[0:00] Another Visitor. Stay a while. Stay forever. Ein Podcast über alte Spiele von zwei alten Männern. Stay Forever mit Gunnar Lott und Christian Schmidt.
[0:13] Music.
[0:22] Gunnar, neulich habe ich einen Freund getroffen und der hat mich gefragt, du Christian, hast du einen Reisetipp für mich? Und dann habe ich ihn gefragt, okay, was hast du denn für Anforderungen an deine Reise? Und dann sagte der, naja, mir sind drei Dinge wichtig. Erstens, ich würde gern mehr über französische Kolonialgeschichte lernen. Zweitens, ich interessiere mich für Schreikraniche. Und drittens, ich würde vor Ort gern größere Mengen Kali-Dünger kaufen. Hast du da einen Tipp für mich, Christian? Und dann war ich ehrlich gesagt ein bisschen ratlos. Kannst du mir helfen, Gunnar? Hättest du eine Empfehlung für den Mann? Nein, aber wo ist denn mein Almanach? Vielleicht kann ich schnell nachgucken. Ich glaube, da müssen du und ich schnell eine Runde, wo in der Welt ist Carmen Sandiego, spielen, damit wir gewappnet sind für diese Art von Gesprächen. Das ist wahr. Ja, und genauso ist Carmen Sandiego. Merkt euch dieses Beispiel. Genauso ist Carmen Sandiego im Guten wie im Bösen.
[1:17] Zum Glück können wir ja auch über Carmen Sandiego sprechen, denn wir haben den offiziellen Auftrag dazu bekommen von unserer Community, von unseren Unterstützerinnen und Unterstützern. Es gab wieder mal eine Abstimmung. Wir haben zur Auswahl gestellt sechs Spiele der Firma Bruderband. Da haben mehr als tausend Leute teilgenommen und mit großem, großem Abstand hat gewonnen Where in the World is Carmen Sandiego von 1985. 41 Prozent wollten das haben. Das nächstpopulärste Spiel wäre Loadrunner gewesen mit 20 Prozent. Das hätte ich nicht unbedingt erwartet, schon gar nicht in dieser Deutlichkeit. Denn die Carmen Sandiego-Serie ist schon ein größerer Name, aber das sind ja nun auch nicht wirklich Hardcore-Spiele. Nicht unbedingt das, was unsere Zielgruppe, dachte ich, so spielt oder gespielt hat früher, aber da habe ich mich offensichtlich getäuscht. Das sind doch Babyspielchen. Sagen wir es doch, wie es ist. jetzt mal ehrlich. Ja, ich weiß nicht, warum ihr das gewählt habt. Joblifter stand auch zur Wahl. Ich bin irritiert. Nee, also ich habe das Gefühl, dass man das oft ganz gut einschätzen kann, was der populärste Titel sein wird. Aber hier habe ich jetzt echt daneben gelegen. Ich meine, da war Joblifter dabei. Das ist eins der Highlights meiner Jugend, aber halt auch schon sehr alt. Und vor allen Dingen eine Serie, die irgendwann mal geendet ist, so mit Teil 2.
[2:41] Während Carmen Sandiego ja bis heute noch ein Name ist. Und es ist Raid on Bangling Bay dabei, das erste Spiel von Will Wright, der spätere Sims-Macher. Und das hatte ich so ein bisschen als Geheimtipp. Also vielleicht ist das so ein Fall von, das sind natürlich viele alte Spiele, weil die Firma Border Band viele ihrer ersten, ihre frühen Hits in den 80er Jahren hatte. Alle diese Spiele, die wir zur Auswahl gestellt hatten, waren aus den 80er Jahren. Und dann könnte das so ein Fall sein von das einzige Spiel, von dem ich schon mal gehört habe hier in der Liste, es kam in San Diego. Lass mal das wählen. Es ist aber auf jeden Fall eine gute Wahl. Es ist eine ganz relevante Serie. Schon das erste Spiel der Serie ist toll, was ja nicht immer unbedingt der Fall ist bei solchen langlaufenden Serien. Ich hatte jetzt auch wieder überraschend viel Spaß, möchte ich fast sagen, mit den Carmen Sandiego-Spielen. Und das, obwohl sie Babyspiele sind, wie du gesagt hast. Ja, wir werden noch drüber sprechen, wie viel Spaß das macht und vor allen Dingen, wie lange das Spaß macht. Aber was ich dir zugestehen kann, ist, dass man da super leicht reinkommt. Und super schnell Spaß hat. Und das, finde ich, das ist ungewöhnlich für Spiele des Jahres 1985. Ja, auch den Gedanken halten wir mal fest.
[3:53] Okay, also warum sagen wir Babyspiele? Nun, ich glaube, heutzutage würde man die Carmen Sandiego-Spiele als Lernspiele einsortieren. Das ist für dieses erste Spiel, über das wir maßgeblich sprechen werden, Where in the World ist Carmen Sandiego, noch gar nicht so hundertprozentig trennscharf. Warum das so ist, dazu kommen wir dann noch. Aber heutzutage, glaube ich, besteht da kein Zweifel daran. Und spezifischer sind es Erdkundelernspieler. Also es geht eigentlich darum, auf spielerische Art und Weise etwas über einen bestimmten geografischen Raum zu erfahren. Und welcher Raum das ist, steht immer im Titel. Where in the world is Carmen Sandiego? Where in the USA is Carmen Sandiego? Where in Europe? Where in North Dakota?
[4:33] Also da gibt es eine ganze Reihe von Räumen, in die die Serie schon gereist ist. Dieser elegant austauschbare Name ist, glaube ich, eins der Erfolgsgeheimnisse. Unbedingt. Weil dieser Name zwei Bedeutungen trägt. Nämlich einmal sagt er dir gleich, wo das spielt. Und zum anderen hat er diesen ikonischen Namen der Bösewichtin. Sam San Diego ist ja nicht die Heldin, sondern sie ist die Chefin des Gangstersyndikats Vile, Villains International League of Evil, die man jagen muss und wo es das Ziel ist, die zu fassen.
[5:06] Also dieser Name verbindet halt immer diese ikonische Figur und mit ihrem schönen klingenden Namen und dem Ort. Und der Ort ist halt leicht austauschbar. Und das hat die Firma Bruderband auch zu Genüge getan. Du hast ja schon ein paar Spielenamen genannt. Und das ist ganz interessant, dass hier ein Spiel ist, das den Namen des Bösewichts, des Endgegners im Namen trägt. Das ist ganz nett. Da hat das gleich so was Mysteriöses. Und die Spiele wurden ja auch nicht als Lernspiele vermarktet seinerzeit, sondern als Mystery-Exploration-Games oder Exploration-Mystery-Games, bin ich ganz sicher. Das hat so ein Detektiv-Flair. Und die Grundmetapher ist auch, dass du ein Detektiv bist, der diese Verbrecherin jagt. Ja, das ist ein Krimi, genau. Deswegen hat es ja auch diese Fragestellung im Titel. Wo versteckt sie sich denn, die Carmen Sandiego?
[5:53] Und jedes Mal, wenn man auch dieses erste Spiel, Where in the World is Carmen Sandiego startet, wartet ein neuer Fall auf einen. Und die Ausgangslage ist immer gleich. Und um das direkt greifbar zu machen, Gunnar, würde ich sagen, Wir springen mal in einen Beispielfall rein, in eine typische Aufgabe in den Carmen Sandigo-Spielen. Also, du bist der Detektiv, einverstanden? Immer. Gut, dann bin ich sozusagen der Erzähler und Auftraggeber. Also.
[6:19] In der ACMI-Detektivagentur kommt ein eiliges Telegramm rein. Notfall in London, eine Kopie der Magna Carta wurde gestohlen. Ein nationaler Schatz ist verschwunden. Und du, Detektiv Gunnar, sollst das wertvolle Stück wieder beschaffen und die Täterin überführen, denn so viel weiß man, es war eine Frau, die hier zugegriffen hat.
[6:39] Also, wir starten in London. Es ist Montag, 9 Uhr morgens und du hast eine Woche Zeit bis Sonntag, um den Fall zu lösen. Du musst dich an die Spur der Diebin heften, denn sie ist längst geflohen. Aber wohin? Es gibt hier in London drei Orte, an denen du Nachforschungen anstellen kannst. Den Palast, einen Sportclub und den Marktplatz. Gar nicht random. Ich fange natürlich im Palast an. Da triffst du einen Geheimrat und der erzählt dir, er hat die Verdächtige gesehen. Sie ist in einem Fahrzeug davon gefahren, an dem eine rot-weiß-blaue Flagge flatterte. Rot-weiß und blau. Was für Verbindungen gibt es denn hier raus aus London? Also wo kann man hinfliegen von hier aus? Du könntest von hier aus weiterreisen nach New York City, nach Reykjavik, nach Oslo und nach Paris. Das ist ja eine klasse Auswahl. Das sind vier Länder mit rot-weiß-blauen Flaggen, Christian. Danke. Das hilft mir nicht. Lass mal in den Sport.
[7:35] Da triffst du einen Barkeeper und der sagt, die Verdächtige habe erwähnt, dass sie auf dem Hudson River Kajak fahren will. Und außerdem erinnert er sich daran, dass sie braune Haare hat. Das mit den braunen Haaren merken wir uns, aber der Hudson River, der ist nicht in der Nähe von Reykjavik, Oslo oder Paris. Das weiß ich, das ist New York. Also ab ins Flugzeug, ich fliege nach New York.
[8:02] Nach sechs Stunden Flug kommst du in New York City an. Wo kann man denn hier hingehen? Hier könntest du ins Hotel, in die Bibliothek oder in den Hafen. Erstmal ins Hotel.
[8:12] Unterwegs ins Hotel bemerkst du, dass du von einem Handlanger der Verbrechergruppe beschattet wirst. Das heißt, du bist auf dem richtigen Weg. Und im Hotel erzählt dir dann ein Page, dass die verdächtige Geld in Yen umgetauscht hat. Yen ist die Währung von Japan. Gibt es hier eine Flugverbindung nach Japan? Ja, eine der Verbindungen ist nach Tokio. Mehr muss ich gar nicht wissen. Ich breche die Ermittlungen hier ab und fliege nach Tokio.
[8:39] Du landest in Tokio. Hier gibt es eine Aktienbörse, ein Museum und das Außenministerium. Das Museum gern. Ein Kurator sagt, die Verdächtige habe nach Informationen über König Monkut gesucht. Oh, das sagt mir nichts. Wie sieht es denn im Außenministerium aus? Dort hat die Verdächtige erzählt, dass sie eine Nachricht für den König überbringen muss. Für König Mongkut? Vermutlich nicht, weil der ist schon eine Weile tot. Sag mir mal, wo man hier hinfliegen kann. Von hier aus geht es nach New York, aber da kommst du her. Also weiter ginge es nach Montreal, nach Peking und nach Bangkok. China, China hat keinen König, Kanada, naja, schon, aber nicht so richtig. Hier muss wohl Thailand gemeint sein, dann fliege ich nach Bangkok.
[9:29] Okay, du landest in Bangkok und hier ist ein Hotel, ein Marktplatz und eine Bank. Ich frage mal die Leute auf dem Marktplatz. Was wissen die denn?
[9:41] Dass die verdächtige Kopra kaufen wollte. Was ist denn Kopra? Keine Ahnung, das sollst du doch wissen. Naja, ich gucke mal in den Eimer nach. Das ist, Sekunde. Das getrocknete Nährgewebe von Kokosnüssen, aus dem Kokosöl gewonnen wird. Das hilft mir gar nicht, ehrlich gesagt. Ich schau mal ins Hotel. Im Hotel erinnert sich der Manager, dass sie das Rote Ford anschauen wollte und außerdem ist sie mit einer Limousine weggefahren.
[10:11] Eine Limousine. Also das Rote Ford hilft mir nicht, aber die Limousine. Das heißt, wir haben eine Frau, die braune Haare hat und sie fährt eine Limousine. Das reicht ja wohl für die Identifizierung. Ich gebe das in den Kriminalkomputer ein. Ja, die Verdächtige wurde identifiziert. Es handelt sich um Mireille Larocque, freiberufliche Aerobic-Trainerin, die exklusive Training-Sessions für die High Society veranstaltet, um dann ihre schwerreichen Klienten zu beklauen. Okay, also du kriegst einen Haftbefehl auf sie ausgestellt. Das ist schon mal die halbe Miete. Okay, also Cobra, Rotes Fort, ich brauche noch einen dritten Hinweis. Was war da noch? Die Bank? Die Bank, genau. Dort sagt man dir, sie hat Geld in Rupien umgetauscht. Aha, Indien. Komme ich von hier nach Indien? Ja, Bangkok hat eine Flugverbindung nach Neu-Delhi. Na dann, nichts wie dahin.
[11:04] Jetzt müsstest du schon dicht dran sein. Hier in Neu-Delhi kannst du in die Bibliothek, den Sportclub oder zum Hafen. Ich gehe zum Hafen. Wow, jemand hat ein Messer nach dir geworfen. Das ging haarscharf vorbei. Und einer der Kofferträger sagt, du bist jetzt ganz dicht dran, Schnüffler. Gibt es keinen Hinweis? Nee, du bist hier offensichtlich schon an der richtigen Stelle. Mareille Larocq muss irgendwo hier in Neu-Dealy sein. Das ist eine Aerobik-Trainerin. Ich schaue mal im Sportclub.
[11:33] Und da ist sie. Sie flieht, Gunnar. Aber du hast die örtliche Polizei verständigt und die rennt direkt hinterher, kann sie fassen und weil du ja auch den Haftbefehl hast, wird sie verknackt.
[11:46] Sehr gut, die Magna Carta ist sichergestellt, wird nach London zurückgegeben, der Fall ist gelöst, aber der nächste wartet schon. Es hört nie auf. Es hört schon irgendwann auf, aber jetzt noch nicht.
[12:02] Ja, sehr schön. So ist das. Das ist Where in the World is Carmen Sandiego. Und ungefähr so lange, wie wir das jetzt erzählt haben, dauert auch so eine typische Partie. Vielleicht gibt noch eine Minute drauf oder sowas. Aber das war im Endeffekt eine Runde in dem Spiel. Genau. Das Spiel ist eine Kette von Fällen dieser Art. Du hast immer wieder neue Fälle. Also es wird was anderes geklaut, die Verbrecher haben andere Eigenschaften und die Tipps sind andere. Du kannst halt Fall auf Fall auf Fall lösen, bis du die ganze Organisation von Carmen Sandiego verknackt hast und die letzte Person, die ist dann Carmen Sandiego selber.
[12:43] Ja, das kommt darauf an, in welchem Spiel du unterwegs bist. Also hier in dem ersten Spiel, da gibt es ein Rangsystem. Also je mehr von diesen Fällen du hintereinander löst, desto höher steigst du in einem Rang auf. Du beginnst als Rookie, als Anfänger und wirst dann Schnüffler und Privatdetektiv und am Ende Detektiv-Ass. Und du musst erst die höchste Stufe erreichen, bevor Carmen Sandiego sich überhaupt blicken lässt. Also so ein niedriger Schnüffler hat überhaupt keine Chance, die Verbrecherchefin überhaupt zu fangen. Und sobald du den zehnten Fall gelöst hast und damit dann also Ass-Detektiv geworden bist, besteht eine Chance, dass beim nächsten Fall Carmen auftaucht, aber nicht zwangsläufig. Kann auch irgendeiner von den anderen zehn nochmal sein. Also du verklackst die durchaus auch mehrfach im Laufe von so einer längeren Partie, weil die offensichtlich sofort wieder freigelassen werden oder von Carmen rausgeboxt oder wie auch immer. Das gehört zur Fantasie mit dazu. Ja, oder die brechen wieder aus oder so. Genau, es ist eigentlich eine endlose Kette von Jagden. Naja, bis du Carmen San Diego verknackt hast. Dann ist dein Run vorbei, erfolgreich abgeschlossen und dann geht’s wieder von vorne los. Dann kriegst du deine Endauswertung sozusagen und dann kannst du wieder von vorne anfangen. Genau. Aber das ist schon alles. Es gibt kein… Darüber liegendes Storytelling, außer dieser grundlegenden Fantasie und so, wie man sich das selber so ein bisschen zusammen reimt in dieser Welt, in der man da unterwegs ist.
[13:59] Und das, was wir jetzt eben erzählt haben mit diesen ganzen Hinweisen.
[14:03] Das ist auch ähnlich eklektisch im Spiel. Weil die Verbrecher sagen komische Sachen, dass sie unbedingt Cobra brauchen und so. Würde ich ja nicht erzählen, wenn ich Verbrecher wäre, ehrlich gesagt. Würde ich nicht im Museum dem Wärter erzählen. Aber das muss man hier so akzeptieren, dass das zum Spiel dazugehört, sonst wäre es ja auch nicht lustig. Ja, also es geht im Kern darum, Städte auf der ganzen Welt zu identifizieren über kleine Hinweise, die man bekommt darauf, so wie wir das gerade beschrieben haben. Es sind in dem ersten Spiel von 1985 genau 30 Städte auf der Welt. Das ist jetzt nicht so wahnsinnig viel und jede ist durch eine ganze Reihe von Merkmalen beschrieben, die dann halt hier die Verdächtige oder der Verdächtige fallen lassen kann. Die Sachen, die ich am Anfang gefragt habe, also hier französische Kolonialgeschichte, Schreikranich und Kali-Produktion, das sind zum Beispiel drei beschreibende Merkmale von Kanada. Also das wäre die richtige Antwort gewesen, lass meinen Freund nach Montreal reisen. Das können aber auch noch ganz andere Sachen sein. Also könnten zum Beispiel Hinweise auf Kanada fallen, dass dort mit Dollar bezahlt wird, dass der Uran abgebaut wird, dass man da Elche trifft, dass die Flagge ein Aarhornblatt hat, dass da der St. Lawrence River fließt und so weiter und so weiter. Es ist eine ganze Menge an verschiedenen von diesen Ein-Wort-Beschreibungen sozusagen, von Merkmalen, aus denen man sich dann erschließen soll, in welches Land man reist.
[15:24] Idealerweise weiß man das schon nach dem ersten Hinweis. Also Flagge mit Aarhornblatt zum Beispiel, da brauchst du keine weiteren mehr, da ist klar, wo du hin musst. Aber nicht immer ist das so eindeutig oder manchmal weiß man vielleicht auch nicht, in welchem Land der Welt wird denn jetzt viel Uran abgebaut. Dann muss man sich halt noch weitere Hinweise geben lassen und wie gesagt, bis zu drei können es sein an jedem Ort, dann wird zwingend die Weiterreise notwendig. So geht also diese Kette, diese Verfolgungsjagd ein paar Orte weit, bis man dann den jeweiligen Täter gestellt hat. Und wir haben es eben in der Erzählung angedeutet, wenn man ankommt an dem Ort, den man ausgemacht hat und man trifft dort einen Henchman von Weil, einen Schergen, dann weiß man, man hat es richtig ausgewählt. Wenn man da keinen trifft und irgendjemand sagt einem, ja hier ist nichts Verdächtiges, dann hat man die falsche Stadt ausgewählt und muss zurückfliegen und seine Wahl nochmal treffen.
[16:14] Dann kommt das Zeitlimit ins Spiel, denn jede Aktion kostet Zeit, egal ob ich einen Ort besuche, ob ich den Kriminalkomputer benutze, um dort einen Haftbefehl mir ausstellen zu lassen oder ob ich eben reise. Das alles kostet Stunden. Man muss auch schlafen, also jedes Mal, wenn die Nacht kommt, dann spult das Spiel auf den nächsten Tag vor, während man geschlafen hat.
[16:34] In unserem Beispiel waren das jetzt fünf Städte, die wir bereist haben, vier Reisen, die wir gemacht haben. So ist das zu Spielbeginn. Da stellt man die Täterin oder den Täter nach vier Reisen. Aber während du in dieser Rangliste aufsteigst, werden die Ketten ein bisschen länger. Ab dem fünften Fall sind es dann sechs Städte, die man besucht. Und wenn du Assdetektiv bist und also die Jagd auf Carmen beginnt, dann sind es sieben Städte. Und das klingt jetzt nicht wie so ein großer Unterschied, aber dann wird die Zeit langsam knapp. Insbesondere, wenn du an jedem Ort wirklich alle drei Hinweise dir geben lassen möchtest, dann wird es nach hinten raus eng. Dann kannst du dir bei der Jagd auf Carmen auch kein Verreisen mehr leisten. Also dann muss es schon immer der richtige Ort sein, zu dem du fliegst. Das ist ja ein Spiel, das für das Jahr 1985 geschrieben wurde, für eine amerikanische Zielgruppe und für eine eher junge Zielgruppe. Ich fand, das hat einen ganz angenehmen Schwierigkeitsgrad, vielleicht ein bisschen zu leicht. Man konnte das ganz gut so durchspielen, ohne dass man das Gefühl hätte, man müsste irgendwas nachgucken oder wüsste irgendwas nicht. Und beim dritten Hinweis war es eigentlich immer klar. Sprichst du da aus heutiger Perspektive oder von damals? Aus heutiger Perspektive. Als schlauer, erwachsener Mensch? Ja, und als Europäer.
