt bei. Also muss man nicht in allen Fällen dazukaufen. Das sind kleine Sticks mit acht Richtungen und einem einzelnen Feuerknopf. Mehr braucht man auch nicht. Wir haben ja später gesehen auf dem Amiga, dass dadurch auch sehr, sehr coole, sehr komplexe Spiele durchaus möglich sind mit einem einzelnen Feuerknopf. Die sind nicht besonders präzise, die CX-40 Joysticks, aber … Was wird denn da gelacht? War das eine Untertreibung?
Gunnar:
[1:48:00] Ja, die sind nicht präzise, nee. Und möchte hier noch erwähnen, wie unergonomisch die sind, aber meint.
Henner:
[1:48:05] Ja, die sollte man halt in einer Hand halten und dann mit der anderen bedienen. Die hat man üblicherweise nicht auf den Tisch gestellt, weil man sitzt ja vor dem Fernseher auf dem Teppich im Schneidersitz. Also wie auch sonst. Und dafür sind sie gebaut. Aber ja, nee, ergonomisch sind die wirklich nicht. Naja, der Anschluss, der dafür verwendet wird, das ist der vom VCS etablierte 9-Pin-Standard. Und das ist ein Standard, der uns in den ganzen 80ern und frühen 90er Jahren ja lange erhalten blieb. Eben auch beim Amiga, beim Atari ST und bei vielen anderen. Und deswegen kann man auch viele andere Controller oder Joysticks anschließen. Man kann da ein Gamepad anschließen von der Atari 7800 Konsole zum Beispiel oder den Competition Pro. Alternativ kann man auch diese Paddle Controller CX30 vom VCS anschließen mit den Drehreglern. Die braucht man vor allem für sowas wie Breakout oder Pong Varianten. Und es gibt ja auch den Starttitel Super Breakout, wo man die ganz gut gebrauchen kann. Damit kann man also mit acht Leuten vor dem Fernseher sitzen und gleichzeitig spielen. Ich weiß nicht, ob die damaligen Fernseher dafür überhaupt groß genug waren oder ob man rechts und links da nichts mehr sehen konnte.
Gunnar:
[1:49:17] Die Fernseher waren dafür groß genug, die Sofas nicht.
Henner:
[1:49:20] Stimmt.
Henner:
[1:49:22] Dann gibt es noch einen Trackball, den braucht man natürlich für sowas wie Missile Command, wenn man etwas präziser steuern muss. So ein Gerät hat Atari auch veröffentlicht, sogar zwei, aber der wird kaum unterstützt. Also bis auf Missile Command gibt es, glaube ich, nur noch eine Handvoll Spiele, die den überhaupt unterstützen. Also die Haupteingabegeräte sind die Joysticks.
Henner:
[1:49:44] Aber es gibt ja noch mehr Peripherie als Joysticks. Das Ganze ist ja keine reine Spielemaschine.
Gunnar:
[1:49:48] Nee, es gibt auch Laufwerke. Dafür gibt es ja diesen SIO-Anschluss, mit dem lassen sich die dann easy mit dem Gerät verbinden und auch gleich steuern. Programme von Kassette oder Diskette zu starten ist anders als zum Beispiel beim C64 erfrischend unkompliziert. Beim C64 muss man ja, wir wissen es noch, Load-Programmname in Anführungszeichen 0,8,1 eingeben und der Atari kann den Wutvorgang auf Knopfdruck starten. Der originale Atari 800 lädt Disketten-Spiele ohne Zutun. Einfach so, wenn man es anschließt und einlegt. Und für den Start eines Programms von Kassette ist immerhin ein Druck auf die Starttaste nötig. Das ist schon toll, muss man mal sagen.
Henner:
[1:50:31] Auf jeden Fall. Ja, viele von uns sind ja mit dem C64 aufgewachsen. Und für uns war das also selbstverständlich, dass man halt superkryptische Befehle eingeben muss, die keiner von uns verstanden hat. Aber das war halt so. Aber es hätte nicht so sein müssen. Atari hat halt schon drei Jahre vorher bewiesen, dass sowas viel leichter geht mit einem Druck auf Start. Wie cool ist das?
Gunnar:
[1:50:51] Das hätte man mal kopieren können beim C64.
Henner:
[1:50:53] Ja, allerdings. Da wurde ja sonst alles kopiert, aber das nicht.
Gunnar:
[1:50:58] Sie haben auch ein Kassettenlaufwerk von Anfang an, Das Atari 410. Man kann keine handelsüblichen Kassettenrekorder anschließen. Man muss da ein spezielles Gerät haben. Und auf ein 60-Minuten-Band, also eine 60-Minuten-Kassette, passen 100 Kp. Bei einer Transferrate von 75 Byte pro Sekunde, also die nominelle Transferrate, ist es ein bisschen schneller als die Konkurrenz von Texas Instruments oder von Commodore. Aber machen wir uns nichts vor, das ist immer noch quell, langsam. Dafür kann man das Gerät vom Computer aus starten und stoppen, also nicht nur mit den Tasten am Gerät. Das ist echt ein bisschen cool auch, das ist ja auch was, was der C64er so nicht kann. und viele Atari-Kassetten nutzen das Band für ein Audiosignal, das dann über den Fernseher ausgegeben wird. So kann etwa das Kartenspiel Blackjack im Intro mit gesprochenen Worten, die von der Kassette gespielt werden, die Regeln erklären. Sprachausgabe quasi. Fake Sprachausgabe natürlich. Der Hammer.
Henner:
[1:51:57] Das ist super.
Gunnar:
[1:51:58] Was für eine fantastische Idee, das so zu machen.
Henner:
[1:52:01] Ja, das stimmt. Und das Programm wird ja währenddessen weitergeladen. Also während das Spiel dir erklärt, wie es gespielt werden will über die Tonausgabe, lädt weiterhin das Programm, denn das ist ja eine Stereokassette und da gibt es zwei Kanäle und über den einen Kanal kommt das Audiosignal, also die Sprachausgabe oder Musik, was auch immer, und über den zweiten Kanal wird der Programmcode an den Rechner geschickt gleichzeitig. Das ist sagenhaft.
Gunnar:
[1:52:26] Ein Diskettenlaufwerk gibt es auch, das heißt 810. Die Zahlenbenennungen sind immer sehr schön. Das ist ein ganz gewöhnliches 5,25 Zoll Diskettenlaufwerk mit 288 Umdrehungen pro Minute. Das kann auf einer einseitigen Diskette etwa 88 kb speichern. Später gibt es auch Laufwerke für die doppelseitige Nutzung. Das ist aber auch ziemlich langsam. Das liegt jetzt nicht am Laufwerk per se, sondern auch an dem SIO-Anschluss und anderen Sachen. Und diese Langsamkeit ist schon ein Problem für die ganze Plattform. Das Atari 810-Laufwerk schafft ohne Schnellladeprogramme halt dann so maximal 1000 Byte pro Sekunde. Das ist mehr als das VC1541 von Commodore. Das hat nur die halbe Transferrate.
Gunnar:
[1:53:12] Und damit haben wir ja auch überlebt. Ja, so ist ja nicht. Aber weit unter dem, was das Diskettenlaufwerk für den Apple II kann. Das Meisterwerk von Wozniak arbeitet mit 35.000 Byte pro Sekunde. Das ist 40 Mal so schnell wie das Atari-Modell. Naja, also im gehobenen Segment, da wo sie ja preislich hinwollen gegen den Apple II, da stinken sie zumindest mal in dieser Disziplin sehr deutlich ab. Dazu haben sie noch technische Probleme. Dann gibt es Lieferschwierigkeiten bei dem Laufwerk. Es gibt einen Mangel an Disketten. Das Betriebssystem kann anfangs nicht formatieren. Das heißt, sie müssen vorformatierte Disks verkaufen. Davon haben sie nicht genug. Die sind schwer zu bekommen. Und für so richtige Hardcore-Bürosoftware wie VisiCalc, die Tabellenkalkulationen.
Gunnar:
[1:54:02] Da sind das echt schlechte Bedingungen. Damit ist das Gerät für das Büro auch schon ganz schön ungeeignet, schon alleine wegen dieser Sache. Aber Atari, gebt mich auf, die machen das Softwareangebot für Spieler und Büroarbeiter gleichermaßen.
Henner:
[1:54:19] Ja, also wie gesagt, sehr schlechte Startbedingungen, diese technischen Limitierungen, vor allem dieses super lahme Diskettenlaufwerk, was ja auch noch teurer ist als das Apple II Diskettenlaufwerk, das kommt ja auch noch hinzu. Und wer ist schuld? Die FCC.
Henner:
[1:54:34] Gut, die Hardware ist ja generell nur so gut wie die Software, die darauf läuft. Muss ich ja zugeben, auch wenn ich ein Hardware-Freund bin, ohne Software ist hier nicht so viel wert. Und so ein PC, der für alles Mögliche einsetzbar sein soll, sogar für die Verwaltung des Checkbuches, verlangt halt auch noch eine Menge Software für die verschiedensten Anwendungen. Und Atari steht jetzt also 1979 vor der großen Aufgabe, dieses Softwareangebot zu schaffen. Übrigens ganz hübsch, die Anleitung vom Atari 400, die erklärt erstmal noch, das war damals noch nötig in den 70er Jahren, was Software überhaupt ist. Das weiß vielleicht nicht jeder. Da steht bei der Beschreibung der einzelnen Hardwarekomponenten. Ja, das hier, dabei handelt es sich um Computerhardware. Und Zitat, ebenso wichtig, aber unmöglich zu fotografieren, ist die Atari 400 Software.
Henner:
[1:55:27] Das sind die Informationen und Anweisungen, die in der Hardware kodiert sind. Also die entschuldigen sich hier beim Nutzer, dass es kein Foto von der Software gibt. Ah, sehr hübsch. Ja, und wo kommt diese Software jetzt her? Die kann Atari natürlich selber programmieren, aber der Computermarkt funktioniert ja eigentlich anders. Üblicherweise wird die Software ja beigesteuert von verschiedenen Anbietern, vom Hardware-Hersteller selbst, aber auch von anderen Drittherstellern. So funktioniert der Computermarkt, das hat der Apple II ganz gut bewiesen. Und Atari scheint das auch zu wissen. Jedenfalls lässt das ein Interview aus dem Juni 79, also wenige Monate vor der Markteinführung, erahnen. Da wird Ataris Vizepräsident in der Creative Computing befragt zur Software-Strategie. Peter Rosenthal heißt er und der sagt dort in diesem Interview, Zitat, wir glauben, dass Software der Schlüssel zum PC-Markt ist.
Henner:
[1:56:24] Und wir hoffen, eine aktive Rolle bei der Softwareentwicklung für unsere Maschine zu spielen, aber wir möchten, dass viele andere ebenfalls einsteigen. Sie können ja schließlich auch keinen Plattenspieler verkaufen, der nur Platten des Herstellers abspielt. Völlig absurde Vorstellung. Ja, und völlig richtig. Atari weiß also genau, wie der Softwaremarkt funktioniert.
Henner:
[1:56:45] Dann kommt es aber doch leider anders. Der Spieleentwickler Chris Crawford, der hat für Atari später unter anderem Eastern Front geschrieben, das ist eine der Killer-Applikationen für das System, der hat sich in dem Interview ganz anders geäußert. Der hat die Realität bei Atari anders beschrieben. Der sagt, Zitat, die Einstellung der Führungskräfte bei Atari war, wir wollen das ganze Geld mit der Software verdienen. Wir wollen keine Wettbewerber.
Henner:
[1:57:12] Zitat Ende. Und Buschnell, der war damals ja schon raus, aber der hat in einem anderen Interview was ähnliches gesagt. Also sagten sie, also das Atari Management, wir werden nicht nur Drittentwicklern nicht helfen bei der Entwicklung. Wir werden sie sogar verklagen, wenn sie unser Betriebssystem nutzen. Also Atari, laut Darstellung von Bouchnell, will externe Softwareentwickler verklagen, wenn sie Software für den Atari 400 oder 800 anbieten. Das ist schon starker Tobak und das kam mir doch ein bisschen drastisch vor. Wir wissen aus der Atari-Geschichte, dass sie 1980 dann Activision verklagt haben, weil die es gewagt haben, VCS-Spiele anzubieten. Aber der Computermarkt, der funktioniert ja nun mal ein bisschen anders. Der ist angewiesen auf Dritthersteller-Software. Und wie will man überhaupt verhindern, dass irgendjemand eine Kassette mit Basic-Software verkauft, die zufällig auch auf dem Atari funktioniert? Also das geht doch gar nicht. Das erschien mir etwas zu drastisch.
Gunnar:
[1:58:14] Aber es ist doch möglich, dass es ein Paradigmenwechsel ist. Dass sie das anfangs natürlich gedacht haben, so wie man das halt so macht. Natürlich müssen wir das offen machen, Plattenspieler und so. Und dann kam das Activision-Problem, dass da plötzlich auf dem von ihnen beherrschten Atari VCS ein Dritthersteller gelandet ist. Und dann hat irgendein Spinner im Management, der nichts vom Markt versteht, gesagt, wir müssen Dritthersteller ja überhaupt verhindern. Wie ist das eigentlich bei unserer Supermaschine? Kann da auch jeder, kann David Crane da auch einfach ein Programm für machen? Und die dann so, ja, oh Gott, das müssen wir verhindern. Das war ja dieser blutige Kampf von 80 bis 82 zwischen Atari und Activision, um diese Möglichkeit da, Spiele für das VCS zu machen. Also vielleicht hat das übergeschwappt irgendwie. Ja, das muss ja auch ein, will ich sagen, ein Trauma gewesen sein für Atari, aber schon irgendwie eine schwierige Zeit gewesen sein.
Henner:
[1:59:08] Ja, es ist wohl auch nicht so, dass Atari von Anfang an geplant hat, Dritthersteller zu verklagen, so wie Buschnell das darstellt. Das ist wohl nicht so gewesen. Der Buschnell ist ein großer Geschichtenerzähler, der übertreibt auch ganz gerne
Henner:
[1:59:21] mal. Und ich wollte es aber genauer wissen, wie war denn das jetzt eigentlich? Also habe ich jemanden gefragt, der es wirklich wissen muss. Tandy Trower, der war ab 1979 bei Atari und auch kurz darauf verantwortlich für die interne Softwareentwicklung. Und der sagte mir gegenüber, also ich kann mich an keine Einschränkung oder keine Direktive von oben erinnern, dass Software nicht unabhängig von Atari entwickelt und vertrieben werden darf. Also ein Verbot von Dritthersteller-Software mit der Androhung von Klagen von Atari, das gab es so nicht. Aber, Trower hat mir gesagt, ja, externe Entwickler wurden vielleicht nicht von uns verklagt, aber die hatten es schwer. Und zwar aus verschiedenen Gründen, unter anderem wegen fehlender Datenträger. Das Diskettenlaufwerk war knapp, also hat es sich nicht gelohnt, auf Diskettensoftware anzubieten. Er sagte, es hat sechs Monate gedauert, bis er selbst eins für sein Büro bekommen hat. Also dieses Diskettenlaufwerk war schwer zu bekommen. Also musste man Software auf Modulen anbieten oder auf Kassetten. Kassetten sind furchtbar lahm und eignen sich nicht für Bürosoftware, weil man da nicht dynamisch nachladen kann.
Henner:
[2:00:26] Also blieb eigentlich nur das Modul, aber Atari hat den externen Entwicklern auch nicht geholfen, Software auf Module zu bringen und zu vertreiben. Das konnten die aber ohne Hilfe nicht so ohne weiteres. Also Dritthersteller hatten es einfach nicht leicht. Die hatten keine Unterstützung von Atari. Und dann gab es noch ein größeres Problem. Darauf gehen wir gleich noch genauer ein. Das hat Traum ja auch so gesagt. Es gab keine Dokumentation. Man braucht aber Dokumentation, also Informationen über die Hardware und über die Speicheradressen und so weiter, um die Hardware richtig nutzen zu können. Sonst kann man keine Software schreiben, die diese Hardware richtig nutzt. Also wenn es etwas ambitioniertere Software sein soll, die nicht einfach über Basic-Befehle zu realisieren ist. Also für ein Text-Adventure reichen einfache Text-Basic-Befehle, aber für etwas ambitioniertere grafische Software reicht das nicht. Da braucht man Dokumentation, da braucht man Unterstützung von den Ingenieuren, die die Chips entworfen haben. Aber die gibt es halt nicht.
