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Chris:
[0:23] So, endlich. Ein Sierra-Spiel. Das erste seit ewigen Zeiten, das wir hier bei Stay Forever besprechen. Gunnar, wie war das für dich?
Gunnar:
[0:33] Ach, Christian. Das war jetzt wirklich das erste Mal, dass ich King’s Quest gespielt habe. Das ist eine Lücke gestopft. Und das ist natürlich aus heutiger Sicht kein so ganz großer Spaß mehr. Aber, damit wir hier nicht auf einer negativen Note anfangen und ich gleich über das krude Spiel maule, lass uns mal als Gedankenspiel zurückspringen in das Jahr 1984. Da bin ich 15 Jahre alt und habe gerade King’s Quest sozusagen fiktiv das erste Mal gespielt, wie das gewesen wäre. Und ich erzähle es dir mit dem Blick des Gunnar von damals. Ich spiele dir das jetzt eben ein bisschen vor. Du kannst leider nicht mitmachen, weil du bist ja erst drei im Jahr 1984.
Chris:
[1:16] Naja, sieben bin ich da.
Gunnar:
[1:17] Aber du bist schon sieben?
Chris:
[1:19] Ja, aber auf dem geistigen Niveau eines Dreijährigen. Insofern passt das schon.
Gunnar:
[1:23] Naja, du durftest auf keinen Fall schon King’s Quest spielen, würde ich sagen, am Rechner deines Vaters.
Chris:
[1:28] Ja, den gab’s noch nicht. Das waren noch ein paar Jahre. Aber wenn es ihn gegeben hätte, hätte ich’s vermutlich auch nicht spielen dürfen. Das ist richtig.
Gunnar:
[1:34] Also, ich hab grad King’s Quest gespielt. Und stell dir vor, das ist so ein Spiel, da siehst du deinen Helden. Du kannst ihn da frei rumlaufen lassen. Bei Adventures gibt’s doch sonst nur Text. Und das Spiel ist bunt. Richtig bunt, Christian. Das hat mehr als vier Farben. Ich habe das gesehen. 16 Farben. Das ist verrückt. Und du steuerst mit den Pfeiltasten und kannst trotzdem noch mit dem Spiel reden. Du kannst trotzdem noch so Befehle eintippen wie Open Door. Es ist so absurd. Man fühlt sich voll drin in der Welt. Und dann passiert da die ganze Zeit was. Da gibt es Tiere und Geräusche und Animationen und Musik. Richtige Melodien. Und es ist riesig. Man kann sich frei bewegen, ein ganzes Königreich. Du kannst in jede Richtung gehen und kommst da wieder raus, wo du angefangen hast. Das ist eine richtige Welt. Christian, es ist das Spiel der Zukunft.
Chris:
[2:26] Also mein siebenjähriges alter Ego ist schwer beeindruckt von dem, was du da gerade erzählt hast. Hat nur die Hälfte verstanden natürlich. Aber ja, ein sehr hübsches Gedankenspiel, wenn du das mit 15 Jahren gesehen hättest. Aber du hast es mit 15 Jahren nicht gesehen. Nein. Du hast die Sierra-Spiele nicht gespielt.
Chris:
[2:46] Ich nehme an, du hast Sierra-Spiele, wenn du sie überhaupt gespielt hast, erst nach deiner ersten Lucasfilm-Games-Erfahrung gemacht, oder?
Gunnar:
[2:53] Ich habe, wie sich das gehört, die Lucasfilm-Spiele in der richtigen Reihenfolge gespielt. Labyrinth, Zak McKracken, Maniac Mansion und so weiter. Diese ganzen Sachen.
Chris:
[3:04] Das war gerade die falsche Reihenfolge, die du aufgezählt hast.
Gunnar:
[3:06] Die kamen ja fast gleichzeitig in das zweite und das dritte.