[17:48] Okay, ein bisschen Kulturschauvinismus darf auch noch sein. Naja, das hat ja auch viele europäische Orte. Ich glaube von San Marino, das kommt ja im Spiel vor, da hat ein Amerikaner das vielleicht noch nie gehört und möglicherweise auch zu Recht. Also ich würde annehmen, da hat auch der ein oder andere Europäer noch nicht davon gehört. Und wenn, dann weiß er vielleicht auch nicht die Sachen, die da gefragt sind, um das Land identifizieren zu können. Ja, vielleicht. Aber wenn du gar nicht weiter weißt, dann kannst du ja immer noch ein bisschen schätzen, weil es ist ja ein Multiple-Choice-Spiel. Du hast ja immer nur drei Reiseziele oder vier Reiseziele plus das eine, wo du herkommst. Da reicht ja ein Hinweis oft schon, weil ein paar ausschließen kannst.
[18:23] Und weil das aber ja vielleicht für jugendliche Amerikaner im Jahr 1985 schwerer ist als für uns jetzt hier, lag dem Spiel ja ein Buch bei, ein Almanach. Der World Almanach, das ist eine Art, wie soll ich sagen, ein Fakten-Nachschlagebuch. Ich weiß gar nicht, wie man das nennt. So eine Art Wikipedia als Buch. Wie hat man das denn früher genannt? Also man ist ja versucht zu sagen, ein Lexikon. Nee, das ist ja nicht richtig. Aber das ist kein Lexikon, dieser Almanach. Vielleicht ist Almanach schon der richtige Begriff. Das Spiel kam ja 1985 für den Apple II als erstes raus in den USA und da lag bei der 1986 World Almanach an Book of Facts.
[19:04] 1986 deswegen, weil das, wie das häufiger so ist, immer schon vordatiert war. Also die Ausgabe, die im Jahr 85 auf den Markt gekommen ist, trug schon den Namen des nächsten Jahres, damit man das auch ins Jahr 86 hinein noch verkaufen kann, das Buch, und die Leute im Laden nicht sagen, das ist ja veraltet. Der alte GameStar-Trick. Der alte GameStar-Trick, genau. Und dieses Ding war eines der etablierten Nachschlagewerke in den USA. Jetzt nicht so, wie man sich bei uns ein Brockhaus vorstellt, was du dir in großen, gebundenen Schinken ins Regal stellst, sondern das ist schon ein kleineres Taschenbuch. Also ich meine, hat immer noch knapp 1000 Seiten, aber das ist sowas für die Masse. Die Vorgängerausgabe für das Jahr 1984, die dann den Namen 1985 World Almanac trug, die hat zum Beispiel in den USA fast 1,8 Millionen Stück verkauft. Also das war kein obskures Ding, sondern das war was, was man durchaus vielleicht sowieso zu Hause im Haushalt hatte. Und das hat die Firma Bruderband dem Carmen San Diego beigelegt. Da lag also dieses 1000 Seiten dicke Paperback in der Packung mit drin.
[20:05] Warum, Gunnar? Was war der Sinn davon? Darauf wollte ich gerade hinaus, weil das zur Spielerfahrung gehört, dass man das nachschlägt. Ja. Weil man das darf. Man soll ja was lernen. Es ist völlig okay, die Informationen, wo du jetzt Bauxit kaufen kannst oder Kali-Salze, dass du die in diesem Almanach nachschlägst und dabei versehentlich was lernst. Das ist völlig okay. Das ist kein Cheaten. Das ist Teil dieser Spielerfahrung, so wie sie sein soll.
[20:32] Genau, also es geht um die Benutzung eines Nachschlagewerks. Jetzt ist bei tausend eng bedruckten Seiten das auch nicht leicht, die richtige Information zu finden. Deswegen geht es zum Beispiel auch darum, den Index richtig zu gebrauchen. Dieser World Almanac, das ist so eine Art Mischung aus Nachschlagewerk und Unterhaltungslektüre. Da sind auch Rubriken drin, wie überraschende Fakten oder interessante Zitate. In dieser 86er-Ausgabe, die dem Spiel beilag, da ist zum Beispiel mit drin, wichtige Rock’n’Roll-Musiker oder Effekte oft missbrauchter Drogen.
[21:04] Solche Sachen stehen dann da auch drin. Und das besteht zum allerüberwiegenden Teil aus Listen und Tabellen. Also wenn man jetzt zum Beispiel etwas über Frankreich wissen möchte, dann guckt man im Index unter France und stellt dann fest, aha, da muss man blättern zur Seite 500 irgendwas und dann sind das drei eng bedruckte Spalten.
[21:25] Also eineinhalb Seiten in diesem riesigen Buch in einer Sektion, wo es um die Länder der Welt geht. Und da steht dann in kürzester Form ein paar Fakten zur Geschichte, zur Regierung, zur Bevölkerung, zur Geografie und so weiter des Landes. Aber wie dir der Index dann auch mitteilt, findest du an 23 anderen Stellen in diesem Buch auch Informationen zu Frankreich, halt in irgendwelchen anderen Tabellen und Artikeln. Zum Beispiel, wenn du die Flagge von Frankreich sehen möchtest, dann blätterst du zur Seite 457, weil da ist ein kleiner farbiger Teil. Der Rest des Buches ist in schwarz-weiß und farbig sind dann da die Flaggen der Welt abgebildet. Oder wenn das Spiel dir sagt, die Verdächtige interessiert sich für King Cobras, für Königskobras, dann blätterst du in deinem Allmann nach, guckst in den Index, findest unter S den Eintrag Snakes, Poisonous, also Giftschlangen, Seite 138 und findest dort eine Liste mit Giftschlangen und wo man sie findet. Und daraus kannst du dann ableiten, in welches Land du musst. Genau. Also das erfordert auch ein bisschen Skill, willst du damit sagen. Da steht nicht einfach alles drin, wie bei einer Kopierschutzabfrage. Da muss man schon so ein bisschen suchen und sich das anzueignen, diese Fähigkeit, das gehört dazu. Wie es übrigens auch, wenn ich schon Kopierschutz gesagt habe, auch der Kopierschutz des Spiels ist. Es gibt auch Stellen im Spiel, wo man dann nachschlagen soll, was auf bestimmten Seiten ist. Dann überprüft das Spiel, ob du das Buch und damit auch die Originalversion hast.
[22:47] Clever. Ja, ist ganz nett. Das hat so was Multimediales. Das ist ganz schön so.
[22:53] Ich habe das jetzt beim Spielen nicht vermisst, weil ich so schlau bin. Aber danach habe ich dann die Version gespielt, wo Carmen in den USA unterwegs ist und alle Fragen sich auf Amerika beziehen. Und da bin ich gleich beim ersten Verdächtigen dreimal falsch gefahren.
[23:09] Also bei vier Auswahlmöglichkeiten drei falsche gewählt, bis ich die eine hatte, da wusste ich nämlich gar nichts und da hätte auch ein Buch beigelegen aber ich habe ja die Version davon leider nicht ich habe das nur in so einer Emulation gespielt ich habe das Original nicht hast du die ganzen Originale von den Spielen mit den Büchern drin? Ja, ja, ich habe die Originale von den ganzen Spielen irgendwo ich habe sie jetzt hier nicht liegen, aber ja, da sind auch überall passende Bücher dazu drin, das ist natürlich nicht immer dieser Arme Nack je nachdem worum es da geht, es gibt ja später dann auch Spiele, da geht es dann zum Beispiel um den Weltraum und um Geschichte und sowas, dann liegen dann halt da passende Nachschlagewerke bei. Aber ja, dieser Unterschied zwischen dem World-Spiel und dem USA-Spiel ist Total. Und es ist augenöffent, was für ein Wissensgefälle da existiert. Jetzt können die Amerikaner vielleicht mal kulturschauvinistisch auf uns runterblicken, weil tatsächlich, das ist ja dann Detailwissen zu US-Bundesstaaten. Man wüsste vielleicht schon noch einiges über das Land und seine Geschichte allgemein aus europäischer Perspektive, aber wenn es dann runtergeht auf zum Beispiel einzelne Orte in US-Bundesstaaten oder bestimmte Landschaftsmerkmale oder geschichtliche Aspekte von Kentucky, dann wird es schon haarig. Ja, das ist dann raus. Also wenn wir das ernsthaft spielen wollen, würden wir auch das Buch benutzen und hätten dann eine authentischere Spielerfahrung, wollte ich damit nur sagen, als die Weltversion oder gar die Version Where in Europe ist Carmen Sandiego, die nun auch echt sehr leicht ist.
[24:34] Aber wir hatten es schon angedeutet in der kurzen Erzählung, es geht ja nicht nur um das Kombinieren von Infoschnipseln zu den Orten, damit du die Orte rauskriegst. Es geht ja auch noch darum, dass man den Verdächtigen identifizieren muss. Das ist jetzt nur ein kleiner Aspekt des Spiels. Aber wenn man den Verdächtigen findet und hat vorher keinen Haftbefehl ausgestellt bekommen, also hat den nicht identifiziert, dann gilt das nicht. Dann lässt die Polizei ihn wieder laufen und dann fängt der nächste Fall an. Das ist schon kein Problem, aber das ist jedenfalls doof. Das soll dir nicht passieren. Und das Spiel droppt dazu mit den Tipps zu den Orten. So Informationen wie, die hatte rote Haare oder ist mit einem Cabrio gefahren oder sonst irgendwas.
[25:18] Und diese Verbrecher, das sind zehn Stück, zehn unterschiedliche. Die sind auch alle im Handbuch einzeln vorgestellt mit so kleinen Mini-Bios. Und die haben fünf Eigenschaften. Wenn du davon so zwei rauskriegst, Kann es manchmal schon reichen, wenn du davon drei rauskriegst, ist es also an der Grenze. Und wenn du vier rauskriegst, hast du es eigentlich immer. Also du weißt ja eins von vornherein, nämlich das Geschlecht. Das wird dir gesagt. Genau, das kriegst du geschenkt. Und in 95 Prozent der Fälle reichen zwei weitere Merkmale von fünf.
[25:44] Genau, und der Kriminalkomputer zeigt dir diese fünf Eigenschaften. Das ist das Geschlecht, das Hobby, die Haarfarbe, ein Feature und welches Auto derjenige am liebsten hat. Die kannst du dann auswählen aus einer Liste. Es gibt immer mehrere, fünf oder so, für jede dieser Möglichkeiten.
[26:01] Und wenn du, sagen wir mal, dich für drei entscheidest und lässt zwei leer, dann sucht der Computer dir aber auch automatisch die raus. Und sagt, okay, das trifft jetzt auf zwei Leute zu. Du musst da nicht von Hand mit dem Buch rummachen. Das heißt, eigentlich sieht die Dossiers überflüssig, die dafür im Handbuch stehen, weil der Computer dir alles abnimmt. Und dann hast du es, dann kann auch der Haftbefehl ausgestellt werden und dann führt deine Jagd auch zum Ziel. Es ist mir schon ein, zwei Mal passiert, dass ich am letzten Ort war und hatte aber noch nicht alle Infos. Stimmt, das ist mir auch passiert, ja. Das gehört zu dieser Abwägung mit dazu. Wenn du weniger oft Orte besuchst, also in den Städten zu zum Beispiel dem Marktplatz oder der Bibliothek gehst, weil du schon nach dem ersten Hinweis weißt, wo es als nächstes weitergeht, dann verpasst du aber möglicherweise die Chance, dass dir einer der Zeugen etwas zur Verdächtigen oder dem Verdächtigen sagen kann. Und deswegen ist das immer so eine Abwägung. Bleibe ich jetzt länger an dem Ort, investiere ich mehr Zeit? Denn jeder weitere Ort, den ich besuche, dauert auch länger.
[26:58] Also beim ersten Ort einen Zeugen befragen dauert zwei Stunden, beim zweiten drei, beim dritten vier. Also es kostet immer mehr Zeit, wenn ich mich länger an einem Ort aufhalte. Aber vielleicht verpasse ich dann einen Hinweis und stehe am Ende ohne Haftbefehl da. Das ist echt eine ganz interessante Abwägung.
[27:12] Das ist alles sehr mechanisch, auf eine angenehm durchschaubare Art und ich finde, das macht auch ein bisschen den Reiz aus. Das passiert ganz ohne Friktion, wie man heutzutage sagt. Also das legt dir keine Hindernisse in den Weg, es ist nichts kompliziert, es gibt keine komplizierten Klickpfade, es gibt auch keine Bewegung. Das ganze Spiel funktioniert in einer Menüstruktur und du wählst immer nur aus und dann kommst du an den nächsten Ort. Das lässt sich angenehm total easy wegspielen. Es ist völlig klar, was dich erwartet. Es gibt keine ambivalenten Situationen. Du musst nicht irgendwas verstehen, was schwer zu verstehen ist. Oder was ja Spiele oft haben in der Zeit, was wir ja oft kritisieren aus unserer heutigen Sicht, ist, dass es mangelndes Feedback auf Aktionen gibt. Und das ist hier ja so simpel, dass es das alles gar nicht gibt. Alles, was passiert, ist völlig klar. Hast du die richtige Wahl getroffen, merkst du es am nächsten Ort. Super. Ja, diese Transparenz ist sehr angenehm. Und diese Menüstruktur bedeutet auch, dass du das mit dem Joystick spielen kannst, das Spiel. Wir sind ja hier auf dem Apple II. Es geht genauso gut mit der Tastatur auch. Aber normalerweise ist das ja nicht so ungewöhnlich in Lernspielen, dass die dann auch wollen, dass du irgendwas eintippst. Kinder sollen schreiben lernen. Hätte ja sein können, dass man hier eintippt, die Stadt zu dem als nächstes hinreisen muss. Aber nein, das Einzige, was du eintippst, ist dein Name am Anfang des Spiels. Und immer, wenn ein Fall abgeschlossen ist, fragt dich das Spiel, ob du weitermachen möchtest. Yes or no. oder tippst du Y oder N. Und das ist alles. Ansonsten spielt man das echt gut, auch mit dem Joystick.
[28:36] Also in Sachen Einstiegshürde könnte es kaum niedriger sein. Ja, es ist so simpel und so kindgerecht, ohne doof zu sein dabei.
[28:44] Ja. Es ist elegant, es ist klar. Und das ist ja auch ein bisschen das, weswegen es heute noch Spaß macht, ein Spiel von 1985. Das funktioniert halt einfach. Die Regeln sind klar, die Regeln sind überschaubar. Man kommt da ganz gut durch. Ich sag mal, bei allem Lob …
[29:00] Das wird auch alt nach einer Zeit. Da passiert ja nicht so viel. Das ist ja immer wieder das Gleiche. Die ganze Varianz kommt aus diesen Fragen. Und zumindest in dem World Fund Spiel waren die mir in der Regel einen Tick zu leicht. Und dann geht man halt so durch. Ich muss mal schon noch ein bisschen darauf achten, auf die Sache mit dem Haftbefehl und dass du nicht zu viel Zeit verbrauchst. Aber eigentlich ist das ganz easy. Es ist halt insgesamt ein ziemlich kompaktes Spiel. Das heißt, es gibt recht wenige Orte, an die du reist, die wiederholen sich schnell. Und es gibt auch ziemlich wenige Hinweise zu den Orten insgesamt, die wiederholen sich auch ziemlich schnell, sodass du also, wenn du mal, sagen wir mal so 20 Fälle oder sowas gelöst hast, dann wird es doch auffällig, dass sich die ganzen Sachen wiederholen. Aber bis dahin sind ja auch ein paar Stunden vergangen und bis dahin hat man doch einen erstaunlichen Spaß.
[29:49] Also Carmen Sandiego ist nicht nur ein erfolgreiches Spiel, wie wir dann später noch erzählen werden bei der Entstehungsgeschichte, sondern es ist eines von den Spielen, von denen ich sagen würde, die kann man auch heute noch in seinem Original, also in einem Apple-2-Emulator spielen und hat sofort Freude damit. Und das kann man echt nicht für viele Spiele aus dem Jahr 1985 sagen. Also du hattest zum Beispiel schon völlig zu Recht gesagt, die Zugänglichkeit ist einer der Qualitätsfaktoren. Und es ist nicht so, dass alle Spiele, die aus den 80er Jahren kommen, immer sperrig gewesen wären. Das ist ja auch die Ära der Arcade-Spiele und Arcade-Spiele müssen zugänglich sein, sonst schmeißen die Leute kein Geld rein. Aber auf den Heimcomputern gilt das nicht unbedingt. Und wir haben 85 Spiele wie ein Bard’s Tale oder auf dem C64 erscheint Elite oder dein Mail-Order-Monsters zum Beispiel, das du so gerne magst. Die sind alle toll, aber zugänglich sind die nicht.
[30:43] Da musst du doch einiges an Lernhürde überwinden, bevor du da reinkommst und Spaß hast. Und das gilt für Carmen Sandiego überhaupt nicht. Anschalten und Verstehen ist da Sekunden entfernt und dann kann man sofort losspielen.
[30:57] Und das ist übrigens erstaunlich, wie gut hier ein Geografiespiel gealtert ist. Die hatten so ein Glück mit der Auswahl ihrer Orte. Das einzige Land von den Ländern, die du bereist, dass es nicht mehr gibt, ist die Sowjetunion, die UdSSR.
[31:11] Und da ist ja immerhin die Stadt Moskau, die findest du auch so, ohne dass du da Verwirrungen unterliegst. Und der Nachfolger, Where in Europe, es kam in San Diego, da ist ja gefühlt die Hälfte der Länder nicht mehr da. Da gibt es dann Jugoslawien und so. Und da ist dann schon sehr klar, dass das Spiel ein bisschen älter ist. Aber gerade dieser erste, der 85er-Titel, hat auch noch da Glück gehabt und das gut ausgewählt. Na ja, das ist natürlich schon ein Artefakt seiner Zeit und da sind ja nun 40 Jahre vergangen in der Zwischenzeit. Das heißt, da hat sich in der Welt doch einiges verändert. Am auffälligsten ist es in New York, weil du siehst zu jedem Ort, an dem du kommst, immer auch ein Bild. Und dieses Bild zeigt meistens irgendeine der zentralen Sehenswürdigkeiten, entweder ein Landschaftsmerkmal oder ein Gebäude. Also wenn du London besuchst, dann steht da der Big Ben zum Beispiel. In Frankreich steht der Eiffelturm da natürlich. In Mali, also in Afrika, da ist es die Sahara, die du da ausgebreitet siehst auf dem Bild. Und in New York sind es die Twin Towers, das World Trade Center. Ach ja, das sind ja die Twin Towers. Das habe ich überhaupt nicht gecheckt. Aber ja klar, die sind ja viel größer als der Rest.
[32:18] Deswegen, ich dachte einfach, es wären einfach zwei random Hochhäuser. Aber ja gut, du hast natürlich recht, stimmt. Ja gut, ist doch ein bisschen gealtert an ein paar Stellen. Ja, also in einiger Hinsicht, auch was zum Beispiel einfach die Weltbevölkerung angeht, das Spiel sagt ja an vielen Stellen, wie viele Leute da wohl leben. Wenn du Kairo besuchst zum Beispiel, dann ist eine der Infos, die du bekommst, dass Kairo mit fünf Millionen Einwohnern die größte Stadt Afrikas ist. Und das stimmt schon lange nicht mehr. Das sind heute erstens zehn Millionen Einwohner, also die Größe von Kairo hat sich verdoppelt. Und es ist nur noch Platz drei hinter Lagos und Kinshasa. oder Indien hat keine 700 Millionen Menschen mehr. Das hat sich verdoppelt seitdem. Das sind jetzt 1,4 Milliarden. Und wie du schon sagtest, die Ordnung von Europa hat sich geändert. Eines der Länder, eines der wenigen Leute in Europa, die man in dem Spiel besucht, ist Ungarn. Und das grenzt in seiner Beschreibung im Spiel an Österreich.
[33:07] Umänien, Jugoslawien, die Tschechoslowakei und die Sowjetunion. Und drei von diesen fünf existieren in dieser Form nicht mehr. Ach, das habe ich überhaupt nicht bemerkt. Hier kommt ja auch Jugoslawien drin vor, okay. Ja, oder Währungen. Im Spiel zahlt man in Griechenland noch mit Drachmen und in Frankreich mit France und so weiter.
