Chris:
[0:00] Hallo liebe Hörerinnen und Hörer, zur Vorbereitung unserer Stay Forever Folge 150 über Gothic hatten wir ein Interview mit Mike Hoge und Tom Putzke geführt, das ihr jetzt hören werdet. Die beiden waren zwei der vier Gründer von Piranha Bytes, dem Entwickler von Gothic. Mike war maßgeblich verantwortlich für das Spieldesign, Tom vor allem für Pressearbeit, Marketing und Außenkontakte, aber zum Beispiel auch für den Auftritt von In Extremo im Spiel, wie wir gleich hören werden. Wir starten mitten rein ins Gespräch und wünschen euch viel Spaß dabei.
Chris:
[1:00] Ich würde einfach mal damit anfangen, euch beide zu fragen, Mike, Tom, wie seid ihr denn eigentlich in die Spielebranche gekommen?
Mike Hoge:
[1:08] Ja, das ist bei mir ein Anruf gewesen von einem Freund, der in Dortmund in einer kleinen Spiele-Schmiede gearbeitet hat. Das war so eine 3-4-Mann-Bude und die war auch ein Grafiker. Damals gab es noch Deluxe Paint, 320 mal 200er Auflösung, 640 mal 400, wenn es richtig groß war. Das war wie Mosaik setzen und nicht wie malen. Ich habe mir das damals selber beigebracht. Und der Kollege hat gesagt, ich weiß, dass du das kannst. Die brauchen jemanden, komm da vorbei. Und ich habe gesagt, ja, ja, klingt ganz interessant, ich schau mal. Und habe mich dann wieder in meinem Lotterleben hingegeben. Daraufhin hat er mich noch mal angerufen, eine Woche später, und hat gesagt, du bist immer noch nicht da gewesen, was ist mit dir nicht in Ordnung, du kommst jetzt hier hin oder ich komme zu dir und trete dir in den Arsch. Dann habe ich gesagt, naja gut, okay, dann gehe ich mal. Und dann bin ich nach Dortmund gegangen und ich hatte ja keine Qualifikation, ich habe das als Hobby gemacht und habe zu dem damaligen Chef gesagt, ich arbeite umsonst für dich, bis du meinst, dass ich Geld verdiene. Wie findest du das? Und dann hat er gesagt, ja gut, klar, machen wir so. Und nach einer Woche, glaube ich, oder anderthalb Wochen, kam er dann an einem Tag mir irgendwie 3000 geboten. Was für mich eine Menge Geld war damals. Und da habe ich gedacht, hey, super, machen wir. Und so bin ich reingekommen. Das war der Anfang.
Chris:
[2:31] Was war denn das für eine Firma oder ein Team? Weißt du den Namen noch?
Mike Hoge:
[2:34] GDG hieß die German Design Group.
Chris:
[2:36] Die haben diese Strategiespiele gemacht, kann das sein?
Mike Hoge:
[2:38] Ja, genau, richtig.
Chris:
[2:39] Und was war der erste Titel, an dem du da gearbeitet hast?
Mike Hoge:
[2:41] Der erste Titel ist Sterne wie Staub, glaube ich. Andreas war der Grafiker da, der sich meiner angenommen hat und mir innerhalb von kürzester Zeit beigebracht hat, wie ich zehnmal so schnell arbeite mit dem Tool, was ich schon seit Ewigkeiten benutze. Das war sehr hilfreich. Das waren die Anfänge.
Chris:
[3:03] Tom, wie war es bei dir?
Tom Putzki:
[3:04] Naja, ich habe damals eine Weiterbildung zum Mediendesigner gemacht. Mediendesigner hieß in der damaligen Logik und Erklärung, Sie können danach mit dieser Ausbildung einen Quelle- oder Otto- oder Neckermann-Katalog auf CD-ROM umsetzen. Und ich habe am Wochenende immer an mir noch was verdient dazu. Einmal habe ich Anfänger-Computerkurse gegeben. Und zum Zweiten war ich jedes Wochenende in Bochum in verschiedenen Clubs an der Tür. Und als ich diese Weiterbildung, die insgesamt zwölf Monate umfasste, langsam dem Ende näherte, musste ich mir einen Praktikumsplatz besorgen. Und per Zufall habe ich an der Tür der Zeche Bochum. Das ist eine nicht ganz unbekannte, auch heute noch existierende Lokalität.
Mike Hoge:
[3:56] Den Schurken gibt es noch?
Tom Putzki:
[3:58] Ja, den gibt es noch. Den gibt es noch. und da habe ich drei Leute, die bei mir durchgekommen sind, sich unterhalten hören und die waren alle aus einem Spiele- Unternehmen aus Bochum und die habe ich einfach ganz blöd angequatscht. Und naja, lange Rede, kurzer Sinn. Ich habe da eine Karte gekriegt, habe mich gemeldet und konnte ein zweimonatiges Praktikum bei den Jungs in der Firma absolvieren. Und das war Greenwood Entertainment.
Chris:
[4:28] Genau, wollte gerade sagen, da habt ihr euch dann doch kennengelernt bei Greenwood.
Mike Hoge:
[4:31] Ja, genau, genau. Das war nämlich, wo ich gerade gesagt habe, wo ich angefangen bin, da habe ich ein Jahr ungefähr, hatte ein bisschen Geld angespart. Und ab und zu hatten die so File-Programmierer oder so für die paar Monate im Sommer oder so vielleicht, die für die gearbeitet hatten. Da kam ein Jörg, den mochte ich eigentlich direkt von Anfang an. Ich kannte den noch nicht. Der hat gesagt, ich wollte mal in die USA fahren, aber ich habe keinen Bock allein. Da habe ich gesagt, USA hört sich super an, machen wir. sind wir da einen Monat durch die USA gegurkt mit einem Mietwagen und ich habe ein ganzes Geld auf den Kopf gehauen, mein Konto überzogen und hatte eine Menge Spaß, komme wieder und mein Chef sagt mir, sorry, aber die Firma ist pleite. Da habe ich gedacht, oh na super, gut. Kleine grobe Konto überzogen, was machst du? Geguckt, was gibt es hier noch für Entwickler in der Gegend? Das nächste, örtlich gesehen, war tatsächlich Greenwood. Und dann bin ich da hin, kurzerhand, nächste Woche, Bin da hingefahren, habe meine Diskettenbox mitgehabt. Ich hatte ja den Job jetzt schon ein Jahr gemacht, da habe ich ein bisschen Referenzmaterial. Bin dazu der Empfangsdame, das war ein bisschen größerer Laden schon. Ich weiß nicht, wie viele Leute da waren, 20 bis 40, so Größenordnung, circa.
Tom Putzki:
[5:41] Nee, als ich dazu gekommen bin, waren es 15.
Mike Hoge:
[5:43] Ja, habe ich falsch in Erinnerung. 20er Größenordnung habe ich im Kopf drin. Okay, egal, wurscht. Jedenfalls, ich komme da hin. Wir hatten unten eine Empfangsdame. Wenn ich da hingegangen habe, habe ich gesagt, ich bin hier für ein Vorstellungsgespräch. Und sie sagte, ich habe hier gar nichts im Kalender. Was machen wir denn da? Da rufe ich mal den Frank. Und dann kam ein Typ runter und hat gesagt, wie Vorstellungsgespräche, haben wir keinen Termin. Ich habe gesagt, ja, ich bin einfach so vorbeigekommen. Und habe gesagt, na gut, wo du jetzt schon mal da bist, kommst du mit, setzt mich an den Tisch, fragt mich nach meinen Bewerbungsunterlagen. Da habe ich ihm die Diskettenbox über den Tisch rüber geschlittert. Und der guckte mich kurz an, hat aber dann das genommen, hat sich das angeguckt, hat gesagt, nicht schlecht, wir melden uns. Jetzt habe ich gedacht, naja gut, was will man erwarten. Aber zwei Wochen später haben sie sich tatsächlich gemeldet. Michael Bohne war dann der Kontakt. Beim Frank hatte ich das Vorstellungsgespräch. Und er hat gesagt, komm mal vorbei, die hat einen richtigen Scheißjob für mich. Die Arbeit für jemanden, der seine Mutter erschlagen hat. Die haben damals der Planer gemacht und haben die Videoaufnahmen vermurkst. Und die Menschen, die sie aufgezeichnet hatten, hatten alle so eine blaue Aura. Und sie wollten sie vorne in den Hintergrund packen. Und es störte, also musste die blaue Aura weg. Und ich wollte die in jedem Frame auspixeln.
Chris:
[6:51] Wow.
Mike Hoge:
[6:52] Und ich habe aber dann Automatismus erfunden gehabt, mit zwei Programmen nacheinander drüber laufen lassen, wie ich das Ding fast selbstständig sozusagen bereinigen kann. Und da hat das irgendwie nach sechs Wochen durch. Das waren diverse Videos. Und da war ich für drei Monate angeheuert. Nach sechs Wochen bin ich dann irgendwie zu Markus gegangen, der damals der Geschäftsführer war, und habe zu dem gesagt, du, ich bin fertig. Ich gehe jetzt noch sechs Wochen die Eier schaukeln oder du sagst mir was anderes, was ich machen kann. Und dann guckte der mich an und sagte, eigentlich haben wir von oben Einstellungen gestoppt, aber für dich finden wir noch irgendwie ein Plätzchen. Und dann bin ich da reingerutscht. Tom ist, glaube ich, kurze Zeit später dazu gekommen, oder warst du vorher schon da? Ich erinnere mich nicht mehr.
Tom Putzki:
[7:34] Ich weiß es auch nicht, aber ich meine, du hast schon drüben gesessen, als ich da das erste Mal reinschneite.
Mike Hoge:
[7:40] Ja, ich meine auch, du wirst kurz nach mir gekommen. Apropos, steuert es euch, wenn ich rauche?
Tom Putzki:
[7:45] Ja, weil ich will auch rauchen.
Chris:
[7:49] Alles gut.
Gunnar:
[7:50] Ihr habt ja beide da mit diesem Antrieb gehabt, in die Branche zu kommen und dann halt eine Gelegenheit gefunden, zufällig in der Nähe, was ja ein seltenes Privileg ist, glaube ich, in Deutschland. Ja, es ist ja nicht so, dass hier die Entwickler auf den Bäumen wachsen. Was hat euch denn so angetrieben? Also habt ihr C64-Spiele gespielt zu der Zeit? Wie irre? Habt ihr einen Freundeskreis gehabt, in dem das schon irgendwie hoch herging? Wart ihr die einzigen Nerds auf dem Schulhof, die Programme getauscht haben?
Tom Putzki:
[8:16] Ich glaube, in der Schule schon, ja, es war wirklich auf dem Gymnasium, da war ich schon in der Informatik-AG. Nicht, dass mir das jemals irgendwas gebracht hat, weil da wurde auf simpelste Weise programmiert und gecodet und ich bezeichne mich bis heute noch als Militanten, nicht Programmierer. Irgendwann später kam ich dann dazu, selber mir Sachen beizubringen, zu unterrichten und ja, C64 gespielt und jede Menge, also Elite, Kaiser, Hanse und all sowas. Und meinen ersten Rechner, ich weiß gar nicht mehr, wann ich den hatte. Es war schon wirklich viele Jahre früher, bevor ich in diese Games-Branche gekommen bin. Naja, ich habe halt immer Spiele gespielt und habe mich damit sehr intensiv auseinandergesetzt. Aber ich hatte auch eine wahnsinnige Affinität zu Brettspielen und Rollenspielen, Pen & Papers. Und last but not least bin ich auch in Gewandung mit dem Latex-Schwert durch den Wald gelaufen und habe Orks verprügelt. Also bei Lab-Aktionen, Live-Adventure-Road-Playing-Game.
Mike Hoge:
[9:21] Mit eurer Klicke, ne? Deiner Vierer-Klicke, deine Wilde.
Tom Putzki:
[9:25] Ja.
Mike Hoge:
[9:26] Das war ein geiles Team. Da war auch ein Chirurg dabei, der hat, glaube ich, immer Neid und Faden dabei, falls mal irgendwie Not am Mann war.
Tom Putzki:
[9:33] Absolut.
Gunnar:
[9:34] Maik, wie war es bei dir? Hast du schon früher selber kleine Sachen gemacht oder nur gespielt bis zu der Anstellung da?
Mike Hoge:
[9:41] Also gespielt habe ich meistens bei Freunden am Anfang in der Kindheit, weil meine Eltern nicht wollten, dass ich einen Rechner bekomme. Mir ist nicht hundertprozentig genau klar, warum. Es war auf jeden Fall eine schlechte Sache. Computer waren damals böse. Wenn man Computer hatte, dann war man blasspicklig, saß im Keller und hat keine Nachkommen gezeugt. Und der Familiennamen ist ausgestorben. Irgendwie sowas um den Dreh. Also habe ich keinen Computer gekriegt. Und mein Onkel, der Bruder meines Vaters, der meinte wohl, der Junge braucht einen Computer und kam irgendwann und hat mir einen geschenkt. Also ein Spektra Video, japanisches Modell, glaube ich, ZX80 Prozessor. Es gab auf dem deutschen Markt sagenhafte drei Spiele. Als ich sie durchgespielt hatte, gab es halt keine Spiele mehr auf dem Computer. Das fand ich blöd. Aber er hatte mir in Weisheit Voraussicht ein Buch geschenkt, wie man programmiert. Und dann habe ich mir das geschnappt mit zwölf. Und dann habe ich angefangen, meine ersten Programme zu schreiben. Und dann habe ich angefangen, tatsächlich mein erstes Spiel zu programmieren und hatte das Spiel so weit, dass ich eine Figur mit einem Joystick über einen Bildschirm lenken konnte. Mit 0 und 1 Bitmasken im Code habe ich die Animationsframes der Grafik definiert. Und eine wunderschöne Animation von einem Unterkörper, 16×16 Pixel, wo sich die Beine so durchs Bild bewegen. Und den Oberkörper wollte ich als nächstes machen, da war ich out of memory. Das nur 32K hatte das Ding. Das ist mein erstes geplatztes Projekt.
Mike Hoge:
[11:02] Dann gab es als nächstes, bei der Konfirmation habe ich mir dann selber gekauft, den Commodore Amiga. Wie alt war ich da? 16, glaube ich. 1.000 Mark hatte ich damals für ein Amiga 500 mit Speichererweiterung. Mein Vater hat noch einen Monitor oben drauf gelegt. Er hat dann gedacht, okay, der Junge meint es ernst. Man soll auch einen 50-Monitor haben. Dann hatte ich dann einen wunderschönen Amiga stehen mit Farbmonitor. Und back in the day hat man gedacht, das ist ja Wahnsinn, die Grafik. Guck dir das an. Diese vielen Farben, das sieht ja aus wie ein Foto, das sieht ja aus wie echt. Ich weiß noch die Begeisterung dafür. Und da habe ich dann jede Menge gezockt. Und ja, da gab es Spiele ohne Ende auf dem Amiga, teilweise aus dubiosen Quellen. Ja, das war so mein Einstieg in die Computerspielebranche. Da habe ich dann auch mit Deluxe Paint weiter Grafiken gemacht, habe Animationen gemacht und so weiter, etc. Und das hat mir so ein bisschen die Tür geöffnet. Die erste Firma, da habe ich ja gerade schon von erzählt.
Chris:
[11:57] Jetzt sind wir bei Greenwood ja noch. Und Greenwood ist noch weit weg von Rollenspielen, sondern ist in der Zeit erst mal für Wirtschaftssimulationen bekannt. Also die Planerserie, das Amt, MAD-TV 2. Was habt ihr denn gemacht bei Greenwood?