Chris:
[3:09] Ja, genau. Na ja, also dann geht es dir so wie vermutlich vielen Leuten. Ich bin ja bekanntlich ein großer Freund von den Sierra-Adventures, und da ist man schnell in so einer Verteidigungshaltung, weil hierzulande und ja auch in unserer Hörerschaft gibt es eine große Liebe zu den Spielen von Lucasfilm Games und LucasArts, nachvollziehbarerweise. Und ich denke, diese Wertschätzung für die LucasArts-Spiele entsteht auch und gerade in Abgrenzung zu den Serra-Spielen. Die werden als eine neue Evolutionsstufe im Grafik-Adventure gesehen.
Chris:
[3:40] Weil Maniac Mansion verabschiedet sich ja 1988 vom Text-Parser und von der Tastatursteuerung. Da steuert man dann mit Maus. Und Monkey Island verabschiedet sich 1990 vom Sterben und von der Unfairness. Also diese Spiele schneiden lauter alte Zöpfe ab und deswegen wirken sie moderner und eleganter im Vergleich zu den Sierra-Spielen. Und dabei wird gern vergessen, sage ich jetzt als Sierra-Apologet, wie viel von der Sierra-Blaupause ein Maniac-Mansion aber trotzdem übernommen hat und erhalten hat. Wie stark das auf den Schultern von Sierra steht. Und meine These ist, der Grund, warum die Sierra-Adventures gerade hier in Deutschland so einen schlechten Ruf haben, ist in erster Linie, dass es Sierra Adventures nie auf dem C64 gab und die ersten Lucasfilm-Spiele schon. Das heißt, wer auf dem C64 mit Spielen aufgewachsen ist, der ist von Text-Adventures direkt zu Manic Mansion oder Zak McKracken gewechselt und hat die Evolutionsstufe dazwischen schlichtweg übersprungen. Aber ohne diese Zwischenstufe sind die LucasArts-Adventures nicht denkbar.
Chris:
[4:43] Und diese Zwischenstufe, die hat King’s Quest definiert. Das ist die Blaupause und es war ein Quantensprung für Grafik-Adventures. Es war überhaupt das erste Grafik-Adventure und hat damit alles definiert, was nach ihm kam. Und ich denke, das werden wir beide heute herausarbeiten.
Gunnar:
[5:00] Wenn ich kurz was fragen darf, du warst ja noch ziemlich jung in den 80ern. Und ich hatte das Gefühl, auch wenn ich die Sierra-Spiele, tatsächlich genau, wie du sagst, übersprungen habe, weil ich einen C64er hatte und habe die erst viel später gespielt. Und dann habe ich natürlich, weiß ich nicht, mit Space Quest V angefangen oder so. Also super weit hinten dann erst. Und dann hat man natürlich nicht so eine wahnsinnige Lust, nochmal sowas wie King’s Quest nachzuspielen, das erste vor allen Dingen.
Gunnar:
[5:26] Hast du dann halt versetzt die King’s Quest-Spiele in der richtigen Reihenfolge gespielt?
Chris:
[5:31] Nee, dafür bin ich tatsächlich viel zu jung. Meiner Erinnerung nach ist das erste Grafik-Adventure, das ich selbst gespielt habe, auf dem eigenen PC, Leisure Suit Larry gewesen, das erste. Aber zeitlich davor, glaube ich, müsste ich schon Maniac Mansion und Zak McKracken auf dem C64 von meinem Freund Michael gesehen haben. Aber ab Loom habe ich alle Lucasfilm Games mir gekauft. Also ab 1990, nee, in die drei schon, ab 89 hatte ich sie alle. Und Sierra-Adventures habe ich mir sporadisch gekauft in der Ära. Also bei mir geht das so Hand in Hand. Aber die frühe Erfahrung, die frühe Erinnerung ist an ein Sierra-Spiel. Also eben an Leisure Suit Larry.
Gunnar:
[6:12] Aber du hast ja dann auch die LucasArts-Spiele vor den Sierra-Spielen gesehen. Aber nur gesehen, meinst du?
Chris:
[6:17] Ja, genau. Ich glaube, die erste eigene Spielerfahrung und eine durchaus intensive und mir in sehr nostalgischer Erinnerung befindliche Spielerfahrung war eben mit Larry und dann davon wiederum abspringend dann mit anderen Sierra-Spielen. Also meine erste Erinnerung an King’s Quest ist King’s Quest 3. Ich habe tatsächlich die ersten beiden King’s Quests später nachgeholt, bin nicht mit dem ersten eingestiegen. Aber diese Sierra Adventures der späten 80er, die habe ich dann alle mehr oder weniger zeitnah mitgenommen. Aber parallel zu Lucas Filmspielen.