[33:23] Also da haben sich viele Dinge verändert. Eine der schönsten Veränderungen, finde ich, und das ist echt eine Kleinigkeit, aber wir hatten vorhin ja schon den Punkt, dass man auch nach Reykjavik reist. Und das Symbolbild, also das Bild von Reykjavik, das das Spiel dann zeigt, ist so eine Altstadtszene. Und wenn du heute mal googelst Reykjavik Landmark, dann kriegst du von Google den Bildschirm vollgeballert mit immer dem gleichen Bild, weil das Nummer 1 Wahrzeichen von Reykjavik ist die Hallgrimmskirche. Aber die wurde erst 1986 fertiggestellt. Die war 1985 noch nicht fertig. Ah, okay. Vorher war Reykjavik einfach nicht schön.
[34:02] Genau, jetzt gibt es auch einen Grund, dahin zu reisen. Offenbar, ja, okay. Aber vieles stimmt noch immer, da hast du schon recht. Ich habe extra nachgeguckt. Kanada beherbergt immer noch Schreikraniche. Das ist sehr beruhigend und es ist auch nach wie vor der weltgrößte Kali-Produzent.
[34:19] Ja gut, mein Punkt ist nicht mehr zu retten. Okay, es ist mir gar nicht aufgefallen, dass Jugoslawien hier auch erwähnt wird. Da dachte ich, das sei das spezifische Problem des Europaspiels.
[34:29] Jedenfalls so ist das Spiel und so, wie wir das Gameplay hier beschrieben haben und wir haben es ja eben schon so ein bisschen angedeutet bei der Europa-Erwähnung, so sind auch die ganzen nächsten anderen Spiele. Die behalten die grundlegende Mechanik bei, das Identifizieren der Verbrecher für den Haftbefehl, das Hinterherjagen in dieser Schnitzeljagd von Ort zu Ort und das Festnehmen von Camp San Diego und die Anzeige über die Tatsache, dass dir da Schergen begegnen an den richtigen Orten und an den schlechten Orten keine. Das bleibt alles gleich. Das Spiel tauscht halt nur die Schauplätze aus, die Hinweise und auch die Schergen. Und es arbeitet ein bisschen an der Spielmechanik, ein ganz klein bisschen. Aber eigentlich ist das das gleiche Spiel, mehrfach hintereinander. Ja, nachvollziehbarerweise, glaube ich, auch weil Bruderband da für sich eine gute Formel gefunden hat. Also zum einen, auch das hattest du schon zu Recht erwähnt, die haben halt eine hammermäßig gute Metapher. Volltreffer hier mit Carmen Sandiego und dieser Krimi-Handlung und der Personalisierung, die ja eben durch Carmen Sandiego und ihre ganzen Schergen da mit reinkommt. Der Titel ist brillant. Du weißt ja, dass mein Standpunkt immer ist, der Titel eines Spiels und das Cover-Bild machen die Hälfte des Erfolgs aus. Ich bin da bei dir. Das ist auch meine These. Das ist nicht nur deine These. Sehr gut. Unsere These.
[35:47] Sehr schön. Dann reichen wir uns die Hand über dieser These. Es ist ja selten genug, dass wir mal einig sind. Aber ja, hier ist es also wirklich genial. Und wir hatten auch schon erwähnt, aber ich möchte es nochmal betonen, es ist ja auch ein prozedurales Spiel. Also das, was dir hier generiert wird, der Fall, ist immer wieder neu durch diesen ganzen Zufallsfaktor. Das sind auch nicht vorgegebene Fälle, sondern das ist schlichtweg zufällig vom Spiel bestimmt, welcher Verdächtiger was stiehlt, wo in der Welt und wie dann der Weg aussieht. Und seiner Natur nach ist das aber auch ein Mehrspielerspiel. Und das ist vielleicht auf den ersten Blick ein bisschen kontraintuitiv, weil hier gibt es keinen Mehrspielermodus. Du könntest hier nicht irgendwie gegeneinander oder miteinander spielen. Aber das ist natürlich in den 80er Jahren, insbesondere wenn man das zu Hause in den Familien gespielt hat, dann saßen Kinder ja da fast nie alleine vor den Rechnern. Sondern so war das bei uns ja auch. In der Regel saßen wir neben einem Freund oder ein Freund neben uns. Sowas hat man zu mehreren gespielt. Und insbesondere, wenn du das Carmen Sandiego als Original hattest, also mit dem Almanach, dann drängt sich die Rollenverteilung ja richtig auf. Einer steuert das Spiel, der andere steuert den Almanach, guckt nach, macht sich vielleicht sogar Notizen, weil auch dazu regt das Spiel an, sich zu notieren, was für Hinweise man zum Beispiel zu der gesuchten Person schon bekommen hat.
[37:01] Und das ist auch stark. Das ist schon auch ein cooler, motivierender Faktor, dass man das gut zu zweit spielen kann. Aber vor allen Dingen ist das ein Spiel, das die Unterhaltung in den Vordergrund stellt. Und die ist im Zweifel auch wichtiger als die Wissensvermittlung. Auch wenn es nominell hier um Erdkundewissen geht, ist es aber in erster Linie mal ein Spiel. Und das sind ja auch dann immer die besten Lernspieler. Weil in seiner Essenz ist es eine Kombination aus Wer bin ich? Also anhand von Eigenschaften eine Person erraten, hier mit Hutbrille, Augenfarbe und so weiter mit einem Quiz im Rahmen eines Krimis. Und das ist hier einfach ein umgekehrtes Quiz wie in Jeopardy. Du kriegst einen Hinweis und musst daraus für dich die Frage ableiten. Die verdächtige tauschte Währung in Forint und die dazugehörige Frage ist, in welchem Land der Welt wird mit Forint bezahlt? Unterm Strich ist das die simpelste Form von Wissensabfrage. Du kriegst ein Stichwort und du musst mir das dazugehörige Land sagen. Aber das Interessante ist natürlich die Frage, wie schaufelt man sich dieses Wissen denn drauf? Und Carmen Santiago inzentiviert das Lernen durch Nachschlagen oder durch Merken, weil der Fortschritt im Spiel der Lohn ist, den man dafür bekommt. Und daraus entsteht dann Spaß durch diesen Fortschritt. Und das funktioniert erstaunlich gut, finde ich. Also ich finde das ein super kurzweiliges Spiel. Dadurch, dass du es nicht eintippen musst, sondern die Orte aus einer Liste auswählen kannst, kannst du ja auch qualifiziert raten.
[38:27] Das ist ja auch immer das, was in Quissen ein Teil des Spaßes ist. Absolut. Bist nicht sicher, aber kannst eins ausschließen. Bei den anderen bist du dir so, weißt du nicht. Dann besprichst du dich halt kurz mit deinem Almanach-Freund. Der Almanach-Freund findet es nicht gleich. Kommen wir neben Tokio. Das ist halt auch ganz nett. Und das ist gut gemacht, das muss man schon sagen. Die einzige Sache, die nicht randomisiert wird übrigens, sind die Eigenschaften der Leute, die du jagst.
[38:51] In jedem Spiel hat Carmen Sandiego das Hobby Tennis. Das hätte man auch noch gut randomisieren können, aber eigentlich ist diese Sache mit dem Rausfinden der Identität auch mehr so ein Pflichtaspekt.
[39:03] Weißt du, warum sie das nicht randomisiert haben? Ja bitte, sag mir das. Ich habe da eine Theorie dazu, ich kann es jetzt nicht mit Gewissheit sagen, aber ich bin mir einigermaßen sicher, dass der ursprüngliche Gedanke war, dass man das auch nachschlägt. Weil du ja schon zu Recht gesagt hast, da sind Dossiers im Handbuch. Da war wohl irgendwann in der Entwicklung mal der Gedanke, naja, genau wie man im Almanach die Hinweise nachschlägt für die Länder, so soll man in den Dossiers nachschlagen, die Hinweise, die man bekommt zu den Verdächtigen. Ja, das ist sicher richtig. Haben sie dann aber durch diesen Kriminalkomputer im Spiel überflüssig gemacht, was echt ein bisschen schade ist. Ich hätte das schön gefunden, wenn man das noch nachgucken hätte müssen.
[39:41] Ja. Wir können noch ein bisschen mehr spekulieren, denn da sind noch ein paar andere seltsame Auslassungen drin.
[39:47] Wie oft, Gunnar, hattest du denn einen Verdächtigen oder eine Verdächtige, die das Merkmal hat, schwimmt gerne? Kann mich überhaupt nicht erinnern. Das ist ja eine der Sachen, die man bei den Hobbys auswählen kann. Ja, gibt es das überhaupt? Also Schwimmen kannst du auswählen, ja. Oder Skydiving zum Beispiel kannst du auswählen. Hattest du da jemanden? Nee, hat auch niemand. Oder Merkmal hat eine Narbe. Kommt dir das bekannt vor? Nein, hat auch niemand. Nee, hat nämlich auch niemand. Genau, hat keiner. Also es gibt eine ganze Reihe von einstellbaren Merkmalen, mag Musik, hinkt, hat eine Narbe oder fährt ein Rennauto, die schlicht nicht benutzt werden. Ja, das muss ja so sein. Das geht nicht anders. Du hast völlig recht. Und das finde ich ganz schön, weil Carmen Sandiego, wie du schon zu Recht sagtest, ist ja ein krass mechanisches Spiel. Das lebt von dieser starken Metapher, die sie da drüber gemacht haben. Aber unter dem Gerippe ist das ja völlig durchschaubare Mechanik. Ja, müssen wir jetzt kurz erklären, warum das so ist, wenn wir das hier schon so postulieren. Ja, gerne. Das Problem ist bei diesen Eigenschaften, die müssen gleich verteilt sein. Und es gibt nicht so viele, weil es ja bloß zehn Leute gibt.
[40:48] Das heißt, bei Auto, welches Auto sie fahren, gibt es die Limousine, das Motorrad und den Sportwagen. Das war es. Drei Stück. Und den Rennwagen. Es gibt das Cabrio und den Rennwagen. Vier Stück. Entschuldigung, bei den Sachen, die die Leute wirklich haben. Ach so, okay. Gibt es diese drei Stück und die kommen alle genau dreimal vor und eins halt logischerweise viermal, weil es ja zehn ergeben muss. Und das geht auch nicht anders, wenn jedes bloß einmal vorkommen würde, dann wüsstest du ja nach einer Limousine ja sofort, welcher das ist.
[41:16] Weil du es ja nachgucken könntest. Oder der Computer würde das halt sofort finden. Das heißt, es muss jede dieser Eigenschaften mehrmals geben. Und wenn du dann halt zehn Leute hast, dann kannst du ja fast nichts anderes machen, als drei Stück davon zu nehmen. Wenn du aber jetzt nur drei zur Auswahl hast, während du diese Eigenschaften auswählst und den Leuten zuweist, dann kannst du es ja super schnell bootforcen. Deswegen kommen da noch Eigenschaften rein, die nie gebraucht werden, damit diese Liste länger ist und du leichter einen Fehler machen kannst oder das anspruchsvoller aussieht. Zumindest am Anfang ist das so. Ja, später weißt du es halt. Bis du es gemerkt hast, ja. Aber du hast völlig recht. Weil das Spiel ja auch noch ein Merkmal am Anfang gibt, nämlich das Geschlecht, fällt ja die Hälfte der Verdächtigen gleich raus. Also die Merkmale verteilen sich ja sogar auf nur fünf der jeweiligen Verdächtigen. Deswegen gibt es zum Beispiel zwei schwarzhaarige Männer, zwei rothaarige, einen blonden. Der ist allein an diesem Merkmal schon eindeutig zu identifizieren. Du brauchst nichts anderes mehr. Und braun wird zum Beispiel schon gar nicht mehr gebraucht als Haarfarbe bei den Männern. Und bei den Frauen umgekehrt ist das noch krasser, weil da ist ja Carmen Sandiego dabei und die ist die Masterverbrecherin und deswegen darf die nicht sofort identifizierbar sein und deswegen müssen ihr mehrere Frauen möglichst stark ähneln. Deswegen gibt es drei braunhaarige und drei Tennisspielerinnen und das ist also theoretisch auch der einzige Fall im Spiel, wo du im Zweifel wirklich alle fünf Merkmale brauchst, weil Carmen Sandiego ist eine braunhaarige Tennisspielerin, die Schmuck mag.
[42:41] Und genau das Gleiche trifft auf die Mireille Larocque auch zu. Der einzige Unterschied zwischen den beiden ist das Auto. Die Mireille fährt Limousine und die Carmen fährt Cabrio. Also die müssen ähnlich sein, weil sonst wird es ja trivial, die auseinanderzuhalten. Und dann ist der Punkt, da brauchst du halt auch die ganzen Merkmale nicht, wenn du nur so wenige Verdächtige hast. Und das wird am augenverlägsten bei einer Geschichte, wo dann auch klar ist, das muss ihnen im Laufe der Entwicklung erst aufgefallen sein und zwar relativ spät in der Entwicklung. Denn im Handbuch, in den Dossiers, ist noch ein weiteres Merkmal drin. Da wird zu jeder Verdächtigen und jedem Verdächtigen nämlich auch noch das Lieblingsessen gesagt. Ah ja, stimmt. Das taucht auch im Spiel noch auf. Du bekommst auch im Spiel Hinweise darauf, dass der Verdächtige gerne mexikanisch isst. Es ist nur nichts mehr, was du einstellen kannst, weil sie das dann nämlich vermutlich relativ spät rausgelassen haben.
[43:34] Logischerweise auch, weil es nur wieder dazu führen würde, dass zu viel Eindeutigkeit entsteht. Also das ist ein bisschen kontraintuitiv, aber wenn die Leute zu verschieden sind, die Verdächtigen, bedeutet das, sie sind viel zu leicht zu identifizieren. Deswegen müssen sie sich möglichst ähnlich sein. Und dafür brauchst du diese ganzen Merkmale nicht. Ja, genau so ist das. Also das Spiel muss da schon ein bisschen durch Feuerreifen springen, um gleichzeitig nahbar zu sein, einfach zu sein und sich aber nicht sofort durchschauen zu lassen.
[44:02] Ja, das ist nicht der einzige Schnitzer, den sich dieses Spiel noch erlaubt. Und ich sage das alles sehr wohlwollend. Ich finde nämlich, dass gerade das erste Carmen Sandiego Spiel auch echt ein ganz gutes Game Design Anschauungsbeispiel ist, weil es so mechanisch ist und man deswegen auch die Fallstricke ganz gut erkennt. Ich mache das mal fest an der Frage, vielleicht kannst du mir die beantworten, Gunnar. Warum ist man in seinen Partien ständig in Neu-Delhi, aber sehr selten in Italien oder in Afrika oder in Südamerika?
[44:32] Es ist mir gar nicht aufgefallen, dass wir so oft in Neu-Delhi sind. Wenn du es oft genug spielst, dann wirst du merken, dass du überproportional oft in Neu-Delhi bist oder auch in London oder New York und ganz selten nur mal in Sri Lanka zum Beispiel oder in San Marino. Ich hätte gedacht, wenn Orte überrepräsentiert sind, dann müssen die in der Mitte liegen und nicht am Rand, weil das Spiel benutzt ja nur eine Weltkarte und keinen Globus. Ja, da ist schon was dran an dieser Ordnung der Weltkarte.
[45:03] Im Endeffekt ist das ja ein Reisenetzwerk, weil wir ja schon beschrieben haben, dass aus den einzelnen Orten Verbindungen rausführen in andere Orte. Und diese Knotenpunkte in den Netzwerken, je mehr Verbindungen die haben, das wäre ein definierendes Element von so einem Netzwerk, je mehr Verbindungen so ein Knoten hat, desto zentraler ist er, hat eine höhere Zentralität. Und ganz genauso ist das in Carmen Sandiego. Der Ort mit den meisten Verbindungen im Spiel ist Neu Delhi. Das ist der einzige Ort im Spiel, der fünf Verbindungen hat. Und dann gibt es andere, die haben vier, wie London oder New York City oder Tokio. Und dann gibt es aber eine ganze Reihe von Orten, die haben nur genau zwei Flugverbindungen. Also zum Beispiel San Marino. Von San Marino aus kannst du nur nach Paris und nach Rom weiterreisen. Und du kommst ja im Spiel immer aus einem Ort. Also wenn du zum Beispiel aus Paris nach San Marino reist, dann brauchst du dir noch nicht mal einen Hinweis angucken, Gunnar, du weißt, wo das weitergeht. Also es ist eine absolut bizarre Entscheidung schon allein unter diesem Gesichtspunkt. Aber es bedeutet natürlich auch, je weniger Verbindungen ein Punkt hat, desto unwahrscheinlicher ist es, dass man ihn bereist, schon allein aus einem reinem Zufallsprinzip. Aber das hängt natürlich auch davon ab, in so einem Punkte-Cluster, also zum Beispiel in Südamerika, da gibt es ja Lima, Rio de Janeiro und Buenos Aires, vielleicht nehmen wir auch noch Mexico City mit rein, da sind wir zwar bei Mittelamerika, aber das sind halt die bereisbaren Orte.
[46:23] Aber um da hinzukommen, gibt es genau zwei Wege. Entweder von New York City aus in Richtung Mexico City oder von Sydney in Australien rüber. Also nur zwei Zugangspunkte zu diesem ganzen Cluster in Südamerika. Und das ist natürlich super unwahrscheinlich, zumal Sydney auch nur ein schwach angebundener Knotenpunkt ist. Und deswegen wirst du in der typischen Partie relativ selten in diese Regionen der Welt kommen. Oder nach Sri Lanka oder auf die Kumoren, was alles Orte sind, die erstens nur wenige Verbindungen haben und dann auch noch relativ am Rand des Netzwerks sozusagen sind. Und das finde ich schön. Das finde ich schön so. Das trägt zum Charme des Spiels bei. Ich finde es auch ganz gut, dass es Orte gibt, in die du selten erkommst. Das ist, finde ich, sogar ein Mehrwert, weil man sich dann umso mehr freut, wenn man mal in Kigali ankommt oder in Moroni.
[47:10] Haha, wie du das alles schön redest, Christian. Aber ja.
[47:14] Generell macht das auch alles nichts, finde ich, weil es wiederholt sich ja doch relativ schnell und dann kennst du deine Orte und dann kannst du wirklich vielleicht bei den Orten, wo du selten hinkommst, weil du schon so oft in New Delhi warst, dann doch mal sagen, dass es ganz nett ist. Aber lass mal schon festhalten, dass das nicht ewig Spaß macht. Nee, natürlich nicht. Ja, mit diesem begrenzten Set an Sachen.
[47:35] Ja, das nutzt sich ab. Aber dafür haben sie sich schon auch Mühe gegeben, dieses sehr mechanische und sich schnell abnutzende Spielprinzip schön zu verpacken. Durch diese Krimi-Metapher, durch diese Jagd, aber auch durch die Präsentation. Wir sind ja hier 85 auf dem Apple II, auf einem 8-Bit-Gerät. Da ist noch nicht so viel her mit Grafik und Sound. Aber das Spiel zeigt ja durchaus auch. Was sieht man denn so eigentlich im Spiel, Gunnar? Da wollte ich eh dazukommen, weil das ein bisschen komisch ist. Also erstmal siehst du natürlich immer die Orte. In so einem Fenster, so einem Drittel des Bildschirms etwa, siehst du immer ein Pixel-Artwork einer Sache des Ortes. In New York die Twin Towers mit der Lady Liberty davor.
[48:16] Und das ist oft wiedererkennbar, außer bei Reykjavik. Zumindest mal stimmungsmäßig zeigt es dir diesen Ort an und sieht auch schön aus für die Zeit, muss man sagen. Ja, einfache Pixelgrafik, aber das sieht halt schön aus. Und der Rest des Spiels ist ja Menü, also insofern ist das das Highlight. Dazu hat es noch einen anderen Aspekt. Das zeigt dir ja diese Schergen anzuweilen. Also hin und wieder kommst du an einen Ort und dann ist da ein Scherge, der dann so reinlugt oder durch das Bild läuft.
[48:45] Und das ist so eine Comicfigur im weitesten Sinne. Also wo die Bilder realistisch gezeichnet sind, keine Karikaturen, sind diese Figuren aber eindeutig Comicky. Die Verbrecher haben dann so Masken auf und die Polizisten sind eins zu eins die Keystone Cops. Diese Leute aus den Schwarz-Weiß-Filmen mit diesen hohen Helmen und alle haben so einen dicken Schnurrbart und da ist immer ein dicker bei und ein langer. Und die laufen dann so im Pulk da durch und laufen hinter den Verbrechern her. Und das ist eher ein komischer Aspekt. Der ist ganz anders als der Rest des Spiels. Der findet sich auch nicht wieder im restlichen Design. Also diese Cops sind auch als kleine Comiczeichnung im Handbuch. Aber das Cover ist ja ein total ernstes. Das ist ja ein Detektiv-Schreibtisch-Motiv, wo man durch so eine Lupe guckt und da so ein Foto von der Carmen sieht. Ganz ernsthaft. Könnte ein Cover sein von einem Spiel wie Déjà-vu.