Tom Putzki:
[12:11] Naja, bei mir geht es schneller. Ich war ja wie gesagt gerade frischer Zwei-Monats-Praktikant und derjenige, der sich meiner angenommen hat, war ein Herr namens Carsten Schwede, ein ehemaliger Bergmann, der auf Computerspieleentwickler und Grafiker umgeschult hat, als immer mehr Zechen im Robot geschlossen wurden. Und der hat mir versucht, den Umgang mit 3D-Modeling und Animationsprogrammen näher zu bringen und beizubringen. Und von Frank, der damals das Vorstellungsgespräch mit Mike gemacht hat, bekam ich dann die Aufgabe, die Außenhaut eines Raumschiffs zu modellieren. Sehr detailliert. Weil Greenwood hatte zum ersten Mal ein bisschen Geld in die Hand bekommen durch Investoren, die 60 Prozent oder sowas von Greenwood übernommen hatten. Das war damals die Funsoft-Gruppe. Und durch dieses frische Geld sollten jetzt zum ersten Mal Projekte stattfinden, die sich eben von den animierten Excel-Tabellen der Wirtschaftssimulationen, die bis dato am Start waren, so ein bisschen abgehoben haben. Und die zwei Produkte oder Projekte, die darunter fielen, waren DOG, DOG und wie hieß das BattleTech-Dingen?
Mike Hoge:
[13:29] Metalizer.
Tom Putzki:
[13:30] Metalizer, genau. Das war ein BattleTech-Klon mit dem Originalregelwerk von BattleTech drunter, ohne dass die Lizenz vorhanden war. Und es wurden Videos wie verrückt gedreht dafür mit echten Schauspielern. Alles sehr, sehr teuer und daran habe ich dann so hauptsächlich rumgebastelt. Bei Planer war ich auch noch ein bisschen dabei und so weiter. Aber ich habe mich vor allem damit beschäftigt.
Mike Hoge:
[13:58] Binge mir ähnlich. Ich glaube auch von den Jungs wäre keiner auf die Idee gekommen, sowas Wahnsinniges wie ein Rollenspiel anzufangen. Da mussten dann die Mad Scientists her, eine Oldenburger Programmierergruppe, drei Studenten, die sind da hingekommen mit ihrer Finster-Engine und haben so einen Ultima-Underworld-Klon. First Person war das, glaube ich, damals. First Person RPG, die hatten ihre eigene Engine geschrieben. War ganz nice, aber nicht ganz das, was wir im Sinn hatten. Weil Narko Shea hat dann damals irgendwie gesagt, ja, wir haben jetzt hier die Jungs, die haben diese Engine da, die haben das mitgebracht. Guckt euch das mal an. Und ich weiß nicht, wir hatten für sowas oder für diese Art von Spiel keinen Game-Designer damals. Würde ich mal sagen. Da habe ich mich dann drauf gestürzt. Da habe ich gesagt, ich mache das.
Mike Hoge:
[14:43] Und auch natürlich null Erfahrung gehabt. Und als erstes ein fettes Rollenspiel machen. Und die Finster Engine war halt nur indoor, wie Ultima Underworld-Shirt. Da konnte man durch irgendwelche Dungeons gehen. Und ich habe gedacht, das muss doch größer werden. Das muss doch so ein bisschen eher so wie Ultima werden. Mit einer Oberwelt und 3D-Figuren. Und am besten auch gar nicht First Person, sondern Third Person. So wie Ultima. Ja, das wäre schön. So machen wir es. Jungs, wir müssen die Engine nochmal machen. Was, bist du wahnsinnig? Weißt du, wie viel Arbeit wir da reingesteckt haben? Ja, aber ich meine, überleg doch mal, was meinst du, dass das für ein geiles Spiel wird? Bla, bla, bla, bla, bla. Lange Rede, kurzer Sinn. Die Mad Scientists kam und das Spiel wurde from scratch neu entwickelt. Die komplette Engine. Und ich kann das nur so erklären, dass alle Leute, die da beteiligt waren, keine Ahnung hatten, auf was sie sich einlassen. Und ja, Abfahrt.
Chris:
[15:34] Nochmal kurz, wie muss ich mir denn das vorstellen? Also diese drei Studenten, die sich Mad Scientists nennen, haben ihre Engine, ihr Rollenspielprojekt und Pitchen des Publishern. Kommen damit auch zu Greenwood. Die kamen ja nicht zu euch spezifisch. Ihr wart ja Grafiker irgendwo da im Team, oder? Wie landet das Ganze denn eigentlich dann bei euch?
Mike Hoge:
[15:51] Scheint jemand der Meinung gewesen zu sein, wir können das gut beurteilen.
Tom Putzki:
[15:58] Sagen wir es einfach mal so, das Team war überschaubar. Also wie gesagt, ich meine, zu diesem Zeitpunkt waren es so 15, 16 Leute. Mike sagt 20, lass es irgendwo dazwischen liegen. Es gab zwei große Developerbüros und dann so ein paar kleine, wo die Firmenführung saß oder sowas. Das heißt, wenn da jemand kam und irgendwas gezeigt hatte, dann hat man das eh mitgekriegt. Aber Beispiel, wir hatten gerade dieses Metalizer. Da war ich irgendwie in das Team involviert, Und habe die Missionen designt und später dann auch die Level. Umgesetzt hat sie jemand anders, aber ich habe sie schön wacker aufgemalt und mir ausgedacht, wie was funktionieren soll und so weiter. Blabla. Also das war aber eigentlich meine Aufgabe an diesem Projekt Metalizer, diesem Battle-Tech-Klon. So, der Projektleiter hat aber in den Sack gehauen vor der Fertigstellung des Projektes und hat das Unternehmen verlassen. Und um das Ding, was ja ein teures Projekt war, fertig zu kriegen, musste da jetzt jemand Neues ran.
Tom Putzki:
[17:03] Und komischerweise war ich der Einzige in der gesamten Firma, der sich mit dem Battletech-Universum auskannte. Weil ich habe da vorne in meinem Bücherregal immer noch 50 plus Battletech-Romane. Ich habe sämtliche Mech-Warrior-Spiele gespielt, die es auf dem PC gab. Ich habe das Pen & Paper-Rollenspiel gespielt. Ich habe mir die Zinnfiguren angemalt, also Zinn, Mechs und habe das Brettspiel gespielt. Das heißt, ich war der einzige Experte im ganzen Haus für das Battletech-Universum und schwupp war ich der neue Projektleiter. So ist man da an Jobs gekommen.
Mike Hoge:
[17:40] Genau, ich habe auch noch eine Sache unterschlagen. Und zwar, das war das Timing, ja, zu dem Zeitpunkt, an dem die MedScientists kamen, also das Programmiererteam, das fiel in die Phase, wo Greenwood auch pleite ging. Das war so ein Jahr, nachdem ich da angefangen habe. Die haben sich auf jeden Fall aufgelöst. Ich weiß nicht, ob die wirklich pleite waren, aber auf jeden Fall, die Firma löste sich auf und die MedScientists kamen zu einem Zeitpunkt, wo da eigentlich gar keiner mehr irgendwelche Deals machen konnte, aber da wir da mit mehreren Leuten mehr oder weniger auf der Straße standen und uns überlegen mussten, was wir als nächstes machen und dann auch noch ein paar gute Leute am Start hatten, die zeitgleich auf Arbeitssuche waren und ich jetzt zum zweiten Mal mitbekommen habe, wie innerhalb kürzester Zeit eine Firma pleite geht, habe ich mir zumindest für meinen Teil gedacht, Firma pleite gehen lassen und das Ganze selber. Und dann haben wir uns zusammengeschlossen, der Tom Putzki, meine Wenigkeit, Stefan Juhl und Alex Brüggemann und Markus Schärmer als Stiller Teilhaber, der Geschäftsführer von Greenwood. Und die hat uns da ein bisschen Startkapital gegeben, ein bisschen viel sogar, ich glaube, das waren so 200.000, 300.000. Die hat er da reingesteckt und wir haben gesagt, wir machen jetzt das Spiel mit den MedScientists zusammen. Die MedScientists wollten nicht mit uns gemeinsam die Firma aufmachen. Die wollten eine selbstständige Gruppe bleiben. Fair enough. Also waren wir zu viert in Bochum und drei Oldenburger Programmierer und das waren die Anfänger. Das war sozusagen der Grundstein, der Startschuss für die Gothic-Produktion.
Chris:
[19:09] Wir sind jetzt hier, um das nochmal kurz zu sagen, Ende 1997, wenn ich das richtig im Kopf habe.
Mike Hoge:
[19:15] Korrekt, ganz genau.
Chris:
[19:17] Noch kurz, die beiden anderen, die ja noch mit dabei waren, die du gerade schon erwähnt hast, Mike, nämlich der Alex Brüggemann und der Stefan Nühl, die kommen ja auch von Greenwood, wenn ich das richtig im Kopf habe. Was haben die für einen Hintergrund? Wo kommen die her? Was haben die gemacht?
Tom Putzki:
[19:30] Das ist absolut richtig, ja. Also Alex war auch aus dem Art-Bereich, allerdings eher im Animationspaar zu Hause, soweit ich mich entsprechend entsinne, während Stefan der Einzige von uns war, der ernsthaft programmieren konnte.
Mike Hoge:
[19:45] War der nicht auch irgendwie Offizier beim Bund?
Tom Putzki:
[19:47] Der hat auf jeden Fall an der Bundeswehr-Uni studiert. In München, soweit ich das richtig im Kopf habe. Ich meine, das habe ich ja auch mal gemacht, nur in Hamburg. Aber Stefan hat das Studium beendet, ich nicht. Und war dann als Programmiererfahrener auch Projektleiter, bla, sowas in der Richtung. Naja, was uns vier irgendwie einte, war Liebe zu Rollenspielen. Das auf jeden Fall. Weil das mochten wir irgendwie alle. Und wie Mike gerade schon gesagt hat, Greenwood Entertainment hat sich halt den Wohlgefallen aufgelöst. Und wir haben irgendwie ein ganzes Wochenende in dem Konfraum, da im Glockengarten, zugebracht und überlegt mit allen Mannen, was, wo, wie. Und dann haben sich halt verschiedene Grüppchen für verschiedene neue Firmen gefunden. Und das waren einmal dann Piranha-Balds mit uns vieren. Das war Better Day Communications, Bohnen und sowas, erinnerst du dich, die den Gnav gemacht haben. The Art Department, die sich wieder auf Werbespiele gestürzt haben und wo dann im Laufe der nächsten ein, zwei Jahre das Moron rauskam.
Mike Hoge:
[20:58] Effective Media.
Tom Putzki:
[20:59] Effective Media, wenn man es wirklich so sieht, die solideste und am Markt erfolgreichste und gefestigte Firma, weil die sind heute immer noch topnotch im Bereich Lokalisierung. Also wenn du bei denen auf die Webseite gehst, effectivemedia.de, und schaust, was die in ihren Referenzlisten für Titel, für Publisher, für Marken haben, da wird die einfach nur schwindelig.
Chris:
[21:22] Und eure Vierergruppe, wie muss ich mir das vorstellen? War das dann eher so eine Zweckgemeinschaft? Wir stehen alle auf der Straße, wir müssen uns irgendwie zusammentun. Oder wart ihr Freunde?
Mike Hoge:
[21:33] Nee, also wir waren Kollegen, wir waren schon gute Kollegen. Man hat sich auch mal irgendwie in Bochum getroffen oder so, aber richtige enge Freundschaft hatten wir nicht auf jeden Fall. Wir waren in erster Linie Arbeitskollegen, aber gute Kollegen.
Tom Putzki:
[21:46] Stimmt, aber ich würde schon sagen, dass beim einen oder anderen dahinter eine Freundschaft bei rauskam.
Mike Hoge:
[21:51] Ja, na klar, aber zu der Zeit…
Tom Putzki:
[21:54] Waren wir gute Kollegen, klar.
Mike Hoge:
[21:56] Waren wir gute Kollegen, so. Und vielleicht nochmal, ich bin da gerade so ein bisschen spielerisch drüber weggegangen.
Mike Hoge:
[22:01] Es war natürlich eine Ernsthaftigkeit auch dabei. Wir waren alle semi-professionell, das habe ich, glaube ich, gerade mir als klar gemacht. Aber man hat sich schon überlegt, okay, was machen wir hier eigentlich? Wie sind die Verkaufschancen und so weiter, etc. Zu der Zeit gab es ein Diablo, das kam gerade raus. Und lange, lange Zeit war der Rollenspielmarkt tot gewesen. Also Rollenspiel war eigentlich a thing from the past. Keiner hat das zu der Zeit mehr gemacht.
Chris:
[22:23] Das war ja noch vor Baldur’s Gate, was das Revival dann einleitet.
Mike Hoge:
[22:27] Ja, Diablo war seit Ewigkeiten das erste Mal, dass sich wieder einer an das RPG-Thema angetraut hat. Mega erfolgreich gewesen. Und dann habe ich gedacht, na gut.
Tom Putzki:
[22:35] Richtig. Und es hat ja auch tierisch Spaß gemacht. Wir haben es ja auch gezockt.
Mike Hoge:
[22:38] Ja.
Tom Putzki:
[22:39] Wir haben es ja gezockt, wie die Bekloppten. Und das kam 96 raus, wenn ich das richtig im Kopf habe. Da du Ultima erwähnt hast, also dass Ultima 9 rauskam, war 99, zwei Jahre später, ne?
Chris:
[22:51] Genau.
Tom Putzki:
[22:52] Also am Rollenspielmarkt war überhaupt nichts los. Überhaupt nichts.
Mike Hoge:
[22:56] Was ein Grund war, es zu machen. Jo, einer der Gründe.
Gunnar:
[23:00] Aber wenn ich das richtig verstehe, dann ist das aber jetzt so eine Art opportunistisches Projekt um diese Oldenburger Engine rum. Das ist jetzt doch zustande gekommen, diese Vierergruppe auch in der Konstellation, weil ihr dachtet, geil, Rollenspiele wollen wir machen. Und wir haben jetzt die Engine von den Oldenburgern, auf der wir aufbauen können. Das war von Anfang an um diese Idee rumgestrickt. Ihr wolltet nicht irgendwas anderes noch machen.
Mike Hoge:
[23:23] Kann ich so unterschreiben, ja. Das ist ein opportunistisches Projekt, auf jeden Fall.
Tom Putzki:
[23:28] Absolut.
Gunnar:
[23:28] Das klingt jetzt immer ein bisschen fies, aber ein Projekt, das aus der Gelegenheit entstanden ist, weil die Oldenburger da waren, ne? Ja, genau.
Mike Hoge:
[23:34] Natürlich, ja. Kann man so sagen, ja. Wobei das Design für das Spiel selber ist ja dann from scratch gemacht worden, ne? Aber überhaupt die Möglichkeit zu haben, Programmiererteam zu haben, von Leuten, die Bock haben. Und dann hast du auf einmal sieben Leute, die dasselbe wollen. Das hat ja eine Dynamik. Also darauf sind wir alle aufgesprungen, glaube ich, als Glaube daran, das kann funktionieren. Keiner wusste genau, wie es aussieht, aber alle hatten Bock.
Gunnar:
[23:59] Und die Oldenburger, waren die alle Freelancer sozusagen dann für die neu entstehende Piranha Bytes? Oder war das eine eigene Firma, die euch Rechnungen gestellt hat als Firma?
Mike Hoge:
[24:08] Ich glaube, das war eine GbR sogar.