Gunnar:
[6:49] Ich habe das ja jetzt wirklich das erste Mal gespielt, aber dieses Gefühl, das ich versucht habe, in dem kleinen Eingangssketch zu beschreiben, das konnte ich schon noch empfinden. Man muss halt sich ein bisschen in die Zeit versetzen. so. Aber ich habe dann extra noch Spiele gespielt aus der Zeit davor, also von 83 und andere Spiele, die ungefähr gleichzeitig erschienen sind. Und wenn man da die Spiele nebeneinander hält, gegen die das damals angetreten ist, das King’s Quest, und nicht nur gegen Adventures, auch gegen Spiele auf dem NES oder auf dem Atari 2600 oder auf dem frühen C64. Die ersten C64-Spiele sahen halt auch nicht so gut aus wie das King’s Quest. Das King’s Quest ist ein Grafikwunder.
Chris:
[7:31] Ja, ich sage ja gerne, dass das der Fluch von einem genre-definierenden Werk ist, dass das über einen längeren Zeitraum so viele Derivate nach sich zieht, dass wenn du da spät geboren bist und mit diesen ganzen Derivaten aufwächst, dass das Original dann auf einmal abgedroschen und Stereotyp erscheint. Mein Lieblingsbeispiel ist ja immer Herr der Ringe. Wenn du mit der ganzen Fantasy der 90er, 2000er aufgewachsen bist, dann erscheint dir das wahnsinnig klischeehaft. Dabei vergisst man so leicht, naja, aber da kommt halt alles her. Und mit King’s Quest ist das ganz genauso.
Gunnar:
[8:05] Ja, also wie gesagt, man muss die Zeit in Betracht ziehen und das hat sich wirklich für mich ausgezahlt, meiner Wahrnehmung, dass ich extra nochmal Spiele aus der Zeit dann gespielt habe.
Chris:
[8:14] Ja, dieser Kontext der Zeit ist wirklich relevant, weil wir sind im Jahr 1984, als King’s Quest erscheint. Und du hattest das schon angedeutet in deiner Einleitung, das ist ja die Blütezeit der Text-Adventures. In dem Jahr erscheinen allein von Infocom vier Titel, darunter Hitchhiker’s Guide to the Galaxy, super berühmt, super erfolgreich. Da haben wir Spiele von Telarium, Amazon mit Michael Crichton und Fahrenheit 451 mit Ray Bradbury. Von Level 9 kommt dein geliebtes The Saga of Eric the Viking. Von Datasoft kommt dein geliebtes Dallas Quest. Ein stellares Jahr für den jungen Gunnar. Und im Vorjahr ist in England The Quill rausgekommen für den ZX Spectrum und dann folgt da eine Text-Adventure-Schwemme. Also, das kann man gar nicht anders beschreiben. England wird überschwemmt mit lauter Text-Adventures.
Chris:
[9:01] Und in dieser Ära, in diesem Jahr heißt Grafik-Adventure ein Text-Adventure, das auch Bilder hat. Das Grafik-Adventure nach heutigem Verständnis existiert da schlichtweg nicht. Das kommt erst mit King’s Quest.
Gunnar:
[9:13] Ja, und die Bilder zu der Zeit, die sind auch noch ganz schön krude. Das ist noch nicht so, wie man sich das heute vorstellt. Ich finde, wenn man so über so alte Text-Adventures nachdenkt und wie die aussehen, wenn die bebildert sind, also ein Standbild haben, wo man so krude. Kastenmäßig in diese Welt reinschaut, dann denkt man ganz oft an die Spiele von Magnetic Strolls, die halt so wirklich schöne Pixel-Gemälde haben, The Pawn zum Beispiel und so. Aber das kommt ja erst ein Jahr später.
Chris:
[9:42] Ja, genau, das kommt das noch, ja.