[49:35] Und die Fragen sind ja ein bisschen launig gestellt, aber schon auch reales Wissen, das da abgefragt wird und reale Orte. Und dazu ist aber dieser komische Aspekt mit den Verbrechern und den Cops. Ja, das ist eine seltsame Diskebranz, das stimmt. Das Spiel hat aber offensichtlich eine Leichtherzigkeit. Das möchte sich auch nicht so ernst nehmen, obwohl es natürlich sein Grundthema, dieses Erdkundewissen, schon mit einer Ernsthaftigkeit behandelt. Aber dann hast du zum Beispiel diese nationalen Schätze, die da gestohlen werden. Das sind manchmal ernsthafte Sachen. Die Maske des Priamos kann aus Athen gestohlen werden oder eine seltene Teepflanze aus Sri Lanka.
[50:11] Aber teilweise sind das auch alberne Sachen. In Rio kann die Krone der Karnevalskönigin entwendet werden oder Kleopatras Bauchnabelschmuck in Kairo oder aus New York City können die Rockettes gestohlen werden. Die Rockettes, genau. Eine Showtanz-Truppe, die bestehen aus 80 Tänzerinnen, wie wollen sie die denn so ohne weiteres stehlen? Naja, also da merkst du schon, da geht es dann halt so ein bisschen ins Alberne. Das zeigt sich dann auch in den Comicfiguren und das zeigt sich auch in den Beschreibungen im Handbuch von den Täterinnen und Tätern. dann hier die Aerobiktänzerin, die Reiche ausnimmt. Das ist alles mit einem leichten Humor, mit einem Augenzwinkern, das Ganze. Das ist ja auch ganz angemessen für ein Spiel, das sich schon erkennbar an eine junge Zielgruppe richtet. Ja, ich wollte das auch nicht kritisieren. Ich fand das nur grafisch uneinheitlich. Das ist es. Insbesondere halt bei diesen Figuren der Polizei und der Verbrecher. Das hätte man auch anders regeln können, aber das behält diesen Stil auch in den späteren Iterationen immer bei. Die Verbrecher sind total überzeichnete Figuren. Das soll so sein. Das gibt dem Spiel ein bisschen was Kindliches fast.
[51:15] Und das ist ja sicherlich auch gewollt. Das wird sogar noch stärker. Also dass das eine humorvolle Serie wird, das prägt sich im Laufe der Zeit stärker aus, als das im ersten Teil ist. Aber da ist es schon angelehnt.
[51:26] Aber worauf ich eigentlich auch hinaus wollte, ist, es ist halt ein doch relativ zeigefreudiges Spiel für seine Zeit. Natürlich hat das Text, zu jedem einzelnen von den Schauplätzen sagt es dir immer auch kurz etwas, ein oder zwei Sätze, das ist nicht so viel. Und ansonsten ist es überwiegend Bild. Und Feedback, das es dir gibt, passiert auch tatsächlich häufig als eine Animation. Das, was wir vorhin beschrieben hatten bei unserem Beispiel-Trip, dass wenn du nahe dran bist, die Täterin oder den Täter zu fassen, dass dann auch mal ein Messer über den Bildschirm fliegt oder eine Pistole abgeschossen wird, um halt auch visuell zu sagen, okay, du kommst dem Ganzen jetzt nahe. Das ist schon schön. Und für seine Zeit ist das offensichtlich auch einigermaßen beeindruckend gewesen. Es gibt zum Beispiel einen Test im US-Magazin Compute von Anfang 1986, wo die Testerin Karen McCullough sagt, das Spiel habe hervorragende Grafiken, clevere Animationen und einige der derzeit besten Musikstücke und Soundeffekte. Und insbesondere dieser letzte Teil ist schon ein erstaunliches Urteil, wenn man weiß, wie das Spiel klang. Da können wir mal kurz reinhören.
[52:37] Music.
[52:53] Also das war schon eine andere Zeit, wo das als eines der besten Musikstücke der Ehrer galt.
[53:00] Das ist ja ganz offensichtlich angelehnt an das Peter Gunn-Thema, das wir aus Blues Brothers kennen. Es hat schon was Wiedererkennbares. Dieses Musikstück wird auch in einer ganzen Reihe der weiteren Spiele dann als Thema weiterverwendet. Aber hier ist es halt alles noch sehr ruhig. Immerhin hat es überhaupt ein bisschen Musik. Im Handbuch wird gar niemand gecredited für die Musik. Na sowas. Ich weiß es auch nicht. Ich habe gedacht, das hätte einer der Grafiker mitgemacht, aber es steht nirgendwo und er hat es auch nicht so richtig klar gesagt. Wir haben ja mit einem gesprochen, dazu kommen wir später noch. Der hat gesagt, er hat, glaube ich, ein bisschen mitkomponiert oder so. Ich weiß nicht, ob er deswegen alle Sachen gemacht hat. Jedenfalls war das nicht der Fokus, sagen wir so.
[53:38] Jetzt würde mich noch interessieren, Gunnar, auch wenn Bruderband das nicht als Lernspiel per se vermarktet hat, also nirgendwo auf der Verpackung oder im Handbuch oder auch in der Werbung fällt das Wort Lernspiel, Edutainment, Education oder sonst irgendwas, sondern das Weiteste ist, dass auf der Rückseite der Packung steht, Spielende werden in die Geografie der Welt eingeführt. Das ist schon alles. Aber trotzdem ist das erkennbar ein Spiel, in dem man Dinge lernen soll. Wie gut funktioniert denn das aus deiner Perspektive? Was soll man hier lernen und klappt das?
[54:14] Naja, du hast da so eine osmotische Random-Wissensaufnahme, wenn du das Spiel ein paar Mal spielst, weil dann weißt du viel über die kanadische Kali-Produktion. Du weißt genau eine Sache über die kanadische Kali-Produktion. Im Wesentlichen, dass es sie gibt. Dass es sie gibt, genau.
[54:30] Und mehr ist da nicht. Aber ich glaube auch nicht, dass das reale Vermitteln von Wissen der Punkt ist. Ich glaube, das ist das Interesse wecken. Und das tut es in jedem Fall, finde ich. Ich kann mir gut vorstellen, dass man, selbst wenn man schon weiß, wo San Marino liegt, dass man da nochmal nachblättert im Almanach und dann auch noch die restlichen Fakten liest. Und ich glaube, dass dieser Almanach dazu der Schlüssel ist, aber auch, dass das natürlich das Raten, das gemeinsame Überlegen vor dem Bildschirm, ja, ist das echt in Brasilien wirklich? Ist Yen wirklich die Währung von Japan oder ist das die von China? Was meinst du?
[55:06] Also das Auseinandersetzen mit dieser Materie auf eine Weise, die null stressig ist, die gar keine schlechte Erfahrung in sich trägt, wie das Lernen das ja manchmal hat, sondern das einfach ein selbstverständlicher Teil der Unterhaltung ist. Das ist, glaube ich, der Dreh, der dich da zum Lernen bringt. Schließe ich mich an, ich denke auch, dass das Carmen Sandiego ein Spiel ist, also fast die beste Art von Lernspiel, würde ich sagen, nämlich ein Spiel, das in erster Linie Techniken vermittelt und gar nicht unbedingt Wissen. Und diese Techniken sind wie, schlage ich nach, also ich meine, das Spiel erklärt dir das nicht, aber es zwingt es in gewisser Weise, oder halt memorisieren oder auch mitschreiben. Also was wirklich nahe liegt in dem Spiel, ist sich Notizen zu machen. Und vor allen Dingen, wie das bei den meisten Spielen der Fall ist, geht es natürlich darum, ein System zu durchschauen. Mustererkennung zu schulen und zu verstehen, wie das Spiel funktioniert. Und das ist ja ein strukturiertes Denken, das man dafür braucht. Und hier macht es auch durchaus Spaß. Und es ist halt vor allem auch einigermaßen leicht, diesen Erfolg zu erringen. Das Spiel ist gut zu durchschauen und das ist gar kein Nachteil. Das ist aber einfach schön, gerade auch für junge Menschen, hinter die Funktionsweise eines Spiels zu steigen und für sich irgendwann zu erkennen, ich habe das jetzt verstanden und ich habe es gemeistert. Das gelingt Carmen San Diego gut. Und auf der anderen Seite die schiere Vermittlung von Wissen.
[56:23] Also ich weiß gar nicht, ob das Spiel das so richtig möchte, aber hier die Kali-Produktion ist ein gutes Beispiel. Das ist halt bruchstückhaftes Faktenwissen ohne Kontext. Was ist Kali überhaupt? Noch nicht mal das, sagt das Spiel. Und wofür braucht man das? Und warum gibt es in Kanada so viel Kali? Oder warum wird da so viel hergestellt? Das ist völlig egal. Und selbst die Textvermittlung, wo sie dann stattfindet, bleibt hier richtig lieblos. Weil du hast ja diese kurzen Beschreibungen von den Städten oder den Ländern. Und die sind so formelhaft. Also in zwei von drei Fällen steht da, mit einer Bevölkerung von Anzahl, Millionen ist Stadtname, die größte Stadt in Landesname. Da steckt wirklich keine große Liebe dahinter.
[57:04] Aber was vor allen Dingen sehr seltsam ist, in dem allerersten Spiel bekommt man überhaupt kein Gefühl für den Raum, für die Verortung, wo auf der Welt die Länder liegen. Und das liegt vor allen Dingen daran, dass dieses Spiel nirgends im Spiel selbst, nur im Handbuch, eine Karte hat. Also wenn du da zum Beispiel von London nach Paris reist oder von Paris nach Budapest, dann wird dir das nicht als Karte angezeigt. Auf dem Apple II. Das allererste, was die erste Portierung, nämlich für den PC, auf DOS-Systeme einführt, ist eine Karte im Spiel. Da hast du dann eine Reisekarte, wo du siehst, von wo nach wo du hinfliegst. Und das ist ein so dramatischer Mehrwert, einfach um eine Vorstellung für den Raum zu bekommen. Es ist unbegreiflich, diese Entscheidung.
[57:50] Unbegreiflich, dass sie das nicht gemacht haben. Ja, es liegt ja der Packung eine bei, beziehungsweise es ist im Handbuch. Und vermutlich war auch hier wieder der Gedanke, die Leute sollen es nachschlagen. Die sollen die Karte benutzen. Alles an dem Spiel zielt darauf, dass du ein externes Hilfsmittel benutzen sollst. Deswegen denke ich, war das auch Absicht.
[58:06] Aber eine Sache, die ich nicht verstehe, und vielleicht hast du da eine bessere Einsicht. Wir hatten ja gesagt, es sind 30 Orte auf der Welt, 30 Länder von, ich weiß gar nicht, wie viele Länder es im Jahr 1985 gab. Aber bei 170, 180 werden es schon gewesen sein. Also…
[58:20] Eine relativ kleine Zahl von recht vielen. Und mir ist nicht klar, nach welchen Kriterien die ausgewählt wurden. Ich finde das ehrlich toll, dass da Mali drin ist und Sri Lanka und die Kumoren und San Marino, weil das Orte sind, die ja eher selten mal zu Ehren kommen, zumal in einem Computerspiel. Und das finde ich toll, dass man die hier bereisen kann und ein Bild von ihnen sieht. Aber unter dem Aspekt, dass das auch der Wissensvermittlung dienen soll, das Spiel, kann man sich schon fragen, wo ist denn jetzt die Relevanz dieser Länder Im Vergleich zu zum Beispiel einem Südkorea oder einem Vietnam, die ja im US-Geschichtsunterricht zum Beispiel vorkommen könnten. Oder auch Deutschland aus der US-Perspektive. Und das sage ich jetzt gar nicht aus Lokalpatriotismus, sondern weil Deutschland halt ein Land ist, wo ziemlich viele amerikanische Familien direkte Vorfahren irgendwann mal vor Generationen hatten. Oder wo Leute, die in der Armee waren, ja zum Beispiel in Rammstein stationiert sein können oder in Schweinfurt oder sowas. Das ist ja nicht so ungewöhnlich, dass US-Familien noch einen direkten Bezug zu Deutschland haben. Aber Deutschland ist nicht in diesem Spiel drin. Genauso wenig wie Südkorea, Vietnam, Polen, Schweden, Spanien, viele relevante Länder fehlen. Wieso? Das haben wir ja den Entwickler gefragt, den Loren Elliott, den wir später noch vorstellen. Und der hat gesagt, war wohl Zufall. Er hat das so beschrieben, dass sie durch den Almelach geblättert sind und dann Sachen gefunden haben, die sie interessant fanden.
[59:43] Und dann daraus das zusammengesetzt haben. Wir haben uns ja gewundert, dass San Marino drin ist. Und San Marino hat halt den Funfact, dass es der älteste Staat in Europa ist. Wusste ich nicht. Weiß gar nicht, ob das stimmt, aber weiß ich nicht. Okay, meinetwegen. Ja, be my guest. Bin kein Experte für San Marino. Und das ist aber ein netter Funfact. Und dann hast du den Grund, San Marino reinzunehmen. Deutschland ist halt ein bisschen offensichtlich vielleicht eher oder so. Keine Ahnung. Also er konnte es nicht beantworten. Und er hat auf jeden Fall gesagt, dass er glaubt, dass es keine Regel dazu gab, sondern dass das wirklich random ist. Und so wirkt es ja auch. Diese ganzen Flugverbindungen sind ja auch nicht logisch. Wenn du halt an irgendeinem Ort bist, dann hast du ja nicht Flugverbindungen automatisch in die nächsten Orte, sondern es sind ja sehr weite Flugverbindungen bei. Es gibt hinterher schon ein Netz, das auch nachvollziehbar wird, aber das ist ja auch alles ein bisschen schräg.
[1:00:30] Ja, zumal die keine realistischen Zeiten haben. Also du fliegst von London nach New York sechs Stunden und von London nach Paris auch sechs Stunden. Auch das ist für ein Lernspiel ein bisschen seltsam, Wenn man davon ausgeht, dass es halt vielleicht doch eine Vorstellung von einem Raum und von Distanzen vermitteln will, dann ist das eine seltsame Entscheidung. Aber das Spiel priorisiert im Zweifel den Spielspaß und die Spielmechanik höher als das Lernen. Und ich glaube, das ist jetzt auch Spekulation, aber ich glaube, das ist auch der Grund, warum San Marino in dem Spiel drin ist. Das mag stimmen, was der Elliot sagt, dass sie da interessante Fakten gefunden haben beim Nachschlagen. Aber die Eigenschaften, die es an Merino hat, ist zum Beispiel, dass es eine blau-weiße Flagge hat. Genau wie Athen, also wie Griechenland. Und dass da italienisch gesprochen und mit Lieren bezahlt wird. Genau wie in Italien. Und ich glaube, hier haben wir genau den gleichen Fall wie vorhin bei den Verdächtigen auch. Wenn alle Länder genau identifizierbare Merkmale haben, wird das Spiel zu leicht. Da muss es ein paar Überschneidungen geben. Da muss es ein paar andere Länder geben, die die gleiche Flagge oder die gleiche Währung oder die gleiche Sprache haben. Und das könnte einer der Gründe sein, warum hier San Marino drin ist, weil das Überschneidungen mit anderen Ländern hat. Ach, guter Punkt. Ja, wahrscheinlich ist es eher das. Also sie haben ja sich Gedanken gemacht, offenkundig über diese Überlappungsmechaniken, dass du nicht zu leicht raten kannst. Und wenn sie das an der einen Stelle gemacht haben mit den Verbrechern, dann haben sie es hier auch gemacht. Das ist ja logisch.
[1:01:56] Ja, aber wie gesagt, ich finde das gar nicht schlimm. Die Entscheidungen sind gut. Ich finde das schön, dass man nach San Marino kommt. Ich finde das schön, dass im Zweifel die spielmechanischen Anforderungen wichtiger sind als die Wissensvermittlung, weil die Wissensvermittlung hier gar nicht so sehr im Vordergrund steht. Aber eine Karte hätten sie reinnehmen können.
[1:02:11] So, Christian, jetzt haben wir ziemlich lange über ziemlich simple Mechaniken gesprochen.
[1:02:17] Können wir mal bitte über Carmen sprechen? Oh ja, lass uns noch über Carmen sprechen, genau. Wenn man jetzt heute auf diese Serie blickt, dann würde man doch sagen, ikonische Figur, ganz besondere Heldin, heute noch bekannt. Man erkennt sie sofort, roter Mantel, roter Hut, so ein ganz bestimmter Hut mit so einer breiten Krempe.
[1:02:38] Verbrecherin, eine Frau, auch selten, dass so eine prominente Figur eine Frau ist. Bisschen exotischer Name. Ja, exotischer Name, genau. Alles ganz toll. Und wie viel davon ist in dem ersten Spiel der Name? Und dann endet es schon fast. Dass sie eine Frau ist natürlich. Ja, sie ist halt eine Frau und es gibt ein Foto von ihr im Handbuch und auf dem Cover. Das ähnelt noch gar nicht diesen späteren ikonischen Mantelbildern. Immerhin den Hut hat sie schon auf. Sie hat den Hut, aber es ist nicht der Hut, den sie später hat. Stimmt. Hat so einen hohen Kragen und den Hut, das ist offenkundig, damit sie schlechter erkennbar ist. Also mehr aussieht wie jemand, der sich tarnt. Das ist, glaube ich, der Hauptanspruch an dieses Foto.
[1:03:19] Und nichts davon ist rot. Und das allerirritierendste ist, sie kommt ja im Spiel gar nicht vor. Sie kommt ja nur mit dem Namen vor. Also es gibt keine Repräsentanz von ihr im Spiel. Also sie wird nicht gezeigt. Keine Grafik von ihr im Spiel. Genau, die Verbrecher sind ja zur Hälfte Männer und zur Hälfte Frauen.
[1:03:36] Aber im Spiel gibt es immer nur eine Comicfigur, die da rumläuft. Und das ist so ein dicker Scherger, der dann halt gefangen wird oder halt auch nicht gefangen wird, wenn er dir entkommt. Und wenn du am Ende Carmen stellst oder generell auch schon vorher eine der vier anderen Frauen stellst, das ist immer diese Figur. Ja, sie ist so ein Plot-Device, ein Vehikel, aber sie ist keine wirkliche Persönlichkeit im ersten Spiel. Im Spiel sowieso nicht, aber auch im Handbuch kaum. Da kriegen wir nur ein paar Rahmeninformationen, wie dass sie von ihren Vertrauten Buffy genannt wird.
[1:04:07] Das dauert eine ganze Weile, bis sie ausdefiniert wird. Auch im zweiten Spiel, da sieht man sie im Intro.
[1:04:14] Aus dem Gefängnis ausbrechen, als Pixelfigur. Aber auch wegen der Farbpalette des Apple II hat es nichts damit zu tun, wie wir Carmen Sandiego heute kennen. Da geht es aber zumindest schon los, dem zweiten Spiel, also Where in the USA
[1:04:26] is Carmen Sandiego, dem liegt jetzt ein separates Buch bei, ein Büchlein namens Scrapbook. Da sind die Dossiers wieder drin, von den jetzt 16 Verbrechern inzwischen. Auch da gibt es spielmechanischen Fortschritt. Wir wissen ja, mehr Verdächtige heißt, du kannst mehr mit den Merkmalen variieren. Sehr gut, gut gemacht, Brother Bun.
[1:04:42] Und das ist aus der Perspektive von Carmen geschrieben. Also da beschreibt sie ihre Verbrecherorganisation und ihre ganzen Kompagnons. Also da taucht sie zumindest schon mal als sprechende Figur auf, aber im Spiel auch noch nicht mehr.