Henner:
[2:01:24] Einige Ingenieure sagen, sie hätten einfach nicht die Zeit gehabt, das zu dokumentieren. Aber das ist wohl nicht die ganze Wahrheit. Es ist sehr deutlich geworden in verschiedenen Gesprächen, die ich auch geführt habe, dass das die eigentliche Strategie von Atari war. Wir verklagen die Leute nicht, wenn sie Programme für unsere Computer schreiben, aber wir helfen ihnen auch einfach nicht, das zu tun. Und ohne uns kriegen sie es nicht hin. Und so behalten wir dann den Software-Markt schön für uns. Das hat mir Chris Crawford, der damals bei Atari war, den habe ich auch gefragt, genau so beschrieben. Der sagte, ja, diese Geheimhaltung war eine Strategie. Zitat, die allgemeine Richtlinie war, dass die technischen Informationen über die Computer ein Geschäftsgeheimnis waren und wir solche Informationen nicht veröffentlichen durften. Das heißt, der Wettbewerb auf dem Softwaremarkt wird einfach klein gehalten, indem man ihm Informationen vorenthält. Und wer für Atari, im Auftrag Ataris, Software entwickeln wollte… Der hat diese Informationen bekommen, aber der musste dann eine Verschwiegenheitsvereinbarung unterschreiben, ein NDA. Und wer dagegen verstoßen hat, also wer von Atari diese Geheiminformationen bekommen hat über den Hardwareaufbau und die Informationen veröffentlicht hat, der wurde natürlich verklagt. Und möglicherweise ist es das, was Bushnell gemeint hat.
Gunnar:
[2:02:44] Ah ja, das kann gut sein, oder? Dass die es halt so gedreht haben, das klingt logisch. Das ist natürlich dämlich. Da sind wir uns einig und das ist jetzt auch nicht nur, dass wir hier mit 50 Jahren Abstand hier sitzen und da schlau drüber urteilen. Das wussten auch Leute schon damals. Der Crawford hat dir direkt ins Gesicht gesagt, dass alle Leute, die PCs damals verstanden haben, erkannt haben, dass das eine fehlgeleitete Politik war, weil sich Geräte mit viel Software halt logischerweise besser verkaufen als Geräte mit wenig Software. Und der Activision-Mitgründer Alan Miller, der hat in einem Interview bestätigt, sie alle hätten die Geschäftsleitung aufgefordert, den Atari 400 zu einem offenen Design zu machen und das Betriebssystem zu veröffentlichen und die Hardware-Handbücher zu veröffentlichen. Und nicht nur Atari-interne Kräfte, sondern auch Branchenbeobachter müssen da den Kopf schütteln. Ein Autor der Creative Computing in der Ausgabe 6 1980 wundert sich darüber, wie Atari dieses eindrucksvolle Star Raiderspiel wohlgemacht hat, wirft dabei einige technische Fragen auf. Und liefert dann in seinem Text gleich den Twist. Ja, ich weiß es, lieber Leser. Ich wünschte, ich könnte es Ihnen sagen. Aber leider hat Creative Computing als Softwarehersteller eine Geheimhaltungsvereinbarung mit Atari unterzeichnet. Und alles, was ich über diesen Weg gelernt habe, kann ich nicht veröffentlichen. Alles ist unter Verschluss.
Henner:
[2:04:12] Die Presse darf nicht berichten über die Hardware, ja.
Gunnar:
[2:04:15] Diese Geheimhaltung stellt sich dann als gewaltiger Fehler raus. Der Trauer hat dir gegenüber gesagt, das Management verstand halt im Allgemeinen wenig vom frühen PC-Geschäft. Die meisten kamen aus der Unterhaltungsindustrie.
Gunnar:
[2:04:27] Henner, jetzt wird mal Zeit, dass die was lernen.
Henner:
[2:04:28] Ja, Atari hat ja irgendwann dazugelernt. Das kam dann ja auch. 1981 kommt die Kehrtwende, weil Atari merkt, oh, stimmt ja, das ist ein Computer, der braucht Software und mehr Software gleich mehr Computer. Das haben sie dann auch verstanden. Und fortan wurden diese technischen Informationen über den inneren Aufbau der Computer, darüber, wie man diese Chips nutzt, wie die Speicher adressiert werden und so weiter, nicht mehr geheim gehalten, sondern durften jetzt auch rausgegeben werden, verbreitet werden. Sie wurden sogar aktiv verbreitet und der Crawford, der Softwareentwickler, der durfte dann im Jahr 81 sogar innerhalb Ataris eine eigene Gruppe gründen, die Software Development Support Group. Die hat interne Entwickler ein bisschen unterstützt bei der Programmierung, aber eben auch externe, also Dritthersteller. Das hat er mir so erzählt, ich stellte Leute ein, also hatte ein eigenes Team gegründet und reiste durch die USA, um Treffen abzuhalten, bei denen ich Programmierern die Atari-Computern beibrachte. Ja, das hätten sie mal zwei bis drei Jahre früher machen sollen, aber besser spät als gar nicht.
Henner:
[2:05:33] Und nicht nur das, also er reist nicht nur durchs Land und erzählt den Menschen von den Atari-Chips, sondern er bringt sogar ein Entwicklerhandbuch an. Also auf Basis dieser frühen geheimen Informationen, die die Ingenieure mal zusammengestellt haben, wird jetzt ein Buch rausgegeben. Zuerst ab 1981 als Serie in der Computerzeitschrift Byte, erscheint das also in mehreren Episoden und ab 1982 dann sogar als 250 Seiten starkes Programmierhandbuch mit dem Namen De Re Atari, also Latein für in Sachen Atari. Das ist ein schöner Name, oder?
Gunnar:
[2:06:11] Meine Herren.
Henner:
[2:06:13] Ja, und der Vertrieb für dieses Buch, der wird gestemmt von einer weiteren neuen Gründung von Atari, dem APX, Atari Program Exchange. Das ist ein Atari-Versandhandel für Programme, die sie nicht selber entwickelt haben. Also da kann man als Hobbyentwickler Programme einschicken und die werden dann über APX vertrieben, wie auch eben dieses Buch.
Gunnar:
[2:06:34] Geil, der App Store ist das.
Henner:
[2:06:36] Der App Store quasi, ja. Und dieses Buch wird dann auch zu einem Bestseller. Das wollen die Entwickler alle haben, um diese neue Plattform unterstützen zu können. Ja, wie gesagt, zwei Jahre früher wäre besser gewesen. Aber immerhin, jetzt ab 1981 wächst dadurch das Softwareangebot durch diese Öffnung und einige von den besten und erfolgreichsten Spielen und Anwendungen, die erscheinen auch jetzt erst nach der Öffnung im Jahr 81. Ein durchaus bekannter Name hat auch auf diese Weise im Jahr 81 mit der Spieleentwicklung angefangen auf einem Atari 800. Und das ist der Herr Sid Meier. Ich weiß gar nicht, was er da als allererstes entwickelt hat für ein Spiel. Das ist wahrscheinlich heute nicht mehr zu bekommen. Es war noch nicht Civilization. Aber es war bestimmt großartig, wie ich Sid Meier kenne. Andere Entwickler, die fangen jetzt allerdings nicht mehr für Atari an, sondern die sind schon bei anderen Plattformen gelandet zu dieser Zeit, im Jahr 81. Für die kommt also dieser Strategiewechsel, diese Öffnung zu spät. Die sind schon bei Commodore gelandet oder beim IBM PC, der ja auch Ende 81 auf den Markt kommt. Oder sie entwickeln für den Apple 2, der nach wie vor populär ist. Und das gilt vor allem nicht so sehr für Spiele, sondern vor allem für professionelle Anwendungen. Für die ist es einfach zu spät.
Gunnar:
[2:07:53] Sprechen wir noch mal kurz über das Softwareangebot beziehungsweise über halt professionelle Anwendungen.
Henner:
[2:07:59] Genau, über Spiele reden wir gleich auch noch, keine Sorge, darauf wartet ihr ja die ganze Zeit.
Gunnar:
[2:08:02] Ja, das kommt noch. Atari hat ja schon bei der Ankündigung seiner Computer klar gemacht, dass sie halt mehr sein wollen als einfach Spielemaschinen. Für das Softwareangebot werden initial 20 Lernprogramme für Erwachsene angekündigt, von Algebra, Buchhaltung, Tischlerei bis zur Zoologie. Sprachlehrernprogramme haben sie natürlich auch im Sortiment. Und praktische Anwendungen soll es auch geben. Berichten sich vorwiegend an Haushalte, Einkommensteuer machen oder die private Dokumentenverwaltung. Die Spiele kriegen nicht so viel Aufmerksamkeit. Kommen wir gleich noch zu. Und die Anwendungen für Unternehmen, da ist auch nicht so viel los. Die machen eine eigene Textverarbeitung. Die ist 81 und die ist so schlecht, dass Atari sie nochmal neu in Auftrag gibt. an den Entwickler eines überlegenden Konkurrenzprodukts. Die brauchen dann ein bisschen und dann erscheinen 1983 Atari Writer, damit sie da dann auch einigermaßen konkurrenzfähig sind. Wieder einen Tick zu spät.
Henner:
[2:09:02] Einen Tick? Vier Jahre nach Einführung der Maschinen haben sie eine vernünftige Textverarbeitung.
Gunnar:
[2:09:08] Tick zu spät, ja. Der Zug im Büro ist wohl abgefahren, würde ich sagen. Atari hat aber dann jetzt endlich erkannt, so ein Bürocomputer, so ein erfahrener Bürocomputer wie der 800, Der braucht auch Büro-Software. Und dann portiert man VisiCalc auf die Atari-PCs. Das ist ja seit 1979 die Killer-App für den Apple II. Also wirklich die Killer-App. Dafür hat man sich Apple IIs angeschafft.
Gunnar:
[2:09:33] Und der Trower setzt sich dann mit dem Wunsch durch, nun auch doch das marktbeherrschende Microsoft-Basic zu nehmen. Das kommt dann halt auf eine Diskette und nicht auf ein Modul. Ja gut, aber das hilft dann auch Programme zu portieren, die damit für andere Rechner geschrieben worden sind.
Henner:
[2:09:48] In dem Zusammenhang hat mit Trower übrigens noch eine lustige Anekdote erzählt. Die standen ja dann 1981 in Verhandlungen mit Microsoft über die Lieferung von Microsoft Basic, dann eben doch, wie es ursprünglich mal geplant war, schon 1979. Und dafür hat sich das Atari-Management mit Bill Gates getroffen. Der war ja schon in jungen Jahren ein durchaus erfahrener Geschäftsmann und der hat in den Verhandlungen mit Atari die Atari-Führung so beeindruckt, dass Atari daraufhin Microsoft kaufen wollte. Sie haben eine Delegation nach Seattle geschickt, um Microsoft ein Übernahmeangebot zu machen. Microsoft hat aber abgelehnt, denn Gates und Allen hatten zu der Zeit ja schon einen Vertrag mit IBM über die Lieferung von so ein bisschen PC-Software im Jahr 81. Und deswegen hatten sie kein Interesse von Atari übernommen zu werden.
Henner:
[2:10:39] Aber das heißt, wie du immer schon sagst, Gunnar, in einem anderen Hosenbein der Geschichte gehört Microsoft also zu Atari. und Donkey Bus, der PC-Starttitel, ist ein exklusives Atari-Spiel.
Gunnar:
[2:10:55] Das wär’s gewesen. Damit hätten sie’s gerettet.
Henner:
[2:10:59] Oh ja.
Gunnar:
[2:10:59] Mit Donkey Bus exklusiv in der 800er-Version. Sehr schön.
Gunnar:
[2:11:04] Naja, das Angebot an Bürosoftware verbessert sich dann gegen die Mitte der 80er hin. Also viel zu spät. Aber das ändert natürlich nichts daran, dass die Hardware-Schwächen für diesen Bereich weiterhin schlimm sind. Das Diskettenlaufwerk ist immer noch langsam und unzuverlässig. Wir haben immer noch im Textmodus 40 Zeichen pro Zeile. Die 80 Zeichen kommen ja von der Schreibmaschine und das müssen halt moderne Bürorechner auch können. Und der Chauer hat ja dir gegenüber sogar gesagt, ja, ja, ja, der 800er war eindeutig kein guter Bürorechner. Naja, außerdem ist das immer noch eine Spielefirma. Also man kann sich auch gut vorstellen, dass es bei so IT-Einkäufern von Unternehmen ein bisschen, weiß ich nicht, negativen Bias gab, ein Atari-Produkt zu kaufen, weil das halt so eindeutig die Firma aus der Arcade ist und die Firma vom VCS ist.
Henner:
[2:11:57] Ja, der seriöse, schlipstragende IT-Einkäufer sitzt da mit einem Atari-Vertreter zusammen und der verkauft ihm an den ernstesten Gerät mit vier Joystick-Anschlüssen vorne. Das passt nicht. Das kann ich schon verstehen, dass das hier und da knirscht und dass der IT-Einkäufer dann doch lieber zu Apple greift oder eben ab Ende 1981 zum IBM-PC.
Henner:
[2:12:20] Ja, aber jetzt müssen wir endlich mal über die Spiele sprechen. Und da sieht es anfangs auch nicht so gut aus, leider. Zum Start bietet Asari fünf Spiele an. Mehr nicht. Und das ist für eine Spielefirma dann doch ziemlich arm. Da sind auch solche Sachen dabei wie Video Chess, also eine Schachumsetzung und 3D Tic-Tac-Toe. Das spricht jetzt auch nicht so sehr den Arcade-Gamer an, der sowas erwartet wie Space Invaders. Das ist nicht das beste Start-Line-Up. Außer Super Breakout, was bei diesen fünf Spielen mit dabei ist, ist keine einzige Arcade-Umsetzung dabei. Und wie gesagt, Atari ist eine Arcade-Macht. Die hätten jede Menge eigene Arcade-Titel im Sortiment aus den späten 70ern, die sie exklusiv für ihre Computer umsetzen könnten. Tun sie aber nicht. Und sie versprechen ja auch auf der CES im Januar noch einige Spiele.
Henner:
[2:13:13] Superman zum Beispiel oder Superbug, was eine Arcade-Umsetzung ist. Oder Four-Player-Tank, auch eine Arcade-Umsetzung. Die kommen aber alle nicht. Man weiß nicht so genau warum, aber es mangelt einfach an Spielen von Anfang an. Und so bleibt es auch noch für eine ganze Weile. Das liegt nicht nur an diesem restriktiven Umgang mit den Third-Party-Entwicklern, also nicht nur an der Verheimlichung der Hardware-Spezifikationen, sondern auch intern, wo sie es ja könnten, gibt es einfach viel zu wenig Spiele.
Henner:
[2:13:44] Da gibt es ja noch ein weiteres Problem. Die Computer unterstützen ja keine VCS-Module. Das Thema hatten wir ja schon. Die Hardware-Kompatibilität zum VCS fehlt. Man kann mit relativ geringem Aufwand die alten VCS-Spiele umsetzen auf die neuen Geräte. Aber trotzdem, du musst eben neu programmieren. Und das erfordert Programmierer-Ressourcen. Und die fehlen. The Cure hat mir dazu gesagt, zu der Zeit, als man Spiele für die neuen Computer hätte entwickeln müssen, waren alle Programmierer bei Atari beschäftigt mit zwei Dingen. Erstens, mehr Spiele fürs VCS. Damit verdient Atari ja immer noch das Geld. Und zweitens, das Schreiben des PC-Betriebssystems. Das sind die späteren Activision-Helden, die hier abgestellt wurden. Also die fähigsten Programmierer, die sie haben, die besten, kreativsten Spiele-Designer, die müssen dieses Betriebssystem schreiben. Das hilft natürlich nicht. Und Trower hat mir auch noch erzählt, dass es auch viele gab im Konzern, die lieber in der Arcade-Abteilung gearbeitet haben und dort ihre coolen Spieleideen umgesetzt haben. Denn da gab es viel weniger technische Einschränkungen. Da wurde ja jeder Automat um ein Spiel herum gebaut. Also warum soll ich für diesen Atari 400 arbeiten, wenn ich einen Arcade-Automaten entwerfen kann?