Gunnar:
[9:44] Da sind wir noch gar nicht. Aber es ist nicht nur das. Also, wenn man sich heutzutage Screenshots anschaut von alten Spielen, insbesondere von ZX-Spektrum-Spielen aus Anfang der 80er, dann fällt einem immer auf, dass ein großer Teil des Bildschirms schwarz ist. Da sind ganz wenig Spiele zu der frühen Zeit, die halt flächendeckend farbig sind. Und wenn man zum Beispiel in der Vorbereitung auf King’s Quest Spiele aus 83, 84 spielt, dann hat man da ganz viele Spiele, die einfach keinen Hintergrund haben. Das ist noch gar nicht ausdefiniert oder gar nicht üblich. Auch so Actionspiele, wo man durch so Labyrinthe läuft oder irgendwas. Es ist halt einfach auf der schwarzen Fläche läuft man da lang mit einer kleinen animierten Figur.
Gunnar:
[10:22] Und dieses King’s Quest kommt daher und Christian, das färbt den ganzen Bildschirm farbig.
Chris:
[10:28] Das malt ein Bild, ne?
Gunnar:
[10:29] Ja, es haben Leute so beschrieben, ich bin nicht mehr sicher, ob das wirklich Zeitzeugen waren, aber ich habe es in Foren gelesen mit, das sieht aus wie ein Zeichentrickfilm. Heute schwer vorstellbar, aber mei, so mag es einem vorgekommen sein.
Chris:
[10:43] Also viel von dem Augenmerk, auch von deiner Beschreibung, jetzt liegt auf der technischen und visuellen Leistung von King’s Quest völlig zu Recht. Da werden wir noch genügend drüber sagen im Laufe der Folge, aber das ist nicht alles. Das Spiel wird nicht nur definiert von seiner Technik, sondern das ist auch in anderer Hinsicht ein Meilenstein. Aber bevor wir tief in die Spielbeschreibung einsteigen, müssen wir das herleiten, wie es eigentlich zu dem Spiel gekommen ist und auch nochmal ein bisschen die Vorgeschichte erzählen. Für diejenigen, die allerdings King’s Quest jetzt gar nicht kennen sollten, machen wir nochmal eine kurze Beschreibung, würde ich sagen,
Chris:
[11:14] von dem Titel. Du hast es jetzt das erste Mal gespielt. Was würdest du sagen, was ist King’s Quest?
Gunnar:
[11:19] Naja, es ist diese spezifische Sierra-Version von einem Text-Adventure und einem Grafik-Adventure. Also du läufst in einer märchenhaften Welt durch die Gegend mit einer Figur und löst Rätsel, wobei du Text eingeben kannst wie in einem Text-Adventure. Um eine Tür zu öffnen, stellst du dich vor die Tür mit deiner Figur und tippst halt ein Open Door und dann geht die Tür auf. Und so machst du es mit Gegenständen und allem anderen auch. Das mit der märchenhaften Welt ist ganz ernst gemeint. Das ist jetzt keine Fantasy-Welt im klassischen Sinne. Sondern das ist viel eher eine Welt, die an Märchen und Sagen angeht.
Chris:
[11:59] Genau, und die Figur, die wir da steuern, das ist Sir Graham und der wird von dem König, dieses Königreiches Daventry, ausgeschickt, um drei magische Gegenstände zu suchen. Das ist die Aufgabe, die wir im Laufe des Spiels dann erfüllen.
Chris:
[12:12] Okay, soviel mal kurz zu den Grundlagen. Jetzt springen wir ein paar Jahre zurück ins Kalifornien des Jahres 1979. Gunnar, was passiert dort?
Gunnar:
[12:22] Da ist ein Ehepaar, Ken und Roberta Williams, und die gründen in Kalifornien die Firma Online Systems, einen frühen Entwickler von Computerspielen. Und ein Jahr später veröffentlichen sie auch schon ihr erstes Spiel, Mystery House, für den damals wahnsinnig hippen Apple II. Die ganze Vorgeschichte, wie es dazu kam, das heben wir uns mal für eine andere Folge auf. Wir sprechen sicher noch mal über Mystery House alleine.
Chris:
[12:48] Denke ich auch, ja.