[1:04:54] Und es dauert eine Weile, bis bei Bruderband so der Groschen fällt, was sie da eigentlich für einen Schatz haben in dieser Figur Carmen Sandiego. Und die endet sich auch immer mal wieder. In dem ersten Spiel wird sie schon beschrieben im Handbuch, als sie habe Auburn Hair, also rotbraune Haare. So wie heute auch. Heutzutage hat sie auch rotbraune Haare. Aber zwischenzeitlich in den 90ern ist sie lange Zeit schwarzhaarig. Wir kommen später noch auf einige von den Highlights in der Karriere von Carmen Sandiego, wo sie eine größere Medienpräsenz hat und da ist sie lange Zeit eine schwarzhaarige Figur. Also selbst in solchen Details dauert das eine Weile, bis wir so eine Carmen Sandiego festnageln können. Und das zentrale Element wird dann ja aber, auch das dauert ein bisschen, die rote Kleidung und der Hut. Genau und ich würde sagen, es dauert vier Spiele lang, bis sie ihren roten Mantel geben. Ja, und da sind wir dann schon Ende der 80er, ne? Ja, genau, 89 oder so sind wir dann, oder 88 sind wir dann bei dem ersten Spiel, wo sie wirklich diesen roten Mantel hat. Und das ist auch nur auf dem Foto und dann dauert es meines Erachtens noch ein Spiel länger, wenn ich das richtig gesehen habe, bis das dann in so einer Comicfigur abstrahiert wird, wo man dann halt nur die bekannten Elemente hat und das sofort erkennt.
[1:06:01] Das ist echt erstaunlich, wie lange sie dafür gebraucht haben, bis sie das so zusammengefasst haben. Und das ist ja eigentlich, würde man jetzt von heute denken, das, was überdauert von so einem Spiel.
[1:06:12] Das haben sie in den ersten Spielen noch gar nicht gemacht oder noch gar nicht richtig gecheckt. Sie ist halt auch nicht die Protagonistin. Sie ist ja die Gegenspielerin. Ja, das stimmt. Es hat ja keinen richtigen Protagonisten, das bist ja du. Genau. Du schaust ja mit deinen Augen in die Welt. Du hast ja auch keine Repräsentanz im Spiel. Du hast keine Figur, die du da steuerst oder so.
[1:06:29] Also du kannst dir halt selbst einen Namen geben. Das ist alles nicht so super storymäßig ausdefiniert. Aber es will ja auch ein prozentrales Spiel sein. Es soll ja so sein. Ja, und es will ein teilbares Spiel sein. Denn das merkt sich ja deinen Namen. Also wenn wir beide Geschwister wären und auf unserem Apple II würden wir Carmen San Diego spielen, dann legst du einen Agent namens Gunnar an und ich einen Agent namens Chris. Und wenn du jetzt an den Apple II gehst, dann frage ich das Spiel nach deinem Namen, tippst du Gunnar ein und dann erkennt es dich wieder und du kannst deine Partie fortsetzen. Das ist das, was wir heute ein Profilsystem nennen würden. Das ist für das Jahr 1995 ungeheuer komfortabel, weil sich das völlig reibungslos und intuitiv anfühlt. Aber auch unter diesem Gesichtspunkt gibt es natürlich nicht den einen Agenten, sondern es gibt in Carmen Sandiego ganz viele Agenten. Aber wie gesagt, wenn man heute so drauf guckt, das ist ja eine total überhöhte Figur auch. Da gibt es ja Studien, ist das jetzt eine Figur, mit der sich Mädchen identifizieren können, weil es eine weibliche Repräsentanz ist, Was ja super selten ist, insbesondere in den 80ern. Dann hat sie einen spanischen Namen, also das ist eine lateinamerikanische Repräsentanz, also auch wieder für eine Bevölkerungsgruppe vielleicht ein Identifikationsangebot. Aber das ist ja alles total stiefmütterlich. Das kommt alles erst viel später und wird teilweise dann von außen rein interpretiert und teilweise wird das ja auch in der Figur stärker angelegt, aber es dauert halt ewig.
[1:07:49] Am Ende ist Carmen Sandiego ja eine Figur, die ihr Medium transzendiert und die heutzutage ja sogar mehr, wenn ich vielleicht sogar überhaupt außerhalb der Spiele lebt, statt in den Spielen. Und das kann man nun echt nicht von vielen Spielfiguren sagen, zumal nicht welche, die aus den 80ern kommen.
[1:08:07] Also, keine Ahnung, Guy Broth Threeper zum Beispiel, gut, das war 1990, aber der lebt ja bis heute wohl gelitten natürlich, aber in Spielen und hat es da nicht groß rausgeschafft. Und das gilt für viele andere geliebte Charaktere, aber Carmen Sandiego ist da rausgehüpft.
[1:08:23] Und das ist jetzt auch, glaube ich, mal die Geschichte, die wir erzählen sollten, wie das dann eigentlich gelungen ist. Also, wir springen natürlich jetzt erstmal wieder in die Entstehungsgeschichte und erzählen, wie es überhaupt dazu kam, dass Carmen Sandiego auf die Welt gekommen ist und ihr Spiel. Und dazu müssen wir mit der Firma anfangen, wo das entstanden ist, nämlich bei Bruderband. Bruderband, genau. Wir fangen mal ganz vorne an bei dem Gründer von Bruderband, Douglas G. Carlston heißt der, Doug Carlston genannt. Der wird 1947 in Boston geboren und verbringt aber dann, weil sein Vater viel umzieht, seine Kindheit in Kalifornien, in Pasadena. Und der hat schon früh so eine Affinität für Wissenschaft und Technik und das ist auch so richtig mal eine Erfolgsgeschichte der Schule, weil 1964 zwischen dem vorletzten und dem letzten Highschooljahr nimmt er ein Programm, ein Sommerprogramm teil, der National Science Foundation an der Northwestern University. Und da lernt er dann Einblicke in das Ingenieurwesen, in Computerwissenschaften und lernt Grundzüge der Programmiersprache Fortran.
[1:09:29] 1964, Christian. Ja, das ist früh. Also Wahnsinn, wie früh das ist. Ich sage es ja immer gerne wieder, in meiner Schule gab es noch keine Computer. Und das war ein bisschen nach 1964. Bisschen. Und der war aber sofort fasziniert davon und hat dann angefangen, in einem lokalen Computerzentrum Erfahrungen zu sammeln, hat Software für die Universität mitprogrammiert, hat dann angefangen, sich während des Studiums Geld zu verdienen mit dem Programmieren, hat dann in Harvard studiert und hat nicht Informatik studiert, hat andere Sachen gemacht, aber die Computer als Nebeninteresse immer dabei gehabt. Sein Hauptfach war Social Relations, das ist ein komisches Mischfach mit Sozialpsychologie, Spieltheorie und Sprachen. Nach dem Abschluss geht er weiter an die Universität und wird dann Jurist noch. 1975, nach langer Studienzeit, hat er ein Jurastudium an der Harvard Law School abgeschlossen. Dann arbeitet er als Anwalt in Chicago, langweilt sich schauderhaft, geht dann in so eine Kleinstadt in Maine, gründet da eine eigene Kanzlei und verteidigt im Wesentlichen Leute, die gegen das Jagdgesetz verstoßen haben.
[1:10:32] Das scheint ihm alles nicht so wichtig zu sein, aber in der Zwischenzeit hat er sich einen TRS-80-Computer gekauft, will damit zunächst Routineaufgaben in seiner Kanzlei automatisieren und fängt dann an, Anwendungen zu programmieren und auch Spiele.
[1:10:47] So, jetzt sind wir schon in den Jahren 77 bis 1980. Und dann fängt er an, eine Reihe von Spielen zu schreiben. Bisschen als Fingerübung zunächst, aber er ist auch irgendwie programmiersüchtig, sagt er später von sich. Und dann schreibt er drei Spiele in kurzer Folge nacheinander. Zwei noch 1979 und 1981.
[1:11:06] Galactic Empire, Galactic Trader und Galactic Revolution. Das sind alles Spiele, die er zunächst auf dem TRS-80 schreibt und dann später auf den Apple II portiert. Das sind so Proto-4X-Spiele, also so Weltraum-Eroberungs-Strategie-Spiele. Natürlich noch ganz anders, das Genre wird ja erst später definiert, aber es enthält schon die Grundzüge dieses Genres. Man baut auch Schiffe, man macht so eine Planetenlogistik, man schlägt Schlachten, die so automatisch ablaufen. Und das ist seine Galaktik-Saga, nennt er das, seine drei Spiele.
[1:11:38] Und die fängt er dann an zu verkaufen. Damit will er auch Geld verdienen. Und da experimentiert er total viel rum. Er verpackt die teilweise selber und verkauft sie an Läden. Dann schickt er sie an Magazine, die geben ihm ein bisschen Geld dafür und tun sie dann auf die Diskette, die dabei liegt. Verkauft sie dann teilweise auch an Großhändler. Und er bringt sogar welche bei einem Publisher unter, bei Adventure International. Das ist so ein Adventure-Publisher, wie der Name schon sagt, von Scott Adams.
[1:12:05] Das sind aber alles nur Vertriebsdeals. Der gibt nie die Rechte an diesen Programmen ab. Die behält er alle bei sich und guckt halt nur, dass er da ein paar von verkauft. Sagen wir so, das läuft so mittel.
[1:12:16] Da muss man vielleicht was anderes mitmachen. Aber Doug glaubt schon an seine Spieler. Der glaubt, dass da mehr drin ist als bei diesen kleinen Deals. Und dann muss er es halt selber machen. Also muss jetzt eine eigene Firma gegründet werden. Und das wird dann eben Bruderband.
[1:12:30] Die gründet er in Eugene in Oregon mit 7000 Dollar Ersparnissen als Startkapital. Und zwar nicht allein. Mit am Start ist sein jüngerer Bruder Gary Carlton. Doug hat vier Geschwister. Und einer davon ist eben Gary. Mit ihm zusammen gründet er im Februar 1980 dann Bruderband. Gary, der hat vorher verschiedene Jobs gehabt, hat zum Beispiel Schwedisch unterrichtet an einem College. Der hatte aber bisher nichts mit Computern zu tun, lässt sich aber halt von Duck überreden, doch da mitzumachen. Und die Aufgaben sind dann auch gerade deswegen klar verteilt. Programmieren liegt logischerweise bei Duck und Gary kümmert sich dann also um den Vertrieb. Und das macht er auch flott. Nur eine Woche nach der Firmengründung organisiert er dann gleich die Anmietung von einem winzigen Stand auf einer Messe der West Coast Computer Fair, um dort die Spiele seines Bruders zu präsentieren. Und dieser kleine Stand auf dieser Messe steht neben dem Stand einer Firma aus Japan. Starcraft heißt die. Die haben Action-Spiele für den TRS-80 gemacht. Die haben auch Apple-Programme dabei, aber sie hatten vergessen, dann Apple II mitzunehmen. Und man kommt dann ins Gespräch und der Gary bietet ihnen dann an, dass sie ihre Spiele auf einem der Rechner von Bruderband zeigen können. Das lockt dann Zuschauer, die eigentlich die Starcraft-Spieler angucken wollen, an den Stand von Bruderband, wo der Apple II steht und ist dann im Endeffekt eine Win-Win-Situation. Jetzt müssen wir mal kurz darüber reden, was das für ein komischer Name ist.
[1:13:58] Bruderband oder wie man das instinktiv liest Brüderbund, weil es ja geschrieben wird mit so einem durchgestrichenen O wie im Dänischen. Der Name des Unternehmens leitet sich ab von einer Händlergruppe namens Bruderbund aus dem Spiel Galactic Empire. Das ist niederländisch für Bruderbund, der Bund der Brüder sozusagen. Dann fällt ihnen aber auf, dass es eine Afrikanergruppe gibt, also in Südafrika, eine südafrikanische Organisation von militanten, weißen Leuten, die sich so nennen und die politisch zumindest fragwürdig sind. Und dann dachte man, na, ob wir jetzt genau den Namen von denen nehmen sollten, ist ja vielleicht auch ein bisschen doof. Lass uns das mal anders schreiben. Und dann entscheiden sie sich, dieses OE aus dem Wort auszutauschen. Das holländische OE wird ja als U gesprochen und ersetzen das durch das dänische O, was Ö gesprochen wird. Aber sie sprechen es trotzdem Bruderband, als wäre es niederländisch. Es ist alles so irritierend. Gary Carlson hat später erzählt, ja hätten wir gewusst, dass wir so erfolgreich sind, dann hätten wir das anders gemacht. Wir mussten da schon ganz schön Kritik einstecken, wegen dieser Verbindung zu dieser südafrikanischen Gruppe. Und sie rationalisieren das mit dem O, dem Durchgestrichenen, so, dass das diese Computer Null ist, die ja auch immer mit so einem Querstrich geschrieben wird. Und das ist also eigentlich ein technischer Name. Und der Doug Carlson ist mal gefragt worden in einem Interview.
[1:15:21] Hat das irgendjemand verstanden? Und der so, nee, alle haben es falsch geschrieben. Also wir halten mal fest, diese gemeinsam getroffene Weiße, dass der Name die Hälfte des Erfolgsausmacht gilt für Firmennamen offensichtlich nicht.
[1:15:34] Ich finde, das ist schon ein sehr schöner Name, der irgendwie cool klingt und ungewöhnlich klingt und vage exotisch. Als Logo ist es ein ganz schlichter Schriftzug und darüber haben sie drei Kronen. Und das sind die berühmten Trekronor, das sind die drei Kronen des schwedischen Königshauses. Und das steht, glaube ich, für die drei Geschwister, die diese Firma gründen. Also die beiden Brüder, Doug und Gary und die Schwester, die noch dazu kommt.
[1:15:56] Genau, den stößt gleich noch dazu, da springen wir schon ein bisschen voraus, denn zunächst mal ist die Firma ja frisch gegründet und dann dauert es genau vier Monate, dann sind die Umsätze bei null Dollar, dann machen sie also keine Einnahmen mehr mit der Galactic Saga. Das sieht jetzt nicht gut aus. Aber da gab es ja diese Zufallsbegegnung mit den Japanern von StarCraft. Und die waren auf der Messe durchaus beeindruckt, sowohl von den Spielen der Firma als auch von dem Gary und dessen Auftreten. Und dann schließt StarCraft eine Vertriebsvereinbarung mit Budaband, weil die sind ja in den USA, weil sie sich erhoffen, da ihre Spiele zu verkaufen. Der Erzählung nach passiert das auch ziemlich spontan, als die Japaner von StarCraft in Eugene vorbeischauen bei Budaband. Und dieser Vertrag bringt jetzt nicht nur finanzielle Stabilität, sondern der diversifiziert auch gleich das Portfolio von Bruderband. Bisher waren sie nur diese herausgeschriebenen Strategiespiele, aber die japanischen Spiele sind actionlastige Titel für den Apple II. Und das ist ein großer Gewinn im Vergleich zu den ziemlich kopflastigen und textorientierten Strategiespielen von Duck, die ja in erster Linie für den TRS-80 entwickelt wurden.
[1:17:00] Das Verhältnis ist am Anfang noch ein bisschen schwierig zwischen den beiden Firmen, Denn die Japaner wollen eigentlich, dass die Carlsons ihnen fertig produzierte Spiele abkaufen. Also fertig produziert heißt in diesem Fall auf jeden Fall schon Disketten, auf denen das Programm drauf ist, die dann aus Japan angeliefert werden. Aber das ist natürlich unpraktisch, das ist langsam, das ist teuer.
[1:17:22] Deswegen müssen die Carlsons dann die Japaner überreden, lasst uns das mal bitte hier vervielfältigen. Also wir wollen das selbst machen. Und als man sich darauf dann geeinigt hat, dann klappt die Sache auch. Und die StarCraft-Spiele erscheinen bei Bruderband.
[1:17:35] Das Relevanteste davon heißt Apple Galaxian. Das wird später in Alien Rain umgenannt. Das ist so erfolgreich, dass der Umsatz der Firma am Ende des Jahres 1980 bei 100.000 Dollar liegt, hauptsächlich wegen diesem einen Spiel. Und das führt dann dazu, dass im Dezember auch der erste Teilzeitmitarbeiter eingestellt werden kann.
[1:17:55] 1981 kommen dann schon weitere dazu. Und der wichtigste Neuzugang ist die eben schon erwähnte Schwester, Kathy, die eigentlich einen Job in der Modebranche hat und den dann aufgibt, um einzusteigen bei Bruderband und sich dort um sowohl die Buchhaltung als auch um das Werbemanagement zu kümmern. Damals ist das noch eine Firma, die von zu Hause aus betrieben wird. Also da gibt es noch nicht mal ein Büro, sondern die Kathy, die macht die Buchhaltung am Küchentisch, der Gary telefoniert im Wohnzimmer und der Doug verpackt in der Garage die Disketten.
[1:18:31] Ist doch toll, ich stelle mir das so nett vor. Ja, finde ich auch. Also gerade wenn Geschwister zusammenarbeiten, ist eigentlich immer eine schöne Sache. Genau.
[1:18:39] Jetzt springen wir ein bisschen weiter in den März 1981. Da nimmt Bruderband wieder an dieser West Coast Computer Pferd teil. Mittlerweile haben sie auch einen richtigen Stand und dort präsentieren sie dann ihr erstes Business-Programm. Nicht nur die Spiele, sondern sie haben auch von Anfang an, wir hatten es kurz angedeutet, dass der Duck ja auch Anwendungssoftware geschrieben hat für seine Kanzlei oder das zumindest schreiben wollte. Jetzt haben sie das erste Programm fertig. Es heißt Bruderband Payroll und ist ein einfaches Verwaltungsprogramm für die Mitarbeitergehälter. Und gleichzeitig erweitern sie auch ihr Spieleportfolio, unter anderem mit einem Spiel namens Space Quarks und dem ganz, ganz tollen, wunderschönen Flipperspiel Davids Midnight Magic. Ja, Stand auch zur Auswahl in unserer Abstimmung. Hättet ihr auch haben können, hätten wir stundenlang über Flippertische gesprochen. Dann wäre die Entwicklungsgeschichte jetzt hier auch schon zu Ende, aber jetzt geht es ja noch eine ganze Weile weiter. Jetzt müssen wir noch ein bisschen weiter reden, genau. Noch im gleichen Jahr ziehen sie dann um nach Kalifornien, nach San Rafael.
[1:19:38] Angeblich, weil sie den Nebel in Eugene satt sind und zwischendurch war der Flughafen mal zwei Monate nicht in Betrieb, weil da so viel Nebel ist und dann haben sie Ärger von Kunden bekommen, weil sie nicht liefern konnten. Aber ich glaube, also die Cathy hat später mal gesagt, das war so eine Mischung aus persönlichen Gründen und Businessgründen. Ich glaube, sie wollten auch einfach näher an die Tech-Branche in Kalifornien. Sie machen ja auch Business-Software, nicht nur Games, wollten näher an Silicon Valley. Und am Ende des Jahres 1981, also erst ihr zweites Jahr, steht der Firmenumsatz schon bei einer Million Dollar. Und die Firma veröffentlicht im Jahr 1981 mehr als ein Dutzend Spiele.
[1:20:14] Ja, und dann kommt im nächsten Jahr gleich der nächste Knaller. Dann kauft Bruderband nämlich ein Spiel von Dan Gorlin ein und das heißt Choplifter. Und das erweist sich als ein Hit. Das ist ja auch ein echt gutes Hubschrauber-Actionspiel, zumal für die Zeit. Das trägt dann wiederum dazu bei, dass die Firma weiter wachsen kann. Ende 82 sind wir jetzt schon bei drei Millionen Dollar Umsatz. Wieder ein Dutzend Spiele, die hier rauskommen. Also da haben wir schon einen richtig guten Player jetzt im Markt. Du sagtest schon, Anwendungssoftware gehört auch zum Portfolio und auch da kommt mehr dazu. Von einem Synthesizer für den Commodore VC20 bis zu einem eigenen Textverarbeitungsprogramm namens Bankstreet Writer ist da alles dabei. Was man vielleicht noch klar dazu sagen muss, die meisten Sachen, die sie machen, sind zugekauft.
[1:20:59] Also Dan Gorlin kommt zu ihnen mit dem Spiel Joblifter, David’s Midnight Magic haben sie zugekauft und auch diesen Bank Street Writer und den Synthesizer kaufen sie zu. Das war nur in der Anfangsphase, dass da Duck die meiste Zeit selber programmiert hat. Aus dieser Phase wachsen sie jetzt raus und werden eher ein Verlag, ein Publisher. Und am Ende des Jahres 1983, da sitzt also nun diese Firma in Kalifornien, ist im Familienbesitz und hat etwa ein Dutzend Mitarbeiter.
[1:21:25] So, und jetzt springen wir mal in das Leben eines anderen Menschen, in das Leben von Lauren Elliott. Das ist ein Student in Kalifornien und der hat einen Wunsch. Ich war ein Architekt. Wenn ich gerade aus der Schule habe, habe ich ein Architekt für ein paar Jahre.