Henner:
[2:15:00] Also das sind alles Gründe dafür, dass es zu wenig Spiele gibt von Anfang an. Aber es ist auch eine bewusste Entscheidung des Managements, so schwer das zu begreifen sein mag.
Henner:
[2:15:11] Carol Shaw ist Spieleentwicklerin, bis 1980 arbeitet die bei Atari und wechselt dann zu Activision. Und die hat in einem Interview gesagt, dass sie vor dem Start der neuen Geräte, also 1979, an einem Spiel für diese Computer gearbeitet hat, an der Umsetzung von Dame, von diesem Brettspiel. Aber, Zitat, irgendwann beschlossen sie, also das Management, dass sie keine weiteren Spiele mehr haben wollten. Sie versuchten, das Gerät zu einem ernsthaften Computer zu machen. What? Das Wort ist jetzt von mir, das hat sie nicht gesagt. Aber das ist nicht zu begreifen. Die haben hier die beste Spieleplattform auf dem Planeten und entscheiden einfach, dass sie keine Spiele mehr wollen. Was ist denn da los bei Atari? Ich fasse es nicht.
Gunnar:
[2:15:56] Carol Shaw, die du eben genannt hast, das ist übrigens die berühmte Carol Shaw, die River Raid gemacht hat. Eine der ganz berühmten frühen Frauen in der Branche.
Henner:
[2:16:05] Aber eben bei Activision hat sie das gemacht und nicht bei Atari.
Gunnar:
[2:16:08] Ja, genau. Nach dem Wechsel erst. Naja, wie es bei Atari so ist, die lernen halt und nach ein paar Jahren wird es dann auch besser. Die Zahl der von Atari selber publizierten Acht-Bitspiele in den Folgejahren liegt weiter im einstelligen Bereich, aber es kommen ja jetzt ein paar Third-Party-Entwickler, wie die von ihnen selbst gezüchteten Activision oder halt auch Electronic Arts, das kurz danach entsteht. Die machen den Atari-Computer dann doch noch in den frühen 80er Jahren zu einer relevanten Spieleplattform. Und in einer kurzen Phase, tatsächlich in einer kurzen Blütephase, beherrschen Ataris Systeme dann nicht nur den Markt der Konsolenspiele immer noch, sondern auch den neuen der Computerspiele. Die deutsche Telematch, diese Zeitschrift, in ihrer ersten Ausgabe aus dem Februar 1983 drucken sie die beliebtesten Spiele der Leser ab, sowohl bei den Konsolen als auch bei den Computern. Und bei beiden Plattformen gehören die ersten fünf Plätze den Atari-Plattformen. An der Spitze Pac-Man und Star Raiders. In der letzten Telematch, 4 1984, sind es immer noch die ersten beiden Plätze in beiden Kategorien. Und in der amerikanischen Electronic Games ist das Bild ganz genauso. Aber wie viele Spiele gibt es überhaupt?
Henner:
[2:17:30] Ja, mehr als man vermuten oder fürchten müsste nach dieser Vorgeschichte, nach diesem holprigen Start in den Spielemarkt. Ja. Also im Jahr 1980 erscheinen für die Atari Computer, nicht bei Atari selbst, aber insgesamt ungefähr noch 80 Spiele. Der Apple II kriegt mehr als das Doppelte ab, also das ist noch ziemlich schwach für eine Spieleplattform, aber dann holt Atari mächtig auf. Und der Höhepunkt ist im Jahr 83 erreicht, da erscheinen also allein in diesem Jahr 83 ungefähr 450 Spiele. Aber zu der Zeit ist ja schon der C64 da und für den erscheinen noch mehr Spiele. Also zunächst ist Atari zu lahm und dann werden sie halt überholt vom C64. Das heißt, wie du schon gesagt hast, es gibt nur eine sehr, sehr kurze Blütezeit dieser Spieleplattform. Insgesamt erscheinen ungefähr 2000 Spiele, wenn man jetzt Basic Listings aus Zeitschriften und Büchern mal nicht mitzählt. Heute gibt es natürlich einen lebhaften Homebrew-Markt, also es erscheinen auch noch neue Spiele, aber zur Lebzeit der Plattform sind es ungefähr 2000 Spiele. Davon sind die meisten, also ungefähr die Hälfte dieser Spiele, naja, Action- oder Geschicklichkeitsspiele im weitesten Sinne. Da sieht man die Arcade-Wurzeln, aber im Vergleich mit dem C64 ist der Anteil an langsameren Spielen doch etwas größer. Also Strategie und Puzzle und vor allem sehr viele Lernspiele gibt es für Atari.
Henner:
[2:18:57] Und ja, ich habe es ja vorhin schon gesagt, es gibt erschreckend wenige Umsetzungen von Atari Arcade-Maschinen. Also die haben ja in den späten 70er Jahren viele exklusive Arcade-Hits, Sprint 2 oder Night Driver zum Beispiel, aber Atari macht nichts draus. Sie setzen diese Spiele nicht für die eigene Plattform um. Auch ein anderes Potenzial bleibt ungenutzt, nämlich diese vier von uns schon gepriesenen Joystick-Anschlüsse. Die werden kaum genutzt. Also weder von Atari selbst noch von anderen. Es erscheinen insgesamt, soweit ich es ermitteln konnte, nur etwa 50 Spiele von den 2000, die diese vier Joystick-Anschlüsse unterstützen. Deswegen hat Atari bei späteren Modellen auch zwei davon wieder eingespart. Schade, war eine schöne Idee, aber wurde nichts draus. Und ja, dann gibt es noch eine Statistik, die drei Datenträger, die es ja gibt, das Modul, die Kassette und die Diskette. Da liegt bei den Spielen zunächst das Modul vorne, wie man es vom VCS kennt, klar. Ist auch schön benutzerfreundlich, aber später spielt das Modul kaum noch eine Rolle. Da kommen dann die allermeisten Spiele auf Diskette raus. und die Kassette spielt kaum eine Rolle.
Henner:
[2:20:09] So, aber jetzt müssen wir über die Spiele selbst sprechen. Welche sind denn die wichtigsten, die besten, die bemerkenswertesten Spiele für diese Plattform?
Gunnar:
[2:20:17] Die Killer-App ist das schon von dir erwähnte Weltraum-Action-Spiel Star Raiders. Das ist das Werk von dem Poké-Entwickler, dem Neubauer. Der ist mit seiner Arbeit früher fertig, als er gedacht hat. Ein bisschen lustig, weil Er hat ja auch noch den Pokéchip ein bisschen weiterentwickelt, als es eigentlich nötig war. Und da hat er trotzdem noch Zeit gehabt. Der war offenkundig einigermaßen schnell. Der Dick Cure hat dir erzählt, dass das einfach von vornherein gleich funktioniert hat. Und dann hat er sich gelangweilt und hat da in der Langeweile Star Raiders geschrieben.
Gunnar:
[2:20:50] Und Star Raiders ist ein echt erstaunliches Spiel für diese Zeit, für irgendeine Plattform. Also erstmal hat er mit dem Soundchip versucht, die Soundeffekte aus Star Trek nachzubilden. Abschuss der Photonentorpedos, die Explosionen. Also einfach zum Spaß und als Testen für seinen Soundchip. Und dann hat er auf einem Atari 800 Prototyp mit so einer 3D-anmutenden Echtzeit-Grafik experimentiert. Das hat schon so leichte Star-Wars-Vibes. Und dann, Anfang 79, denkt er dann, na ja, das würde ja ganz gut in ein Spiel passen.
Gunnar:
[2:21:27] Diese 3D-Grafik und diese Geräusche. Und dann hat er noch eine weitere Inspiration. Er hat nämlich dieses Runden- und Textzeichen-basierte Taktikspiel Star Trek gespielt, von dem es Dutzende Versionen gibt seit 1971 auf den Großrechnern an den Universitäten.
Gunnar:
[2:21:43] Eine Version davon hat es noch 1985 zu mir auf den C64 geschafft. Bis dahin war dieses Spiel noch aktuell. Davon nimmt er halt auch was mit rein. Und noch ein drittes Science-Fiction-Universum kennt er und entlehnt da was, weil die Gegner in seinem Spiel in Star Raiders heißen Cylons. Das ist natürlich Battlestar Galactica. Und das Ergebnis aus diesen zusammengerührten Sci-Fi-Universen ist eine komplexe Weltraum-Simulation mit, 3D-Kämpfen, also Action, aus der Ego-Perspektive und dazu eine strategische 2D-Kartenansicht, die ein bisschen wie das Universum bei Elite so eine offene, frei erkundbare Welt darstellt. Und es hat sogar noch eine Handlung. Also man kann dem Spiel folgen und das durchspielen. Und ich meine, bitte, wir sind ja in der Zeit, wo noch Spiele versuchen, die die Marktstücke abzuluchsen, indem sie sich möglichst oft sterben lassen. Also es ist kein Highscore-Spiel, es ist halt ein richtiges Spiel, ein super modernes Spiel für diese Zeit. Wir hören mal ganz kurz an, wie da geschossen wird.
Gunnar:
[2:22:57] Das Spiel kommt im Frühjahr 1980 auf den Markt. In einigen Quellen steht, das sei 1979 gewesen, aber das passt irgendwie nicht zum Zeitablauf. Und es wird zum Hit und zum System Seller. Space Invaders kommt ungefähr gleichzeitig auf das Atari VCS und die 8-Bit-Computer. Aber hauptsächlich wird das wahrgenommen auf dem VCS. Und das Star Raiders ist erstmal das Programm, das auf den Computern die meiste Aufmerksamkeit erfährt. Das Atari-Magazin Antic hat 1986 geschrieben, Es war das erste Programm, das alle audiovisuellen Fähigkeiten des Atari-Computers zeigte. Es war nur ein Spiel, ja, aber es revolutionierte die Vorstellung davon,
Gunnar:
[2:23:40] was ein Personalkomputer, ein Privatcomputer leisten kann. Es bleibt dann nicht die einzige Killer-App. Der Crawford, den du schon genannt hast, der macht dann das Kriegsstrategiespiel Eastern Front. Das wird anfangs über diesen APX-Versand vertrieben, diesen App-Store von Atari und wird dann der zweite Bestseller. Später veröffentlicht Atari dann auch noch eine Modulversion davon. 1983 verleiht das Sammelwerk Book of Atari Software dem Spiel in sämtlichen elf Wertungskategorien die Höchstwertung und nennt es das beste Computerspiel des Jahres 1981. Also Eastern Front.
Henner:
[2:24:22] Damit ist ja wohl klar, dass sowohl Star Raiders als auch Eastern Front noch mal eine eigene Stay Forever Folge verdienen.
Gunnar:
[2:24:29] Ganz bestimmt.
Henner:
[2:24:30] Oder nicht?
Gunnar:
[2:24:31] Ja, ja, ganz bestimmt.
Henner:
[2:24:32] Ja, ganz sicher.
Gunnar:
[2:24:33] Geh weg.
Henner:
[2:24:34] Was bitte?
Gunnar:
[2:24:35] Geh weg.
Henner:
[2:24:38] Ich habe mich, als ich mich in der Vorbereitung damit befasste, gefragt, braucht ein Computer überhaupt eine Killer-App, ein Spiel als Killer-App? Denn der C64, der ja nun viel erfolgreicher war, der hat sowas nicht gehabt. Aber ich glaube, in den 70ern brauchte ein Computer sowas noch oder in den sehr frühen 80er-Jahren, weil die Leute eben nicht wussten, was sie mit so einem Gerät überhaupt anstellen sollen.
Henner:
[2:25:01] Naja, Checkbuchpflege war es ja wohl nicht. Und da hat es schon geholfen, wenn man so ein Programm anbieten konnte wie dieses Star Raiders, was etwas gezeigt hat, was man noch nie auf dem Computer gesehen hat, was man auch in den Arcades nicht sehen konnte. Das ist ja keine Arcade-Umsetzung. Das ist ja auch viel komplexer und hat ja, wie du es beschrieben hast, sogar eine Handlung. So was gab es in den Spielhallen noch gar nicht. Und da war das, glaube ich, sehr hilfreich, den Menschen zu vermitteln, warum sie unbedingt jetzt auch Computer zu Hause brauchen.
Henner:
[2:25:29] Aber es ist natürlich nicht das einzige Spiel und vielleicht auch nicht unbedingt das Beste. Aber welches ist denn jetzt das Beste von diesen 2000 Atari 8-Bit-Spielen? Das können wir nicht wirklich beurteilen, denn wir haben nicht unbedingt alle davon gespielt, vielleicht nur 90 Prozent davon oder so und deswegen habe ich wie damals schon beim C64 mehrere internationale Bestenlisten aus verschiedenen Quellen zusammengestellt. Natürlich sind es acht, weil es geht ja um die 8-Bit-Computer. Also acht dieser Listen habe ich hergenommen und den Spielen, die dort genannt wurden, je nach ihrer Platzierung, also ob sie weiter oben oder weiter unten auf dieser Liste standen, verschiedene Punktwerte zugewiesen.
Henner:
[2:26:12] Darunter ist Retro Gamer zum Beispiel, die hatten eine eigene Bestenliste. Oder Moby Games, die große Spiele-Datenbank und einige andere. Und aus diesen Punktwerten ergab sich dann eine Rangfolge. Ich habe nur der Vollständigkeit halber modernere Homebrew-Spiele ausgelassen und mich auf die konzentriert, die damals erschienen sind. Wobei sie nicht exklusiv für Atari erschienen sein müssen. Es sind auch Spiele dabei, die auf dem C64 und anderswo zu haben waren. Und diese acht Spiele, die gehen wir jetzt mal schnell durch. Ich glaube, die allermeisten davon kennt man. Die brauchen vielleicht keine
Henner:
[2:26:48] detaillierte Vorstellung mehr. Aber ich fange mal an mit Platz 8. Das kennt ihr. 1983, Donkey Kong. Das ist dieses klassische Arcade-Spiel von Nintendo mit Mario, der von unten nach oben über so Gerüste klettert und die Prinzessin retten muss. Das ist nach Auswertung dieser acht besten Listen das achtbeste Spiel für diese Plattform.
Gunnar:
[2:27:11] Das ist ja lustig. Da gab es ja noch Nintendo-Spiele auf anderen Plattformen.
Gunnar:
[2:27:15] Ha, schöne Zeiten. Auf Platz sieben ist Jobzone von 1984. 1984, ein sehr schöner Horizontalshooter, ein bisschen wie Defender, wir bekämpfen Aliens und retten Wissenschaftler. Das ist ein Atari-Spiel, das zuerst auf Atari erschienen ist und das ich dann später auf dem C64 gespielt habe. Ich werde diesen Satz noch ein paar Mal sagen.
Henner:
[2:27:35] Ja, auf Platz 6 Montezumas Revenge von 84, so ein Plattformer, bei dem wir Schätze sammeln müssen in einem Tempel und dabei Fallen überwinden, war nicht Atari-exklusiv, aber wurde auch zuerst für einen Atari 800 entwickelt.
Gunnar:
[2:27:53] Dann auf Platz 5 das schon mehrfach genannte Star Raiders. Das war jetzt das einzige Atari-exklusive Spiel in dieser Liste. Die erste Killer-App.
Henner:
[2:28:03] Auf Platz 4 von 84 Boulder Dash. Kennt wohl auch jeder. Puzzle, Action, Edelsteine sammeln, Felsen ausweichen, die von oben nach unten fallen. Das hat ja quasi ein eigenes Subgenre begründet, der Boulder Dash-artigen Spiele. Und das ist auch zuerst auf diesen Atari-Rechnern erschienen.
Gunnar:
[2:28:21] Die Dash-Likes. Auf Platz drei ist Rescue on Fractalus von Lucasfilm Games. Das ist so ein First-Person-Spiel, wo man über so einen Planeten fliegt und abgestürzte Piloten rettet. Das ist auch zuerst auf Atari erschienen. Ich habe es natürlich auf dem C64 gespielt.