Tom Putzki:
[24:09] Ja, die MedScientists haben sich dann auch irgendwie für die Vertragsbildung und sowas zusammengeschlossen, in einer rechten Form. Und naja, ich finde ziemlich, wir sind ja öfter mal hochgefahren und haben mit den Jungs gequatscht oder die sind zu uns gekommen. Wir mussten dann nach Oldenburg. Also die MedScientists selber waren auch noch aufgeteilt. Das heißt, zwei waren in Oldenburg, wenn man hier alles täuscht, und einer in Cuxhaven. Cuxhaven oder Bremerhaven, weißt du das noch?
Mike Hoge:
[24:38] Oh.
Tom Putzki:
[24:39] Naja, irgendetwas mit Hafen oben an der Küste.
Mike Hoge:
[24:42] Ja, irgendwo da. Bremerhaven, glaube ich.
Tom Putzki:
[24:45] Und das war schon anspruchsvoll. Auch die Kommunikation war anspruchsvoll.
Chris:
[24:51] Da kommen wir gleich noch mal drauf zurück, wie die Entwicklungsumgebung dann war, wie ihr euch da aufgestellt habt. Ich würde noch mal kurz schnell zu dieser Grundidee zurückkommen, weil, Mike, du hattest ja gerade schon gesagt, du hast deinen Mad Scientist quasi mitgegeben, so, Engine, bitte neu. Und du sagtest ja schon, wir brauchen eine Oberwelt, wir möchten das Ganze offener gestalten. Und diese ursprünglichen Vorstellungen eures Rollenspiels, Wie viel vom späteren Gothic ist denn da eigentlich schon drin? Oder reden wir da eher von einer Art Diablo-Variante oder sowas?
Mike Hoge:
[25:20] Nee, nee, nee, nee. Das hat sich schon, also in meiner Vorstellung auf jeden Fall, immer in Richtung Ultima bewegt. Das sollte eine simulierte Welt sein. Was mich an Ultima damals begeistert hat, kann man heutzutage vielleicht sperr nachvollziehen, wenn man das Ding nochmal anschmeißt, weil es dann vielleicht auch nicht so gut gealtert ist. Aber zu der Zeit auf jeden Fall.
Gunnar:
[25:39] Entschuldigung, von welchem Ultima sprichst du, wenn du Ultima sagst?
Mike Hoge:
[25:42] Ich würde mal so sagen, so Teil 6 als Referenz.
Gunnar:
[25:46] Ah, 6, okay.
Mike Hoge:
[25:47] Da hat man halt eine Welt mit Charakteren, die Tagesabläufe haben, die gehen ins Bett, die arbeiten, die produzieren ihren Quatsch. Du hast Partyfreunde, die du schon aus den vorherigen Teilen kennst. Du hast irgendeine Art von Beziehung zu den Charakteren, die über einen bloßen Questgeber hinausgeht. So, in meiner Welt zumindest war das so. Und das fand ich daran faszinierend. Es sollte schon eine lebendige Welt werden.
Mike Hoge:
[26:13] Und der Grundgedanke war schnell klar, es muss was Kleineres werden. Dimensionen wie Ultima schaffen wir nicht. Es muss eine beschränkte Welt sein. Und dann kommt die erste Idee, wir machen das auf einer Insel. Und dann denkt man ja gut, okay, Insel, das ist so naheliegend, was gibt es noch für andere Möglichkeiten, das zu designen? Wir können natürlich auch eine magische Barriere drum packen. Ja, okay, magische Barriere, schön und gut, aber warum soll die da sein? Die muss ja irgendwie in die Welt integriert sein. Es muss ja alles irgendwie plausibel sein und Hand und Fuß haben. Da muss ja irgendwie was dafür verantwortlich gewesen sein, dass das Ding da ist. Und dann stimmt man sich so von Punkt zu Punkt und irgendwann, habe ich immer gesagt, erzählt sich die Geschichte selbst sogar am Ende, wenn man die ganzen Notwendigkeiten nimmt und daraus sozusagen den Rahmen strickt.
Tom Putzki:
[26:59] Ich habe nur daran gedacht, dass wir dann auch einige Inspirationen für die Barriere und so weiter und für die ganze Story dann auch aus Hollywood sozusagen übernommen haben, sprich die Klapperschlange. Snake Plissken, gespielt von Kurt Russell, ganz Manhattan ist ein Gefängnis, es ist eine Mauer drum, es sind keine Wächter drin im Gefängnis, Straftäter werden reingeschmissen und vergessen. Klingt vertraut irgendwie, so magische Barriere und sowas.
Chris:
[27:29] Du sagtest vorhin auch schon, Mike, die ursprüngliche Engine, diese finste Engine, war eine Ego-Perspektiven-Engine, wie bei Ultima Underworld. Und eine der Änderungen, die ja dann für Gothic kam, war Third Person. Warum eigentlich?
Mike Hoge:
[27:41] Warum Third Person? Ich glaube, dass das eine, oh, das ist so lange her, sollte was mit dem Kampfsystem zu tun gehabt haben, würde ich mal vermuten. Ja, dass wir ein Kampfsystem hinkriegen, wo du irgendwie mit Spertern kämpfen kannst und die ganze Geschichte irgendwie gut im Griff hast. Und das war, glaube ich, vielversprechender, einen Third-Person umzusetzen. Aber wie gesagt, das war ja irgendwie die Ultima-Idee. Man lenkt halt ein Männchen durch die Gegend. Und das war ja so ein bisschen das Grundthema dabei. Und das war dann übersetzt in 3D eben ein Verlössenspiel.
Tom Putzki:
[28:18] Ich kann mich noch ganz gut daran erinnern, dass uns immer, vor allem dir, extrem wichtig war, das Visivik-Prinzip umzusetzen. Dass das so eine Vision war, die sich durchgezogen hat. What you see is what you get. Und das kannst du am besten einfach darstellen, indem du die ganze Zeit deine Figur im Blick hast. Indem du siehst, was sie macht.
Mike Hoge:
[28:43] Stimmt. Es ging ja auch darum, die Kleidung der Figur sollte eine Rolle spielen. Man sollte sehen, wie man stärker wird. Idealerweise hätten wir die Figur noch ein bisschen breiter skaliert, wenn man mehr Stärke kriegt und so. Da gab es einige lustige Ideen, die es nicht alle ins Spiel geschafft haben. Aber ja, genau, richtig, das ist auch ein Punkt.
Tom Putzki:
[29:01] Das war auf jeden Fall ganz entscheidend für uns. Wir wollten eben einfach dem Spieler klar machen, guck auf alles und dann weißt du, worum es geht. Am Anfang bist du eine Pünte und kannst nichts. Und so siehst du auch aus. Du hast nur Lumpen an und so weiter und so weiter. In anderen Spielen hast du dann Levelaufstieg und musst dann anfangen, Punkte zu verteilen oder jada, jada, jada zu machen. Das war der übliche Kram. Wir wollten, dass es sofort sichtbar ist, dass sich was tut. Wir wollten, dass du sehen konntest, Wie du besser wirst mit dem Schwert, wie du andere Animationen hast mit Schwert oder setze Schwert für irgendeine andere Waffe. Wir wollten, dass du den Fortschritt siehst und zwar immer. Wir wollten, dass du jederzeit die Kamera auf deinem Charakter hast, damit du die Veränderung siehst, damit du die Welt auch gut sehen kannst, damit du einfach dich daran erfreuen kannst, dass du, wenn du stärker wirst, hast du auch bessere Klamotten an, geilere Teile. du hast Spaß. Dieses Visivik-Prinzip hat sich bei uns wirklich wie ein roter Faden so durchgezogen.
Mike Hoge:
[30:13] Ja, die erste Version des Designs kam auch ohne Punktesystem aus, wenn du dich erinnerst. Da gab es sowas gar nicht. Du bist dann zu einem Typen gegangen, der hat gesagt, ich bring dir das bei, wie das besser geht und hast dann die Quest geschafft, der hat dir das Geheimnis des Schwertkampfes verraten, das ist die bessere Animation, fertig. Da war kein Charakter-Screen, wo drin stand Schwertkampf Stufe 1 oder Stufe 2. Das war alles einfach im Game drin. So ein bisschen Zelda-Style rückwirkend betrachtet, obwohl das ein Spiel war, was ich damals gar nicht gespielt hatte, aber so eher in die Richtung. Das haben wir dann hinterher verworfen, weil ich einfach gemerkt habe, was für eine Macht dieses Punktesystem hat und das einfach auf dem Bildschirm steht, 100 Erfahrungspunkte erhalten. Das darunterliegende Punktesystem sollte gar nicht so offensichtlich ins Spiel integriert werden am Anfang nicht. Die Entscheidung kam mir später.
Tom Putzki:
[31:01] Und ich meine, das wird ja auch heute noch Gothic 1 als absolut positives Feature nachgetragen, dass die Immersion in die Welt, die auch noch wirklich lebendig wirkt, dass die selten durch solche Geschichten wie so, jetzt musst du deinen Stufenaufstieg machen und möglichst viele verschiedene Fenster, Layer, Windows und so weiter, die eigentlich das Spielerlebnis stören. Und das haben wir versucht, so ein bisschen in den Hintergrund zu packen.
Mike Hoge:
[31:33] Haben wir ja auch. Also wir haben es ja sehr schlank gehalten.
Gunnar:
[31:37] War das eine bewusste Abgrenzung gegen irgendein anderes Spiel? Also du hast ja Ultima mehrfach jetzt als Beispiel genannt. Das ist ja schon ein Spiel, wo man die Zahlen auch sieht.
Mike Hoge:
[31:46] Ja, bei Ultima war es ja auch so. Die hatten ja auch ein sehr schlankes Rollenspielsystem. Ich glaube, da gibt es auch nur drei, vier Attributswerte und viel mehr gibt es da nicht. Dann hast du noch so eine Art Magiekreis, den du lernen kannst oder sowas. Und hast deine Rune, mit denen machst du deine Sprüche und deine Zauberzutaten. Und ich weiß nicht, was so, das ist ja in Ventafrique leider. Und das ist ja nicht wirklich ein Charakterscreen in dem Sinne.
Tom Putzki:
[32:07] Richtig. Aber nicht zu vergessen auch die Reputation bei Ultima. Dein Ruf in der Welt. Und das hat uns auch so ein bisschen inspiriert. Das ist überhaupt keine Frage. Wir wollten ja auch etwas schaffen, wo sich deine Taten in der Welt rumsprechen, um dem Ganzen einfach einen noch glaubwürdigeren Anstrich in dieser Welt zu geben. Dass wir wirklich die Vorstellung hatten, du tust was, das wirft praktisch einen Stein in den See und die Info von deiner Tat, die geht einfach weiter, wie das mit den Wasserwellen.
Mike Hoge:
[32:41] Das haben wir gemacht, das haben wir gemacht. Wir haben es sogar eingebaut. Ein Nachrichtenverbreitungssystem, wenn du Scheiße gebaut hattest, das führte dann aber dazu, dass irgendwer gekommen ist und dir aufs Maul hauen wollte und du wusstest gar nicht, warum. Das ist auch für den Spieler nicht nachvollziehbar. Wir haben dann gemerkt, dass eine direkte Reaktion der NPCs gut ist und ein bisschen eine kleine Prise davon, dass sie jetzt irgendwie merken, wenn du dir einen Kollegen ermordet hast oder so, das hast du dir wohl noch gemerkt. Aber wenn du da irgendwo einen Apfel vom Tisch genommen hast und du gehst ja später durchs alte Lager und dann kommt irgendwer empört auf dich zu und will dich verdreschen, hat der Spieler überhaupt keinen Bezug mehr dazu. Er hat so viel Kram eingesammelt, er erinnert sich gar nicht mehr an diesen böden Apfel. Dann nützt das ganze System nicht.
Tom Putzki:
[33:22] Aber auf der anderen Seite war uns auch klar, das war auch sehr, sehr wichtig, wir wollten ja keine nette, freundliche Blümchen- und Bienchen-Fantasy-Welt schaffen. Und wir wollten ja keine kuschelnden Elfen, sondern es war eben von vornherein klar, wir wollten etwas hinkriegen. Da hat der Ruhrpott natürlich auch stark unterstützt, was eben offen, ehrlich aufs Maul ist. So, und wenn du dann die Situation, dass Ruhrpott mies Snake blisken, dann wird es schon interessant.
Chris:
[33:49] Das ist ein guter Punkt, weil es gibt ja nun frappierende Ähnlichkeiten zwischen euren ursprünglichen Gedanken und Ultima, wie ihr es gerade schon hergeleitet habt. Aber der deutlichste Unterschied ist dann schon, sagen wir mal, die Stimmung des Spiels. Ultima ist ja doch eine eher helle und freundliche Fantasy. Upper-Class-Fantasy, würde ich fast sagen, hier mit Lord British und sowas. Und bei euch sind wir ja eher in der Working-Class-Fantasy dann. Also, du sagtest gerade, Tom, das leitet sich dann aber aus euren Erfahrungen her? Oder wie muss ich mir das vorstellen?
Tom Putzki:
[34:15] Also ich bin in Gelsenkirchen geboren. Ich habe meine Kindheit und Jugend damit verbracht, wie heißt so schön im Pott, Brikett zu Eierkohlen rumzulutschen und Heizöl zu zersägen. So, in Steinwurfweite vom Parkstadion aufgewachsen, also Schalke und bla und so weiter. und der Menschenschlag im Ruhrpott ist schon durchaus was Spezielles. Man trägt das Herz ein bisschen auf der Zunge. Du kannst dich sehr schnell unbeliebt machen. Auf der anderen Seite, wenn du ein cooler Dude bist, dann kannst du auch eine richtig gute Zeit haben. Die Menschen sind in der Regel nicht hintenrum, sondern sie sagen offen und ehrlich, dass ihnen deine Fresse nicht blickt.
Mike Hoge:
[35:00] Da ist schon was dran, ja.
Tom Putzki:
[35:02] Ja.
Mike Hoge:
[35:03] Ich habe da über 20 Jahre gerne gelebt.
Chris:
[35:05] Das Interessante aus meiner Perspektive ist, dass viele von diesen inhaltlichen Sachen, die ihr geschildert habt, sich herleiten aus der Erfahrung mit Ultima, aus der Spielerfahrung, und das aber nicht. Also hier findet eine Abgrenzung statt. Ich meine, wir haben vorhin schon Diablo genannt. Das ist ja auch eher eine dark fantasy, das ist ja eine düstere Welt. War das ein Einfluss?
Mike Hoge:
[35:26] Es ging um Klausibilität. Es ging einfach darum, eine lebendige Welt zu erschaffen. Eine, die ich glaube. Wenn ich als Designer mir das vorstelle, du gehst durch das Spiel und einer sagt zu mir, ach, eure Durchlauchtigkeit, die Elfen und die Zwerge sind sich graben. Weißt du, dann, ja, okay, kann ich nicht so einsteigen. Zieht mich nicht so rein wie, wenn du jetzt hier zum falschen Lager gehst, dann fiechst du was aufs Maul. Das ist eine andere Ansage und eine direktere Beziehung und eine modernere Sprache auch. Und da haben wir drauf gezielt. Wir wollten so ein bisschen weg von diesem Verstaubten. Wir wollten ein bisschen was machen, was ein bisschen frischer ist, was ein bisschen Greifbares ist, was die Leute mehr abholt. Also, glaube ich, so für mich.