[1:21:43] Ich war in Northern California. Ich war fasziniert bei den ersten Kabupaten. The Apple Computer was the first one I had. I played around with it and really liked programming on it. I learned my early programming days on it. I wanted to get into gaming and I had no idea how to do that. There was a company called Brutobund Software, which was down in San Rafael, 15 miles south of where I lived. So I just had a sketchbook of ideas that I thought might be fun. And I simply drove down to Brutobund, which was in a kind of an old warehouse point, and just walked in the door. I had no introductions, I had nothing. I walked in the door and they had about 11 people at that point. I had seen one of their games and I asked to talk to Doug Carlson, who was the founder. He and his brother took me out to lunch and I showed him my rather crude sketches. And he said, if you can stick around and talk any of the programmers that we have into your games, welcome to it. Just go find a desk and see if it works. So I literally did that and I spent the next 13 years doing that.
[1:22:47] Der hat Architektur studiert und als Architekt gearbeitet, lebte in Nordkalifornien und war von Computern fasziniert, hat auch ein bisschen programmiert, war aber kein Programmierer. Eigentlich war das eher so ein Ideenmensch, der wollte Spiele machen und hatte tolle Ideen für Spiele und wollte dann da rein. Und dann ist er bei der Firma Bruderband reingelaufen, weil die in der Nähe waren von da, wo er wohnte, nur 15 Meilen entfernt, und hat denen sein Notizbuch gezeigt, wo er Skizzen drin gemacht hat, wie die Spiele aussehen, die er gern machen würde. Dann sind die mit dem Essen gegangen und haben dann den sensationellen Satz gesagt, ja komm, kannst bei uns arbeiten. Wir haben Programmierer. Wenn du einen Programmierer findest und den davon überzeugst, eins deiner Spiele zu machen, dann kannst du es machen. Go.
[1:23:35] Challenge accepted. Und so ist es dann passiert. Er war der 11. Oder 12. oder 13. Mitarbeiter. Und ist dann da 13 Jahre geblieben. Diesen O-Ton, den wir gerade gehört haben von Lauren, der stammt aus einem Gespräch, das du mit ihm geführt hast. Also Lauren ist logischerweise einer der Köpfe hinter Carmen San Diego. Deswegen haben wir mit ihm gesprochen. Du spezifisch hast mit ihm gesprochen. Wir werden noch ein, zwei weitere Erzählungen von ihm hören.
[1:24:00] Da bei Bruderband in Kalifornien, da ist die Atmosphäre locker. Da passt ja Lauren sehr gut rein. Arbeitet dann am Anfang an einer Vielzahl von Projekten auch in ganz unterschiedlichen Rollen, was halt alles so gerade gebraucht wird. Der ist zum Beispiel auch die interne Kontaktperson zu externen Entwicklern, um deren Spiele er sich kümmert. Ein junger Mann zum Beispiel, mit dem Lauren da zu tun hat, der heißt Will Wright. Den könnte man vielleicht kennen. Später kommt er noch zu großem Ruhm mit SimCity und Sims und so weiter. Und der bringt bei Bruderband damals sein erstes Spiel unter Raid on Bungeling Bay. Kleiner Funfact am Rande. Heute, also 40 Jahre später, haben der Lauren Elliott und Will Wright eine Firma zusammen. Die heißt Gallium Studios und die arbeiten gerade an einem Spiel namens Proxy. Also so eine Art Lebenssimulation mit KI soll das werden. Sind wir mal gespannt, was dabei rauskommt.
[1:24:52] Auch Jordan McNair zum Beispiel ist einer von diesen externen Autoren, die bei Bruderbund dann Karateka machen und später Prince of Persia. Und Lauren Elliott arbeitet anfangs mit ihm zusammen, betreut ihn sozusagen und steuert auch Grafiken für die Apple II-Version, also die Ur-Version von Karateka bei.
[1:25:09] Aber den wichtigsten Menschen, den Lauren Elliott bei Bruderband kennenlernt, das ist Gene Portwood. Denn mit dem teilte sich dann in der Folge ein Büro und die beiden arbeiten dann zunehmend im Tandem zusammen. Und in dem Interview, das du mit Lauren Elliott geführt hast, spricht er auch ganz selten von ich, sondern er hat fast immer Gene und ich gesagt. Jetzt hören wir mal, wie liebevoll der Lauren seinen Gene beschreibt.
[1:25:39] Portwood. He was supposed to be managing the engineers, but he was really, he was a terrible manager and he was a lovely man. He was an ex-Disney animator. He had worked on Snow White and all classic animations. And they hadn’t used him for that as much, but he was a brilliant man who ended up being one of the pivotal people in adding human nature to characters at that time. Those early games were all very non-character oriented. If they had a character, they were static and they didn’t move.
[1:26:13] And Gene was just brilliant at saying, okay, let’s make them identifiable. If they’re just hanging around and not in action, just have them walk a little bit or get annoyed or whatever. He and I ended up sitting in the same room. We just decided to do that. Then he and I collaborated on all of these ideas from then on. Er war ein wunderbar, lustig, wütter Mann. Ich war sehr glücklich. Er erzählt also, dass er da diesen Gene Portwood kennengelernt hat, der da schon war und der sollte eigentlich so eine Art Manager für die Programmierer sein. Aber er war eigentlich gar kein guter Manager, er war einfach ein netter Typ. Und der war früher bei Disney gewesen, war Animator, aber er war halt einfach ein brillanter Künstler, der dann eine entscheidende Rolle gespielt hat, dabei diesen frühen Spielen Charakter zu verleihen. Das waren ja alles statische Spiele mit einfachen Figuren. Und er hat gesagt, okay, lass uns die identifizierbar machen. Lauren beschreibt, dass er so ein Glück gehabt hat, dass er diesen Menschen kennengelernt hat, mit dem arbeiten durfte und dass er mit dem dann sogar im selben Raum sitzen konnte. Die haben einfach entschieden, wir sitzen jetzt zusammen. Und von da an haben sie alles gemeinsam gemacht. Das muss eine richtige Bromance gewesen sein.
[1:27:33] Bruderband hat zu der Zeit laut Elliot kaum Struktur, gar keine Meetings, die Chefs führen mit ganz leichter Hand, die kreative Freiheit ist ganz enorm. Dieses Team Portwood-Elliott, einer der Programmierer nennt die später liebevoll Those Nutty Artists, diese bekloppten Künstler, erarbeitet sich so Respekt und darf halt bei vielen Projekten dann auch einfach mitentscheiden. Ihr Büro nennt man den Rubber Room, den Gummiraum, weil er voller Spielzeuge ist und da immer was los ist. Und der Portwood ist wirklich eine ungewöhnliche und besondere Figur. Zu der Zeit in der Spielebranche, wo ja alle Anfang 20 sind, der ist über 50, als er bei Bruderband anfängt. Der hat schon 1950 bei Disney angefangen und bezeichnete sich gern als Experte für Grillen, weil er in den 50er Jahren für die Jiminy Cricket-Filmchen in der Mickey Mouse Show Hunderte von Posen von Jiminy Cricket dieser Grille gezeichnet hat. Süß.
[1:28:26] Das Jahr 1983 endet mit einem weiteren Hit für Bruderband. Loadrunner kommt da noch und das clevere Pixelspiel Gumball. Sie machen auch noch Business Software und es bahnt sich zu der Zeit schon eine Kooperation mit der Jim Henson Company an. Das sind die Muppets Leute. Also insgesamt haben sie 1983 auch wieder acht Spiele rausgebracht. Also es läuft. Anfang 1984 ist Bruderband nach einer Schätzung des Magazins InfoWorld Das zehntgrößte Mikrocomputer-Software-Unternehmen in den USA und laut InfoWorld sogar das größte Unterhaltungssoftware-Unternehmen des Landes mit einem Umsatz von 13 Millionen Dollar.
[1:29:04] Also Unterhaltungssoftware bezieht sich jetzt hier spezifisch auf Heimcomputer. Bei Heimkonsolen und Arcades sind das natürlich ganz andere Dimensionen in dieser Zeit.
[1:29:12] Aber bei Bruderband geht es immer bergauf. Das wird 1984 sogar noch besser werden. Da kommt dann The Print Shop raus. Das ist ein bahnbrechendes Programm für zu Hause, wo man so Kalender, Grußkarten, Flyer, Poster, Schilder basteln kann. Mega-Hit für Bruderband. Verkauft sich dann in der Folge über die Jahre hinweg 8 Millionen Mal. Und auch bei den Spielen bleibt das eine Hitmaschine. Da kommt dann Karateka raus von Jordan Magna. Da kommt eben das Raid und Bungeling-Babehaus von Will Wright. Da kommt das Strategiespiel The Ancient Art of War raus. Das exzellente und oft unterschätzte, finde ich, Castles of Dr. Creep. Da brauchen wir auch dringend mal eine Folge dazu bei Klinge ein. Oh, so ein tolles Spiel, Christian. Ja, wirklich, habe ich so gerne gespielt.
[1:29:53] Bruderband ist zu dem Zeitpunkt, aber wie wir schon angedeutet haben, nicht nur eine Spiele-Schmiede, sondern auch so ein typischer Gemischtwarenladen, wie das ja zu der Zeit viele größere Spiele-Publisher sind. Die machen halt Games und auch Anwendungen.
[1:30:07] Generell ist das so eine opportunistische Herangehensweise. Wenn wir glauben, wir können es verkaufen, dann machen wir es auch. Und in der Zeit wird ja auch einfach viel ausprobiert, weil die Märkte noch nicht so festgefahren sind. Bruderband hat schon früh Titel ins Programm genommen, die nicht nur der Unterhaltung dienen, sondern auch der Bildung. Und wir haben ja erwähnt, wir werden ein Spiel mit Jim Henson machen. Und das kommt jetzt auch in diesem Jahr 1984. Es heißt Welcome Aboard. Und das ist ein Lernspiel, das versucht, Menschen mithilfe der Muppets Computerkundiger zu machen. Und es heißt The Muppet Cruise to Computer Literacy, also die Kreuzfahrt hin zur Computerkundigkeit. Toll.
[1:30:45] Die Idee für solche Produkte kommt nicht aus dem Nichts. Anfang der 80er gibt es einen regelrechten Boom für Lernsoftware in den USA. Der startet an den Schulen, denn die werden ab 1980 im Rekordtempo digitalisiert. Bis 1984 steht an 85 Prozent der US-Schulen mindestens ein Computer, der für Lernzwecke eingesetzt werden kann. Und meist sind das die berühmten Apple II-Geräte, manchmal auch Commodore Pets oder TRS-80s. Aber die Apple II-Geräte, die haben da eine besondere Präsenz. Deswegen sind die ja ein paar Jahre später auch so beliebt bei Spieleentwicklern, weil die die dann teilweise in der Schule schon kennengelernt haben.
[1:31:25] Und in den frühen 80ern drängen jetzt neue Player auf diesen Markt und battlen sich da mit alten Playern. Es gibt Schulbuchverlage wie McRaw Hill oder Scholastic, die wollen da einen Fuß in die Tür bringen. Dann gibt es neue Firmen wie Davidson & Associates oder Spinnaker, die gründen sich spezifisch zur Erstellung und Vermarktung von Lernsoftware. Das beginnt in den Schulen, aber Schulen kaufen nicht so viele Produkte. Der Heimmarkt ist viel lukrativer. Und Spinnaker, 1981 gegründet, ist drei Jahre später schon 50 Millionen Dollar wert, um mal so eine Größenordnung zu geben, wie viel Musik in dieser Zeit im Lernspielsegment steckt. Kein Wunder, dass sie alle mitmischen wollen, auch Bruderband. Die Idee, ein Spiel mit einem Lerneffekt für Kinder zu machen, vielleicht sogar eins, das man nicht nur in der Schule einsetzen kann, das ist also 1984 schon was, was so in der Luft liegt. Das ist keine exotische Außenseiter-Idee, aber die Konkurrenz ist schon ganz schön groß und man braucht da ein Leinstellungsmerkmal.
[1:32:26] Ja, und damit kommen wir jetzt zu Carmen Sandiego und damit auch erstmal in etwas unruhigere Gewässer, denn wenn wir jetzt die Entstehung des Spiels erzählen wollen, dann ist das gar nicht so ganz einfach. Die ist schon oft erzählt worden, auch an verschiedenen Stellen, unter anderem zum Beispiel in dem sehr guten Buch Breakout, How the Apple II Launched the PC Gaming Revolution von David Craddock.
[1:32:52] Aber sie wird an diesen unterschiedlichen Stellen auch teilweise unterschiedlich erzählt. Der Credak zum Beispiel stellt in seinem Buch einen der Programmierer bei Bruderbund in den Mittelpunkt seiner Geschichte zu Carmen Sandiego. Und zwar einen Mann namens Dane Bigham. Der hat 83 bei Bruderbund angefangen, macht da erstmal Portierungen in erster Linie. Und in dem Buch wird die Geschichte so erzählt, dass Dane Bigham dann zum Spaß ein einfaches Spiel programmiert. Da ist er inspiriert von diesem berühmten Text-Adventure aus den 70ern, Colossal Cave, und baut dann da so ein Spiel, das eine Anordnung von Räumen ist, die man auf unterschiedliche Art befüllen könnte. Also er hat dann auch keine konkrete Idee dazu. Aber navigiert zwischen diesen Räumen wird nicht, indem man was eintippt, wie das in Text-Adventures.de üblich ist, sondern über ein Menü. Dann plant er offenbar, da einen Kinder-Adventure zu machen mit so einer Räuber- und Gendarmen-Mechanik für den Apple II, wo man dann Befehle aus einer Liste auswählen kann. Das klingt fast so ein bisschen wie Déjà-vu, das ja dann auch in dieser Zeit auf dem Macintosh entsteht.
[1:33:57] Dann heißt es in dieser Version der Geschichte, Dane Biggham habe diese Idee und sein kleines Programm Gene Portwood und Lauren Elliott vorgestellt und die seien erstmal nicht so begeistert davon gewesen. Aber Bickham habe da nicht locker gelassen, sei irgendwann zum Chef gegangen, zu Gary Carlson. Und der hätte dann noch die Idee beigesteuert, da doch Geografie reinzunehmen, also irgendwas mit Erdkunde zu machen. Zu dem Zeitpunkt sei der Bickham dann aber schon so frustriert gewesen, dass er das eigentlich hinwerfen wollte, dass er das nicht programmieren wollte.
[1:34:28] Aber nun hast du ja mit Lauren Elliott gesprochen und der hat die Geschichte ganz anders erzählt.
[1:34:35] Gene and I had worked on a thing called Crowns of Henry VIII. It was an idea about going around England and getting clues, using history. Then it evolved because we were working on that. We’d show it to Doug and Gary. And at one point, I think it was Gary that came in and said, how about using a real reference? We used to play those trivia games and they’d use dictionaries and stuff like that. So he said, how about using a reference? And so Gene and I said, that’s cool. So we went down to the bookstore to see if we could find some book to work on. And it was the encyclopedia. So we evolved that into Carmen. And we got a young programmer at the time, Dane Bingham, and he contributed too. So there was a kind of a sitting around thinking about, we’ll take this basic idea of wandering around trying to get a clue or an object and see if we can’t add the trivia to it. Keep it fun because that’s the point. The point is to be fun. Learning is a side note to. Er sagt, Gene Portwood und er haben in einem Spiel gearbeitet, das The Crown of Henry VIII heißt. Ein Spiel, in dem man durch England reist und Hinweise sammelt, in dem man Geschichtswissen hat und das sich dann so entwickelt hat in Richtung Geografie. Das haben sie dann den Chefs gezeigt, Doug und Gary.
[1:35:47] Und dann hat Gary gesagt, ja, cool. Wie wäre es, wenn wir so eine echte Referenz noch nehmen? Wir haben ja viel Trivia-Spiele gespielt, so Ratespiele gespielt zu Hause am Küchentisch. Und da haben wir auch Wörterbücher dazugenommen und so. Wie wäre es denn mit einem Nachschlagewerk? Und dann sagten Gene und Lauren, ja, das ist ja auch cool. Und dann sind sie in einen Buchladen gegangen und haben geguckt, was sie da gefunden haben. Und dann haben sie da eine Enzyklopädie gefunden, sagen sie, also diesen Alma nach wahrscheinlich. Und das Spiel hat sich dann aus dieser Basis heraus zu Carmen entwickelt. Und dann übrigens gab es noch einen jungen Programmierer, Dane Bickham, der hat da auch mitgemacht. Und es fing halt an von dieser einfachen Idee, vom Rumgehen und Objekte und Hinweise finden, da Quizfragen zuzuaddieren, weil es Spaß macht. Und es sollte ums Spaß machen gehen und es ging gar nicht ums Lernen. Lernen war nur ein Nebenaspekt.
[1:36:37] Also das sind ja schon zwei sehr unterschiedliche Geschichten. Wie bringen wir denn die jetzt zusammen? In Credox Buch, da ist der Programmierer Dane Bigam der zentrale Charakter und in Lauren Elliotts Erzählung ist der Bigam der Junior-Programmierer, der halt auch was beigetragen hat.
[1:36:51] Es wird noch ein bisschen seltsamer, denn die Spiele haben ja Credits auch logischerweise. Das kann man ja da einfach reingucken, sollte dann erfahren, wer jetzt hier eigentlich federführend war. Und in den Credits für die ursprüngliche Apple-2-Version sind alle drei Namen aufgezählt. Das ist ja erstmal ganz gut so. Aber Bruderband hat damals die Namen der zentral Beteiligten aufs Cover gedruckt, auf die Packung der Spiele. Und auf dieser ursprünglichen Apple II-Version steht unter der Titelzeile Where in the World is Carmen Sandiego by Dane Bigham, also der Programmierer. Und wenn man sie umdreht auf der Rückseite, standen auch immer nochmal die Namen. Und da steht auch nur Dane Bigham. Das gilt auch noch für die erste Portierung, die erscheint, die DOS-Version. Aber da geht Bruderband dann schon dazu über, auf dem Systemaufkleber, der links unten auf der Packung ist, den Namen des Programmierers zu nennen, der die Portierung geschrieben hat. Da steht dann also in diesem Fall Glenn Axworthy. Das war der Mann, der das auf den PC portiert hat.
[1:37:49] Und dann kommen weitere Portierungen, zum Beispiel für den C64. Und die Apple II-Version kommt durchaus auch mehrmals auf den Markt. Also die gibt es in weiteren Auflagen. Und dann ändert sich die Zuschreibung auf einmal. Da steht auf dem Cover dann unter dem Namen des Spiels nicht mehr Der Dane Beckham, der rutscht auf den Aufkleber unten, sondern dann steht er bei Gene Portwood und Lauren Elliott auf der Vorder- und auf der Rückseite. Und als dann die Neuauflage des Spiels von 1998 kommt, vier Jahre später, stehen nur noch die beiden auf dem Cover und Dane Beckham ist komplett davon verschwunden.
[1:38:23] Also das ist so ein sukzessives Rausschreiben von Dane Bickham aus dieser Geschichte, zumindest auf der Packung. Das ist ja schon ein bisschen seltsam. Du hattest dann im Nachgang den Loren Elliott auch nochmal gefragt, ob er da eine Erklärung dafür hat. Darauf hat er aber nicht mehr geantwortet. Also da können wir jetzt an dieser Stelle nur spekulieren. Aber ich finde das jetzt nicht so unwahrscheinlich, dass beide erzählten Geschichten erstmal grundsätzlich wahr sind. Es kann schon sein, dass da ein Grundprogrammgerüst von Dane Bigham auf eine Idee für ein Spiel, also in diesem Fall dieses England-Spiel, von Portwood und Elliot gestoßen sind und das aus diesem Amalgam dann am Schluss Carmen Sandiego geworden ist.
[1:39:06] Aber um es noch ein Ticken komplizierter zu machen, da gibt es ja offensichtlich noch einen Beteiligten. Ja, es gibt noch jemanden, der genannt ist in den Credits als Contributing Writer, also als zuarbeitender Autor. Das ist David Ziefkin. Und der hat in dem Buch von Credoc auch eine große Rolle. Der Autor erzählt dann da drin von langen Reisen, die er gemacht hat wegen Carmen, um Inspiration zu sammeln, weil er dafür die Texte dann geschrieben hat.
[1:39:35] Das Buch schreibt ihm die Erfindung des Namens Carmen Sandiego zu und alle Texte im Spiel und Teile des Game Designs. Der Elliot hat im Bezug auf den Namen Carmen Sandiego auch wieder eine andere Erinnerung. Ich bin mir so afraid und bin mir nicht so ashamed, dass es keine Consideration für oder Böse ist. Es hat die Name der City in den Namen, die Amerikaner City. Das war cool. Es gab keinen Wille-Ful-Karakter.
[1:40:03] Es war ein Flamboyant-Name von Karman-Miranda, ein Stylisch-Charakter, weil das was Karman-Miranda war. Er sagt.