Henner:
[2:28:37] Auf Platz zwei Bruce Lee von 1984. Das ist dieser Action-Plattformer, wo wir Bruce Lee spielen und Raum für Raum Gegner besiegen und Lampen einsammeln. Er hat auch einen Zweispieler-Koop-Modus. Und ist auch, obwohl das sehr populär war auf dem C64, und ja, da hast du es wahrscheinlich auch gespielt, ist zuerst auf Senatari-Rechnern erschienen.
Gunnar:
[2:28:57] Dazu gab es eine sehr schöne Safe-River-Folge, wenn ich das kurz sagen darf.
Gunnar:
[2:29:02] Ebenso wie zu Platz 1 gab es auch eine Safe-River-Folge. Das ist Mule von 1983 von Die Banden. Ein strategisches Wirtschaftsspiel, wo man Ressourcen abbaut auf einem fremden Planeten. Ein bisschen so ein Brettspiel am Computer. Das ist auch zuerst auf dem Atari erschienen und ich habe es auf dem C64 gespielt. So, Platz 1, Mule, immerhin, gute Wahl, also sehr geschmackvolle Spiele alles, finde ich.
Henner:
[2:29:29] Denke ich auch, ja. Und ja, von diesen acht Spielen stammt halt nur Star Raiders von Atari. Die anderen sind von Drittherstellern, also hätten sie die mal früher an die Plattform gelassen, dann hätten wir vielleicht noch andere coole Atari-exklusive Spiele nennen können.
Henner:
[2:29:44] Ach so, eines noch, ich kann natürlich keine Plattform behandeln, ohne auch ein passendes Schachprogramm zu besprechen. Also habe ich auch diesmal eins getestet. Nicht das Atari-eigene, sondern Colossus Chess 4. Das gilt als bestes Schachprogramm für diese Computer. Das hat jetzt keine nennenswerten Merkmale. Es hat nur eine 3D-Ansicht, was ich nicht so schön finde. Ich mag lieber die 2D-Ansicht. Aber sie ist okay, sie ist brauchbar. Mehr kann ich über das Programm auch gar nicht sagen. Mit einer Ausnahme, es gibt keine Stufen, keine Schwierigkeitsgrade. Das spielt einfach immer in derselben Stufe, in der höchstmöglichen. Damit habe ich natürlich auch keine Chance. Alles, was 8-Bit ist und mehr als ein Kilobyte RAM hat, das schlägt mich im Schach. Also ein Duell gegen mich wäre gar nicht so interessant. Aber es gibt ja für die Atari 8-Bit-Computer noch einen viel interessanteren Gegner als mich, den C64. Und für den gibt es ebenfalls Colossus Chess 4, da übrigens mit 2D-Grafik. Und so habe ich einfach die beiden gegeneinander spielen lassen. Den C64 in weiß und einen Atari XE in schwarz. Und das war ziemlich spannend zu verfolgen. Und wer gewonnen hat und damit eindeutig der erwiesen bessere Computer von den beiden ist, das verrate ich am Ende der Folge.
Gunnar:
[2:30:55] Wow.
Henner:
[2:30:57] Mhm, Cliffhanger.
Gunnar:
[2:30:58] Du hast die natürlich so mit so Kabeln miteinander verbunden, damit das automatisch abläuft, oder? Du hast dich nicht da einfach dazwischen beide Computer gesetzt und wie so ein Knecht für die beiden Computer gezogen, oder?
Henner:
[2:31:09] Äh, kommen wir zum nächsten Thema.
Gunnar:
[2:31:14] Atari hat viel Arbeit vor sich gehabt, um vom Spielehersteller zu einem ernsthaften Computerhersteller zu werden. Und auch andere Unternehmen, die diesen gleichen Sprung versucht haben, scheitern daran. Mattel, der Spielzeughersteller, hat einen Heimcomputer mit dem schönen Namen Aquarius gemacht. 1983, es hat nicht funktioniert. Coleco hat diesen sensationellen Flop hingelegt mit dem Coleco Adam. etwas obskurer. Die Firma Exidy hat einen Computer namens Sorcerer gemacht, schon 78 bis 80. Das hat auch nicht funktioniert. Atari ist aber immerhin früh dran und macht sich ja auch an vielen Stellen richtige Gedanken. Hat das denn jetzt überhaupt für, ein Erfolg gereicht. Und da untersuchen wir erstmal die Rezeption, also das, was die Presse dazu gesagt hat. Die Fachpresse war sehr angetan von dem ersten Computer von Atari. Sie preisen die technische Finesse. Die berühmte Byte hat im Juli 1982 gesagt, dass er viel bessere Grafik hat. Sehr objektiv, genau. Die Creative Computing hat ihn die außergewöhnlichste Computer-Grafik-Box genannt, die je hergestellt wurde. Das ist schon ein weitreichendes Lob. Der Autor hat im selben Magazin auch noch gesagt, dass Star Raiders ihm Geschrei, Jubel und Applaus entlockt hat.
Henner:
[2:32:34] Wann hast du zuletzt seinem Spiel applaudiert, Conor?
Gunnar:
[2:32:38] Das mache ich eigentlich nie komisch. Die Killoboard Microcomputing hat im September 1980 die Bauweise positiv erwähnt. Ist ja auch von innen alles Metall, wegen der Abschirmung und das exzellente Gefühl der 800er Tastatur gelobt. Und die Folientastatur des 400er wurde allerdings kritisiert und die Redaktionen sagen auch, dass das nicht so doll ist, dass die kleine Maschine nicht so richtig erweiterbar ist und dass deren 8KB RAM langfristig unzureichend sind. Das ist ja klar. Und das Angebot an Software und Zubehör sei nicht vergleichbar mit dem Angebot für Apple II oder TRS-80, schreibt die Infoworld, also ein Magazin, sagen wir mal, für den gehobenen Anwender im Mai 81. Und das ist ja immerhin schon anderthalb Jahre nach der Markteinführung. Ja, da hätte man schon was haben müssen. Das ist den Marktbeobachtern durchaus aufgefallen. Aber bei einer Zielgruppe scheint sich das Gerät langsam zu etablieren, sagt die Electronic Games im März 1982. Der Atari 400 wird schnell zum Liebling unter den Computerspielern. Ach, ausgerechnet die ungeliebten Computerspieler, die Atari gar nicht haben wollte quasi, gar nicht unterstützt hat, bei denen klappt es ein bisschen. In Deutschland wählt die Leserschaft der Chip, die gab es damals auch schon, den Atari 400 mit großem Abstand vor dem VC20 zum Computer des Jahres 1981. Und die Redaktion nennt ihn ein Gerät, sowohl zum Lernen als auch zum Benutzen.
Henner:
[2:34:06] Toll.
Gunnar:
[2:34:08] Henner, was soll das? Was wollen Sie damit sagen?
Henner:
[2:34:11] Naja, ich kann nicht nur lernen, wie man programmiert, sondern ich kann ihn auch produktiv einsetzen.
Gunnar:
[2:34:16] Kannst du ihn auch selber benutzen. Genau.
Henner:
[2:34:18] Ja.
Gunnar:
[2:34:18] Kannst du nicht nur Programme darauf entwickeln für andere Leute, sondern auch selber benutzen. Sehr nett.
Henner:
[2:34:22] Dann kommen wir mal zum Verkaufserfolg. Atari hat damals neue Wege beschritten und die Computer nicht nur bei Fachhändlern angeboten, wie das üblich war beim Apple II und so, sondern auch in größeren Kaufhäusern. Also wieder etwas, was Commodore später perfektioniert hat, hat Atari schon früher gemacht. Teils haben sie dafür auch Demostationen aufgebaut, damit man im Laden selbst die Geräte ausprobieren kann, um zu ermitteln, warum man so ein Gerät überhaupt braucht. Und welchen Erfolg hat das Ganze? Das ist ein bisschen schwer zu sagen, weil es wie immer bei diesen Themen keine offiziellen Verkaufszahlen gibt oder zumindest sehr wenige nur. Wie viele gleich zu Beginn nach dem Start verkauft werden, das ist besonders nebulös. Es gibt Schätzungen, die sagen, es hätte in den ersten ein, zwei Jahren mehrere hunderttausend Exemplare gegeben, aber demgegenüber fand ich ein Zitat aus der Infoworld, die Mitte 81 sagt, es hätte bis dato nur 50.000 verkaufte Exemplare gegeben.
Henner:
[2:35:26] Und das ist nun wirklich schwach. Wir haben ja vorhin schon gehört, dass das VCS mehrere Millionen Stück pro Jahr erreicht hat zu Hochzeiten und hier nur 50.000 in anderthalb Jahren. Das ist vernichtend und das liegt zum Teil auch an Lieferschwierigkeiten, die Atari damals noch hat. Nicht nur beim Zubehör wie bei dem Diskettenlaufwerk, sondern auch bei den Rechnern selbst. Also es läuft nicht so gut an. Aber dann geht es langsam aufwärts für das ganze Jahr 81. Das Zitat stammt ja von Mitte 81. Für das ganze Jahr 81 gibt Atari später 300.000 verkaufte Computer an. Das liegt dann schon über den Zahlen des Apple 2 oder des Commodore VC 20.
Henner:
[2:36:08] Und damit ist Atari zumindest für eine kurze Zeit auf dem US-Markt sogar Marktführer. Der Großteil der Verkäufer entfällt auf das Modell 400, klar, das ist ja viel billiger. Und in den Büros kann sich der 800er nicht so richtig etablieren. Das heißt, die meisten setzen das Gerät zu Hause ein und dafür reicht eben der 400er. Und 82 im nächsten Jahr, dann explodiert der Heimcomputermarkt. Die Business Week, die hat noch im Juni 81 geschrieben, der Heimcomputermarkt, der sei ja winzig, spielt überhaupt keine Rolle, Computer sind was fürs Büro, aber im Dezember 82, also anderthalb Jahre später, schreibt die New York Times, der Markt für Heimcomputer in Abgrenzung zu den Computern für Unternehmen ist in diesem Jahr durchgestartet.
Henner:
[2:36:56] Und das liegt auch an den Geräten, die Commodore dann bringt und andere Hersteller, die übernehmen dann ja auch sehr schnell die Marktführerschaft, aber auch Atari profitiert sehr stark davon und die Stückzahl wird in diesem Jahr nochmal verdoppelt auf ungefähr 600.000 Stück. Also das Jahr 82, das ist dann aber auch schon der Höhepunkt, wobei es auch widersprüchliche Angaben gibt. Es gibt Schätzungen, denen zufolge der Höhepunkt dieser Plattform erst 83 oder sogar erst 84 erreicht wird. Wahrscheinlich ist es aber das Jahr 82 und danach geht es ein bisschen abwärts, denn jetzt kriegt Atari kräftig Gegenwind, jetzt kriegt Atari Konkurrenz. Und sie stecken in einem Verdrängungswettbewerb, vor allem gegen Commodore, in einem Heimcomputerkrieg, denn als solcher wird dieser Wettbewerb in die Geschichte eingehen. Den Heimcomputerkrieg, den haben wir schon mal in den Commodore-Folgen behandelt, aber er ist hier auch sehr relevant.
Gunnar:
[2:37:54] Ja, man möchte ja nicht in einem Preiskrieg mit Jack Chamiel sein. In diese Situation hätten sie nie kommen dürfen. Aber mei, das passiert dann.
Gunnar:
[2:38:02] Es ist nicht so die ganze Zeit, dass die halt einfach nichts checken. Ein Atari-Manager… In einem Interview in der Business Week im Juni 1981 zu. Es passt nicht zu unseren Stärken im Businessmarkt zu sein. Wir sind nun mal eine Konsumentensparte von Warner und Warner ist ein Konsumentenkonzern. Ja, sehr gut. Der Atari 800 kommt gegen den Apple II nicht an, aus technischen Gründen und wegen dessen lange gewachsenem, gewaltigen Softwareangebot. Und der IBM PC steht ja ganz kurz davor, den Markt aufzurollen.
Gunnar:
[2:38:37] Dem weichen sie jetzt also aus. Die Warner-Tochte Atari konzentriert sich also voll auf den Heimcomputer-Massenmarkt zu diesem Zeitpunkt. Und das ist ja auch erstmal eine schlaue Idee. Und dann bringen sie ein paar Produktbündel, so Starter-Kits nennen sie die, mit denen sie verschiedene Gruppen in der Heimnutzerschaft adressieren wollen. Es gibt das Programmiererset, da ist dann Basic drin und Programmierkurs, das Entertainer-Paket mit zwei Joysticks, Star Raiders und noch ein anderes Spiel, das Educator-Paket mit Lernprogrammen,
Gunnar:
[2:39:07] damit man da so gleich so einen Einstieg hat. Und Atari in Deutschland versucht das auch. Der deutsche Vertrieb legt 1983 ein Produktbündel auf, das den Computer, ein Kassettenlaufwerk und einen eigenen Basic-Programmierkurs auf Kassette enthält, der eingesprochen wurde von.
Gunnar:
[2:39:24] Haltet euch fest, der Tagesschausprecherin Dagmar Berghoff. Sie haben die Absicht, mit mir die Basic-Computersprache Ihres Atari-Computers zu erlernen. Dazu beglückwünsche ich Sie. Da, das ist die Dame, die wir eingangs schon kurz gehört haben. Die bringt uns jetzt halt Basic bei, weil die kann halt besser Basic als wir, das ist ja klar.
Gunnar:
[2:39:46] Und nun konkurriert Atari nicht mehr primär mit Apple, sie sind diesem Gegner ausgewichen. Jetzt kämpfen sie am unteren Ende des Preisspektrums und da warten andere sehr starke Gegner.
Henner:
[2:39:59] Sie müssen also nicht nur mit der FCC kämpfen, sondern jetzt auch noch mit Commodore und mit anderen. Tandy gibt es ja auch noch. Die haben nämlich 1980 auch mal ein Farbmodell eingeführt, den TRS-80 Color Computer oder auch Coco für 400 Dollar. Der wird dem Atari 400 gefährlich und 81 kommt dann eben Commodore mit dem VC20, auch farbfähig und besonders mit einer Betonung auf Benutzerfreundlichkeit. Und der hat übrigens auch eine richtige Tastatur, keine Folientastatur. Das ist ein großer Vorteil im Kampf gegen den Atari 400. Aber vor allem kämpft Commodore Eben über den Preis. Wir haben ja gerade schon von den Heimcomputer-Kriegen gesprochen und die beginnen jetzt so richtig. Das ist ein Preiskampf. Der VC20 wird eingeführt für 300 Dollar und das ist ein unerhörter Preis. So billig hat man bislang keinen farbtauglichen Computer bekommen.
Henner:
[2:40:51] Jack Tramell, Commodores Mitgründer und Präsident, richtet sich nach der Maxime Business is War. Er agiert zuweilen mit unsauberen Mitteln und drückt den Preis immer weiter unerbittlich, um alle Gegner vom Heimcomputermarkt zu fegen. Das Unternehmen Commodore hat dabei auch durchaus Vorteile in diesem Preiskampf, denn die sind vertikal integriert. Das heißt, wesentliche Bauteile wie der Prozessor, der 6502 oder 6510 im C64, der stammt ja aus der eigenen Tochter, MOS Technology. Das heißt, den kriegen sie natürlich viel günstiger. Die anderen hingegen, also insbesondere Atari, die sind darauf angewiesen, dass Commodore ihnen diesen Chip liefert. Also da hat Commodore einen Heimvorteil und den nutzen sie auch. Die Wettbewerber von Atari, also Commodore, aber auch andere Hersteller, die profitieren von noch etwas. Die FCC ändert nämlich jetzt ihre Regeln. Die haben sie ja gerade erst eingeführt in den 70er Jahren, diese strengen Richtwerte für die elektromagnetische Strahlung, die so ein Gerät abgeben darf. Und danach hat Atari sich gerichtet und diesen Computer entsprechend gebaut mit all den Nachteilen, die das mit sich brachte.
Henner:
[2:42:03] Aber 1981 ändert die FCC die Regeln und erhöht die Grenzwerte für die elektromagnetische Strahlung von Computern mit TV-Anschluss. Die FCC hat das selbst auch 1983 sehr transparent erklärt und geschrieben, ja, das war offenbar unnötig streng.