Gunnar:
[12:49] Weil es auch so ein relevantes Spiel ist. Wichtig ist hier an dieser Stelle nur zu wissen, Mystery House ist eine technische Pionierleistung und es ist das erste Text-Adventure mit Grafiken. Wir haben vorhin schon kurz gesagt, so versteht man zu der Zeit Adventures, dass man da auf dem Bildschirm gezeichnete, krude Grafiken hat und ansonsten mit Text arbeitet. So ein Spiel ist Mystery House. Und es ist eines der ersten Spiele, die von einer Frau geschrieben werden. Denn hier ist der Ken, ist der Programmierer, der Mann und der kreative Kopf hinter Mystery House. Das ist die Roberta. Und wir können jetzt auch kurz mal anhören, wie die beiden klingen. Hier sprechen sie über ihre Anfangszeit. Der Text stammt aus einem Promo-Video von Sierra aus der Mitte der 90er Jahre. Das hört man ein bisschen an der Musikuntermalung.
(…)
Gunnar:
[14:34] Unsere Geschichte beginnt so richtig mit dem zweiten Spiel von Ken und Roberta, dem Nachfolger zum Mystery House, und das heißt The Wizard and the Princess.
Chris:
[14:44] Die Williams, die nennen ihre Spiele damals Hi-Res Adventures und entsprechend lautet der volle Titel Hi-Res Adventure 2 The Wizard and the Princess. Das Mystery House, das war ein Krimi im Stil von Agatha Christie, ein Krimi. Sehr kruder Krimi. Also wir sind hier in den Pionierzeiten von Heimcomputerspielen, da war jetzt noch nicht so viel mit Storytelling. Und für das zweite Spiel wechselt Roberta dann das Szenario, jetzt sind wir im weitesten Sinne in einer Fantasy-Welt. Und zwar im fernen Reich Serenia und da entführt ein böser Magier die Prinzessin Priscilla und wir sind ein namenloser Wanderer, der sich auf den mühevollen Weg macht, sie zu befreien. Roberta Williams hat später zu Protokoll gegeben, dass sie für dieses Spiel von den Märchen und den Sagengeschichten inspiriert worden sei, die sie als Kind verschlungen habe. Wir sagen das auch deshalb, weil Roberta The Wizard and the Princess rückblickend dann selbst als einen Vorläufer von King’s Quest bezeichnet hat. Viele Jahre später wird es dann sogar in den Serienkanon integriert, in King’s Quest 5.
Chris:
[15:46] Aber bei Licht betrachtet steckt in The Wizard and the Princess jetzt noch nicht sonderlich viel King’s Quest-DNA drin. Insbesondere diese von dir schon für King’s Quest genannten Märchenmotive, Die sind da noch sehr dünn gestreut. Also strukturell und auch inhaltlich unterscheidet sich dieses zweite High-Rose-Adventure jetzt kaum von anderen wichtigen Adventures der Zeit, zum Beispiel Adventureland von Scott Adams von 1979. Die sind fast austauschbar. Also in The Wizard and the Princess, da macht man so Sachen wie an den Papagei Kekse verfüttern oder auf einer Dschungelinsel einen Schatz ausgraben und Klapperschlangen mit einem Stock verscheuchen. Das ist jetzt alles ziemlich weltlich. Das hat jetzt nicht unbedingt was mit Mädchen zu tun. Aber immerhin, am Ende wird ein Frosch geküsst und wir begegnen einem Zwerg, der unsere Sachen stiehlt. Das Motiv können wir uns schon mal merken, weil das wird die gute Frau Williams in den kommenden Spielen noch mehrmals recyceln, den diebischen Zwerg. Und The Wizard and the Princess erzählt eine Befreie-die-Prinzessin-Geschichte in einer Zeit, in der die meisten Text-Adventures noch sogenannte Treasure Hunts sind, also Finde den Schatz, Finde die Gegenstände-Abenteuer. Da ist das schon vergleichsweise ein Novum, dass man hier jetzt auf einmal auf eine, sagen wir mal, sinnvollere Queste geschickt wird.