Tom Putzki:
[36:10] Wir wollten auch was Offenes und Ehrliches machen. Vielleicht ein Beispiel. Ich weiß nicht, ob dich daran erinnerst, Mike. Wir haben eine Idee mal gehabt für einen ersten Teaser-Trailer für Gothic. Der ist nie umgesetzt worden, aber ich finde es immer noch richtig großartig. Wir hatten uns eine wunderbare Waldlichtung vorgestellt. Voller hervorragender, schöner, bunter Blumen. Die Sonne strahlt drauf und eine kleine Elfe, so a.k.a. Tinkerbell, flattert fröhlich, pfeifend, lustig von Blüte zu Blüte und ist glücklich und alles ist schön und die Vöglein zwitschern, die Sonne scheint und von oben kommt ein dreckiger, verschmierter, lehmbeschmutzter Springerstiefel und tritt die Elfe platt und dann kommt Gothic. So, das war unsere Vorstellung. Das war unsere Marschrichtung.
Chris:
[37:08] Sehr schön.
Mike Hoge:
[37:08] Das ist aber facettenreich. Aber ein Aspekt ist auf jeden Fall, es gehörte sich damals einfach so spielhistorisch gesehen, wenn du ein Rollenspiel gemacht hast, hast du diese geschwurbelte Sprache benutzt.
Tom Putzki:
[37:19] High Fantasy, ja.
Mike Hoge:
[37:21] Das gehörte sich so. Damals war es so. Und das war ein Bruch damit, ein bewusster Bruch.
Gunnar:
[37:26] Es gab ja auch schon Warhammer zu der Zeit mit so Anklängen in diese Art von Working-Class-Darstellung, mit ihren Orks, die so gesprochen haben, wie dein englischer Arbeiter und so. Aber das war was, was ja in Deutschland nicht so Fuß gefasst hat.
Mike Hoge:
[37:41] An mir ist es tatsächlich vorbeigegangen. Habe ich nicht gespielt zu der Zeit.
Tom Putzki:
[37:46] Ich erzähle mich an Warcraft und den kotzenden Ork, wenn man den oft genug angetippt hat. Nee, aber wir wollten uns wirklich bewusst davon abheben. Also keine High Fantasy. Das war einfach klar. Wir wollten eben was düsteres, schmutziges, dreckiges, Aber glaubhaftes schaffen.
Mike Hoge:
[38:07] Wir waren ja auch Pen-and-Paper-Rollenspieler zu der Zeit. Also wir haben ja schon mit diversen Rollenspielwelten und Systemen uns auseinandergesetzt und jetzt nicht nur DSA, was ist ich, D&D, Han Master, Call of Cthulhu, Shadowrun, was weiß ich, you name it. Alles gezockt irgendwie zu der Zeit und dann hat man natürlich auch so seine Vorlieben, man weiß, was gefällt mir, was gefällt mir nicht. Da kann man sich auch ein bisschen einsortieren aufgrund der Erfahrung. Also Einflüsse gab es viele, ja.
Tom Putzki:
[38:32] Ja, aus allen Ecken und ein bisschen Hollywood hier, ein bisschen Bücher, Literatur da, Pen-and-Paper-Rollenspiele, andere Rollenspiele. Also, wie gesagt, ich bewundere Richard Garriott und die Ultima-Reihe und vor allem dann, als das Ultima Online kam. Das hat ja nochmal die Perspektive ganz woanders hingepackt. Also, ich bin sehr, sehr froh und dankbar für das, was er der Spielewelt gegeben hat.
Chris:
[39:00] Jetzt würde ich gerne nochmal zurückspringen zu dieser Gründungszeit von Perennial Bytes. Wir haben ja jetzt über die Idee schon gesprochen, aber nochmal die Frage, wie muss ich mir denn das vorstellen? Also Greenwood ist zerfallen, es gibt diese Nachfolgefirmen und ihr müsstet ja jetzt zum Beispiel mal überlegen, okay, wo ist denn unser Büro in Zukunft? Wo gehen wir denn hin? Wo arbeiten wir? Das ist der eine Punkt und der zweite ist, ihr müsst ja auch irgendwie Rollen verteilt haben. Wer von uns vier macht denn jetzt was?
Tom Putzki:
[39:24] Genau richtig, Greenwood ist zerfallen. Die ehemaligen Chefs von Greenwood, die ihre Anteile zu 60 Prozent an die Fundsoft verkauft haben, haben ein Management-Buyout von der Fundsoft wieder gemacht. Aus rechtlichen Gründen konnte Greenwood als Firma nicht weiter bestehen. Greenwood existierte danach noch, aber nur als Label. Und deswegen gab es dann die Aufteilung der Leute in vier verschiedene Firmen mit der Idee, wir können uns doch gemeinsame Büroräumlichkeiten anschaffen. Und wir haben dann tatsächlich wieder in Bochum was gefunden, wo es dann so war, dass diese vier Firmen, die ich vorhin aufgezählt habe, Effective Media, Better Day Communications, The Art Department und Piranha Bytes drin waren. Jeder von den Firmen hatte einen eigenen größeren Büroraum und wir haben uns geteilt, die Sanitäreinrichtung, die Empfangsdame, den Empfang, die Buchhaltung, die Telefonanlage, den Server, den Meetingraum. So, also Shared Office, wenn du so willst, aber das waren eben die vier Firmen, die vorher eine Firma gewesen sind.
Mike Hoge:
[40:36] Am Bochumer Stadtpark war das?
Tom Putzki:
[40:38] Am Bochumer Stadtpark, absolut. In Laufweite von Planet. Ja, und so hat das dann einigermaßen gut funktioniert. Das heißt aber auch ganz klar, dass wir vier Hansel, die wir dann in unserem Büro saßen, uns keine großartigen Gedanken um Dinge wie Buchhaltung und sonstiges überhaupt machen mussten, weil das war da und dafür gab es halt immer noch Leute, die sich aus dem Pool der ehemaligen Greenwood-Mitarbeiter herauskristallisierten. Naja, und die Geschichte, jetzt mal abseits von Piranha Bytes, geht natürlich auch in diese Richtung weiter und führt in eine interessante, spannende und katastrophale Zukunft.
Mike Hoge:
[41:22] Bestimmt.
Chris:
[41:23] Ich komme gleich nochmal auf meine Rollenfrage zurück, aber eine Sache, die mich interessieren würde, ist, er hatte das vorhin ja auch schon den Markus Schärmehrmals erwähnt, den Geschäftsführer von Greenwood, der ja dann auch bei euch als Geldgeber investiert war. Das liest man auch immer in der Geschichten von Gothic. Aber dann verschwindet er aus der Erzählung und taucht erst wieder auf, wenn es um die Phenomedia geht und Pyrania Beitz dann in den Schoß von Phenomedia geholt wird. War das tatsächlich so?
Mike Hoge:
[41:45] Ja, stimmt ja auch.
Chris:
[41:46] Saß der aber noch mit in der Firma eigentlich?
Mike Hoge:
[41:49] Ja, ja, der war stiller Teilhaber. Der hat sich da nicht eingemischt in die Entwicklung. Der hat auch unter anderem die Namensfindung von Pyrania Beitz, hat der, glaube ich, sogar mitgewirkt. Als wir uns überlegt haben, wie wollen wir jetzt die Firma nennen?
Tom Putzki:
[42:00] Weißt du?
Mike Hoge:
[42:01] Ich meine wohl. Ich weiß noch, dass wir da diverse bescheuerte Namensvorschläge hin und her geschmissen haben. Da war Markus zum Beispiel dabei und hat auch seine Sachen da in den Ring geschmissen.
Tom Putzki:
[42:09] Na gut, das mag sein, aber…
Mike Hoge:
[42:11] Ich weiß nicht, wem ich das zuschreiben soll am Ende.
Tom Putzki:
[42:14] Ich meine, Bert ist darauf gekommen.
Mike Hoge:
[42:17] Nee, Bert ist auf Gothic gekommen.
Tom Putzki:
[42:18] Ach, stimmt. Nee, Piranha Bytes kann ich nicht sagen. Also ich weiß, dass es nicht mein Favorit war und ich dafür auch nicht abgestimmt habe. Ich weiß, zwei weitere waren irgendwas mit Pyramid und ein Vorschlag war, ich glaube, das war mein Favorit, Gorilla Games. Ich mochte das.
Mike Hoge:
[42:37] Ey, verloren in Raum und Zeit, ist auch egal. Auf jeden Fall, du hast nach der Rollenverteilung gefragt. Die Frage hat sich eigentlich nicht gestellt bei uns. Wir wussten ja, was wir können. Voneinander auch. Also es war klar, dass der Stefan Juhl die AI-Skripte macht, dass der Tom da die Levelmodel, dass der Alex da die Animationen macht und dass ich da irgendwie Grafiken mache und Story und Game Design halt, ne?
Chris:
[42:59] GmbH braucht ja auch einen Geschäftsführer.
Tom Putzki:
[43:01] Ja, das ist Stefan Juhl geworden.
Mike Hoge:
[43:03] Der Bundeswehroffizier, der verantwortungsvolle Mensch, natürlich.
Chris:
[43:09] Das war bei ihm in guten Hemden.
Tom Putzki:
[43:11] Ja, das war absolut in guten Hemden, ja.
Gunnar:
[43:15] Also ich kann mir diese ganze Situation immer noch nicht so richtig vorstellen aus dem Zerfallen der Greenwood. Also es gab diese Anteilsverkäufe und dann geht das nicht mehr so weiter und dann gründen sich da diese vier Firmen. Aber der Share ist ja bei euch beteiligt. Also das ist ja euer früherer Chef. Der steigt dann halt bei euch mit ein. Aber bei Art Department war er auch beteiligt, oder nicht? Und waren das dann alles noch so quasi Share-Greenwood-Tochterfirmen, die da entstanden sind, wo er das ein bisschen als Strippentier im Hintergrund zusammengehalten hat? Oder war das doch alles eher aus den Leuten heraus entstanden?
Mike Hoge:
[43:48] Genau, das war ein Konglomerat von unabhängigen Firmen, bei denen der Markus seine Finger drin hatte jeweils, auf gut Deutsch gesagt. Und der das auch zusammengehalten hat, der auch damals schon wohl, vermute ich, aber da habe ich gar nicht mit ihm drüber gesprochen, wir hatten unsere eigenen Probleme, im Hinterkopf hatte, das mal zusammenzuschließen und mit dem ganzen Laden an die Börse zu gehen. Als gut breit aufgestellte Multimedia-Company, die in alle Richtungen Abteilungen hat oder so. Irgendwie so eine Spinnerei dürfte damals schon bei ihm im Hinterkopf rumgeschwommen sein, würde ich vermuten, oder?
Tom Putzki:
[44:24] Ja, das denke ich auch. Wir haben uns, wie gesagt, um unseren Scheiß gekümmert.
Mike Hoge:
[44:29] Du hast auch nicht vergessen, zu der Zeit, wie alt war ich da? 24, 23, 24. Da bist du jung, da gründest du eine Firma, Firmengründung, keine Ahnung. Andere Leute haben das schon tausendmal gemacht. Marco Scherte voll die Ahnung von allem. Natürlich ränzt du dem hinterher. Der weiß Bescheid, der Mann so. Der macht dir die Türen auf, der sagt dir, wo es lang geht. Die GmbH-Gründung muss jetzt schnell gehen. Ja, dann kaufen wir eine, wie kaufen. Ich dachte, die muss man irgendwie gründen und das dauert ewig. Nee, nee, da gibt es Firmen, die haben die von einer Stange. Du kaufst einfach GmbH 7874, nennst die um, das geht alles viel schneller. Ach so, ach so, aha. Und dann lernt man, lernt man, lernt man und dann folgt man aber auch dann dementsprechend, gerade in dem Alter, das darfst du ja auch nicht vergessen.
Gunnar:
[45:14] Ja, das ist ja völlig nachvollziehbar und ihr hattet ja nur einen unter euch vier, der schon mal ein Hemd getragen hat. Okay, und dann sitzt ihr da mit den Oldenburgern, die ja nun relativ weit weg sind. Ihr vier kennt euch schon, für so eine Firma ein bisschen grafiklastig würde ich sagen, aber mei, ihr habt ja eure unterschiedlichen Fähigkeiten, jeder macht wahrscheinlich mehrere Sachen. Und dann sind da die Oldenburger. Wer hat denn mit denen Kontakt gehalten? War das dann über den Stefan als Programmierer oder dich, Mike, als Game Designer? Wie läuft denn die Zusammenarbeit jetzt von da an?
Mike Hoge:
[45:45] Das hat der Stefan gemacht, das hat mich zum Teil gemacht. Um was geht es, ist die Frage. Man arbeitet ja an verschiedenen Dingen. Programmierer arbeiten an verschiedenen Systemen, wir arbeiten an verschiedenen Designs. Da hat man sich dann eben so abgesprochen, wie es gerade nötig war. Also das ist in so einem kleinen Team nicht, glaube ich, so ganz klar strukturiert, wie du dir das jetzt vielleicht vorstellst. Das wird dann einfach das gemacht, was anliegt, von dem der es gerade entweder am besten kann oder der Zeit dafür hat.
Gunnar:
[46:12] Bei eurer Rollenaufteilung ist mir das völlig klar. Das ist ja in kleinen Teams logisch so. Die Oldenburger sind ja so eine andere Größe, finde ich. Also das ist ja dann auch eine eigene Firma, da werden ja dann Aufträge erteilt, wo es dann hinterher Rechnungen drüber gibt oder sowas oder nicht. Wie war denn das Vertragswerk mit denen gehändelt? Einfach ein Werkvertrag nach Stunden dann?
Mike Hoge:
[46:29] Das war ein Werkvertrag. Ein Spiel soll produziert werden mit dem Namen Blablabla, das ungefähr so und so aussehen soll. Und wie das halt so ist, nicht näher spezifiziert.
Gunnar:
[46:41] Ja, ja, schon klar, wie das dann wird. Ja, ja.
Mike Hoge:
[46:44] Also laufen sollte es.
Gunnar:
[46:47] Okay, und wie geht das dann weiter in dieser Zusammenarbeit? Ihr habt erstmal vergleichsweise für so eine junge Firma viel Geld.
Mike Hoge:
[46:55] Wir wollten ja auch wachsen. Wir brauchten ja neue Leute. Das ist ja ein Riesenunternehmen. Ich stelle da mal so eine Welt hin. Und dann sind wir angefangen, so ein bisschen die Fühler auszustrecken Richtung Geldgeber. War nicht so leicht. Dann ist Tom losgezogen und hat sich da so ein bisschen in der Presse getummelt. Das war auch sehr hilfreich, weil er hat ja ein paar Leute gefunden, die sich interessiert haben für unser Machwerk und die dann für uns ein paar Artikel veröffentlicht haben, wo wir nicht ganz dämlich aussahen. Das wiederum hat dann dazu geführt, dass ein Geldgeber auf uns aufmerksam wurde. Das hat auch dazu geführt, dass andere Leute auf uns aufmerksam wurden. Zu der Zeit, das darf man ja nicht vergessen, gibt es keine Ausbildung zum Spieleentwickler oder irgendwas in der Art. Das sind alles Quereinsteiger. Das war der wilde Westen. Tom hat gerade gesagt, der ehemalige Bergmann bei Greenwood, da gab es doch den ehemaligen Versicherungskaufmann und den ehemaligen Banker, den ehemaligen Feuerwehrmann und ich weiß nicht was. You name it. Und alle fangen da an, lustig Computerspiele zusammen zu machen.