Henner:
[2:42:22] Es wurde kein messbarer Nutzen aus strengeren Strahlungsgrenzwerten festgestellt. Ja, das geht auch zurück auf die Proteste von Texas Instruments, die haben ja von Anfang an versucht diese Grenzwerte zu verhindern, das ist ihnen nicht gelungen, aber jetzt ist es ihnen dann doch noch gelungen, dass sie zumindest zurückgenommen werden. Atari hat dagegen protestiert, die hatten ja quasi einen Marktvorteil, weil sie es als einzige geschafft haben diese Grenzwerte einzuhalten mit einem eingebauten TV-Modulator. Und deswegen protestieren sie jetzt dagegen, dass die Regeln gelockert werden. Das ist ja unfair, wenn die anderen einen Vorteil bekommen. Aber das nützt nichts. Die Lockerung kommt und dadurch hat die Konkurrenz, die jetzt ab 1981 auf den Markt kommt, natürlich einen riesigen Vorteil. Und ab 1981 kommt eben Commodore mit dem VC20 auf den US-Markt und danach auch der C64.
Henner:
[2:43:14] Ja, und dann gibt es noch einen Faktor, der für die Konkurrenz spricht, der jetzt den Konkurrenten von Atari in die Hände spielt. Der Arbeitsspeicherpreis, der fällt in den 80er Jahren oder ganz zu Beginn der 80er Jahre und gibt es einen sehr, sehr verbreiteten Standardspeicherchip von der Firma Mostec, nicht Most Technology, sondern Mostec, der 4116 mit zwei Kilobyte und der fällt zwischen 79 und 82 um 85 Prozent dieser Preis. Damit kann man natürlich viel mehr Arbeitsspeicher in so einen Rechner stecken. Und das macht Commodore ja auch 1982 mit dem C64, der, der Name deutet es an, 64 Kilobyte Arbeitsspeicher mitbringt. Und das hat man nicht mal, wenn man einen Atari 800 voll aufrüstet. Jetzt wird es wirklich eng für Atari.
Gunnar:
[2:44:02] Ja, Commodore ist da ja sehr schnell, weil sie ja eben erst den VC20 rausgebracht haben, der im Vergleich zu den Atari 8-Bittern das neuere Gerät ist. Und dieses neuere Gerät ersetzen die Commodore-Leute jetzt durch ein noch neueres und noch viel, viel besseres Gerät. Und der Commodore 64, über den haben wir ja schon einiges erzählt, der hat eindrucksvolle Grafik- und Soundfähigkeiten und ist den Atari-Computern größtenteils überlegen. Ja, ja, ja, die Farbpalette, okay. Aber sonst ist er denen halt echt deutlich überlegen, vor allen Dingen beim Sound. Und Commodore sieht gar nicht ein, dass man den Preiskrieg jetzt hier anhalten muss, nur weil ein neuer Computer auf dem Markt ist. Führen den ein im September 82 für 600 Dollar und Mitte 83 ist er bereits bei 300. Also es ist auch so ein Wahnsinn, als wenn sie kein Geld verdienen wollten. Einige Händler verkaufen den sogar für noch weniger und Texas Instruments muss dann reagieren mit massiven Preissenkungen für den anfangs eh auch ein bisschen zu teuren TI-99. In Europa gibt es dann ab 82 auch noch den ZX-Spektrum. Die Sinclair-Leute sind ja auch immer sehr günstig. Atari ist jetzt schwer im Druck und muss handeln.
Gunnar:
[2:45:13] Und Atari wollte eigentlich in die andere Richtung gehen. Sie haben nach der Markteinführung den Preis für den 400er von 550 sogar auf 630 Dollar erhöht. Und dann müssen sie den Anfang 81 wieder senken, jetzt auf 500 Dollar. Dann im Mai 81 auf 400 Dollar. Dann haben sie jetzt den Arbeitsspeicher aufgerüstet, da sind jetzt 16 drin. Dann muss der 800er, der auch mehr Arbeitsspeicher hat, auch billiger werden. Dann kommen noch weitere Preissenkungen und im Herbst 83 ist der 400er, der kleinere, für 120 Dollar zu haben. Und wenn man einen guten Rabatt erwischt oder am Black Friday, ist man dann bei 70 Dollar. Das entspricht etwa 210 Euro heute. Das ist ja billiger als eine Switch. Und der TI-99 fällt dann auch noch auf 100 Dollar und Texas Instruments gibt dann das ganze Geschäft auf und verramscht die Restbestände für 50 Dollar. Es ist ein Massaker, ein Blutbad. Und Atari reagiert darauf nicht nur mit Preissenkungen, sondern auch mit einer neuen Rechnergeneration, um sich da abzusetzen.
Henner:
[2:46:21] Hätte ich das mal gewusst, dass ich für 50 Dollar ein TI-994A kaufen kann. Ich hätte mich damit eingedeckt. Der ist so schön. Das ist der schönste Heimcomputer dieser Ära.
Gunnar:
[2:46:32] Optisch meinst du?
Henner:
[2:46:33] Ja, rein optisch. Auch technisch ist der ganz faszinierend. Das ist ein 16-Bit-Gerät. Also über den müssen wir eines Tages auch noch mal sprechen. Der wird viel zu oft ignoriert. Der ist toll.
Henner:
[2:46:43] Ja, also es gibt ein neues Atari-Modell. Das ist die XL-Serie, die jetzt kommt. Also auch Atari will natürlich von diesen laxeren FCC-Regeln profitieren, nachdem sie sie nicht verhindern konnten und die ganzen Konkurrenten jetzt davon profitieren, dass sie ihre Rechner nicht mehr so stark abschirmen müssen, wollen sie auch ein günstigeres Modell mit weniger starker Abschirmung auf den Markt bringen und tun das auch ab 1982 entwickeln sie ein neues Modell, das auch ein paar weitere interne Verbesserungen und Vereinfachungen enthält und dadurch billiger herzustellen ist. Die Projektnamen entstammen diesmal anders als zuvor keinen Mitarbeiterinnen von Atari. Sie lauten für diese zwei geplanten Modelle Suite 8 und Suite 16. Und aus denen sollen schließlich dann, so hat man es schon mal geplant, der Atari 1000 und der 1000X werden. Ach, Atari und die Namen. Der Atari 1000 soll 16 Kilobyte Arbeitsspeicher haben und der 1000X 64 Kilobyte RAM als Gegner für den C64. Der hätte schon eine größere Ziffer verdient, oder?
Henner:
[2:47:53] Den vierfachen Arbeitsspeicher. Nenn ihn halt Atari 4000. Was stimmt nicht mit euch? Naja, das ist zumindest der Plan. Außerdem gibt es weitere Verbesserungen. Wie erwähnt, BASIC soll jetzt integriert sein. Das hat ja Commodore schon vorgemacht. Und, wow, für die Erweiterung mit schneller Peripherie plant Atari neben dem SEO, der weiterhin drin ist, einen neuen Parallelport. Das PBI, Parallel Bus Interface.
Henner:
[2:48:20] Das war ja von Anfang an schon mal angedacht. Und an denen soll sich jetzt eine externe Box für Erweiterungssteckkarten anschließen lassen. Das heißt, das, was beim Apple II und beim IBM PC im Gehäuse selbst ist, also die Erweiterungssteckplätze, das kann man jetzt so die Planung extern anschließen. Und damit würden sie jetzt endlich aufschließen zu Apple und zu IBM und damit auch was auf dem Businessmarkt reißen. Aber es kommt anders. Die Rechner werden so nicht veröffentlicht. Das Management verlangt halt, nee, wir richten uns lieber nach dem Bedarf des Heimanwenders. Wir ignorieren den Businessmarkt, das hat uns bislang wenig Glück gebracht und deswegen erscheint dieses Suite-Gerät so nicht. Stattdessen kommt im März 83 nur ein einzelnes neues Modell raus. Das ist der Atari 1200 XL. Jetzt haben sie die Buchstaben entdeckt. Hätten sie von Anfang an machen können. Und ja, der ist gegenüber dem Suite-Projekt stark eingeschränkt. Also dieser Parallelanschluss für die externe Box mit Erweiterungskarten, der kommt nicht. Basic ist auch nicht drin. Weiterhin muss man dafür ein Modul einstecken oder eine Diskette einlegen. Es gibt aber zumindest eine vereinfachte Konstruktion mit weniger Abschirmung. Klar, dadurch ist das ganze Design auch ein bisschen schlanker. Und es gibt jetzt F-Tasten, so wie bei Commodore, und eine neue Help-Taste.
Gunnar:
[2:49:46] Nice.
Henner:
[2:49:47] Nice, ja. Und außerdem gibt es jetzt, klar, wie beim 800, eine richtige Tastatur. Eine richtig gute Schreibmaschinentastatur. Die Folie ist passé. Die sehen wir nie wieder. Es gibt nur noch einen einzelnen Modulschacht. Der zweite wurde wegrationalisiert, der war ohnehin unnötig. Der ist jetzt an der linken Seite positioniert, also keine Klappe mehr drüber. Und es gibt nur noch zwei statt vier Joystick-Anschlüssen. Im Inneren stecken jetzt 64 Kilowatt RAM wie beim C64. Also insgesamt eigentlich eine ganz runde Sache, auch wenn diese Erweiterbarkeit über den Parallelanschluss nicht gekommen ist und das Basic nach wie vor fehlt. Aber so als Spielemaschine ist der doch nach wie vor ganz okay. Okay. Der hat allerdings ein paar Probleme. Es gibt Kompatibilitätsprobleme mit einiger Peripherie und auch mit manchen Programmen und Spielen. Es gibt dann von Atari selbst Abhilfe in Form eines Zusatzprogramms namens Atari Translator. Das ist kein Übersetzungsprogramm, sondern das ist ein Kompatibilitätsprogramm. Aber das sind Kleinigkeiten. Das allergrößte Problem, das dieser 1200 XL hat, ist der Preis. Man sollte meinen, Atari hätte aus dem Preiskampf gelernt, aber haben sie nicht. Sie verkaufen dieses Gerät für 900 Dollar.
Henner:
[2:51:04] Der bietet einfach viel zu wenig, um diese 900 Dollar zu rechtfertigen. Wer damals noch keinen Rechner hat, der nimmt gleich einen C64, der nur einen Bruchteil kostet und genauso viel Speicher hat. Und wer einen Vorgänger hat wie den Atari 800, ja, warum soll der denn umsteigen? Und so schreibt damals auch die Compute im Mai 83, ja, ist nicht schlecht, der 1200 XL, aber kaufen sie schnell noch einen 800, der kostet nämlich nur die Hälfte. Und das machen die Leute dann auch. Der 1200 XL wird zum Flop. Und nach drei Monaten, Gunnar, im Juni 83, stellt Atari die Produktion schon wieder ein. Außerhalb der USA kommt er überhaupt nie auf den Markt, weshalb ihr vielleicht noch nie davon gehört habt. Also dieser 1200 XL ist tot, es bleibt erstmal bei 400 und 800, aber die XL-Serie soll noch fortgesetzt werden.
Gunnar:
[2:51:57] Was sie wohl gedacht haben dabei. Ich meine, das ist ja nur ein, 800er mit mehr Speicher und weniger Joystick-Ports, oder?
Henner:
[2:52:05] Ja, genau. Und weniger Aluminium drin.
Gunnar:
[2:52:08] Ja, also das hätte einfach den 800er ersetzen müssen. Zum gleichen Preis.
Gunnar:
[2:52:13] Naja, Atari ist unverzagt. Im Sommer 83 kündigen sie zwei weitere XL-Computer an. Die sollen den 1200 XL ersetzen und die beiden ursprünglichen Modelle. Es gibt jetzt den 600 XL und den 800 XL. Die folgen der Designsprache. Jetzt äußerlich sehen die aus wie der 1200XL. Diese neuen Systeme vereinen Elemente ihrer Vorgänger und von dem Suite16-Projekt. Sie haben endlich ein integriertes Basic. Sie haben diesen geplanten Parallelanschluss PBI. Sie haben eine Erweiterungsbox, die man jetzt dazu kaufen kann. Die heißt 1090XL Expansion System. Da sind fünf Plätze für 8-Bit-Steckkarten drin. Das ist vergleichbar mit den ISA-Karten der EBM-PCs.
Henner:
[2:52:59] Ja, die kündigen sie zumindest an. Das ist ein ganz wesentliches Detail, ja.
Gunnar:
[2:53:04] Die vier F-Tasten des 1200XL schaffen sie wieder ab. Der 600er hat 16 KB-RAM und lässt sich auf 64 aufrüsten. Und der 800er hat einfach diese 64 schon werkseitig, also kann mit dem C64 mithalten und hat außerdem noch einen Composite-Video-Ausgang. Das sind schon exzellente Geräte. Sie haben halt Kompatibilitätsprobleme und die Verarbeitungsqualität schwankt ein bisschen, aber das ist schon alles nicht so falsch. Die Analog Computing schreibt, diese neuen XL Maschinen sind nichts anderes als umverpackte 800er und das ändert aber nichts daran, dass die Atari Heimcomputer immer noch die vielseitigsten Grafikmaschinen sind, schreibt sie, die man für weniger als 5000 Dollar kaufen kann. Und Das ist mal eine Ansage hier.
Henner:
[2:53:53] Der Amiga kommt ja erst ein Jahr später, deswegen stimmt das da auch noch.
Gunnar:
[2:53:56] Ja genau, da stimmt das noch. Das PBI gibt ihnen die nötige Hardware-Flexibilität, um Kunden vom Apple IIe oder vom C64 wegzulocken. Das ist vielleicht ein bisschen optimistisch gewesen, dazu kommt es auch nicht. Die neuen XL-Geräte sind schon erfolgreich, aber es gibt wieder Lieferschwierigkeiten. In dem wichtigen, wichtigen Weihnachtsgeschäft von 1983 sind sie kaum zu bekommen und Commodore liefert wie die Hölle.
Gunnar:
[2:54:21] Atari verkündet im November 1983, sich nicht mehr an den selbstmörderischen Preiskriegen zu beteiligen und erhöht die Preise. Anfang 1984 steigt der Preis von dem 600XL von 200 auf 240, immerhin der vom 800XL von 300 auf 400. Das gibt ihnen nicht die allerbesten Karten im Wettbewerb mit Commodore. Und diese 1090XL-Erweiterung, mit der sie ja eigentlich im Büromaschinenmarkt zu Apple aufschließen wollten, die wird zwar fertiggestellt, es gibt auch ein paar passende Karten, zum Beispiel eine 80-Zeichen-Erweiterung oder eine CPM-Karte oder eine Speichererweiterung. Doch nichts davon kommt auf den Markt, denn im Sommer 1984 wird das Atari-Management komplett ersetzt. Da war schon vorher Schwund in diesem Management, aber jetzt sind sie da raus und die Marke richtet sich komplett nochmal neu voll auf dem Heimanwender-Markt aus.
Henner:
[2:55:18] Ja, denn da passiert was ganz Wesentliches im Sommer 1984. Da beginnt bei Atari die Trammell-Ära. Also die Ära des einstigen Commodore-Chefs Trammell. Das kündigt sich schon etwas früher an. Also Atari kommt hier in große Schwierigkeiten. Am 8. Dezember 1982 beginnt nämlich der Absturz der Marke Atari. Warner Communications, also die Mutterfirma, verkündet damals auf dem Höhepunkt des Videospielhypes, erschreckend schwache Geschäftszahlen. Eigentlich hat nämlich die Branche erwartet, dass Atari immer weiter wächst. Und für das neue Jahr hätte man auch 50% Wachstum gegenüber dem Vorjahr erwartet. Aber stattdessen sind es nur 10 bis 15%. Und warum? Das hat mit den Computern erst mal nichts zu tun. Das liegt an den schlechten Verkaufszahlen für Atari-Spielmodule. Und das wird immer schlimmer. Im Jahr 83 macht Atari Verluste von über 500 Millionen Dollar. 84 sind es 400 Millionen Dollar in einem Quartal. Also Atari implodiert, weil der US-Konsolenmarkt implodiert. Und das ist ein Ereignis, das wir schon sehr oft zitiert haben. Das ist der Videospiele-Crash in den USA des Jahres 83. Der beginnt schon Ende 82. Und eigentlich ist ja Atari für diesen GAU auf dem Konsolenmarkt gut aufgestellt, sollte man meinen.