Gunnar:
[17:04] Ja, so belanglos das klingt, eine Prinzessin-Geschichte, das ist schon bemerkenswert, weil diese Treasure Hunts sind ja irgendwie auf eine Art Highscore-Spiele, weil man da möglichst viele Schätze sucht und dann darauf gescored wird. Die haben nicht so richtig einen klassischen Handlungsbogen oder ein klassisches Ende, das darüber hinausgeht, dass man alle Schätze gefunden hat.
Chris:
[17:24] Sehr guter Punkt, weil alle die Spiele dieser Ära haben Scores. Auch Zork zum Beispiel ist ja auch genauso ein Spiel, wo du Gegenstände findest, kriegst dafür einen Punktestand. Und diese frühen Hi-Ris-Adventures von Sierra haben das nicht. Die haben keine Punktezählung.
Gunnar:
[17:37] Genau, weil sie ja theoretisch ein Thema haben und mehr sind als eine Schatzsuche. Aber trotzdem, Wizard and the Princess, inhaltlich jetzt auch keine große Geschichte. Aber es ist wieder ein technischer Meilenstein, nachdem ja Mystery House schon ein technischer Meilenstein war. Denn der Williams schafft es, das erste Spiel mit Farbgrafik auf dem Apple II zu veröffentlichen. Das Mystery House, ihr Debütwerk, war noch schwarz-weiß. Das ist auch völlig normal, dass das schwarz-weiß war, weil der Apple II kann gar keine Farbe. Dazu braucht es einen technischen Kniff. Und der Williams arbeitet mit seiner Frau dann so zusammen, dass er das technische Gerüst von diesem Mystery House, in dem er das baut.
Gunnar:
[18:20] So baut und so anlegt, dass seine Frau, die keine Programmiererin ist, die rein von der Erzählung und vom Game Design sozusagen kommt, dass die selber die Logik des Spiels anlegen kann und sogar die Grafiken zeichnen kann. Ich will jetzt nicht sagen, dass es ein Editor ist, aber es geht schon sozusagen so ein bisschen in die Richtung. Das ist Sierras erste Adventure Engine, die wird heutzutage ADL genannt, Adventure Development Language, das ist eine Art Skriptsprache. Der Williams selbst sagte 2021, er könne sich gar nicht erinnern, seinem System je einen Namen gegeben zu haben, aber ADL ist das, wie man das heute kennt.
Gunnar:
[18:58] Und noch was passiert mit dem The Wizard and the Princess, das wird ein richtiger Kastenschlager. Also schon Mystery House war ein großer Erfolg, auf dem Apple 240.000 Exemplare verkauft. Also Wizard and the Princess übertrifft das deutlich und verkauft 60.000 Stück. Zum Preis von 33 Dollar, also heute ungefähr 120 Euro. Das ist zu der Zeit ein kolossaler Erfolg. Und man muss ja bedenken, dass das gar nichts gekostet hat. Das ist ja ein Zwei-Mann-Team. Die machen das ja zu Hause in wenigen Monaten fertig. Das ist ja nicht wie heute, dass man da ein 20-Mann-Team für braucht.
Chris:
[19:32] Die Kosten-Nutzen-Rechnung sieht da sehr gut aus. Was ja die beiden auch dazu inspiriert, dann voll einzusteigen. Zu der Zeit arbeitet Ken ja eigentlich noch woanders, also ist Angestellten der Firma. Und die beiden entscheiden sich dann, jetzt machen wir uns damit selbstständig mit diesen Spielen.
Chris:
[19:46] Und auf der Basis dieses Erfolgs legt dieses Online-Systems, die Firma von den beiden, in den nächsten zwei Jahren ein phänomenales Wachstum hin. Ich skizziere das jetzt nur in aller Kürze. Als das Mystery House im Mai 1980 erscheint, da besteht die Firma aus zwei Leuten, nämlich aus Ken und Roberta und zwei Jahre später hat sie 70 Angestellte. Schließt das Jahr 1982 mit einem Umsatz von 10 Millionen Dollar ab. Hat ein ganzes Portfolio von Spielen und Software im Programm. Auf dem Apple II ist Online Systems in dem Jahr das umsatzstärkste Spieleunternehmen der USA vor Serious Games und Broderbund. Die Firma heißt da allerdings schon anders, denn Ken Williams hat sie dann in Sierra Online umbenannt, umbenennen müssen, weil sie dann festgestellt haben, oh, Online Systems gibt’s schon.