[1:40:17] Ja, wüsste das jetzt gar nicht. Seiner Meinung nach ist es einfach ein logischer Bezug gewesen von Carmen Miranda, weil sie so einen stylischen Charakternamen brauchten. Und diese Carmen ist ja dann auch so ikonisch geworden auf eine Art wie Carmen Miranda. Es gab keine durchdachte Charakterisierung hier. Das war alles ein bisschen Zufall. Aber er fand es halt cool, dass es den Namen einer amerikanischen Stadt hat. Als Nachnamen San Diego. Das ist mir ein bisschen ehrlich gesagt, hat überhaupt nicht aufgefallen. Nee, mir auch nicht, ja. Ist ja eine amerikanische Stadt. Auch in Kalifornien. Bei Carmen Miranda sind sich die Quellen aber immerhin einig. Das sagt auch der Siefkin. Der Sivkin sagt das so komisch. Ich dachte an Carmen Miranda und an meinen Hund Carmen. Was komisch klingt, die Carmen Miranda war eine brasilianische Sängerin, die war in den 30er und 40er Jahren sehr aktiv und die hatte als Erkennungsmerkmal so ganz extravagante Hüte mit Früchten drauf. Tutti Frutti Hüte nannte sie die. Die kennt man hier glaube ich nicht, aber die hat einen Stern auf dem Walk of Fame und in Los Angeles ist ein Platz nach ihr benannt. Ich nehme an, kalifornische Spieleentwickler kannten die.
[1:41:23] Der Elite redet dann halt weiter und erzählt die Entwicklung als so einen lockeren Prozess, wo so viele Leute einfach locker mitgemacht haben und sich eingebracht haben und aus dem dann dieses Spiel zusammenkommt. Und das soll auch noch 1984 fertig werden, also im gleichen Jahr, in dem es begonnen wurde. Die Firma lobt sogar einen Bonus dafür aus, wenn das fertig wird. Aber das Team verzettelt sich ein bisschen und dann muss der Release verschoben werden. Und in der Zeit hat dann der Bigham das Spiel so satt, dass er das Team wechseln will. Aber Gary sagt, das macht es schön noch fertig.
[1:41:56] Also es ist zumindest unstrittig, dass alle drei an dem Spiel gearbeitet haben. Also Dane Bigham, Lauren Elliott und Gene Portwood. Und in welcher Bedeutung, das ist nicht ganz klar zu klären, aber nach heutiger Lesart, die heutige Geschichtsschreibung, schreibt die zentrale, die maßgebliche Gestaltung des Spiels schon den beiden Grafikern zu, also Gene Portwood und Lauren Elliot. Ich glaube, alle Details sind in sich unstrittig. Also es ist, glaube ich, es ist unstrittig, dass der Big Game programmiert hat. Es ist unstrittig, dass es dieses England-Spiel gegeben hat als Prototyp. Es ist unstrittig, dass die Idee über die Quizfragen und die Geografie von Gary Carlson kam. Es ist nur strittig, was welchen Einfluss hatte und wer die größere Rolle gespielt hat. Ja.
[1:42:42] Nun, im April 1985 kommt Where in the World is Carmen Sandiego dann auf den Markt. Der große Hit ist es aber am Anfang nicht. Also schon erfolgreich genug, dass man sich da direkt Gedanken um eine Fortsetzung macht, aber… Bruderband-Maßstäben nicht phänomenal. Die hatten ja schon einige richtige Kracher im Portfolio. Für Fortsetzungen spricht auch, dass das Spiel einigermaßen günstig war. Also obwohl sie die Entwicklung ja noch verlängern mussten, hat es unterm Strich 100.000 Dollar gekostet. Das ist jetzt nicht nichts für diese Zeit, aber es ist auch kein Mega-Budget.
[1:43:18] Dorian Elliott sagt, der wahre Erfolg sei dann erst gekommen, als der Titel in den Bildungsmarkt eingebrochen ist. Also in das Schulsystem. Und das sei vor allem das Verdienst von Kathy Carlston, der Schwester der Carlston-Brüder. 18 Monate nach dem Erscheinen des ursprünglichen Spiels, da ist der zweite Teil, Where in the USA ist, kam in San Diego schon raus. Da ging der Titel dann so langsam durch die Decke. Und zwar, weil sich das inzwischen unter Lehrkräften in den USA rumgesprochen habe, dass das ein Spiel ist, das man gut im Unterricht einsetzen kann und auch fürs Zuhause lernen. Also den Schülerinnen und Schülern auch empfehlen kann. Die Geschichte geht so, dass offensichtlich Lehrerinnen und Lehrer angefangen haben, Bruderband zu schreiben und ihnen ihre Ideen zu schicken, wie sie Carmen Sandiego im Unterricht einsetzen, dass sich das Spiel da gut dafür eignen würde. Und das wurde wohlwollend zur Kenntnis genommen bei Bruderband und wanderte dann in den Papierkorb, diese ganze Post, bis Kathy Carlson es dann irgendwann in die Hand genommen hat, daraus einen Teachers Guide zu entwickeln, also eine Sammlung von Handreichungen für Lehrkräfte, um ihnen konkret zu sagen, wie sie das Spiel im Unterricht einsetzen könnten. Das ist jetzt keine neue Idee. Wie gesagt, zu dem Zeitpunkt boomt ja dieser ganze Markt für Lernspiele schon und da gibt es andere Firmen, die auch solche Guides rausgeben.
[1:44:38] Cathy klemmt sich jetzt da dahinter, vernetzt die Lehrkräfte, die sich bei Bruderband melden, untereinander, koordiniert die Arbeiten an diesem Unterrichtsmaterial und sorgt so dafür, dass in der Folge das Spiel dann auch in großem Stil in den US-Schulen Fuß fassen kann. Bruder Band animiert Schulen auch dazu, ihr Programm einzusetzen, indem sie ihnen auf Wunsch ein Carmen-Paket schicken. Da sind dann Vorlagen drin für Anschreiben an die Eltern, da sind Teilnehmerurkunden für die Schülerinnen und Schüler drin, Lehrmaterialien für die Lehrkräfte. Und der Gedanke ist, dass die dann Carmen Sandiego Days machen sollen an ihren Schulen, wo sich dann die ganze Schule darauf oder zumindest ganze Klassen darauf fokussieren, durch Carmen Sandiego eben die Geografie der Welt zu lernen. Und dieses Paket wurde laut Wikipedia an 7000 Schulen in den USA eingesetzt. Unfassbar. Ja. Also unfassbar, wie das gelaufen ist. Also Teil sicherlich Zufall und Glück und großer Teil natürlich auch dann das Verdienst von der Käthe Carlson. Eine der zeitgenössischen Zeitschriften, ich habe schon wieder vergessen welche, irgendeine Commodore-Zeitschrift, hat geschrieben, aber das Paket hat sich auch echt gelohnt.
[1:45:45] Das muss ein super Paket gewesen sein, mehr weiß ich nicht. Das ist auch was, was Bruderband dann eine ganze Weile weiterzieht. Also diese Lehrmaterialien und diese begleitenden Hefte, die gibt es für Carmen Sandiego Spiele bis weit in die 90er Jahre hinein.
[1:45:57] Ja, die Carmen San Diego Days überdauern auch sehr lange. Die Firma ist mittlerweile ganz schön gut aufgestellt. Die haben ein Portfolio an Spielen, sie haben Lernspiele, darunter halt Carmen San Diego als krassen Hit. Sie haben Kreativitätssoftware, viel Businesssoftware. In den Softwarecharts Anfang 1985 in einer Zeitschrift haben sie zeitweise fünf Titel in den Top 15, darunter mit Print Shop auch die Nummer eins. Der Laden läuft so gut, dass der Doug Carlson sogar Zeit hat, ein Buch zu schreiben. Der schreibt dann ein Buch namens Software People, in dem er die Geschichte der Softwarebranche und die Menschen hinter den Unternehmen beleuchtet. Das ist so eine Art Chronik. Das zeichnet die Entwicklung der Softwareindustrie von den Anfängen bis in die 80er Jahre nach. Das kann man heute frei verfügbar überall runterladen, Archive.org und so.
[1:46:46] Und echt ein ganz interessantes Buch, so als zeitgeschichtliches Dokument. Steht auch was drin über die Gründung von Sierra und die Rolle von Roberta Williams und solche Sachen. Es gibt aber auch ein paar spezifische Sachen zu Bruderband da drin. Und zwar sagt er da sehr klar, dass er Bruderband als Verlag sieht, wie so ein Buchverlag. Sie arbeiten mit unabhängigen Autoren zusammen, sie helfen ihnen, die Prototypen zu fertigen Produkten zu entwickeln und die zahlen Vorschüsse, um diese Projekte zu realisieren. Das klingt… Das ist jetzt nicht ungewöhnlich, das klingt nach dem Standard-Business-Modell der Publisher, aber zu der Zeit sind die Geschäftsmodelle ja nicht so voll durchdekliniert. Und dass das jemand so klar aus dem Buchmarkt auf den Spielemarkt überträgt, ist zumindest ein Zeichen davon, dass er sich da Gedanken drüber gemacht hat. Duck war die treibende Kraft des Unternehmens anfangs als Gründer, aber er hat sich in diesem Buch selbst beschrieben als geschäftlich naiv und hat gesagt, die Kündigung musste McGarry übernehmen, das konnte er nicht.
[1:47:44] Ah, okay. Soll er halt keine Leute kündigen.
[1:47:48] Nun, jetzt fokussieren wir uns auf Carmen erstmal, denn das haben wir ja nun auch schon eine Weile gesagt. Nachdem das erste Spiel dann durch die Decke gegangen ist oder natürlich vor allen Dingen auch die USA-Version an den US-Schulen, kommt dann eine ganze Reihe weiterer Titel raus. Und die haben eigentlich alle gemeinsam, also über das nächste Jahrzehnt kann man das so pauschal sagen, dass die spielmechanische Formel immer die gleiche ist. Die wesentliche Änderung kommt eigentlich schon im zweiten Teil, also We’re in the United States, es kam in San Diego dazu.
[1:48:18] Denn bei diesen Merkmalen der Verdächtigen, um die zu identifizieren, hat das Spiel ja gesagt, sie hatte braunes Haar oder sie fuhr ein Cabrio und ab diesem zweiten Spiel werden die Hinweise verschlüsselt. Da sagen die Zeugen dann zum Beispiel sowas wie, sie summte Rigoletto oder sie hatte den Boss auf ihrem T-Shirt. Und dann muss man noch diese Übertragungsleistung zusätzlich erbringen, von Rigoletto auf Aha, sie mag Opa zu kommen und von The Boss, also Bruce Springsteen, auf Aha, sie mag Rockmusik. Also das ist der eine spielmechanische Twist, der noch dazu kommt und ansonsten ändert sich eigentlich immer nur das Szenario.
[1:48:56] Da sind wir also 86 in den USA, dann 88 in Europa, 89 geht es dann auf Zeitreise. Auch hier, die Spielmechanik bleibt die gleiche. Jetzt reist man halt immer noch zu Orten, aber zusätzlich noch in eine bestimmte Zeitperiode. Da kriegst du dann Hinweise auf historische Ereignisse oder Leute und dann führt die Route mit deinem Zeitreisegerät zum Beispiel nach Japan, aber entweder ins 20. Jahrhundert oder ins 16. Jahrhundert. Und dann muss man halt auch noch das richtig interpretieren. Übrigens kleiner Funfact am Rande, man arbeitet in Where in Time is Carmen Sandiego aus dem Jahr 1989 für eine Zeitdetektei aus der Zukunft und zwar aus dem Jahr 2025.
[1:49:41] Also schau mal schnell auf die Uhr, kann nicht mehr so lange dauern, bis die Zeitreise erfunden wird, zumindest wenn wir diesem Spiel glauben.
[1:49:48] Ja, und dann kommen wir in die 90er. Da geht es dann auch noch in die amerikanische Geschichte mit Where in America’s Past ist Carmen Sandiego.
[1:49:55] Und dann geht es in den Weltraum 1993, Where in Space is Carmen Sandiego. Also das bezieht sich dann auf unser Sonnensystem und auf die Sternbilder des Sternenhimmels. Ist echt auch schön gemacht, das Spiel. Die geben sich da schon Mühe.
[1:50:07] Und zwischen diesen neuen Titeln kommen quasi ständig Portierungen oder Neuauflagen der älteren Spiele. Also das Urspiel Where in the World is Carmen Sandiego, das wird zum Beispiel schon 1988, also schon nach drei Jahren in einer Enhanced Edition neu aufgelegt. Spielmechanisch das gleiche, die Grafiken sehen jetzt besser aus. Im gleichen Jahr kommt der Sprung auf die Konsolen, da schafft das Spiel es dann auf Segas Master System. Und das zweite Spiel, die USA Variante, wird 1990 neu aufgelegt als Enhanced Spiel und so weiter. Also vergeht kein Jahr, wo nicht ein oder auch zwei neue Teile von der Carmen Sandiego Reihe erscheinen.
[1:50:44] Was für mich da herausstricht und was ich auch besonders interessant finde, ist ein Spiel Where in North Dakota? Es kam in San Diego. Ausgerechnet North Dakota. Das erscheint zum 100-jährigen Jubiläum des Staates und ist ja ganz offenkundig ein Auftragsprodukt. Ich habe das den Elliot gefragt und der hat im Gespräch gescherzt, dass sie anfangs Angst gehabt hätten, dass sie nicht schaffen würden, überhaupt 100 interessante Dinge über North Dakota herauszufinden.
[1:51:10] Kalifornien hat aber auch erwähnt, sehr interessant, dass man bei Bruderband kurz überlegt hat, aus Carmen so eine Art Plattform zu machen, wo man dann sich einkaufen kann und wo jede Organisation und jedes Land dann eigene Carmen-Spiele entwickeln kann. Haben sie dann nicht gemacht, war wohl besser so, aber ganz nett. Das North Dakota Spiel unterscheidet sich auch von den anderen dadurch, dass die Ansprache an den Spieler anders ist. Wenn halt irgendwas beschrieben wird, dann wird das in der Uns-Form beschrieben. Also dann kommst du in unsere schöne Hauptstadt, wo unser tolles Gebäude ist, so die ganze Zeit, weil es halt ein patriotisches Spiel ist. Das ist total nett.
[1:51:48] Ja, und weil die Serie so erfolgreich läuft, steht sie dann im Jahr 1992 schon bei insgesamt zweieinhalb Millionen verkauften Exemplaren, also über alle Serienteile hinweg. Das ist eine ordentliche Hausnummer für ja immer noch im Kern ein Heimcomputerspiel dieser Zeit.
[1:52:05] Dann haben wir auf den PC insbesondere ja in dieser Zeit auch den Medienwechsel. Die CD-ROM kommt als Datenträger und das ist für Bruderband eine gute Gelegenheit, die alten Spiele gleich nochmal neu aufzulegen. Dann kommt jetzt Where in the World is Carmen Sandiego, nicht als Enhanced, sondern als Deluxe-Version. Es ist immer noch das gleiche inhaltlich, aber jetzt hat es digitalisierte Fotos von den Locations und es hat Sprachausgabe und Musik. Also das erste Mal redet das Spiel auch zu uns. Und dann passiert das, was leicht passiert, wenn man zu viel Platz hat. Das Spiel wird geschwätziger. Es gibt jetzt zum Glück optional sehr viel mehr Informationen über die einzelnen Länder, die man besucht. Und die Auswahl, was man da erfährt, ist immer noch ein bisschen eklektisch. Hier zum Beispiel ist eins der Dinge, die man über Deutschland, das man inzwischen endlich besuchen kann, erfährt.
[1:53:01] Its decorative façade reveals a taste for intricate architectural designs. The interior reveals another kind of taste altogether. The castle contains the largest wine barrel in the world. Ja, und über all diese ganzen Schritte wird Carmen Sandiego dann so langsam zu einem Weltphänomen.
[1:53:23] Also auch in der Hinsicht, dass es aus den USA hinaustritt und Versionen für andere Märkte bekommt, zum Beispiel eine spanischsprachige Version. Bruder Band gründet eine Niederlassung in Japan, die dort dann Where in Japan is Carmen Sandiego herausbringt. Die Spiele sind auch in Europa erhältlich. In Deutschland liegt der Vertrieb zunächst bei Rainbow Arts bzw.
[1:53:46] Softgold. Die machen dann eine Amiga-Version in den 90ern von Where in the World is Carmen Sandiego. Später wird dann Electronic Arts übernehmen und die Deluxe-Versionen rausbringen. Aber hierzulande ist dieses Urspiel auch unter deutschem Namen erschienen. Das hieß bei uns, wo in aller Welt ist Carmen Sandiego im Jahr 1990. Das ist aber ein bisschen eine Mogelpackung, denn Deutsch ist hier nur der Name und die Anleitung. Das eigentliche Spiel bleibt in Englisch und dann logischerweise auch der beiliegende Almanach, also dieser 1000 Seiten Wälzer, der liegt da in Englisch drin, weil wenn das Spiel in Englisch ist, muss der logischerweise auch das in Englisch nachgucken. Aber vor allem, du hattest es ja vorhin schon erwähnt, der Kopierschutz des Spiels bezieht sich auf den englischsprachigen Almanach. Deswegen muss der da auch drin liegen. Die deutschen Tester sind aber nicht begeistert. In der Powerplay gibt Volker Weitz der Amiga-Fassung von Where in the World 61% und schreibt in seiner Meinungsgasten, für Leute, die in der Schule geschlafen haben und ihre Geografiekenntnisse auffrischen wollen.
[1:54:48] Naja also nach sitzen sozusagen also wir hatten in den spiel nur englische texte wer aber trotzdem wissen wollte wie kamen sandiego so auf deutsch klingen könnte der konnte das erstaunlicherweise aus dem fernsehen lernen machen wir.
[1:55:07] Music.
[1:55:42] Das, was wir eben gehört haben, ist der Titelsong der deutschsprachigen TV-Sendung zu Carmen Sandiego. Denn Carmen Sandiego ist in den 90ern aus dem Spielemarkt rausgewachsen. 1991 startete eine tägliche Quizshow auf PBS, einem US-Sender. Bruderband verlangt mit Absicht dafür keine Lizenzgebühren, weil sie sich eine enorme Werbewirkung davon erhoffen. Und das ist auch so, das ist eine tägliche Show, die kommt auf eine Million Zuschauer am Tag und das erhöht die Bekanntheit der Marke Carmen Sandiego deutlich. Diese Show schafft es schon 1994 nach Deutschland und daraus stammt der Song, den wir eben gehört haben. Der Moderator war Stefan Pinot, der auch den Disney-Club und den Tigerenten-Club moderiert hat. Erstaunlich, das ist völlig an mir vorbeigegangen, aber 1994 war ja auch schon ein bisschen zu alt für den Tigerenten-Club. Das ist voll nett. Die meisten Folgen kann man sich auf YouTube angucken und das ist total aufwendig gemacht. Der Pino läuft immer in so einem Detektivkostüm rum und sie sind da quasi eine Detektei. Zwischendurch wird gesungen und es gibt immer Kinder, die dann da rumraten müssen. Das ist eine ganz tolle Sendung. Stefan, bringen Sie Paul Frederik zur Karte! Okay! So, sechs Länder in 45 Sekunden und ihr feuert alle an, okay? Ja! Und los, Österreich! Österreich!
[1:57:05] Music.
[1:57:09] Falsch, nochmal, Österreich! Portugal! Ja!
[1:57:24] Und das ist nicht alles. In den USA steigt dann das San Diego Thermometer in den Fieberbereich. Da kommen jetzt Bücher raus und Comics, Kartenspiele, Brettspiele. Mehrfach werden die Filmrechte verkauft. Zwischendurch wird Sandra Bullock als die Hauptrolle gehandelt. Aber der Film kommt nie zustande. Es gibt Zeichentrickserien und Merchandise. Und es gibt ein paar super besondere Dinge. Where in the World of Music ist Carmen Sandiego und das ist eine Konzertreihe. Es gibt Where in the Universe ist Carmen Sandiego und das ist eine Live-Show, die speziell entwickelt wurde, um sie in Planetarien abzufackeln. Und es gibt Where in the Zoo ist Carmen Sandiego und das ist ein Sommerevent, ein einzelner im Zoo von Portland, wo der Zoo unter dem Carmen Sandiego-Motto lief, die Besucher zu Detektiven wurden und dem ganzen Zoo nach Hinweisen gesucht haben. Und ich meine, das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen, was alles verkauft wird mit Carmen Sandiego. Diese Person und die Marke, die Brand, ist universell anwendbar auf alles. Solange es einen Bildungsanspruch hat oder Detektivrahmung zumindest. Genau, all diese Sachen sind Bildungsansprüche, genau. Die Planetarien, die Konzertreihe und auch der Zoo, da geht es immer nur um Bildung. Carmen macht alles möglich in Bildung. Im Jugendbereich insbesondere.