Henner:
[2:56:43] Denn sie haben ja noch ein zweites Standbein. Sie haben ja die Computer und die sind nicht so stark betroffen von diesem Videospielemarkt Crash. Das betrifft vor allem das VCS. Der Dezember 82, in dem das alles seinen Lauf nimmt hier, das ist auch derselbe Monat, in dem, wir haben es vorhin zitiert, die New York Times geschrieben hat, der Heimcomputermarkt startet jetzt durch.
Henner:
[2:57:04] Also eigentlich alles richtig gemacht. Sie haben sich auf diesem Fall quasi vorbereitet, ohne es zu wissen, und sich neben dem VCS diese Computersparte noch aufgebaut. Aber es reicht nicht. Diese Computersparte ist nicht profitabel. Und wegen des Preiskampfes mit Commodore und wegen der Lieferprobleme macht Atari weiterhin auch mit der Computersparte Minus. Deswegen rettet die Computersparte also die wegsterbende Konsolensparte nicht. Gleichzeitig gibt es Führungschaos bei Atari, das hast du ja gerade schon beschrieben, also es gibt eigentlich permanentes Führungschaos bei Atari, aber das verschärft sich noch im Juli 83, als Kassar, der Präsident.
Henner:
[2:57:45] Zurücktreten muss, weil er überführt wurde des Insiderhandels. Der hat nämlich kurz vor der Bekanntgabe dieser desaströsen Geschäftszahlen, also kurz vor dem Crash, noch kräftig Aktien verkauft. Ja, das war nicht legal, also muss er dann zurücktreten. Atari ist führungslos und Warner versucht dann diese defizitäre Sparte abzustoßen.
Henner:
[2:58:08] Nun also doch, Anfang 84 sucht Warner verzweifelt nach jemandem, der Atari kaufen will. Atari ist primär ein Konsolenhersteller und der Konsolenmarkt ist komplett tot, also das ist schwierig, aber sie finden trotzdem jemanden beim Konkurrenten, bei Jack Trammell, also dem Commodore-Gründer, der bei Commodore aussteigen musste. Und der übernimmt im Juli 84 jetzt Atari oder zumindest die Konsolen und Computersparten.
Henner:
[2:58:37] Das Arcade-Geschäft, das bleibt erstmal noch bei Warner. Und Tramel baut Atari jetzt komplett um. Die armen Ataris, die wurden schon mal komplett umgebaut und jetzt passiert das nochmal. Wieder ein neues Management. Der hat überhaupt kein Interesse am Konsolenmarkt, zu Recht, der liegt da nieder zu dieser Zeit. Der hat auch kein Interesse an den 8-Bit-Computern, sondern Der fängt sofort an oder lässt ein Team sofort damit anfangen, einen neuen Computer zu entwickeln bei Atari. Der hat ein paar seiner C64-Veteranen mitgebracht von Commodore und die entwickeln jetzt in seinem Auftrag bei Atari einen völlig neuen Computer, einen 16-Bit-Computer. Da geht die Reise hin. Das müssen auch neue Entwickler machen, weil die meisten alten Ingenieure von Atari, die Schöpfer der 8-Bit-Geräte wie der Decure, der Miner, die sind längst schon nicht mehr da. Die sind alle schon vergrault worden oder haben einfach andere Projekte anderswo gesucht. Die sind also alle nicht mehr da. Das müssen jetzt also von Tramel mitgebrachte Commodore-Veteranen machen und die entwickeln jetzt eben den Computer, aus dem später der ST wird. Und alles, was jetzt noch an Entwicklungsprojekten läuft bei Atari für die neuen XL-Geräte, wie auch diese 1090XL-Erweiterung für die Erweiterungskarten, all diese Projekte werden von Tramell gestoppt. Der hat kein Interesse am Businessmarkt, der will einen Heimcomputer bauen.
Henner:
[3:00:03] Die alte 8-Bit-Garde will er jetzt nicht komplett von heute auf morgen einstampfen, aber die bleibt jetzt im untersten Preissegment. Wer plant ja ein 16-Bit-Gerät für die mittlere Preisklasse, die 8-Bit-Computer, die sieht er nur noch ganz unten im Markt. Und folglich steigt er jetzt auch wieder in den Preiskampf ein natürlich mit Commodore, mit seiner alten eigenen Firma. Also den Preiskampf, aus dem Atari gerade ja mit viel Tamtam ausgestiegen ist. Und er senkt die Preise jetzt wieder. Der 800XL, der sinkt dann im September auf 180 Dollar, dann auf 120 und Anfang 85 sogar auf 100 Dollar. Also der wird richtig verramscht.
Henner:
[3:00:46] Ja, und dieser neue 16-Bit-Rechner, den er da in Rekordzeit entwickeln lässt, der erscheint dann auch im Juni 85. Das ist der Atari ST. Der ist komplett inkompatibel. Also es ist ein Neuanfang. Und in mancher Hinsicht ist er auch ein Rückschritt. Klar, der Prozessor ist viel fortschrittlicher, hat auch mehr Arbeitsspeicher, hat eine grafische Oberfläche, hat eine Maus, aber er ist soundtechnisch zum Beispiel unterlegen. Wenn man absieht vom neuen MIDI-Anschluss, der bei Musikschaffenden sehr beliebt war, der interne Soundchip mit seinen drei Kanälen war ein Rückschritt. Und auch den SEO-Port gibt es nicht, also auch die Peripherie kann man am ST nicht weiter benutzen.
Henner:
[3:01:25] Ja, aber die 8-Bit-Reihe, die wird trotzdem nicht ganz aufgegeben, die kriegt noch eine neue, kostenoptimierte Generation.
Gunnar:
[3:01:33] Ja, er will schon noch im unteren Segment antreten, gibt das nicht komplett auf. Auf der CES im Januar 1985, wo der 520ST vorgestellt wird, da haben sie auch zwei neue 8-Bit-Modelle als Ersatz für die auslaufenden XLs. 65 XE und der 130 XE. Ach Gott, ey. Die Namen.
Henner:
[3:01:57] Was? Die Namen sind doch super. Die sind wenigstens eindeutig.
Gunnar:
[3:02:00] Nein. Was sind denn das für scheiß Zahlen?
Henner:
[3:02:02] Ja, das ist der Arbeitsspeicher.
Gunnar:
[3:02:04] Der muss halt geile Zahlen haben. 65 ist doch kein Arbeitsspeicher. Lächerlich. Der erste, der 65 XE, der wird in Deutschland und im sich da zu der Zeit langsam öffnenden Osteuropa als 800 XE verkauft.
Henner:
[3:02:17] Das ist Quatsch.
Gunnar:
[3:02:18] Warum auch immer. Genau. Und die übernehmen das Gehäusedesign des ST, interessanterweise und auch dessen Tastatur, die ja bekanntlich nicht so super ist. Das Namensschema ist ebenso an den ST angelehnt, denn da steht die Modellnummer immer für die aufgerundete Arbeitsspeichergröße. Also der 65XE hat 64 KB, der 130 hat 128 KB und ist damit eine Antwort auf den gerade eingeführten Commodore 128. 128 ist einfach viel cleaner, du kannst das noch nicht 130 nennen.
Henner:
[3:02:52] Ja, aber es ist mehr. Das ist doch total clever.
Gunnar:
[3:02:55] Kannst du 128,5 nennen. Was ist denn das für ein Quatsch? Und diese neuen Modelle, bei denen soll natürlich die Kosten gesenkt werden. Dieser PPI-Anstoß ist natürlich wieder weg. Wird immerhin beim 130 XE, also beim größeren Modell, ersetzt durch eine Kompromisslösung. Sie haben neben dem Modulschacht einen neuen Anschluss eingebaut, der heißt ECI. Das ist das Enhanced Cartridge Interface. Den kann man dann mit dem Modulschacht zusammen nutzen und der Modulsteckplatz enthält viele der Leitungen aus dem PBI und das ECI liefert dann noch die fehlenden nach. Das ist alles ein bisschen crazy. Spätere Revisionen des 65XE erhalten diesen Zusatzanschluss ebenfalls, aber kein Mensch nutzt den. Und bestehende PBI-Geräte lassen sich dann ohne spezielle Adapter, die Atari selber aber nicht anbietet, dann nicht nutzen. Ja zack, einfach weg. Und auch ältere Software läuft manchmal nicht mehr, das ist noch schlimmer als bei den XL-Modellen. denn Atari bringt wieder den optionalen Translator an den Start.
Henner:
[3:03:53] Ja, also es gibt Komfortibilitätsprobleme bei der Hardware und bei der Software. Und es gibt noch ein Problem, denn…
Henner:
[3:04:00] Ja, die neuen Rechner haben viel mehr Arbeitsspeicher als die alten, aber bestehende Software nutzt das ja noch gar nicht. Dafür muss man erst mal neue Spiele schreiben, die diesen riesigen Arbeitsspeicher von bis zu 128 Kilowatt überhaupt nutzen. Das ist natürlich nicht von Anfang an der Fall. Trotzdem kommen die Geräte relativ gut an. In der Presse die York Computer aus Großbritannien, die schreibt 85, der 130 XE habe ein besseres Preis-Leistungs-Verhältnis als jede andere Maschine auf dem Markt. Aber in der Praxis werde es noch eine Weile dauern, bis der zusätzliche Arbeitsspeicher überhaupt genutzt wird. Naja, die Computer sind auch tatsächlich sehr günstig. Darauf bezieht er sich hier, denn die Kosten in den USA 100 für das kleinere Modell, respektive 150 Dollar. Also da ist ganz eindeutig die Handschrift von Tramiel zu erkennen. Da wurde gespart, wo es nur geht. Leider ja auch bei der Tastatur. Allerdings dauert es eine ganze Weile, bis man diese Geräte zu diesem Preis auch kaufen kann, weil, obwohl sie fertig sind, Atari die Auslieferung verzögert.
Henner:
[3:05:03] Die haben nämlich noch so viele XL-Rechner auf Lager. Die müssen sie erstmal loswerden, bevor sie die XE-Modelle verkaufen können. So oder so, die XE-Modelle sind auf den westlichen Märkten in den USA, aber auch in Europa nicht sehr relevant. Hier stehen zu der Zeit längst die neuen 16-Bit-Geräte im Vordergrund, also der Atari ST, der Amiga kommt dann langsam und natürlich der IBM PC. Die Konsolen sind wieder da zu der Zeit.
Henner:
[3:05:32] Das heißt, die XE-Modelle, die sind nicht mehr sehr relevant. Es gibt eine Ausnahme in Osteuropa, da wird dieser 800XE, was ja nichts weiter ist als ein 65XE mit anderem Namen, der weniger Sinn ergibt, da wird er durchaus zu einem großen Erfolg. Ist zum Beispiel in Polen zeitweise der meistverkaufte Heimcomputer, aber auf dem Weltmarkt spielen diese Geräte mittlerweile keine große Rolle mehr.
Henner:
[3:05:57] Aber es gibt noch ein allerletztes Aufbäumen. Es gibt noch ein letztes XE-Modell, bevor es dann vorbei ist mit diesen Geräten.
Gunnar:
[3:06:05] Und was für eins, was für ein komisches Modell. Also Atari, wir erinnern uns, Konsolenhersteller, die haben den Konsolenmarkt nie ganz aufgegeben, obwohl sie jetzt ja Computer machen. Sie haben das VCS, dessen Markt ja zusammengebrochen ist, 1983, aber als Atari 2600 bis in die 90er hinein verkauft. 1982 erschien auf der Basis der 8-Bit-Chip-Sätze sogar noch das Modell 5200.
Gunnar:
[3:06:33] Auch so eine Namenskonvention. Naja, das ist allerdings gefloppt. Das war nicht kompatibel zum VCS und zu den Computern. Das hatte grauenvolle Controller und der Markt war ja eh im Arsch. 1986 dachte man sich jetzt, Nintendo hat doch den Markt wiederbelebt mit den Konsolen, da könnten wir vielleicht nochmal. Und dann brachten sie das Modell 7800, diesmal kompatibel zum VCS.
Gunnar:
[3:06:55] Naja, nicht so schlecht und dabei sind sie nicht geblieben. 1987 kommt sogar noch ein XE-Gerät, das XE Game System. Das ist ein 65XE in Konsolenform. In der Basisversion funktioniert das Gerät wie so eine klassische modulbasierte Konsole, ist kompatibel mit bestehenden Datenträgern. Man kann es steuern über diesen CX40-Joystick, den man ja schon kennt. Und wenn man eine optionale Tastatur anschließt, dann wird es plötzlich zu einem vollwertigen Heimcomputer. Denn sie haben sogar einen SIO-Anschluss eingebaut, also man kann ein externes Laufwerk anschließen. Das XEGS ist also auch wieder ein Hybridgerät und hat aber diesmal den Schwerpunkt auf dem Konsolenpart.
Gunnar:
[3:07:40] Da hören wir einen kurzen Ausschnitt aus der Werbung.
Henner:
[3:08:01] Ja, hier vergleicht sich Atari sehr mutig mit dem NES. Ich weiß nicht, ob das viele überzeugt hat damals.
Gunnar:
[3:08:08] Nehme ich an nicht so. Der Marketing Director von Atari hat damals im Usenet zugegeben, sehr offenherzig geschrieben, dass sich das XEGS hauptsächlich an den Handel richtet und zwar an die großen Kaufhäuser, die die 8-Bit-Computer nicht mehr im Sortiment führen. Die Konsole soll die Nachfrage nach passender Software ankurbeln und auf diesem Weg den Abverkauf der Xe-Computer beschleunigen, die ja ein viel besseres Preis-Leistungs-Verhältnis haben als die Konsole für 160 Dollar. Damit ist das XeGS keine Resteverwertung der 8-Bit-Chipsätze, die sie eh rumliegen haben, sondern eine Art Wiederbelebung von hinten durch die Brust ins Auge. Das ist echt total komisch, das misslingt auch, lustiger Versuch, aber sie haben einen Achtungserfolg im Weihnachtsgeschäft 1987, verkaufen 100.000 Stück, immerhin, aber ich meine in der Zeit verkauft halt Nintendo Millionen NES-Konsolen und danach ist es dann vorbei und dieses Comeback scheitert.
Henner:
[3:09:08] Ja, und heute ist das X-EGS ein begehrtes Sammlerstück. Commodore hat ja was Ähnliches versucht, auch eine Spielkonsolen-Variante vom C64 rausgebracht. Und auch bei Amstrad gibt es auch so was, eine Konsolen-Version eines CPC-Computers. Also das haben mehrere in den 80er-Jahren mal probiert, aber die sind alle gescheitert. Aber gerade deswegen alle faszinierend. Ganz toll. Eines Tages müssen wir mal eine eigene Folge zum X-EGS machen. Nein, das sieht auch so schön aus. Nein? Na gut. Ja, also das XEGS scheitert und belebt also auch die 8-Bit-Plattformen nicht. Ich halte diesen Plan auch für reichlich optimistisch.
Henner:
[3:09:49] Das Ende naht also für diese ganze Plattform. Die ja schon lange sich im Siegtum befindet, denn seit 85 gehen die Verkaufszahlen dieser 8-Bit-Computer deutlich zurück. Es gibt ab und zu mal wieder diese Ausreißer wie den 800XE in Osteuropa, aber insgesamt gehen die Zahlen stark, stark zurück. Und entsprechend schrumpft auch der Softwaremarkt. Darüber klagt dann auch die Atari-Presse. Es gibt ja dieses Magazin Antic, das sich auf Atari-Computer spezialisiert hat. Die berichtet im Mai 85, dass sie permanente Leserzuschriften bekäme, in denen sich die Leute darüber beklagen, dass neue Programme nicht mehr für ihre Atari-Rechner veröffentlicht werden, sondern nur für C64, für Apple, für PC und so weiter. Und da ruft der Redakteur dann die Leserinnen und Leser zum Handeln auf und schreibt, schreiben Sie einen Brief an die Präsidenten der Softwareunternehmen, indem Sie erklären, was für einen großen Fehler Sie machen, indem Sie die Atari-Computer ignorieren. Das ist schon Verzweiflung, die da aus ihm spricht. Das wird wenige überzeugt haben. Es hilft alles nichts. Man sieht das sehr deutlich, die Zahl neu veröffentlichter Spiele sinkt rapide. Die Business-Software war ja ohnehin nie wirklich relevant.