Mike Hoge:
[47:53] Und dementsprechend hatten wir dann ein paar Leute bei uns auf der Matte stehen, die gesagt haben, hey, wir wollen bei euch mitmachen. Und denen haben wir dann gesagt, naja, also wir haben schon ein bisschen Geld, aber wir machen das jetzt so, wir verzichten auf unser Gehalt. Ich habe zu der Zeit meiner Frau auf der Tasche gelegen, die ist Kellnerin gewesen, haben wir zu zweit von dem Kellnerinnen Gehalt uns irgendwie durchgeschlagen, und haben mit dem Geld die Leute bezahlt, die wir brauchen. Aber dafür hat es auch nicht gereicht. Also haben wir denen gesagt, hör mal zu, ich mach dir einen Deal, du kriegst die Hälfte. Und wenn es gut läuft, dann kriegst du den Rest.
Mike Hoge:
[48:25] Lässt du dich da drauf ein. Und die haben es gemacht. Und so kamen dann die ersten Leute für halbes Gehalt zu Piranha Bytes. Weil die 300.000 sind natürlich sonst schnell weg. Wir mussten ja irgendwie zusehen, dass wir da irgendwie den Start hinkriegen. Und die haben auch die Gert gesehen, by the way. Also nur mal so fürs Protokoll.
Tom Putzki:
[48:42] Dann habe ich die große Publisher-Runde gedreht. Wie gesagt, dank der absolut überraschend positiven Presse, die wir damals überall erfahren haben, haben die Publisher sich teilweise auf uns gestürzt oder ich habe mich auf sie gestürzt, sodass sie nicht weglaufen konnten. Alles besucht, teilweise alleine, teilweise waren wir zu zweit oder sowas. Und letztlich, last but not least, ist dann im Februar 99 ein Publisher tatsächlich kleben geblieben. Und das war Egmont Interactive, die frisch gegründete, Interaktiv-Abteilung des Egmont-EH-Paar-Comic-Verlages. Und die wollten dann uns Geld geben dafür, dass wir Gothic machen.
Mike Hoge:
[49:27] Ja, wir hatten 70, 80 Prozent Marktanteil an Comics, was damals lief, konnten nicht mehr wachsen und wussten nicht, wohin mit ihrem Geld. Da sind sie ausgerechnet zu uns gekommen.
Chris:
[49:37] Ihr habt nicht Nein dazu gesagt.
Gunnar:
[49:39] Nee.
Tom Putzki:
[49:40] Und wir haben auch ein paar große Kisten von Comics gekriegt.
Mike Hoge:
[49:43] Ja, das stimmt.
Chris:
[49:44] Das ist ja auch schön. Okay. Da ist euer Team schon größer gewesen zu dem Zeitpunkt, 99, als jetzt nur die vier. Ihr habt ja schon erzählt, da kamen dann Leute dazu, Quereinsteiger, junge, unerfahrene Leute. Also mein Eindruck ist, euer Team war relativ grün und die Maxime war vermutlich learning by doing, oder?
Mike Hoge:
[50:03] Na klar.
Tom Putzki:
[50:04] Auf jeden Fall. Ich meine, kurz danach, als wir dann Publisher hatten, ist das Team natürlich ernsthaft gewachsen. Kriegst zeitlich nicht mehr genau sortiert. Aber da war so der Zeitpunkt, wo man einen Umzug in andere Büroräumlichkeiten, wo mehr Platz war, auf dem Schirm hatte. Und danach sind wir dann wirklich gewachsen, weil wir hatten ja jetzt auch die Kohle, um andere Kollegen zu bezahlen.
Tom Putzki:
[50:25] Aber es waren auch immer noch sehr interessante Charaktere. Ich meine, ein Paradebeispiel ist einfach, dass ein 17-jähriger Schüler bei uns auftauchte und sagte, ich mache Musik. Und dann haben wir uns tatsächlich den angeguckt und angehört. Und das war ziemlich geil. Und dann haben wir überlegt, sonst haben wir ihm ein Angebot gemacht, das er nicht ablehnen konnte. Und zur Unterzeichnung des Arbeitsvertrages von Kai Rosenkranz kam er dann mit seinem Vater, weil er war ja 17. Und so ist Kai da reingekommen.
Mike Hoge:
[50:59] Ja, ich weiß noch, wie der ankam. Ich hatte irgendwie den Erstkontakt, glaube ich. Ich habe ihn gefragt, was kannst du? Und er hat gesagt, ich kann alles. Da habe ich gesagt, okay, das ist gut, habe ich gesagt, zu jemandem können wir gebrauchen. Aber jetzt mal Spaß beiseite. Nein, ich kann wirklich alles. Ich kann ein bisschen programmieren, ich kann dies, ich kann das, stellt sich aus. Stimmt. Also Kai ist vielseitig talentiert und hat das Projekt dann auch in einigen Punkten verstärkt, nicht nur in Punkten Musik. Er hat auch zum Beispiel die Effekte gemacht, Visual Effects gemacht und so weiter.
Gunnar:
[51:30] Lass nochmal zurückgehen zu der Publisher- und Finanzierungsfrage. Also ihr hattet 300.000 Euro am Anfang und das ist ja schon viel Geld für eine kleine deutsche Spielefirma. Aber euch war klar, ihr baut jetzt was Riesiges, also braucht ihr auch mehr Leute und diese 300.000 werden nicht reichen. Erstaunliche Weitsicht, finde ich, für ein junges deutsches Team, ehrlich gesagt. Und dann fangt ihr mit Pressearbeit an, auch wieder erstaunliche Weitsicht. Das hat ja schon richtig einen Aufschlag gehabt, ganz früh. Der Rüdiger war ja schon bei uns bei der GameStar, riesen Fan. Und da hattet ihr noch nicht mal einen Publisher. Und dann kommt der Publisher. Und der Publisher, das war ja dann Schubox, das Label von Egmont Interactive. Also das war Frank Eukämis. Das ist jetzt niemand, der sich mit Spielen nicht auskennt. Ehemaliger Spiele-Redakteur. Was habt ihr denn dem gesagt, wie viel Geld ihr haben wollt?
Tom Putzki:
[52:14] Wir haben ihm gesagt, dass wir alle reich und berühmt werden wollen, aber es war ja nicht Frank Heukämis, mit dem wir unsere Verhandlungen gemacht haben, sondern Shoebox kam ja erst später dazu.
Gunnar:
[52:25] Ach so, das war vor der Heukämis-Zeit.
Tom Putzki:
[52:28] Das war ein Label und zwar das gemeinsame Distributionslabel, wenn ich das noch genau richtig hinkriege, aus Egmont Interactive und DTP. Die haben Shoebox dafür gegründet. So, wir haben ein Publishing-Deal mit Egmont Interactive gemacht, der frisch gegründeten Interactive-Abteilung eines langjährigen, bedruckten Totenholz-Verlages.
Gunnar:
[52:53] Okay, und die kannten sich nicht so gut aus mit Spieleentwicklung und den dafür nötigen Summen, hm?
Tom Putzki:
[52:58] Vorsichtig formuliert, nein. Leider Gottes auch die Leute nicht, die sie in dieser Abteilung in Egmont Interactive eingestellt haben. Die kannten sich auch nicht so richtig gut aus. Und dann haben wir einen netten Vertrag gemacht. Und das war schön.
Gunnar:
[53:12] Ja, jetzt lasst du dich alles aus der Nase ziehen. Was stand denn so drin in diesem Vertrag? Also wenn du keinen Summen nennen willst, dann gibt es einen Zeitraum, den ihr festgelegt habt, einen Umfang. War das ein klassischer Milestone-Vertrag?
Mike Hoge:
[53:23] Milestones, ja klar. Die wollten natürlich irgendwie kontrollieren, dass wir auch vorankommen bei der Kohle, die sie uns geben. Also haben wir einen Milestone-Plan gemacht, der auf zwei Jahre passte und sich gut las. Stellt sich raus, wir brauchen länger.
Tom Putzki:
[53:35] Es stellt sich mehr als einmal raus. wir brauchen länger.
Mike Hoge:
[53:38] Aber die Philosophie war damals, wie ging einigen Leuten der Arsch auf und runter, ich so, wir können nicht liefern, ne, wirklich. Und dann habe ich gesagt, halt, stopp, warte mal, jetzt haben die schon, ich weiß nicht genau, wie viel reingesteckt, eine Million pro Jahr ungefähr, denke ich, zwei Millionen sollten es werden für zwei Jahre, circa, Entwicklungskosten jetzt nur, ne. So die Größenordnung ungefähr auf jeden Fall, die genauen Zahlen weiß ich jetzt wirklich nicht mehr, ehrlich nicht, aber so ungefähr. Und dann hast du zwei Millionen reingesteckt und dann kommt jemand und sagt, ich brauche noch ein halbes Jahr. Dann kannst du entweder zwei Millionen im Klo runterspülen und auch noch eine halbe drauflegen. Aber ich habe mich eigentlich entspannt. Ich habe gedacht, das machen die schon. Haben sie auch gemacht. Und dann ein halbes Jahr später, wo ist unser Spiel? Ja, wir sind schon echt einiges weiter, aber wir brauchen noch ein halbes Jahr. Die Logik greift wieder und wir kriegen das halbe Jahr. Und dann wurde es eng. Dann wurden sie dann doch ein bisschen knatschig. Und dann musste es dann in vier Monaten fertig werden. In drei Jahren, vier Monaten, dann wird es dann aus dem Boden gestampft, das Ding.
Tom Putzki:
[54:33] Stimmt, das war so, wie Mike das erzählt. Das Wichtige dabei ist, dass wir es selber nicht besser wussten. Wenn ich zu euch zur Presse rumgekommen bin und mal wieder oder das erste Mal einen geplanten Release-Termin euch genannt habe, war ich felsenfest davon überzeugt, weil das war unsere Planung, so sieht das aus. Es hat nicht funktioniert, deswegen musste der Release-Termin verschoben werden oder ein neuer genannt werden oder oder oder. So war das auch mit unserem Publisher. Wir haben denen unsere Sache gezeigt, was wir gemacht haben. Natürlich, man wusste schon, wie man die Sachen vorzeigen sollte. Sagen wir es einfach mal so, damit das auch alles einigermaßen gut aussieht.
Mike Hoge:
[55:13] Man hat ja auch ein bisschen rumgesponnen. Man hat ja Gott weiß was für großartige Vorstellungen gehabt, was das für ein Spiel wird. Und man schleppt einige von den Ideen mit über eine relativ lange Zeit, um sich dann am Ende doch wieder aus Zeitgründen zu trennen. Hätte man das alles ein bisschen fokussierter gemacht, hätte man auch ein besseres Ergebnis hingekriegt bestimmt. Ob es jetzt schneller gegangen wäre, weiß ich nicht. Wir haben uns da auch schon gegenseitig gut auf den Füßen gestanden. Wir haben nur Sachen teilweise dreimal neu gemacht oder so, aber learning by doing.
Chris:
[55:39] Wo wir schon dabei sind, dann lasst uns doch mal in so eine Post-Mortem-Situation gehen, weil wir hatten gerade schon gesagt, aus einem 2-Jahres-Plan wird dann ein 3,5-Jahres-Spiel letztendlich, grob gesagt. Was ist da schiefgelaufen? Was hättet ihr anders machen müssen?
Tom Putzki:
[55:56] Vielleicht jemanden dabei haben, der sich damit ein bisschen auskennt, als Projektleiter oder als CTO für die Engine, das wäre auch nicht schlecht gewesen.
Mike Hoge:
[56:07] Der Dieter war schon nicht schlecht, Muss man schon ihm lassen.
Tom Putzki:
[56:10] Nicht schlecht, aber auf der anderen Seite war er vorsichtig formuliert, nicht sonderlich kommunikativ.
Mike Hoge:
[56:16] Ja, bei seinem Laden hat er einen Griff gehabt. Also er ist auf jeden Fall ein Nazi gewesen, was Coding betrifft. Und das ist auch gut so. Sonst wäre das niemals was geworden.
Tom Putzki:
[56:24] Trotzdem, Zusammenarbeit knirschte des Öfteren.
Mike Hoge:
[56:27] Das stimmt. Echtzeitig einfach war auch nicht.
Tom Putzki:
[56:29] Und was wirklich auch geholfen hätte, wäre, wenn wir ein bisschen weiter nach draußen geguckt hätten und die technischen Entwicklungen, die draußen in der Welt abgingen, etwas mehr nachvollzogen hätten. So von Voodoo auf 3D-FX. Das war nämlich genau mitten in unserer Entwicklungszeit. Und das kam für uns sowas wie, oh, huch, was geht denn da ab? Und verdammt. Und dann musste man das natürlich anpassen und adaptieren. Und ich weiß nicht mehr wie viel, aber es hat uns Monate gekostet. Und das kam wirklich relativ überraschend für uns. Und ich meine hier auch noch so ein absolut gutes Beispiel. Wir waren ja bis kurz vor Schluss der festen Überzeugung, dass unsere Steuerung mit zehn Tasten ohne Maus das Tollste wäre, bis der Rest der kleinen Menschheit, gerade in Form von befreundeten und zugeneigten Journalisten, uns klar gemacht hat, sagt mal Leute, meint ihr nicht, dass ihr vielleicht so eine Steuerung nehmen solltet, wie, der Rest der Welt sie erwartet und erhofft. Wann war das so? Ich würde sagen, weniger als ein halbes Jahr vor Release haben wir angefangen die Maussteuerung.
Gunnar:
[57:45] Du warst doch drei Monate vor Release noch mit deiner Tastatursteuerung bei uns. Das weiß ich doch noch. Das war doch grotesk. Die GameStar hält sich bis heute zugute, wie alle anderen Zeitschriften auch, dass sie euch davon überzeugt haben. Jetzt hast du die Gelegenheit, das mal klarzustellen. Wer hat denn den Impuls gegeben?
Tom Putzki:
[58:01] Das waren ganz klar mehrere. Aber, wie ich ja gerade in meinem Satz auch schon gesagt habe, es waren vor allem geneigte und zugewandte Journalisten. Egal, ob sie jetzt in München oder in Poing oder in Nürnberg, Fürth, wo auch immer saßen, die gesagt haben, sag mal, Leute, jetzt wacht mal ein bisschen auf. Seit Lara Croft rausgekommen ist, haben sich die Menschen daran gewöhnt, mit Maus und Tastatur zu spielen. Nur ihr macht diesen Scheiß mit. Ja, aber ist doch so toll, es funktioniert ja alles. Ist ja alles drauf ausgelegt. Meine Fresse.
Mike Hoge:
[58:36] Das habe ich verbockt. Das ist meine größte Design-Sünde. Zu glauben, dass es so etwas wie ein gewohntes Interface nicht gibt. Die Leute machen das dann schon so, wie man sich das ausgedacht hat. Das ist ja ein tolles Konzept.
Tom Putzki:
[58:49] Wir waren alle davon überzeugt. Ich meine, ich konnte das auf den Tasten spielen wie sonst was. Man hat es ja auch nur mindestens eine Million Mal gemacht. Aber die Welt hatte recht.
Mike Hoge:
[59:00] Aber schön, wenn man den Luxus hat, das wirklich dann auch learning by doing durchzuziehen. Das ist auch irgendwie geil.
Tom Putzki:
[59:07] Auch das war wiederum, und das ist mir sehr wichtig, immer wieder aus dieser ganzen fast dreieinhalbjährigen Zeit, es war nie böse Absicht, es war eher, wir wussten es nicht besser.
Chris:
[59:19] Ihr hattet ja auch einen Multiplayer-Modus geplant ursprünglich. Wurde da auch dran entwickelt? Ist da Zeit reingeflossen?