[1:58:39] Und bei all dem, was du beschrieben hast, sind wir ja in den 90er Jahren, wo das halt dieses crossmediale Phänomen wird. Und das zu einem Zeitpunkt, wo die Serie ja schon ein paar Jahre alt ist. Also in den 80er Jahren nimmt die erst Anlauf dorthin. Und dass das auch erst in den 90ern so richtig zum Phänomen wird, das sieht man auch daran, dass erst dann die ersten Nachahmer im Spielebereich auf den Plan treten. Also wir haben Roguelikes, wir haben heutzutage Souls-Likes, das wären dann ja sozusagen Carmen-Likes, wenn man so möchte.
[1:59:07] Aber da ist die Ausstrahlung von dieser Spielserie doch einigermaßen überschaubar. Das sind insgesamt nur eine kleine Handvoll von Spielen, die genau dieser Formel folgen und die kommen meistens dann auch von Wettbewerbern aus dem Anwendungs- oder Entertainment-Sektor. Also zum Beispiel 1990 erscheint ein Spiel namens Bash Buck, Charms, Viking Ships und Dodo X. Das stammt von einer Firma namens PC Globe. Die waren damals der erfolgreichste Anbieter von digitalen Kartenwerken, insbesondere von PC Globe, also dem gleichnamigen Programm. Und die haben dann da ein Carmen Sandiego-artiges Spiel rausgebracht, wo man um die Welt reist und Artefakte sammelt. Der Mehrwert ist hier, das ist jetzt wirklich ein Mehrspielerspiel. Also das ist ein Wettbewerb bei dieser Reise um die Welt. Das kann man entweder zu zweit spielen oder gegen KI-Gegner. Und da ist auch die ganze Welt drin, also 175 Länder.
[2:00:00] Dann erscheint 1992 ein Spiel namens Time Riders in American History. Das kommt von The Learning Company, einem der großen Konkurrenten im Entertainment-Bereich von Bruder Band. Und das ist eigentlich eine Kopie von Where in America’s Past is Carmen Sandiego. Da taucht ein Gegenspieler auf namens Dr. Dread und der hat eine rote Kutte und einen roten Carmen Sandiego Hut. Also es ist einigermaßen bizarr.
[2:00:26] Und ebenso 1992 haben wir Mario is Missing von der Software-Toolworks. Die haben damals von Nintendo eine Lizenz bekommen, um Lernspiele mit Super Mario zu machen. Und das nutzen sie in erster Linie mal, um Bruderband-Erfolge zu klonen. Und zwar mit dem Mario-Branding dann. Zum Beispiel hat Bruderband ein sehr erfolgreiches Programm namens Mavis Beacon Teaches Typing zum Tippen lernen. Und da macht Software Toolworks dann Mario Teaches Typing draus. Und aus Carmen Sandiego wird eben Mario is Missing. Da spielt man Luigi, denn Mario fehlt ja, der wurde entführt und muss dann in 25 Städten Gegenstände aufspüren und Hinweise suchen, um herauszufinden, in welcher Stadt man da gelandet ist.
[2:01:11] Und dieses Spiel, Mario is Missing, wurde designed von Lauren Elliott und Gene Portwood. Von den Carmen Schöpfern, da erklärt sich auch die Ähnlichkeit. Denn zu dem Zeitpunkt, Anfang der 90er, waren die schon gar nicht mehr bei Brüder Band. Die hatten sich mit einer eigenen Firma selbstständig gemacht. Aber natürlich weiterhin als Tandem, weil die beiden waren ja unzertrennlich. Und dieses Mario-Produkt, das ist vermutlich auch noch das Erfolgreichste in dieser kleinen Reihe. Der Rest eher nicht. Das bleiben aber, wie gesagt, Einzelfälle. Diese Carmen-Formel, dieses Schema, das wir so ausführlich beschrieben haben, das wird keine Blaupause für ein richtiges Spiele-Genre.
[2:01:45] Das bleibt das Ding der Carmen-San-Diego-Serie. Und jetzt schauen wir nochmal, wie es mit Bruderband weitergeht in den nächsten Jahren. Getragen vom Erfolg von Carbon und PrintShop wächst die Firma bis 1990 auf 50 Millionen Dollar Umsatz, macht dabei 6,2 Millionen Dollar Gewinn. Und während dieses stetigen Umsatzwachstums passieren viele super interessante Sachen, die wir zumindest mal kurz andeuten wollen. Bereits 1986 gewinnt Bruderband einen bahnbrechenden, richtungweisenden Rechtsstreit gegen die Firma Unison World. Weil die Unison World-Leute, also das ist eine Geschichte, die eigentlich ein eigener Podcast wert wäre, aber in aller Kürze.
[2:02:27] Bruderband hat die Apple II-Version von Print Shop auf den Markt gebracht und dann angefangen mit Unison World zu reden, weil sie eine DOS-Version machen wollten und Unison World sollte die machen. Und dann hat Unison World gesagt, ja danke. Dann haben sie instant ein Produkt namens Printmaster rausgebracht, das eine 1 zu 1 Kopie von Print Shop war. Dann hat Bruderband sie verklagt und dann hat Unison World gesagt, ja, aber das ist ja kein Buch oder sowas. Das ist ja Code. Das kann man nicht schützen. Also Code und die Gestaltung von Software ist nicht schützbar. Das könnt ihr euch abschminken. Und dann hat Bruderband aber diesen Fall gewonnen vor Gericht. Und das Gericht hat erstmals in der Geschichte der Software festgestellt, dass Look und Feel eines Computerprogramms schützfähig sind. Und das ist ja ehrlicherweise ein bisschen die Basis der Softwareindustrie. Ohne dieses Gerichtsurteil hätte es das vielleicht gar nicht gegeben in dieser Form, diesem Boom der Softwareindustrie, der später kommt.
[2:03:21] Dann hätte es in der Geschichte von Bruderband auch zweimal beinahe Fusionen mit anderen großen Firmen gegeben.
[2:03:29] 1991 spielt Bruderband nämlich mit der Idee, mit Sierra Online zu fusionieren, den Machern von King’s Quest, Base Quest, Lasher Sulario und so weiter. Dieser geplante Deal hätte Bruderband zu einer Tochtergesellschaft von Sierra gemacht. Im März 1991 unterzeichnen die beiden Unternehmen eine Vereinbarung zu dieser Fusion.
[2:03:48] Doch kurz darauf wird die Vereinbarung dann wieder aufgehoben. In der Folge geht Bruderband dann erstmal an die Börse im November 1991 an den Nasdaq. Im Zuge von diesem Börsengang veröffentlichen sie dann auch Geschäftszahlen. Da sieht man dann mal, dass The Print Shop ein Drittel des gesamten Unternehmensumsatzes ausmacht und Carmen Sandiego, also die Serie, immerhin noch ein Viertel des Gesamtumsatzes. Dann vergehen drei Jahre und dann sieht es so aus, als wäre Bruderband mal wieder ein Übernahmekandidat. Und dieses Mal ist die interessierte Firma Electronic Arts. Die wollen für 400 Millionen Dollar Bruderband kaufen. Im Februar 1994 einigen sich die beiden Firmen darauf, zusammenzugehen. Aber dann kommt der April, da schwächeln die Aktienkurse und dann kauft sich Bruderband aus diesem Deal wieder raus. Muss dafür 10 Millionen Dollar auf den Tisch legen. Aber so kommt es also weder zu dem Zusammenschluss mit Sierra noch mit Electronic Arts.
[2:04:41] Wir haben es vorhin schon kurz angedeutet. Bruderband hat das Potenzial der CD-ROMs früh erkannt, bringt ja dann auch 93 ein Carmen San Diego Spiel auf CD-ROM. Die machen auch super erfolgreich interaktive Kinderbücher auf CD-ROM. Das erste heißt Just Grandma and Me. Und sie gründen in Zusammenarbeit mit dem Buchverlag Random House die Living Book Serie, die sehr populär wird in den nächsten Jahren.
[2:05:05] Das sind halt Bücher zum Lesen, die aber Funktionen haben, die nur mit dem Computer möglich sind. Animierte Illustrationen, Soundeffekte und Textanzeigen in verschiedenen Sprachen.
[2:05:15] Und auch bei den Spielen sind sie bei diesem neuen Medium von Anfang an dabei, nämlich 1993 bringt Bruderband Müsstraus, das Spiel von Sjöhan. Da sind sie der Publisher und landen damit mal wieder einen Welthit. In der Zwischenzeit ist auch ihr Umsatz schon in den 100-Millionen-Bereich gestiegen. Tja, also richtig großer Player im Markt in der Zeit. Auch weiterhin bei den Bildungsprogrammen. Schließen sie sich jetzt die Vorschulkinder als Zielgruppe mit neuen Produkten, zum Beispiel The Playroom. Die Firma entwickelt eigene Schulversionen von Spielen mit zusätzlichen Funktionen, dass man die im Interricht einsetzen kann.
[2:05:52] Nicht alles gelingt immer. Unter anderem gehen ihm auch ein, zwei Sachen durch die Lappen. Es gibt zum Beispiel ein Interview mit Gary Carlston. Da erzählt er, ihm seien die Rechte an Tetris angeboten damals. Für 50.000 Dollar. Aber er hätte abgelehnt, weil ihm hat das Spiel nicht gefallen. Und auch das Oregon Trail, das ja einer der ganz großen Klassiker der amerikanischen Lernspiele ist. Auch da hätte Gary Carlston die Gelegenheit gehabt, die Rechte zu kaufen. Und er habe dann abgelehnt, weil ihm die Grafik zu primitiv gewesen sei. Das kann nicht alles klappen, würde ich sagen. Gary Carlson verlässt dann nach dem Börsengang auch die Firma, macht was anderes und der Duck macht die Firma im Alleingang weiter.
[2:06:37] Die Geschichte von Bruderband biegt jetzt in die Zielgerade ein und die endet mit einer Reihe von Übernahmen und dem Verlust der Unabhängigkeit. Der einschneidende Moment ist 1998.
[2:06:49] Da werden sie übernommen von The Learning Company für etwa 420 Millionen Dollar in Aktien. Diese Übernahme ist zu der Zeit ein Teil eines Trends. Videospielindustrie, da konsolidiert sich einiges. Die neuen Besitzer schmeißen direkt nach der Übernahme 42 Prozent der Belegschaft raus von Buda Band. Die haben fast 1000 Leute gehabt zu der Zeit. Also da geht fast die Hälfte weg. Und der Carlston hat das beschrieben hinterher wie eine feindliche Übernahme, dass er das alles nicht wollte. Und er meinte auch, dass der Mutterkonzern von The Learning Company, Softkey, vorher schon versucht hat, Bruderband in die Ecke zu treiben. Hat Konkurrenzunternehmen übernommen und hat eine Firma übernommen, die ein Programm namens Printmaster macht, also einen Konkurrenten zu Printshop. Und hätte die dann unfaire Rabatte machen lassen, um Bruderband sozusagen billiger zu kriegen. Das hält aber gar nicht lange. Schon ein Jahr später ist dieses neue fusionierte Unternehmen TLC Bruderband dann auf dem Radar von wem anders.
[2:07:48] Mattel, der Spielzeuggigant, kauft den ganzen Laden für 3,6 Milliarden Dollar, verschluckt sich daran bitter, viel zu große Transaktionen, können sie kaum finanzieren, kommen in Schwierigkeiten und verkaufen dann ihre Games-Abteilung, also Mattel Interactive, an die Gores Technology Group mit Verlust im September. 2000. Und Gorse ist jetzt keine Firma, die solche Sachen lange halten will. Die verkaufen dann die Unterhaltungssparte von The Learning Company an Ubisoft. Die meisten anderen Vermögenswerte, einschließlich des Namens Budaband, werden an das irische Unternehmen Riverdeep verkauft. Also die Spielemarken, die aus dieser Ära kommen, die liegen bei Ubisoft, zum Beispiel Myst und die ganzen Businessmarken liegen bei Riverdeep. Riverdeep macht dann eine Produktlinie unter dem Namen Budaband und verwenden die Marke für Grafikdesign und Produktivitätsprogramme. Printshop gibt es schon immer noch dann eine ganze Zeit lang und Carmen Sandiego bleibt auch noch im Markt. Aber das geht dann alles den Bach runter, ehrlich gesagt.
[2:08:50] Also Carmen Sandiego als Marke landet nicht bei Ubisoft. Diese Lernsachen landen da nicht, sondern die sind eben in Irland. Mit Bruderband als unabhängiger Firma ist es da also schon lange vorbei. Da bleibt heute die Erinnerung an ein Familienunternehmen, das ja auch fast 20 Jahre lang groß mitgespielt hat, selbst zu den Großen im Markt gehört hat und die Carlson es natürlich reich gemacht hat in diesem Zug und dann am Ende aber halt nicht mithalten konnte und zerschlagen wurde. Und es bleiben vor allen Dingen die Spielemarken, weil unter der Regie von Bruderband ja nun einige langlebige Serien entstanden sind, wie Prince of Persia, Mist, Carmen, San Diego und weil auch bekannte Firmen wie Maxis und Origin Systems eine Zeit lang von Bruderband vertrieben wurden. Also die haben die Branche vorangebracht und viel für Spiele als Kulturgut getan.
[2:09:38] Und ja, es bleibt uns eigentlich nur noch zu sagen, wie es denn heutzutage um Carmen steht. Das meiste, was wir bisher erzählt haben, waren ja die 90er. In den 2000ern wird es ruhiger um Carmen Sandiego. Sowohl im generellen Medienbereich als auch insbesondere bei den Spielen. Da erscheinen dann schon noch vereinzelt Spiele, da ist aber jetzt nichts mehr von Belang dabei.
[2:09:59] In den 2010ern wird es sogar eine Weile sehr ruhig, bis im Jahr 2019 Netflix eine Zeichentrickserie herausbringt. Und vielleicht geht es dem einen oder anderen von euch wie mir, der sich damals gewundert hat, wie kommt Netflix darauf? Zu Carmen Sandiego jetzt ausgerechnet eine Zeichentrickserie zu machen, aber da hilft es sich nochmal zu vergegenwärtigen, dass Carmen Sandiego in den 90er Jahren ein TV-Star war in den USA und eine Generation richtig geprägt hat. Das hat sich bei uns natürlich nicht so stark niedergeschlagen. Aber dieser Comeback auf Netflix ist sehr erfolgreich. Diese Serie läuft vier Staffeln lang, ist auch sehr gut, sorgt dafür, dass dann wieder Ablegerprodukte erscheinen, Bücher dazu, ein neues Brettspiel. Es wird sogar mal wieder ein neuer Film angekündigt, ein Realfilm. Bin ein bisschen skeptisch, ob das diesmal klappt.
[2:10:51] Und zum ersten Mal seit jetzt fünf Jahren ist ja auch wieder ein Spiel zu Carmen Sandiego angekündigt. Wir nehmen diese Folge im Januar 2025 auf. Für den März 2025 ist es angekündigt. Bin gespannt, wie es ausfällt. Und ob das anknüpfen kann an den alten Charme von Where in the World is Carmen Sandiego? Ach, ich finde heutzutage ist Carmen mehr im Fernsehen zu Hause als auf einem Spielerechner. Ich finde, dass Netflix das so exzellent gerebootet hat, ist natürlich ziemlich weit entfernt von der ursprünglichen Figur, aber das hat damit ja eine neue Generation aufgemacht. Also meine Tochter hat Carmen Sandiego natürlich über Netflix kennengelernt und nicht über irgendwelche obskuren Computerspiele. Ja und die zentrale Umdeutung durch die Serie ist ja, dass Carmen da jetzt die Protagonistin, die Heldin ist. Und in dem neuen Spiel, das schreiben die auch auf ihrer Webseite, das erste Carmen Sandiego Spiel, wo Carmen die Protagonistin ist. Weil das war vorher nie der Fall. Aber es war ja auch Zeit. Also ich finde, dass so wie die Figur gestaltet war und so groß wie die war, die kann jetzt auch mal die Heldin sein. Und das ist ihnen echt ganz gut gelungen. Und wenn man heute Carmen Sandiego googelt, einfach mal so, dann muss man glaube ich dann fünfmal die Seiten weiterschalten, bis irgendwas kommt, was sich nicht auf die Netflix-Serie bezieht.
[2:12:08] Also insofern, das ist schon ziemlich gründlich umgedeutet jetzt.
[2:12:12] So, Christian. Ja, jetzt sind wir durch, wenn man heutzutage Carmen Sandiego als Spiel nochmal erleben möchte, die letzten kommerziellen Veröffentlichungen, ich glaube die PC-Version stammt noch aus den 2000er Jahren, 2009 oder sowas, die kann man immer noch kaufen über Encore, aber die Klassiker, die ganzen frühen sind, soweit ich das gesehen habe, nirgendswo bei einem digitalen Store im Vertrieb, da muss man dem Internet vertrauen, zum Beispiel bei Archive.org mal reingucken. Und ich würde an der Stelle auch sagen, ich habe es vorhin ja schon gesagt, ich bekräftige es nochmal, das kann man schon auch tun. Also insbesondere die Apple 2 Version oder vielleicht sogar besser die Enhanced Version oder die Apple 2 GS Version von Where in the World ist Carmen Sandiego, die sehen einfach schöner aus. Funktionieren aber auch noch ganz fluffig. Kann man echt gut noch spielen. Ja, kann man wirklich noch gut spielen. Tut echt nicht weh. Ja gut, Christian, dann haben wir es. Vielen Dank für das Gespräch. Gerne, ich fliege jetzt nach Kanada. Bisschen Kali kaufen. Vielen Dank euch fürs Zuhören und wir hören uns. Bis zum nächsten Mal. Bis dann. Ciao.
[2:13:15] Music.
uhhhh, vor vielen vielen vielen Jahren (eher Jahrzehnten ^^) hatte ich mal die Mega Drive version davon. Die ist dann irgendwann verloren gegangen leider, aber ich erinnere mich noch…das ich nie in das Spiel rein gekommen bin. Weiss garnicht, kann sogar sein das es auf englisch war und ich deswegen damit Probleme hatte.
Bin aber gespannt auf die Folge, dann hol ich jetzt das nach, was ich in all zu jungen Jahren nicht gebacken bekommen hab.
Ich glaube dass ich das mal auf dem NES gespielt habe. Bin jedenfalls gespannt!
Also bzgl. der Auswahl: Mich hat dieses Spiel der Firma am meisten interessiert, gerade im Bezug auf den Almanach. Ich meine mich erinnern zu können, dass das Spiel bockschwer sein soll, aber habe es nicht mehr so ganz im Kopf.
Choplifter und Loderunner sind natürlich auch bekannt, aber ehrlich gesagt hat mich das Thema nicht so interessiert.
Das sind vielleicht gute Spiele der 80er, aber die habe ich erst gute 15 Jahre später nachgeholt. Bis dahin sahen diese Spiele doch sehr primitiv aus.
Es ging vielleicht vielen so, dass die Auswahl etwas… eingeschränkt war, wenn man sich auf Brøderbund allein bezieht. Ging mir zumindest so.
Die Spiele habe ich nie gespielt aber als Kind gehörte die 90er Cartoonserie zu meinen absoluten Favoriten.
Umso gespannter bin ich auf den Podcast.
Bin mir sicher, dass der Titel deutlich mehr Menschen bekannt ist, als die anderen Optionen, ihn aber nicht unbedingt mehr Leute gespielt haben. Einfach weil das eine so starke Marke geworden ist, die über den Spielesektor hinausgewachsen ist.
Ich kannte das Spiel tatsächlich überhaupt nicht, hab’s auch nie gespielt, bin dafür aber an zwei Punkten mit seinem erweiterten Einflussbereich in Berührung gekommen. Zum einen „Mario is missing“. Das hatte ich als Kind genau einmal an irgendeiner Anspielstation gespielt, war für die 1-2 Stunden absolut fasziniert davon, hab es dann aber nie wieder irgendwo gefunden und in meinem Reptilienhirn sogar langezeit irrtümlich als Bonusspiel bei Super Mario Allstars verortet. Dort hat es aber so eindrücklich nachgewirkt, dass ich wirklich ewig danach gesucht hatte, bis ich irgendwann in den 2000ern und mit Hilfe von Mobygames endlich darauf kam.
Und dann natürlich die Kinder-Quizsendung „Jagd um die Welt – schnappt Carmen Sandiego“, was für mich nicht unerheblich an der Moderation durch Stefan Pinnow lag, weil ich ihn vom Disney Club her kannte und mochte. War eine sehr unterhaltsame Show, die Allgemeinwissen toll vermittelt und abgefragt hat.
Das war alles in allem auch ausreichend Grund für mich, für einen Podcast zu diesem Titel zu voten und wurde auch nicht enttäuscht.