Henner:
[3:11:04] Und im April 86 veröffentlicht die Computer Gaming World eine vielbeachtete Umfrage unter den großen Spiele-Publishern, also EA, Activision und so weiter. Welche Plattformen unterstützt ihr denn eigentlich so? Für welche Plattformen entwickelt ihr gerade Spiele? Für welche Computerplattformen? Wohlgemerkt nicht für die Konsolen. Und unter allen Plattformen, die da abgefragt werden, nimmt der Atari 8-Bit-Computer den zweitniedrigsten Rang ein. Der wird nur noch unterboten durch den Macintosh. Und der ist ja zu der Zeit nun wirklich keine Spielemaschine. Ist ja bis heute nicht, aber damals noch weniger. Denn das war eine reine Schwarz-Weiß-Maschine und sind teuer obendrein. Also, dass dafür niemand Software entwickelt hat, das wundert mich nicht. Aber Atari ist nur knapp davor. Und das ist ja vernichtend. Also der C64 und der Apple II, die führen hier ganz deutlich.
Henner:
[3:11:56] Atari selbst bleibt optimistisch und veröffentlicht letzte Programme noch im Jahr 89. Und die Hardware, die lebt ja noch eine Weile länger, zumindest in Osteuropa, wo der 800XE ja eine Ausnahmeerscheinung ist. Dort wird das Gerät bis in die 90er Jahre hinein verkauft. Aber wahrscheinlich so rund um das Jahr 92, ganz genau lässt sich das nicht feststellen, ist es dann aus und die 8-Bit-Plattform, egal wie sie jetzt heißt, XL, XE oder ohne Buchstaben oder das XEGS, die sind alle weg. Der ST lebt noch ein bisschen länger, aber zu der Zeit geht das Atari ja ohnehin nicht mehr so gut.
Henner:
[3:12:36] Also in den frühen 90ern ist es aus mit dieser 8-Bit-Plattform aus den 70ern.
Henner:
[3:12:42] Immerhin hat mehrere Jahrzehnte überspannt. Aber wie viele Geräte wurden denn jetzt insgesamt verkauft? Das ist wie immer, wir hatten es vorhin schon, eine schwierige Frage. Das kann man nicht so ohne weiteres beantworten. Es gibt verschiedene Schätzungen und Hochrechnungen, die sehr weit auseinander gehen. Einige Quellen sagen, Atari habe nur zwei Millionen Geräte insgesamt verkauft. Andere sagen sechs Millionen. Ziemlich große Bandbreite. Das Einzige, was wirklich feststeht, ist, dass Atari im Jahr 84 selbst angibt, sie hätten bis dato vier Millionen Geräte verkauft. Aber sie zählen diese Konsole des 5200 einfach mit, weil die Konsole auf der gleichen Plattform basiert. Und diese Konsole, das wissen wir, die wurde insgesamt ungefähr eine Million Mal produziert. Das heißt, zu der Zeit waren es ungefähr drei Millionen Atari-Computer.
Henner:
[3:13:34] Danach kommt ja noch der 800XE der ja in Osteuropa so erfolgreich ist das kann also durchaus sein dass bis in die 90er hinein ungefähr 4 Millionen Stück verkauft wurden das ist jetzt nicht schlecht wirklich kein Misserfolg da gibt es ganz andere Heimcomputer die wesentlich weniger verkauft wurden du hast ja vorhin schon den Adam genannt.
Henner:
[3:13:56] Aber ein C64 der kommt ja auf die 3- bis 4-fache Stückzahl obwohl der sich kaum weiterentwickelt hat Der 128er ist nicht mal mit drin in dieser Zahl und da kann Atari wahrlich nicht mithalten.
Henner:
[3:14:09] Aber die Atari 8-Bit-Computer-Ära ist trotzdem noch nicht vorüber, denn im Jahr 2024, in dem wir dies aufnehmen, also genau 45 Jahre nach der Präsentation der ersten Atari-Computer, kam eine Neuauflage raus von der Firma Retro Games, die darauf spezialisiert ist und die vorher schon eine Mini-Version des C64 veröffentlicht hat und eine Mini-Version des Amiga. Die hat dann den The 400 Mini rausgebracht. Ich hätte es jetzt fast Mini-Konsole genannt, aber es ist ja eigentlich ein Mini-Computer im Design des Atari 400, aber natürlich geschrumpft und auch mit einer Tastatur, die nicht funktionstüchtig ist, also noch weniger als beim Original. Das ist eine reine Attrappe, kostete zu Beginn 120 Euro und dafür waren 25 Spiele vorinstalliert, darunter auch Mule und Boulder Dash. Weitere kann man freischalten, die sind quasi als Easter Eggs mit drin. Oder über USB lassen sich natürlich welche nachrüsten. Nicht mehr über SEO, aber USB ist ja der quasi Nachfolger. Und mit diesem The 400 Mini lebt also die Plattform weiter. Ich habe auch einen hier und der gefällt mir ausgesprochen gut. Ist ein schönes Gerät.
Henner:
[3:15:24] Gut, aber das ist natürlich nicht mehr Teil der eigentlichen 8-Bit-Computerserie. Über die müssen wir jetzt nochmal abschließend sprechen, Gunnar. Warum ist er eigentlich gescheitert und was ist uns davon geblieben, abgesehen von diesem Emulator-Maschinchen?
Gunnar:
[3:15:40] Immerhin das Emulator-Maschinchen, das ist ja schon was. Atari ist gescheitert mit seinen Heimcomputern, also zumindest mal mit dieser ersten Generation. Wir wollen ja nicht spoilern, was mit dem ST passiert. Das wissen wir ja noch gar nicht. Aber man kann ihnen das eigentlich nicht vorwerfen. Ich finde, sie haben schon alles probiert und das sind ja auch viele andere Geräte dieser Produktkategorie in den frühen 90er Jahren dann weggespült worden von den IBM-Klonen. Man hat natürlich anfangs diesen Nachteil, dass dieses Gerät so teuer wurde in der Produktion durch diese FCC-Regularien und später mussten sie dann gegen Commodore antreten, die diesen wahnsinnigen Typen an der Spitze hatten, der halt alles verramschen wollte und sie haben ja auch viel richtig gemacht. Sie hatten den Zeitvorteil auf ihrer Seite, sie sind früher gestartet als die anderen, sie haben es früher als alle anderen gesehen, wo der Markt hingeht. Sie haben gedacht, sie ersetzen ihr VCS nach drei Jahren am Markt, sensationell und zwar durch ein richtig fortschrittliches Gerät. Da lag der Ball, ich will nicht sagen auf dem Elfmeterpunkt, aber schon in der Richtung und haben das dann alles verstolpert durch unnötige Fehler. Und damit sind diese echt visionären Geräte vielleicht nicht zu ihrem Platz in der Geschichte gekommen, den sie eigentlich haben sollten.
Henner:
[3:16:57] Denke ich auch. Wir gehen die Probleme, die Gründe für das Scheitern, die wesentlichen Managementfehler Ataris mal kurz durch. Die meisten haben wir ja schon genannt. Das Softwareangebot, das einfach zu gering war von Anfang an, das ist ein ganz wesentliches Problem wegen der erzwungenen Geschlossenheit des Systems, weil das Atari Management einfach nicht verstanden hat, wie der Computermarkt funktioniert. Obwohl der Manager im Interview was anderes gesagt hat, aber die Taten sprachen eine andere Sprache. Tandy Schauer hat mit dazu gesagt, Atari sei einfach gescheitert, weil die Führungskräfte nicht verstanden, wie sich das PC-Geschäft von dem mit Spielkonsolen und Münzautomaten unterscheidet. Infolgedessen fehlte ihnen die Vision und Strategie, die Apple hatte. Ja, das ist der erste wesentliche Fehler. Sie hätten von Anfang an die Plattform öffnen müssen und Drittanbietern alles verraten, was sie wissen müssen. Dere Atari 79 rausbringen und nicht 81. Dann hätte sich die ganze Geschichte vielleicht anders entwickelt. Zumindest was den Spielemarkt angeht. Auf dem Büromarkt hatten sie wegen der FCC-Geschichte und dem lahmen SEO-Port ja noch andere Probleme.
Gunnar:
[3:18:06] Dann haben sie ihr Gerät natürlich inkonsequent positioniert. Sie wollten halt Spielkonsole und Büromaschine zugleich sein und waren dafür für beide Seiten nicht gut aufgestellt. Und die eine Seite war vielleicht auch gar nicht aufzuholen, die Büroseite, das hast du schon gesagt, aber die Spielkonsolenseite hätten sie mit ein bisschen mehr Mühe, mit mehr eigenen Produktionen, mit mehr Willen durchaus durchsetzen können, wenn sie das Gerät da stärker hingestellt hätten. Das war sicherlich ein vermeidbarer Fehler. Da hatten sie ja die DNA für, für ein Spielgerät. Und vielleicht wäre ein reines Spielgerät dann auch nicht gegangen für 500 Dollar, aber so eine Mischform zu Hause, einsteigerfreundlich, selber programmieren und Spiele, so wie sie es ja später ein bisschen vom Markt erzwungen auch gemacht haben, das früh hätte, glaube ich, eine gute Chance gebracht.
Henner:
[3:19:00] Ja, auch im Marketing hätten sie viel mehr auf Spiele eingehen müssen. Star Raiders ganzseitig in die Anzeige packen, Fernsehwerbung vielleicht mit Mark Hamill als Testimonial für Star Raiders. Warum nicht? Das hätte Wellen geschlagen. Aber Warner hat das Thema Gaming in der Kommunikation nach außen völlig unter Wert verkauft. Obwohl doch eigentlich Marketing die große Stärke Warners sein sollte. Und sie haben es auch innen in der eigenen Produktentwicklung sträflich vernachlässigt. Da kam einfach nicht genug. Star Raiders 2 kam, aber erst 86 und auch eher zufällig als wirklich geplant. Der Mangel an guten Exklusivspielen abseits von Star Raiders hat ja noch einen weiteren Grund. Also nicht nur die Tatsache, dass sie externe Entwickler gegängelt haben oder dass sie denen Informationen vorenthalten haben, sondern sie sind auch mit ihren eigenen Spieleentwicklern, den Inhouse-Entwicklern, schlecht umgegangen. Das ist ein Thema, das wir in der VCS-Episode schon näher beschrieben haben. Die haben halt ihre eigenen Programmiererinnen und Programmierer für ihre Leistungen nicht angemessen gewürdigt. Sie wurden in den Credits nicht genannt, sie bekamen keine Anerkennung und anfangs auch keine Bonuszahlungen und das, obwohl ihre Werke ja zuweilen Millionen einbrachten und damit ja auch wiederum mehr Hardware verkauften, haben die Entwickler davon nichts gesehen und das hat ja noch dazu geführt, dass so viele von denen abgewandert sind.
Henner:
[3:20:24] Vor allem der Kassar, dem fehlte wohl dem Vernehmen nach jeder Respekt vor der Kunst des Spieldesigns. Der hat die Entwickler bei einer Gelegenheit hochnäsige Primadonnas genannt, weil die ein bisschen Anerkennung für ihre Arbeit wollten. Und angeblich hat er im Gespräch mit den späteren Activision-Gründern dem gesagt, die seien ja nicht wichtiger als der Typ am Fließband, der die Spiele zusammenbaut. Also der hatte keine Ahnung, wie Spielentwicklung funktioniert, wie viel Kreativität man dafür braucht und wie viel Wertschätzung das verdient. Das ist dem einfach nicht klar gewesen. Und daraufhin sind eben sehr viele Talente abgewandert und haben eigene Studios gegründet, nicht nur Activision, auch andere, iMagic etwa. Und jene, die blieben, klagten darüber, dass sie ständig überarbeitet seien, isoliert und missverstanden durch das Management. Dabei brauchte Atari sie dringend für weitere exquisite First-Party-Titel. Sie brauchten zehn Star Raiders, aber Neubauer, der Star Raiders Schöpfer, ist stattdessen schon 79 von Atari geflohen, bevor sein Spiel überhaupt fertig war. Hätten sie ihre Entwickler mal mehr gehegt, die Geschichte wäre anders verlaufen.
Gunnar:
[3:21:33] Dann haben sie natürlich das Problem des Führungschaos. Das haben wir in unserer Erzählung nur so angedeutet. Die hatten ständig Strategiewechsel, ständig Personalwechsel. Der Kassar kam ja aus einer ganz anderen Branche, aus der Textilbranche. Der hat den Schwerpunkt ja von der Forschung weg verschoben, von der Entwicklung, von der Kreativität hin zum Marketing, schon mit anfänglichen Erfolgen, aber insgesamt gab es dann zu wenig Expertise im Gaming, in dieser Führungsriege, weil die Leute alle von außerhalb kamen, sogar von einem Dosenfabrikanten. Und das war nicht das einzige Problem. Die sind auch einfach nicht lange geblieben. Die wurden auch schnell wieder gefeuert und so. Die hatten sich ja vielleicht einarbeiten können. Aber auch dafür waren sie lange nicht da. Da blieben mal Leute für sechs Monate, für zwei Monate, für acht Monate. Der Trauer hat dir im Interview erzählt, dass er während der zwei Jahre bei Atari für drei verschiedene Marketing-Vice-Präsidents gearbeitet hat, von denen keiner begriffen hat, wie sich der Markt entwickelt.
Henner:
[3:22:32] Oh, bitter. Sie hatten Gold in der Hand, aber sie haben es halt nicht erkannt. Das Management ist schuld. Ja, der Kassar, der hat außerdem den Spielemarkt und den Computermarkt nicht so richtig verstanden. Das ist, glaube ich, recht deutlich geworden. Aber er hat auch verkannt, wie wichtig Weiterentwicklung auf diesem Markt ist. Wie wichtig das ist, die Hardware immer weiter zu entwickeln. Nicht nur die Konsolen, sondern auch die Computer. Und das hat er aber aktiv behindert. Der hat beim Antritt 79, als er die Führung von Atari übernommen hat, eine komplette Entwicklungsabteilung eingestampft. Das waren 30 talentierte Ingenieure, die einfach von heute auf morgen rausgeschmissen wurden. Das hilft natürlich nicht in einem Markt, der von ständiger Weiterentwicklung lebt. Andere Ingenieure sind dann nach und nach auch freiwillig gegangen, wie The Cure oder Miner zum Beispiel. Die haben ja ein paar Jahre später dann Amiga gegründet. Auch Al Alcorn ist selbst gegangen. Das war der erste Atari-Angestellte überhaupt und derjenige, der den Pong-Automaten entwickelt hat. Auch den hat Kassar vergrault mit seiner Politik.
Henner:
[3:23:40] Infolgedessen hat sich die 8-Bit-Reihe kaum weiterentwickelt, obwohl der Computermarkt rundherum sich sehr deutlich weiterentwickelt hat. Ja klar, die späteren Atari 8-Bit-Modelle, die hatten ein bisschen mehr Arbeitsspeicher und an den Anschlüssen hat sich was geändert, aber im Großen und Ganzen war die Weiterentwicklung zu spärlich und zu langsam. Selbst ein XE von 1985 oder sogar von 1992, der bot ja kaum Vorteile gegenüber einem voll aufgerüsteten Atari 800 von 1979. Und das ist ganz interessant, wenn man bedenkt, dass Atari ja damals geworben hat mit dem Versprechen, das sei ein niemals obsoleter Computer. Das hat sich also für Atari auf ungeahnte Weise tatsächlich bewahrheitet. Die Leute haben es genauso gesehen und gesagt, ja, ich habe einen 800er, der ist zwar zehn Jahre alt, aber das reicht mir noch. Atari hat keine Anreize gegeben, hier umzusteigen auf ein neues System. Und wer was Neues wollte, der hat deswegen lieber einen IBM PC gekauft oder einen Atari ST oder was gibt es noch? Ach ja, den Amiga vielleicht. Naja, und kurz darauf war es ja sowieso vorbei mit jeder Weiterentwicklung, da Tramell die Führung übernommen hat und den ganzen Konzern ausgerichtet hat auf den Atari ST und da war sowieso nicht mehr zu erwarten, dass diese 8-Bit-Rechner noch irgendwie weiterentwickelt werden.