Mike Hoge:
[59:25] Ja, bestimmt. Aber nur in den Anfängen, glaube ich. Und dann haben wir schnell gemerkt, dass wir zu groß, also zu lange haben wir es mitgeschleppt, das Thema im Design. Und natürlich auch Systeme so gestaltet, dass sie leistungsfähig genug sind dafür. Macht man das nicht, hat man eine einfachere Implementation. Also zu lange haben wir das mitgeschleppt. Wie lange, weiß ich nicht. Auf jeden Fall zu lange. Wir haben uns dann aber auch irgendwann nach der Hälfte der Laufzeit oder so davon getrennt. Als wir gemerkt haben, wir schaffen den ersten Release-Termin, den wir uns vorgenommen haben, nicht oder so, da haben wir auch gesagt, es gibt nichts. Ich habe das auch vehement verteidigt. Ich wollte ja dieses Spiel machen und war halt auch ein paar Jährchen jünger und ich habe das auch überhaupt gar nicht eingesehen, warum wir jetzt irgendwie Features weggelassen werden sollten. Das gehört auch alles jetzt gefälligst in das Spiel. Da hatte man eine andere Sicht, glaube ich auch. Dieser eigene Reifungsprozess, der fand ja parallel statt. Und als wir das dann hinterher eingetütet haben, da sind wir auch mit der Kettensäge dran gegangen und haben gesagt, okay, alles da, jetzt mal Butterweide fischen, was fliegt jetzt und was nicht.
Chris:
[1:00:24] Warst du, Mike, denn derjenige, der die Anzahlen gemacht hat? Also wenn du sagtest, da kommt nichts raus aus dem Spiel, das muss alles drinbleiben und ich möchte Tastatursteuerung, hast du das dann durchgesetzt? Warst du derjenige, der den Hut aufhatte?
Mike Hoge:
[1:00:36] Ich glaube schon, dass ich den Hut auf hatte, aber ich würde jetzt nicht sagen durchgesetzt. Ich denke schon, dass das immer auch ein Diskussionspunkt war. Und es gibt auch immer natürlich jemanden, der es dann besser weiß und der dir nochmal den Kopf gerade rückt. Also ich habe schon eine starke Vorstellung davon gehabt und habe versucht, die durchzusetzen. Aber mit Überzeugung und nicht so per Titel. Alex ist ja auch zum Beispiel zu mir gekommen und hat gesagt, keine Ahnung, habe ich die Hintergrundgeschichte von Gothic irgendwie entworfen, die Historie und alles. und habe dann versucht, irgendwie diesen Intro-Text zu schreiben als Beispiel. Und habe dann irgendwie riesig rumgeschwafelt, habe total ausgeholt, habe gedacht, ich müsste alles erklären. Und dann kommt Alex Brüggemann, der famose Fähigkeiten hatte, Sachen wirklich einfach auf den Punkt zu bringen und hat gesagt, ey, was machst denn du da? Das kannst du alles streichen. Das muss anders laufen. Der König hatte keine Wahl, er musste verhandeln, er brauchte das Erd. So, fertig. Dann wissen die Leute Bescheid. Was erzählst du denn da von irgendwelchen Kriegen und so stundenlang rum? Und dann ist man dann hoffentlich schlau genug drauf zu hören, weil er hat ja einfach recht. Und so ist es ja auch gelaufen. Also wir haben uns da gegenseitig poliert.
Tom Putzki:
[1:01:42] Ja, also was Design betrifft, hatte Mike auf jeden Fall den Hut auf, aber wir alle vier hatten irgendwo irgendwie ein paar Fähigkeiten und die in der Kombination, wenn wir, wenn sie nämlich an einige Sommersessions, wenn wir im Bermuda-Dreieck gesessen haben, im Mandra zu viert und Bier getrunken haben und dann einige Dinge ausgesponnen haben und sowas und jeder konnte auf seine ganz spezielle Art und Weise was beitragen. Und diese Kombination war wirklich nicht so voll die Chance.
Mike Hoge:
[1:02:15] Naja, das war gut. Weltdesign zum Beispiel, diese ganze Geschichte, Hintergrund der Welt und so was, das habe ich gemacht. Diese ganze Weltkarte, was gibt es wo, welche Lage soll es geben, welche Fraktionen soll es geben. Also das ganze Setting ausgearbeitet, ja. Das war mein Hauptverantwortungsbereich, also Game Design in dem Sinne inhaltlich zu machen.
Gunnar:
[1:02:36] Wir hatten kurz über eure Rollen gesprochen, also eure nicht vorhandenen Rollen, weil jeder so ein bisschen das gemacht hat und ihr euch auch gegenseitig dann stark beeinflusst habt. Als ihr dann aber gewachsen seid und einen Haufen Leute dazu bekommen habt, hat sich das dann geändert oder wart ihr zu viert immer noch im Austausch oder hat sich das dann so departementalisiert ein bisschen?
Tom Putzki:
[1:02:56] Also mit meiner eigenen Geschichte ganz kurz. Wir haben einen Publisher-Deal gekriegt, das war im Februar 99 und meine uhringste Aufgabe an dem Spiel war ja nun, die Welt zu modeln, zu bauen. Als wir uns mit dem Publisher dann finanziell neue Mitarbeiter leisten konnten, sind relativ zügig Horst und Mario reingekommen. Zwei Level-Modeler. Ich habe die ein bisschen angelernt und innerhalb von, keine Ahnung, ich sage jetzt mal drei Monaten, waren die Jungs einfach so viel besser und schneller als ich, dass sie mich da komplett raus zurückgezogen haben. Und das war auch gut so. Es gab immer noch genug zu tun für mich und dann kam eben auch dieser andere Zweig der Geschichte, der da weiterging. Man führt die Unternehmen, die wir vorhin schon mal angerissen haben, wieder unter einem gemeinsamen Dach zusammen. Das passierte halt im Frühjahr, Sommer 99.
Chris:
[1:03:55] Das war dann die Phänomedia?
Tom Putzki:
[1:03:56] Ja, das war die Phenomedia und die Phenomedia wurde dann in einer AG umgewandelt und im November 99 sind wir dann an die Börse gegangen, an einen neuen Markt, haben vier Monate bis zum Peak des neuen Marktes und dann ging es den Bach runter. Und in der Zeit habe ich auch meine größte Fehlentscheidung getroffen, indem ich von der Piranha Bytes zu der Phenomedia hochgewechselt bin. Ja, weil irgendwer sollte halt so als Marketing- und Kommunikationsleiter die Phenomedia auch irgendwie an die Börse bringen und komischerweise sollte ich das werden. Ja, hat ja auch funktioniert, ganz toll. Aber dafür war ich dann der Erste, der nicht mehr bei den Piranhas saß von den Gründern und ich habe immer noch Pressearbeit und ein bisschen anderes und nebenbei gemacht, aber ich war nicht mehr in erster Linie Piranha, sondern ich war Phenomedia.
Mike Hoge:
[1:04:55] Ich bin auf jeden Fall froh, dass du damals dabei warst. Das kann ich dir nur sagen. Weil ich habe damals in meiner naiven Fantasie überhaupt gar nicht gewusst, dass man sowas wie einen Tom braucht, wenn man eine Firma hat.
Chris:
[1:05:07] Hattet ihr bei dieser Integration in Phänomedia eigentlich eine Wahl?
Tom Putzki:
[1:05:11] Natürlich. Wir hätten den ganzen Scheiß nicht mit mal brauchen. Hätten wir nicht. Stell dir das so vor, dass die ehemaligen Chefs uns allen ehemaligen Mitarbeitern diese Idee gepitcht haben. Richtig mit allem drum und dran. Und ich meine, wir haben gearbeitet wie die Kesselflicker. Viel, sehr, sehr viel. Und hatten wenig Sinn für anderes. Aber trotzdem, wenn man irgendwann abends nach Hause kam und dann noch mal ein bisschen Fernsehen anmachte, dann hieß es nur noch Aktien, Aktien, Aktien. Das war ja diese Zeit vom Neuen Markt. Und Nasdaq und so weiter. Und jede Firma mit irgendeinem dämlichen Dotcom im Namen war auf einmal unendlich viel Geld wert. Auf jeden Fall hatte die Phenomedia, als wir dann zu Spitzenzeiten an der Börse waren, und der Peak war im März 2000, von da an ging es dann nur noch runter. Zu diesem Zeitpunkt, wenn ich das richtig im Kopf habe, hatte die Phenomedia kurzfristig eine höhere Marktkapitalisierung als die Lufthansa. Ich meine, das muss man sich mal vorstellen.
Chris:
[1:06:15] Der Neugierde halber gefragt, Geld war ja dann da bei der Phenomedia in diesem Zeitpunkt. Aber Phenomedia war ja auch ein Publisher, wenn ich das richtig im Kopf habe. Gab es da jemals den Gedanken, wir kaufen das bei Egmont wieder raus, das Produkt? Oder stand das nie zur Debatte?
Mike Hoge:
[1:06:29] Die lagen ja bei uns, die Rechte.
Chris:
[1:06:31] Also ich meine jetzt nicht die Rechte am Spiel, ich meine das Publishing von Gothic, dass man es quasi wieder ins Haus zurückholt.
Mike Hoge:
[1:06:38] Nee, das war glaube ich kein Thema, ne?
Tom Putzki:
[1:06:41] Nee, das war kein Thema und vor allem, damals war der Markt ja noch ein bisschen simpler strukturiert, als es heute ist. Es gab ja noch kein Steam und keine Online-Stores und so weiter, sondern es ging um ein physikalisches Produkt. Und du brauchtest ja nicht nur einen Publisher, der sich um die Vermarktung gekümmert hat, sondern du brauchtest ja auch noch einen Distributor, der sich um die Herstellung und das Packaging und so weiter kümmert mit allem drum und dran. Du brauchtest ja eine Salesforce, die in die Medienmärkte Saturns und so weiter der Welt ging und das Zeug da in die Regale drückte und so weiter und so weiter. Also das waren damals hoch spezialisierte Jobs, besetzt mit mehr oder weniger richtig guten Leuten, die das aus dem FF konnten und für die Phenomedia sich jetzt mal eben ein Publishing-Department aufzubauen, wo man so ganz grob gesagt schon mal 20 Leute braucht. Nee, das war, glaube ich, nie der Fall. Wüsste ich jedenfalls nicht. Oder ich kann mich nicht mehr daran erinnern. Vielleicht wurde da auch mal am grünen Tisch darüber gesponnen. Und dann wurde es mal durchkalkuliert. Weil dafür brauchst du einfach Profis. Also das kannst du oder konntest du damals nicht oder hat sich niemand zugetraut, sowas einfach mit Neulingen oder so zu machen. Weil dafür müsstest du dann ein gutes Team zusammenziehen.
Chris:
[1:08:03] Okay, dann kommt es also dazu, dass Egmont euch Ende 2000 die Pistole auf die Brust setzt und sagt, jetzt muss das Ding mal fertig werden und dann sind wir bei diesen berühmten vier letzten Monaten, die Mike vorhin schon erwähnt hat. Was ist da passiert?
Mike Hoge:
[1:08:17] Ja, dann haben wir dann das Spiel fertig gemacht.
Chris:
[1:08:20] Wie weit war es denn bis dahin?
Mike Hoge:
[1:08:21] Ich will jetzt nicht übertreiben, weil gefühlt war es so, dass wir 80 Prozent des Contents in den letzten vier Monaten gemacht haben. Wir haben eigentlich nur die Systeme entwickelt, die ganze Zeit. Und dann haben wir uns auf den Arsch gesetzt, zu gut Deutsch, und dann haben wir das da reingeprügelt, den ganzen Content. Die Pläne gab es natürlich. Es gab die Charaktere und so weiter, etc. Es gab das Kampfsystem, aber noch nicht alle Monster hatten Animationen und waren richtig eingestellt. Die Kampf-KI muss ja dann auch noch irgendwie eingestellt werden und getestet werden und getweakt werden. Wir hatten halt ein paar Kreaturen fertig, aber welche Anzahl von Kreaturen in Gothic jetzt rumläuft, wüsste ich jetzt noch nicht mal. 30 würde ich schätzen ungefähr, dass wir uns da irgendwie 5 gehabt haben und den Rest haben wir dann in den letzten 4 Monaten hochgezogen.
Chris:
[1:09:09] Das ist ja auch erstaunlich, weil du vorhin schon sagtest, das war ja nicht das erste Ultimatum. Und auch ihr gesagt habt, ja, wir machen das Ding jetzt fertig. Aber das hat ja dann offensichtlich zweimal vorher nicht geklappt. Warum denn nicht?
Mike Hoge:
[1:09:22] Weil man dann anscheinend doch nicht so schnell ist, wie man gewünscht hätte zu sein. Ich glaube auch, wieder eine gewisse Eigendynamik. Wir sind ja mit mehreren Leuten und alle arbeiten an dem Ding. Einer könnte sich jetzt mal hinstellen und sagen, hey, halt, stopp, Jungs, das schaffen wir doch nie.
Mike Hoge:
[1:09:39] Aber bis dieser Punkt kommt, hast du schon eine ganze Zeit lang einfach nur den Kopf im Arsch und bist am Arbeiten und denkst gar nicht drüber nach. Und du machst einfach und machst und machst und machst und dann dauert es doch länger, aber egal, mach weiter, weiter, weiter, weiter. Wir haben ja Überstunden gekloppt, auch wie die Blöden. Wir mussten ja die ganze Engine from scratch entwickeln, alle Systeme entwickeln und so weiter, etc. Der Matthias Filler, Kollege von mir aus der Zeit, auch heute noch ein guter Freund, von dem kommt der Spruch zu der Zeit, ich atme gothic, wirklich, und das ist jetzt keine Übertreibung, wir haben mehr als 80 Stunden Wochen gemacht, wir haben auf Spitzenzeiten 110, 120 Stunden Wochen gemacht. Wir sind wirklich nur arbeiten gegangen, nach Hause, essen, halbe Stunde auf der Couch, noch ein bisschen quatschen, pennen, nächsten Tag wieder arbeiten. Also das war ein Phänomen, wieder in die Welt rauszugehen, nach der Entwicklung dieses Spieles, durchs Bochumer beim Mutterdreieck und mehr als dieselben 20 Menschen zu sehen, das war überwältigend. Das war wie ein Besuch auf einem anderen Planeten für mich. Also diese Situation, ich erinnere mich da genau dran, zum ersten Mal wieder in die Stadt gehen. Wahnsinn. Also ist halt im Modus. Man will es unbedingt mit aller Gewalt, man hat aber dann irgendwie den Überblick verloren. Das ist so eine gewisse Eigengenomik.
Chris:
[1:10:52] Ich interpretiere das jetzt so, ihr seid auf Sicht gefahren, mehr oder weniger. Ihr hattet immer eure unmittelbare Aufgabe vor Augen, aber es hat jemand gefehlt, der so die weitere Perspektive hat. Vielleicht auch die ordnende Hand von oben sozusagen. Ein Producer, würde man vielleicht heutzutage sagen. Hat euch ein Producer gefehlt?
Mike Hoge:
[1:11:09] Naja, hätten wir einen gehabt, dann wäre es auch nicht das geworden, was es dann geworden ist. Das ist ja ein zweischneidiges Schwert. Ich glaube, das kann man bestimmt besser machen, viel besser machen. Mit der Erfahrung von heute weiß ich auch, dass es besser geht und wie es besser geht. Zu der Zeit damals ist es ein Experiment ja gewesen. Sowas wurde ja vorher noch nie entwickelt in der Form. Wir haben einfach die Hürden genommen, wie sie kamen. Und uns zu spät von Ideen verabschiedet, von denen wir vorher hätten wissen müssen, dass sie es nicht mehr ins Spiel schaffen. Das war einer der größten Fehler. Dass man da nicht irgendwie seine Babys früher getötet hat.
Tom Putzki:
[1:11:44] Aber nochmal, wir wussten es nicht besser. Ja, erfahrener Producer ist richtig, aber ich stimme auch Mike absolut zu. Wenn da jetzt über diesem Projekt, was aus diesen Köpfen entstanden ist, von uns Vieren am Anfang plus die MedScientists dazu. Also wenn da jetzt ein erfahrener, renommierter Producer drüber gesessen hätte, dann wäre das nie das geworden. Der hätte auch den kreativen Prozess, die Visionen, die wir gehabt haben, noch mit vielen Features, das wäre so von der Realität eingeschränkt worden, dass das, was dabei rausgekommen ist, realistischer gewesen wäre, aber bei Weitem nicht das, was es geworden ist.
Mike Hoge:
[1:12:26] Tom hat es schon richtig gesagt. Der Producer hat gefehlt, der Developer, der Ahnung hat davon, wie man so ein Projekt angeht, der hat gefehlt.
Chris:
[1:12:34] Wenn ihr sagt, das wäre nicht das Projekt geworden, das es am Ende geworden ist, was ist denn jetzt in Gothic drin, so wie wir es kennen, das nur deswegen da drin ist, weil ihr so gearbeitet habt, wie ihr gearbeitet habt? Weil da niemand gesagt hat, so jetzt mal stopp hier, Leute.
Mike Hoge:
[1:12:48] Gute Frage.
Tom Putzki:
[1:12:50] In Extremo.
Chris:
[1:12:51] Zum Beispiel.
Tom Putzki:
[1:12:53] Ganz dämliches Beispiel. Das war mein Projekt. Und ich habe mich gegen jeden da durchgesetzt. Das wollte ich unbedingt. Und auch gegen den Publisher und so weiter und so weiter. Aber das ist ganz einfach gesagt legendär. Also es ist Legende geworden. Ich meine, muss man auch ganz klar sagen, das war das erste Mal, dass eine real existierende Band einen Live-Auftritt in einem Computerspiel hatte. Globally, weltweit. Das gab es vorher noch nicht.
Chris:
[1:13:23] Das war toll, das ist ein wichtiger Teil von Gothic, aber ist jetzt kein definierender Teil. Also wenn in extremo nicht drin wäre, würden wir Gothic immer noch genauso schätzen.
Tom Putzki:
[1:13:30] Du wolltest ein Beispiel haben, sowas.
Chris:
[1:13:33] Gut, fair enough.
Mike Hoge:
[1:13:34] Was viele Leute unterschätzen und was ein ganz wichtiger Faktor ist von Qualität, in welchem Sinne du die jetzt auch immer bei Gothic definierst. Ich will jetzt nicht irgendwie den Bogen zu weit spannen, weil ich einen Punkt machen möchte, was Gothic zu Gothic macht, darüber können wir gleich noch reden gerne.
Mike Hoge:
[1:13:53] Nenn es mal einfach eine gewisse Qualität. Die erreichst du nur durch Zeit. Du kannst dich nicht hinsetzen und kannst 100 Leute dran setzen, die designen dir das schneller. Das ist dumm, das geht nicht. Wenn du so eine Welt erschaffst, wenn du so ein Projekt machst von der Größenordnung und von dieser Komplexität ein Problem lösen willst, brauchst du einfach Zeit, um dann zu einer qualitativ hochwertigen Lösung zu kommen. Du musst mit der Idee eine gewisse Weile schwanger gehen, du musst es ein bisschen im Kopf rumschwimmen lassen, du musst dann nach einer Zeit nochmal drüber schauen können, du musst es nochmal verbessern können und so weiter. Also diese ganze Welt von Gothic, so wie sie ist, hätte in kürzerer Zeit nicht entstehen können. Nicht, wenn man parallel auch noch eine Engine entwickelt, 1000 Features entwickelt, ein Kampfsystem entwickelt und, und, und, und, und.
Mike Hoge:
[1:14:39] Klar, auf jeden Fall, ich würde es heute besser machen. Ich würde von Anfang an sagen, wir brauchen die drei Jahre. Wahrscheinlich kann ich jetzt das besser abschätzen mit meiner Berufserfahrung und so weiter, etc. Damals waren wir zu blauäugig. Wir haben auch bestimmt noch andere Fehler gemacht. Wir haben auch bestimmt Ressourcen verschwendet. Wir haben, wie gesagt, die Babys nicht früh getötet und so weiter. Da könnte ich ein Buch drüber schreiben, was wir da alles falsch gemacht haben. Aber wichtig ist auf jeden Fall die Erkenntnis, dass ein kreativer Prozess auf diesem Komplexitätslevel, der braucht auf jeden Fall Zeit. Punkt. Kannst du nicht sparen oder wenig. Du kannst dich ein bisschen mehr fokussieren. Aber du weißt ja auch noch nicht genau, wo die Reise hingeht, weil es natürlich auch noch viele weiße Flecken auf der Karte gibt, wenn du anfängst, das Ding zu bauen. Die ist ja nicht alles bis ins Detail klar am Anfang.
Chris:
[1:15:26] Ich übersetze es jetzt für mich mal so, dass die Idee gereift ist, wie ich dich verstanden habe, Mike, und dass zu dem Zeitpunkt, wo es dann hieß, jetzt muss es aber auch wirklich fertig werden in diesen letzten vier Wochen, dass nur deswegen so gut zusammengekommen ist und nicht irgendwie eine Schimäre geworden ist, weil zu dem Zeitpunkt alle eine klare Vorstellung davon hatten, was das Spiel sein soll. Ist das richtig interpretiert?
Mike Hoge:
[1:15:48] Ja, also ohne die Vorbereitungszeit wäre das nicht möglich gewesen. Ganz klar, auf jeden Fall.
Chris:
[1:15:53] Hattest du das Gefühl, dass in dem Team zu dem Zeitpunkt, wo das fertig gemacht wurde, also in den letzten Monaten, alle eine klare Vorstellung davon haben, was Gothic sein soll?
Mike Hoge:
[1:16:03] Nein, aber die an den Bereichen gearbeitet haben, wussten, wo die Reise hingeht in den jeweiligen Bereichen. Also ich glaube nicht, dass zum Beispiel jeder Level-Grafiker eine klare Vorstellung davon hatte, wie die Story jetzt aussieht oder wie die Quests aussehen oder weißt du, was ich meine? Also nicht alle hatten einen Überblick über alles. Nur wenige hatten einen Überblick über alles. Ich würde sagen, keiner hatte einen Überblick über wirklich alles. Es gab wenige, die hatten einen Überblick über relativ viel und viele, die hatten einen Überblick über ihren Bereich. nur.
Chris:
[1:16:33] Das klingt jetzt gerade wie die Gothic 3 Story. Da scheint es ja auch so ähnlich gewesen zu sein, dass der Überblick über dieses Megaprojekt gefehlt hat. Was ein bisschen wie soll ich das sagen, ein bisschen komisches, weil man sollte ja meinen, ihr hättet zum ersten Projekt eigentlich schon gelernt.
Mike Hoge:
[1:16:49] Haben wir ja. Wir haben es ja dann beim zweiten Teil bewiesen. Wir haben den zweiten Teil in elf Monaten rausgehauen. Das müssen wir erstmal einer nachmachen, mein Lieber.
Chris:
[1:16:55] Stimmt.
Tom Putzki:
[1:16:56] 14.
Chris:
[1:16:58] Was?
Tom Putzki:
[1:16:59] Egal.
Mike Hoge:
[1:17:00] In meinem Buch waren es elf.
Chris:
[1:17:03] Ja, das ist auch was, aus der Außensicht ist das immer leicht, sowas zu sagen. Wenn man in solchen Prozessen und in den Firmen drin ist, ist das immer nochmal eine ganz andere Geschichte. Und wir hatten das zum Beispiel neulich bei Deck 13, das Thema auch. Die ist ja auch eine Firma, die ewig existiert und die auch Schwierigkeiten hatten, über ihre Jahrzehnte hinweg Projektmanagement richtig in den Griff zu bekommen. Das ist eine Disziplin in der Gaming-Branche mit ihren Komplexitäten, die wahnsinnig schwierig ist. Ein Projekt gut zu planen und vernünftig zu managen und sowas. Also da scheitern ja, ich würde mal sagen, die Mehrheit von Firmen scheitert daran, bis sie das irgendwann mal auf die Reihe kriegen.
Mike Hoge:
[1:17:38] Ich habe mittlerweile eine eigene Meinung dazu, wie sowas geht. Und eine ganz wichtige Komponente ist, starte mit einem echt kleinen Kernteam von kompetenten wenigen Leuten in ihren einzelnen Bereichen und mach so lange einen guten Prototypen. Und wenn du länger brauchst, ist es egal, weil es kostet nicht viel, bevor du skalierst. Es wird zu früh skaliert, dann wird zu viel Geld verbrannt und dann gucken alle dann sparsam, weil irgendwann die Kohle alle ist. Das ist ein Problem, was auch viele kleine Firmen haben. So eine One-Product-Company, du willst ja nicht die Leute nach Hause schicken. Zum ersten ist es unfair, weil die haben dir geholfen, das Ding da aufzubauen. Als Bedrohung kriegen sie einen Arschtritt, soll nicht sein. Und zweitens, such dir mal neue Leute, die gut sind. So, und das ist klar, das hatten wir ja immer. Wir haben ja immer uns von einem Projekt zum nächsten gehangelt und mussten dann sozusagen sofort wieder die Anschlussfinanzierung haben. Wir hatten noch zwischendurch mal Phasen, in denen kein Geld da war, wo ich dann vor dem Team gestanden habe und gesagt habe, Leute, sorry, wir haben jetzt einen Interessenten, wir verhandeln gerade, sowas zieht sich hin. Es kann sein, dass es zwei, drei Monate keine Kohle gibt. Seid ihr damit fein? Wenn wir jetzt das Ganze rushen, dann ziehen die uns nur noch mehr über den Tisch. Wir kriegen bessere Ideen hin, wenn wir in Ruhe verhandeln. Geht ihr das mit? Und die haben das auch fast alle gemacht. Man hat gesagt, nein, meine Frau hat einen Kind gekriegt, ich kann auf keinen Fall auf Kohle verzichten. Und dann wurde halt das Team gefragt, ist das okay, wenn der XY trotzdem sein Gehalt kriegt? Sind damit alle fein? Ja, waren alle fein, super, alles klar. Und dann haben wir das so gespielt. Und dann sind wir durch so manche Durststrecke durchgekommen, das ist zwei-, dreimal in der Geschichte von Piranha Bay zugelaufen.
Chris:
[1:19:03] Also gerade bei so einer langen Entwicklung wie jetzt der von Gothic 1 zum Beispiel über mehr als drei Jahre. Heutzutage würde man ja auch immer sagen, die Vision ist wichtig. Also, dass über so einen langen Zeitraum eine klare Vorstellung davon existiert, was soll denn das Produkt sein, das da am Ende rauskommt. Da zielt ich vorhin auch mit meiner Frage so ein bisschen hin. Was würdest du denn sagen, Mike, hattet ihr von Anfang an eine klare Vision davon? Oder du spezifisch, als derjenige, der ja auch so die kreative Leitung hatte. Hattest du eine klare Vorstellung davon über diesen ganzen Zeitraum, was das Endprodukt sein soll? Oder war das ein ständiger Wandel?
Mike Hoge:
[1:19:36] Es ist auf jeden Fall halb-halb, ja. Es ist schon eine Vision da, nicht in allen Details. Und von einigen Ideen muss man sich verabschieden, weil man sie einfach als schlechte Ideen identifiziert. Und es ist auch ein bisschen Opportunismus. Viele Menschen arbeiten da dran, ja. Zwei Monster. Geplant ist, Monster A soll ganz früh im Level vorkommen und Monster B soll später vorkommen und schwerer sein. Und aus irgendwelchen Gründen haben die Artists das verbockt und Monster B sieht irgendwie total scheiße aus und total schwach und passt überhaupt nicht, dann tausche ich die Dinger einfach aus und bin fertig damit. Also Pragmatismus ist halt auch ein Teil der Gleichung. Das Nehmen, was man hat und darauf das Beste bauen. Aber im Sinne der Vision und die Vision ist natürlich diese übergeordneten Designpillars und so weiter. Was soll es sein? Das hatten wir schon versucht für uns da zu machen vorher. Also welcher Designphilosophie wollen wir folgen und so weiter. Natürlich jetzt nicht jeder Charakter am Anfang designt, natürlich noch nicht jede Fraktion designt. Wir sind ja angefangen zu entwickeln und auch schon die Engine zu programmieren, ohne dass es inhaltlich wirklich klar war, was wir wollten. Also es ist schon von Anfang an ein Projekt gewesen, was on the fly zusammengeschraubt wurde.
Chris:
[1:20:41] Okay, das ist jetzt so eine Frage, die gerade irgendwie nicht reinpasst, aber ich würde sie jetzt trotzdem kurz stellen, bevor wir dann wieder ansetzen, wo wir gerade waren. Diese Mad Scientist-Leute, wurden die irgendwann mal integriert? Oder ist das ewig parallel weitergelaufen?
Mike Hoge:
[1:20:55] Bis zum Ende, bis zur Fertigstellung von Gothic 1, waren die ihr eigener Laden sozusagen, ihre eigene Abteilung. Das wollten die nie. Die wollten immer selbstständig bleiben.
Chris:
[1:21:06] Und habt ihr jemals jemanden übernommen von denen? Oder haben sich die Wege dann getrennt?
Mike Hoge:
[1:21:11] Als wir dann fertig waren, die hatten ja genau dasselbe gemacht wie alle anderen. Die haben sich auf einen Zwei-Jahre-Entwicklungsdeal eingelassen und sitzen dann da drei Jahre und vier Monate, wollen mal irgendwann mit ihrem Leben weitermachen. Das sind Studenten gewesen, die gedacht haben, wir verdienen jetzt mal schön Geld und machen mal zwei Jahre neben dem Studium da so ein Spiel und sitzen dann da Vollzeit dran, länger als geplant und hatten dementsprechend auch eine Krawatte. Das hat denen nicht gefallen. Sie haben es aber bis zum Ende durchgezogen.
Tom Putzki:
[1:21:40] Und was ich definitiv gelernt habe in dieser Zeit ist, bei einem solchen Projekt niemals mehr zeitgleich eine Engine entwickelt. Nie. Never ever.
Mike Hoge:
[1:21:53] Ich muss jetzt noch mal ein bisschen was Gutes sagen auch dazu. Ich meine, die kritischen Fragen sind gerechtfertigt, auf jeden Fall. Und wie gesagt, heute würde ich es anders machen. Aber jetzt zwei Jahre anzusagen und drei zu brauchen, wenn man es zum ersten Mal gesagt hat, come on. Also so hundertprozentig unterirdisch ist es jetzt auch nicht. Also es ist schon schlecht, aber …
Chris:
[1:22:13] Es kommt ja immer auch darauf an, was am Ende dabei rauskommt. Und da haben wir natürlich bei euch einen Fall, wo das Endergebnis das durchaus gerechtfertigt hat, die Mühen.