Henner:
[3:25:05] Ja, und was bleibt damit von diesen missverstandenen 8-Bit-Computern?
Gunnar:
[3:25:09] Das ist ein bisschen die Frage. Also sie haben natürlich eine Reihe von Firsts sozusagen, also von ersten Malen eingeführt und man kann sagen, dass sich spätere Geräte auf sie bezogen haben. Schon lange vor dem VC20 haben die Atari-Produkte Menschen behutsam an diese neue Gerätegattung geführt, diesen persönlichen, diesen Privatcomputer. Die hatten die grundlegende Idee des VC20 halt vorher, der niedrige Preis, der Schwerpunkt auf Heimanwendung und eine betont einfache Benutzung. Und so trugen sie sicherlich ein bisschen dazu bei, dass sich diese ganze IT-Geschichte in dieser Zeit demokratisiert hat und haben damit vielleicht sogar dem C64 ein bisschen den Weg bereitet.
Henner:
[3:25:55] Oh, bestimmt, ja. Ja, vor allem hat Commodore aus den Fehlern Ataris gelernt. Die haben ihre Plattform sofort geöffnet und sogar ja Basic beigelegt und ein Basic-Handbuch, damit die Leute schön eigene Software schreiben für diese Computer. Also das Gegenteil von dem, was Atari gemacht hat. Auf die Weise hat der Atari also unfreiwillig großen Einfluss auf den Markt. Dann haben sie noch etwas etabliert, nämlich das Konzept oder das Erfolgsrezept der Killer-App auch auf dem Spielemarkt. Nicht allein, sondern gleichzeitig mit Space Invaders. Space Invaders auf dem VCS und Star Raiders eben auf dem Computer. Und ja, dieses Konzept der Killer-App, das ist ja nach wie vor sehr relevant, insbesondere wenn neue Konsolen rauskommen. Da muss immer eine Killer-App dabei sein. Ein Spiel, für das es sich lohnt, diese neue Konsole zu kaufen. Und das war damals halt noch recht neu. Die meisten Computerhersteller in dieser Zeit haben halt ihre Geräte so auf den Markt geschmissen und es war denen völlig egal, was die Leute damit machen. Die haben auch keine darauf angepasste Software rausgebracht, sondern die Leute sollten sich selber was schreiben mit BASIC. So war das damals üblich. Und die eine Killer-App dafür anzubieten, für die sich jeder so einen Computer kaufen will, das war halt ganz neu. Auch wenn Atari da eher reingestolpert ist mit Star Raiders, das war ja eher ein Glückstreffer.
Gunnar:
[3:27:15] Ja, ein Versehen.
Henner:
[3:27:17] Ja, quasi ein kosmisches Versehen, ja. Aber auch diese gemeinsame Vermarktung eines Computers mit perfekt darauf abgestimmter Software, die alle Möglichkeiten dieser Hardware nutzt, also in Form von Star Raiders, das war auch neu, das gab es in der Form damals nicht. Ja und dann gibt es da noch den SEO-Port, den wollen wir auch nochmal würdigen, so ein universeller serieller Anschluss als Proto-USB, das war auch visionär, obwohl das auch aus der Not geboren war natürlich, das war ja keine große Vision, die dahinter stand, sondern der Kampf mit dem großen Gegner FCC. Aber trotzdem, das war schon eine frühe Form von Plug & Play und eine frühe Form der universellen Schnittstelle, wie wir sie heute für selbstverständlich erachten. Aber wer in den 90ern einen PC benutzt hat, der weiß, das war nicht immer so. Es gab regelrechten Schnittstellen, Wildwuchs, Maus, Tastatur, Drucker, Modem, alles wollte seine eigene Buchse.
Gunnar:
[3:28:16] Der größte Verdienst der Atari-Computer ist aber ja doch wohl die Tatsache, dass sie so konsequent versucht haben, Spielkonsole und Computer zu vereinen. Also zumindest mal im Konzept. Später im Marketing dann halt nicht mehr, aber halt im Konzept. Und damit hat Atari den ersten richtigen Spiele-Computer gebaut, den Spiele-Heim-Computer. Die hatten diesen konsolenartigen Modulschacht da noch drin und aber auch die dedizierten Grafik- und Soundchips. Da muss man vielleicht noch den TI-99 nennen, der gleichzeitig erschien, aber immerhin mit dem zusammen auf Platz 1 hier. Und mit dem Atari 5200, den sie später gebracht haben, der auch auf diesen Chips basiert. Da haben sie dann 1982 den modernen Trend zur Vereinheitlichung von Spielumsetzungen vorweggenommen, weil ja da ein Gerät war, wo sie halt zwischen zwei Plattformen sozusagen Software sharen konnten. Also eine eine Konsole und einen PC, das gab es ja sonst nicht. Gibt er dann erst heute wieder, wo alles zwischen den großen Plattformen hin und her portiert wird und die dann identisch sind.
Gunnar:
[3:29:22] Und damit wurden Atari 400 und 800 auch die Wegbereiter für noch mächtigere, viel stärkere Spielecomputer.
Gunnar:
[3:29:30] Am Freitag, dem 8. Juni 1979, am letzten Arbeitstag von Joe DeCure bei Atari. An diesem Tag hat er die letzte Seite seines Notizbuchs aufgeschlagen und hat da den Aufbau eines neuen Systems skizziert. Ein High-Power-Entertainment-Computer auf der Basis einer 16-Bit-CPU 1979.
Gunnar:
[3:29:54] Und das ist die Saat, aus der dann später der Amiga wächst. Wie weit die voraus waren. Wären sie in der Lage gewesen, diesen 16-Bit-Computer gleich zu bauen, hätten sie da eine ganze Generation überspringen können und alles weggerockt.
Henner:
[3:30:08] Ja, hätte, hätte. Aber sie haben sehr viele Elfmeter liegen lassen oder daneben geschossen. Traurig. Also die hätten wirklich eine größere Würdigung verdient. Diese Atari Computer, wie auch immer man sie nennen will, die Atari 8-Bit Computer beginnt mit 400 und 800. Die stehen ja immer so ein bisschen im Schatten des C64, des prägenden Heimcomputers der 80er Jahre, aber ich finde sie in vielerlei Hinsicht eigentlich besser und interessanter und sympathischer. Vor allem, weil man nicht so komische Befehle eintippen muss, um ein Programm von Diskette zu laden. Das ist bei Atari einfach viel eleganter gelöst. Auch die Farbpalette gefällt mir besser. Also müsste ich mich entscheiden, ich würde eher so ein Atari 800 nehmen. Weniger den 400 mit seiner scheußlichen Tastatur, aber ich mag diese Plattform. Die hat mich damals als ST-Nutzer natürlich reichlich kalt gelassen und nebenbei ziemlich verwirrt mit diesem Namenschaos, aber mittlerweile verstehe ich sie und ich schätze sie sehr als Pioniere des PC-Gamings, wenn auch noch ohne RGB-Beleuchtung.
Henner:
[3:31:12] Aber da gibt es ja noch eine Sache zu vermelden zum Schluss. Gunnar.
Gunnar:
[3:31:17] Na, was könnte das sein?
Henner:
[3:31:19] Wer das Schachduell gewonnen hat.
Gunnar:
[3:31:20] Ah, ich hätte schon fast vergessen, dass du vor zweieinhalb Stunden eine Anspielung auf das Ende gemacht hast. Jetzt sag, wer hat gewonnen?
Henner:
[3:31:30] Ja, nochmal zur Erinnerung für diejenigen, die das nicht mehr wissen nach so langer Zeit. Also ich habe einen Atari XE und einen C64 gegeneinander spielen lassen mit Colossus Chess 4, das gleiche Programm in beiden Fällen. Und ich sagte ja schon, das war eine spannende Schlacht, auch eine sehr schnelle Schlacht mit überraschend schnellen Zügen. Also die beiden Rechner haben sich beide immer nur so ein paar Sekunden Bedenkzeit gegönnt, im Endspiel nicht mehr, aber doch recht weit ins Mittelspiel hinein.
Henner:
[3:32:01] Allerdings auch nach zwölf Minuten Ladezeit ganz zu Beginn, da hatte ich dann auch nicht mehr so viel Geduld, auf einzelne Züge zu warten. Und es gab auch sehr, sehr früh schon, sehr überraschend früh, Materialverlust und zwar auf der weißen Seite und das ist die Seite des C64. Das heißt, der Atari ist sehr früh in Führung gegangen und er hat schließlich auch gewonnen, ohne dass der C64 aufgegeben hätte. Also auch als er nur noch einen König hatte und sonst nichts, hat er nicht aufgegeben, hat er weiter gekämpft, aber das nützte nichts. Atari hat ihn schließlich mit zwei Damen matt gesetzt und damit ist ja eindeutig geklärt, dass der Atari der bessere Computer ist. Ja, klar, bevor jetzt die Commodore-Fans aufbegehren, natürlich liegt das nicht an allumfassender architektonischer Überlegenheit, sondern eher daran, dass der Prozessortakt bei Matari halt 80 Prozent höher ist. Aber wie dem auch sei, wer sich diese Partie mal genauer ansehen will, ich habe sie aufgezeichnet und ich werde sie im Forum auf www.stayforever.de veröffentlichen als ein Zeitraffer-Video. Ungefähr fünf Minuten lang könnt ihr euch die ganze Partie aus Sicht des C64, also in 2D-Ansicht, ansehen und den Beweis nachverfolgen, der hier erbracht wird, dass der Atari Computer überlegen ist.
Gunnar:
[3:33:19] Ja, das lassen wir als Schlusswort gelten. Der Atari ist bestimmt die bessere Plattform gewesen. Ich habe nie einen in der Hand gehabt, ehrlich gesagt. Also wusste ganz wenig darüber. Mir ist in meiner Jugend nie einer begegnet. Im ganzen Dorf nicht. Obwohl da bestimmt Dutzende mehrere Computer waren.
Henner:
[3:33:40] Ne, mir auch nicht. Also nur in den Atari-Zeitschriften. Aber so ein Gerät ist mir auch nie begegnet. Heute besitze ich natürlich einen.
Gunnar:
[3:33:48] Natürlich hast du heute einen. Das ist ja klar. Ja gut, dann vielen Dank, Henner, für das Gespräch. Vielen Dank allen von euch, die bis hierhin noch zugehört haben. Und bis zum nächsten Mal.
Henner:
[3:33:58] Ja, bis wir dann über den Atari ST sprechen.
Gunnar:
[3:34:01] Das kommt auch noch. Später.
Henner:
[3:34:04] Eines Tages, ja. Bis dahin.
Gunnar:
[3:34:07] Bis dahin. Ciao.
Henner:
[3:34:08] Ciao.
Guten Rutsch Allen!





Was ich aus der Folge mitnehme …
Musik von Eric Idle:
Tolle Folge, vielen Dank dafür!
Eine Korrektur: Ray Kassar wurde nie wegen Insiderhandel verurteilt. Es gab eine Untersuchung der SEC und Warner zwang ihn – vermutlich aus Compliance-Gründen – zum Rücktritt. Aber es gab nie ein Urteil, weil er einen Vergleich mit der SEC geschlossen und den Differenzgewinn zwischen vor und nach dem Absturz zurückgezahlt hat, ohne jedoch damit ein Schuldeingeständnis abzugeben. Damit bleibt es bei mutmaßlichem Insiderhandel, es gäbe aber durchaus noch andere, legale Deutungsmöglichkeiten und anscheinend war der Fall nicht so eindeutig, dass die SEC eine Verurteilung vor Gericht angestrebt hätte. Es gab außerdem noch einen weiteren Atari-Manager, der derselben Tat beschuldigt wurde. Wirkt vielleicht wie nitpicking, aber beim Vorwurf von Straftaten finde ich diese Differenzierung wichtig.
Waren beim berühmt-berüchtigten Atari Video Game Burial nicht auch überschüssige Heimcomputer dazwischen? Alle reden immer von E.T., meiner Erinnerung nach wurde aber auch Hardware verklappt. Wirkt ein wenig verwunderlich, angesichts der langen Lebenszeit der Baureihe noch im Anschluss unter den Tramiels.
Was mich interessieren würde, seit wann sind Credits für Entwickler überhaupt üblich? Ich weiß, dass Warren Robinett der erste war, der sich in seinem Spiel verewigt hat, in dem Fall aber noch heimlich. Aber wie sah das branchenweit aus? Man kann Kassar ja vorwerfen, dass er in dem Punkt zu starrköpfig war, andererseits erscheint es mir so, als ob das auch einfach keine Selbstverständlichkeit war. Aus Sicht der damaligen Zeit müssen diese Pixelbreis eher profan erschienen sein und die Entwickler waren ja auch vielfach eher Elektroingenieure, was man aus konservativer Sicht nicht unbedingt sofort dem künstlerischen Spektrum zuordnen würde. Daher kann ich mir vorstellen, dass das einfach ein Reifungsprozess und Perspektivwechsel erforderte, der im Fall von Kassar nicht einsetzen wollte. Bei anderen Firmen abseits von Activision aber meinem Eindruck nach auch noch nicht, siehe Intellivision, die die Namen ihrer Entwickler codiert haben, aus Angst vor Abwerbungsversuchen.
Denke, man kann Ataris Entscheidungen als Fehler bezeichnen, allerdings muss man bei einigen Punkten auch zugestehen, dass es dafür keine Blaupausen oder best practices gab.
Hach, wunderbar! Der Atari 800 XL war mein allererster Computer. Da mein Vater als Softwareentwickler gearbeitet hat, gab es seit meiner frühesten Kindheit immer Ataris in unserem Haushalt (Commodore-Rechner taugten ja nicht zum seriösen Arbeiten), und als mein Vater um 1990 (da war ich acht Jahre alt) auf einen Atari ST umstieg, durften mein Bruder und ich dann den alten 800er auftragen (es gab auch noch einen 130 XE im Keller, der aber nicht mehr richtig funktionierte und bei dem ich wegen der niedrigeren Nummer immer dachte, das sei ein Vorgängermodell gewesen). Leider brachte der Rechner nur wenige Spiele mit sich, allesamt Originale (vermutlich war es wegen der relativ geringen Verbreitung auch schwierig, jemanden im Bekanntenkreis zu finden, der einem Sicherungskopien besorgen konnte) und so verbrachte ich relativ viel Zeit mit Space Invaders und vor allem Robotron 2084.
Am meisten Erinnerung habe ich allerdings an ein Basic-Programmierhandbuch, an das ich mich damals ebenfalls heranwagte - und dessen erstes Kapitel mit „Das erste Programm“ überschrieben war und mit den Worten einleitete: „Mit dem ersten Programm ist nicht etwa die ARD gemeint […]“ Muhaha.
So richtig gepackt hat es mich allerdings erst mit dem Atari ST, der dank des leicht zu erlernenden GFA-Basics, das auch gleich einen Compiler mitbrachte, auch sehr einfach die Erstellung von grafischen Spielen ermöglichte. Ich habe dann mehr oder weniger erfolgreich versucht, Lemmings und Jump’n’Runs nachzuprogrammieren. Aber das gehört dann ja zur Atari-ST-Episode, die hoffentlich nicht allzu lange auf sich warten lässt.
Jedenfalls wie immer eine sehr unterhaltsame und erkenntnisreiche SFT-Episode, die die Wartezeit auf das neue Jahr verkürzt hat.
Sehr schöne Folge. Ich mag zwar eigentlich keine so lange Folgen, aber es ist SFT und irgendwie Feiertag und ich habe eh Resturlaub abzusitzen. Die Atari 8bitter kenne ich aus eigener Anschauung nur von den Anspielstationen bei Karstadt im örtlichen Einkaufszentren. Wir fanden die Dinger schon super, aber zu der Zeit waren die Atari leider auch absurd teuer.