Chris:
[1:22:23] Und mir ist auch klar, das ist ein moderner Blick da drauf. Aber ich würde euch die Frage trotzdem gerne noch stellen, wenn wir beim Thema Crunch sind. Mir ist bewusst, damals war das kein Thema in der Branche, insbesondere wenn junge Leute an einem Herzensprojekt arbeiten. Aber ihr spezifisch als Mitgründer und Firmenbesitzer und der Stefan insbesondere als Geschäftsführer, hattet ihr keine Skrupel dabei, die ganze Mannschaft dann festzunageln darauf, über Monate hinweg ihr Leben aufzugeben?
Mike Hoge:
[1:22:51] Die haben das freiwillig gemacht. Keinem wurde das abverlangt. Da hat keiner irgendwie einen Cent weniger gekriegt, der keine Überstunden gemacht hat. Das war einfach so eine stille Übereinkunft. Ich bin auch mit Sicherheit Spitzenreiter in der Stundenliste oder zumindest unter den Top 3. Wir haben ja nicht irgendwelche Leute da getrieben. Wir sind ja vorgerannt und haben das gemacht, weil wir es unbedingt so gut machen wollten in der Zeit, die wir hatten, wie wir konnten. Und rückwirkend betrachtet ist mir klar, und das wurde mir dann auch relativ nah nach der Entwicklung von Gothic 1 klar, als ich wieder ein bisschen Abstand hatte und klar denken konnte, dass es absoluter Irrsinn ist, da 100 Stundenwochen hinzulegen und sich da so hart reinzuverbeißen. Hätte man zwei Wochen zwischendurch Urlaub gemacht, man hätte immer noch Überstunden machen müssen, aber man hätte mit einer vernünftigen Anzahl von Überstunden genau dasselbe Ergebnis erreicht, wenn man einfach ausgeruht gewesen wäre und eine klare Birne gehabt hätte. Das war so ein bisschen Kopf durch die Wand. Das muss jetzt, das muss jetzt. Wir haben uns da richtig reingesteigert. Das ist dumm. Heutzutage passiert das nicht mehr. Auch in den späteren Jahren bei Piranha Bytes, da war vielleicht mal ein Wochenende, wo ich mal Leute gebeten hatte, ausnahmsweise zu kommen im Jahr. Da hat jeder Dienst nach Vorschrift gemacht dann am Ende. Das haben wir dann im Griff gekriegt.
Tom Putzki:
[1:24:01] Ja, aber ich merke schon langsam, bei diesem Podcast ist mein Lieblingssatz, wir wussten es nicht besser. Und das Zweite ist, Maik hat gerade was ganz Wichtiges gesagt, bis ich mal wieder klar denken konnte. Das ist wirklich so gemeint. Du warst so dermaßen in diesem Ding drin, in diesem Projekt drin, in diesem viel zu großen, umfangreichen Werk, dass du wirklich nicht unbedingt immer klar denken konntest.
Chris:
[1:24:31] Das ist schon ganz eindrucksvoll, was das mit einem macht, so in einem Projekt drin zu stecken. Was habt ihr denn gemacht, als das Master abgegeben war? Habt ihr irgendwie gefeiert? Ins Bett gefallen?
Mike Hoge:
[1:24:41] Bestimmt haben wir gefeiert. Es ist schon so lange her, dass ich mich jetzt nicht mehr an Details erinnere. Ich weiß auf jeden Fall noch, wie ich in die Stadt gegangen bin, wie ich mir vorkam wie auf dem Mars.
Tom Putzki:
[1:24:49] Ja, und ich weiß einfach, dass ich so viele Leute wie möglich am 15. März 2001 zusammengesammelt habe. Und wir sind in den Saturn, in der Fußgängerzone von Gelsenkirchen, Bahnhofstraße, gegangen und haben den Storchcheck gemacht. Und da standen irgendwie, weiß ich nicht, ein Dutzend oder 20 Piranhas vor dem Regal, wo dann die Stapel von unserem Spiel lagen. Also das ist eine der wichtigsten Feiern, an die ich mich erinnere.
Chris:
[1:25:20] Wie zufrieden seid ihr mit Gothic, mit dem ersten Spiel?
Mike Hoge:
[1:25:25] Es gibt viele, viele Sachen, die ich gerne noch verbessert hätte. Unterm Strich ist es aber für das, was es ist, finde ich gut. Das wurde ein bisschen gebashed wegen der Bugs und so. Ja, okay, ich bin schon zufrieden damit. Größte Manko aus meiner Sicht an dem Titel ist, dass die Story-Dichte nach dem ersten Kapitel so hart abnimmt. Das ist einfach dann klar der Beschneidung zu schulden. Da hätte ich gerne noch ein bisschen mehr gesehen. Aber generell finde ich es schon ganz gut. Es gibt doch ein paar Game-Design-Details, die ich rückwirkend anders entschieden hätte. Zum Beispiel hatte Gothic 1 keine Equip-Conditions. Zum Beispiel, wenn man da geschafft hatte, irgendwie die Typen von hinten umzuhauen und ihm die beste Axt des Spiels abzunehmen, hätte man die beste Axt des Spiels. Das war vielleicht nicht so schlau. Also es gibt schon ein paar Punkte, die ich kritisiere. Unterm Strich finde ich es gut. Also dafür, dass das das erste Ding war, was wir gemacht haben, muss ich sagen, ja, it is what it is. kann ich mitleben.
Chris:
[1:26:22] Also das ist ja schon erstaunlich bescheiden. Dann frage ich mal andersrum.
Chris:
[1:26:27] Gothic ist ja Kult. Es gilt ja nun wirklich vielen Menschen da draußen als ein Meisterwerk, Lieblingsspiel, hat schweren Eindruck gemacht, Generationen von Spielern geprägt, würde ich fast sagen. Nicht nur in Deutschland, auch insbesondere im osteuropäischen Raum. Wie erklärt ihr euch das? Was gefällt den Menschen an Gothic?
Tom Putzki:
[1:26:43] Es ist natürlich wie immer eine Kombination von Faktoren. Aber das wichtigste Ding ist, glaube ich nach wie vor die Welt. Die Welt und die Atmosphäre von Gothic ist einfach etwas, was es in der Form so noch nicht gegeben hat. Es ist immersiv, es ist glaubwürdig, du kannst dich darin verlieren.
Tom Putzki:
[1:27:05] Du verstehst die Welt auch sehr schnell, weil, nochmal da diese Kombination wieder mit dem Visivik-Prinzip, what you see is what you get. Du läufst durch den Wald und in der Nähe steht ein Vieh, das ist halt doppelt so hoch wie du und hat solche Zähne. Ist das eine gute Idee, da jetzt weiterzugehen? Nein, das verstehst du sehr schnell. Und was ebenfalls, glaube ich, mit dazu kommt, ist, dass die NPCs bei uns nicht einfach nur Questgeber sind oder Metzelopfer oder, oder, oder, sondern du guckst dir das an, wie sie ihren Tagesablauf haben, wie sie auch mal abends chillen und einen Joint durchrauchen. Ach ja, es war ja kein Joint, es war ja Sumpfkorn. Und das Ganze ist believable. Und dann fällt dir auch auf, ich bin ja einer von denen. Ich mit meinem namenlosen, ohne großartige Geschichte versehenen Hero. Ich bin einer von denen, weil ich kann dieselben Animationen. Was die können, kann ich auch. Ich kann mir auch ein Pfeifchen durchziehen. Ich kann auch trinken. Ich kann mir Fleisch braten. Ich kann mein Schwert spielen und schleifen. Alles, was ich die machen sehe, kann ich auch machen. Und eine der großartigsten Spiele-Serien schlechthin ist die Witcher-Serie. Aber Geralt ist anders. Er sieht anders aus. Er hat andere Fähigkeiten.
Mike Hoge:
[1:28:34] Er hat eine eigene Meinung, die er dauernd kundtut auch. Er hat einen starken Charakter.
Tom Putzki:
[1:28:39] Richtig, richtig. Unser Hero ist maulfoul. Er kann alles, was die NPCs anziehen, kann er auch anziehen. Er ist einer von denen.
Mike Hoge:
[1:28:50] Ja, das ist auch Absicht. Also der ist schon so designt, dass du ihn besetzen kannst. Das ist auch so ein bisschen erst außer Not geboren, weil ich natürlich nicht irgendwie, wenn ich ein Spiel mache, was komplett Sprachausgabe hat. Das war damals auch das erste Mal, weil wir alles in Sprachausgabe machen, nicht nur den ersten Satz, wenn du mit einem sprichst. Nein, komplett alles bis zu Wahnsinn. Wir müssen das alles machen. Das war ein richtiger Kampf. Das wollten die nicht. Keiner wollte die komplette Sprachausgabe. Ich habe darauf bestanden. Ich habe gesagt, wir müssen das machen. Das geht nicht ohne. Das muss ja lebendig werden. Also die Lebendigkeit der Welt, wir reden von damals, ja, heute ist das alles normal. Die Lebendigkeit der Welt im damaligen Vergleich ist, glaube ich, ein Punkt, dass du selbst als Teil davon funktionieren kannst als Spieler. Ich glaube, dass du auch relaten kannst ein bisschen. Meine Frau hat das dann später gesagt im Nachgang als einen Punkt, der war mir selber gar nicht so klar tatsächlich. Die Idee Gothic 1 kommt unter anderem deswegen so gut an, weil sich jeder damit identifizieren kann. Niemand will eingesperrt sein. Alle wollen ausbrechen. Und das habe ich überhaupt gar nicht verstanden, als ich es gemacht habe. Aber das stimmt. Ja, also das ist auch ein Faktor davon. Und ich glaube, das gibt eine ganze Kette von Gründen.
Mike Hoge:
[1:30:04] Den einen Grund wird es nicht geben. Es gibt ein paar, die mir einfallen, unter anderem die spielerische Freiheit. Das Spiel leitet dich nicht, zwingt dich nicht. Geh in den Wald, lass dich fressen. Spiel nicht die Story so, wie sie vorgesehen ist. Geh zuerst in ein komplett anderes Lager, spiel da, funktioniert nicht. NPCs, die dich überraschen, Dinge, die du tust, wo du merkst, da haben die Entwickler doch dran gedacht, ja, auch bestimmte Bugs, wo sie nicht dran gedacht haben, aber eben auch viele Orte oder Stellen, wo der Spieler überrascht wird, wo der Spieler versucht, Grenzen auszutesten und der Entwickler zeigt ihnen, ja, hier war ich auch, guck mal, hier haben wir dran gedacht und ist auch ein Teil davon, ja, glaube ich. Das ist eine Frage, die mir oft gestellt wird und ich habe sie bis jetzt nicht irgendwie in einen Satz komprimiert gekriegt. Aber das sind ein paar Gründe, die da zusammenkommen.
Chris:
[1:30:52] Das werden wir in unserer Podcast-Folge dann auch zu ergründen versuchen und schauen, wie wir diese Frage beantworten können. Aber das klingt natürlich alles sehr logisch und nachvollziehbar. Das stimmt.
Chris:
[1:31:01] Ich hätte noch eine kurze Frage in Richtung Mike. Denn wenn ich das richtig gesehen habe, dann wolltest du als nächstes Projekt ja gar nicht Gras-Tec 2 machen, sondern erst mal was anderes, richtig?
Mike Hoge:
[1:31:12] Es sollte einen Shooter geben mit dem Arbeitstitel Unplugged. Und da ging es darum, dass irgendwelche Außerirdischen auf die Erde kommen, der Menschheit in den Strom abgedreht haben und du dadurch durch die Überreste der Zivilisation kämpfen solltest. Das war mit… Ach du meine Güte, wir waren doch alles dabei.
Tom Putzki:
[1:31:33] Naja, das war doch diese eine Tochterfirma, die wir da auf einmal auch hatten.
Mike Hoge:
[1:31:37] Ja.
Tom Putzki:
[1:31:37] Namens Codecult. Die hatte ihre eigene Engine wieder.
Mike Hoge:
[1:31:41] Genau, dann sollte es ein Shooter sein, weil das ja dann irgendwie modern und innen war, dass man seine Engine gefälligst mit dem Shooter präsentiert. Und dann habe ich dann angefangen, da zu wirken. Aber dann kam ja diese Geschichte mit dem Add-on zu Gothic, was dann hinter Gothic 2 wurde, wenn du dich erinnerst.
Tom Putzki:
[1:31:59] Ja.
Mike Hoge:
[1:32:00] Und das ging nicht. Also ich dachte, es würde von der Hälfte des Teams von Piranha Bytes, dass Gothic 1 Add-on produziert wurde. Und insgeheim hatten sie in der Führungsetage von Phenomedia längst beschlossen, das als Gothic 2 zu verkaufen, weil das mehr Geld gibt. Und ich habe nicht mir drei Jahre und vier Monate den Arsch aufgerissen, um mir anzugucken, wie das Spiel, was ich gerade irgendwie auf die Welt gebracht habe, sofort wieder verheizt wird im nächsten Teil, weil bei den Leuten Erwartungshaltungen irgendwie geschürt werden, die wir nicht erfüllen können, weil wir nur ein Add-on liefern und der Gothic 2 draufschreiben. Hallo, geht’s noch? Und dann bin ich damals zum Stefan Juhl gegangen, zum Teamleader des Add-on-Teams. Dem war das völlig egal, glaube ich. Also ich habe dem das gesagt, so wie ich es dir gesagt habe jetzt. Und ich habe dann nur als Antwort bekommen, danke für dein Feedback, Maik, das wäre dann alles.
Chris:
[1:32:51] Tja.
Mike Hoge:
[1:32:52] Ja, und das Ende vom Lied war dann, das Team wurde aufgelöst und wir haben uns da drauf gesetzt, gesalvaged, was wir konnten und haben dann Gothic 2 gemacht. Weil ich es ja immer so wollte. In den elf Monaten. Und die vier Monate, die du da noch dran gedichtet hast, haben die gemacht. Aber ich kann dir sagen, wir haben das meiste weggeworfen.
Tom Putzki:
[1:33:09] Ich weiß es. Ich habe das sehr wohl sehr gut verfolgt.
Mike Hoge:
[1:33:13] Ein unrühmliches Kapitel in meinem Leben. Mir sind einige Leute noch böse bis heute, aber das konnte ich nicht durchgehen lassen. Dann hätte ich selber nicht mehr ruhig schlafen können.
Chris:
[1:33:23] Okay, die ganze Geschichte um Gothic 2 erzählen wir dann in einer anderen Podcast-Folge. Da stehen wir wieder bei euch auf der Matte in, keine Ahnung, zwei, drei Jahren. Mal schauen. Soweit ist. Jetzt erstmal an dieser Stelle ganz, ganz herzlichen Dank für das lange und ausführliche Gespräch über die Entstehung von Gostek.
Mike Hoge:
[1:33:42] Ja, danke euch. War nett.
Tom Putzki:
[1:33:43] Danke für die Einladung.
Eventuell habe ich es in der Folge verpasst, aber hattet ihr die beiden gefragt, was sie heutzutage so machen?
Nein.
Ich habe erst fünf Minuten gehört, möchte aber schon jetzt anmerken, dass Sterne wie Staub der GDG eine Folge wert wäre. Das hat wohl auch eine spannende Veröffentlichung auf zwei Wegen hinter sich.
Hätte mich auch interessiert, aber bei den Beiden kann man etwas im Internet dazu finden.
https://tom-putzki-consulting.com/
Hmmm … erschien „Sterne wie Staub“ auf einem Diskettenmagazin? Auf einer Ausgabe von Golden Disk 64 bzw. auf einer Sonderausgabe von Magic Disk 64? Ich hab die Interview-Folge noch nicht gehört, aber „Sterne wie Staub“ klingt vertraut … aber ich hab keine konketen Erinnerungen an das Spiel.