Chris:
[20:32] Ist schon eine andere Firma so. Also, naja, also Sierra produziert zwar weitere Hi-Res-Adventures, teilweise jetzt auch von anderen Autoren als Roberta Williams, aber die sind nicht der Grund für den Boom. Da kommen noch fünf weitere Adventures, aber keins davon kann an den Erfolg von den ersten beiden Titeln anknüpfen. Also, Roberta Williams‘ viertes Spiel zum Beispiel, das ist ein ungeheuer aufgeblasenes Ding. Das heißt Timezone, das wird auf sechs Disketten ausgeliefert für den Apple II, hat 1500 Räume und kostet 99 Dollar.
Chris:
[21:04] Ungeheuerlicher Preis für diese Zeit und floppt deswegen gigantisch.
Chris:
[21:09] Der Umsatz von Sierra kommt stattdessen dann hier in den frühen 80ern vor allen Dingen aus Klonen von Arcade-Spielen für diverse Heimcomputer. Allen voran haben sie eine exzellente Kopie von Pac-Man im Programm, die heißt Jawbreaker. Die kommt 1981 zuerst für den Atari 800 raus, sorgt dort für Furore, macht ordentlich Umsatz. Und auf Basis also von diesem Erfolg und vor allem auch auf das Drängen der Investoren hin, die mittlerweile im Vorstand der Firma sitzen, kurbelt Ken Williams im Jahr 1982 dann einen Deal nach dem anderen an. Auch hier wieder eine Auswahl. Von Sega erwirbt Ken Williams die Heimcomputer-Lizenz am Spielhallen-Hit Frogger. Und lässt dann da Heimcomputerspiele machen, die werden Verkaufsschlager. Mit der Jim Henson Company verhandelt Williams über die Rechte zum offiziellen Spiel zum Kinofilm The Dark Crystal, der da gerade in Produktion ist. Das Spiel wird dann gleichzeitig mit dem Film erscheinen, ein Jahr später. Das Jawbreaker, dieser Pac-Man-Klon, wird auf den Atari 2600 portiert. Damit steigt dann Sierra im großen Stil in die Heimkonsolenspiele ein, lässt massenhaft Cartridges produzieren Und Williams erweitert das Portfolio in Richtung Edutainment, in Richtung Anwendungssoftware.
Chris:
[22:19] Vor allen Dingen aber im Jahr 1982 fädelt Williams den Deal ein, der seine Firma ein Jahr später retten wird, als sie dann vor dem Ruin steht. Und das ist der Deal, der dann zu King’s Quest führen wird.
Gunnar:
[22:33] Denn 1982 steht bei Williams der weltweit größte Player der Branche überhaupt vor der Tür, der amerikanische Computerriese IBM. Und was will IBM, die mächtige IBM, bei einer Software-Klitsche aus der kalifornischen Provinz? Ja nun, IBM hat ein Jahr vorher im August 1981 ja einen eigenen Heimcomputer auf den Markt gebracht, den IBM PC. Dazu haben Henner und ich eine ausführliche Folge gemacht, wie das so zustande gekommen ist. Und IBM braucht Software, um das Gerät zu pushen und darunter gerne auch Spiele. Unter den ersten offiziellen Software-Releases von IBM für den neuen PC befindet sich bekannterweise Microsoft Adventure. Das ist eine Version des Text-Adventure-Klassikers Colossal Cave. Und dass IBM auch mit Sierra Online spricht, das ergibt sich schon allein aus deren Vorrangstellung im Apple-2-Spiele-Markt. Da sind sie sehr sichtbar. Aber John Williams, der Marketing-Chef von Sierra und Bruder von Ken, hat später mal beschrieben, dass der Ken auch einfach so ein Tausendsassa gewesen ist. Ein hervorragender Netzwerker, hat mit jedem in der Branche auf Augenhöhe gesprochen und er war eben nicht nur Geschäftsmann, sondern auch noch ein profilierter Programmierer. Der hat vor seiner Sierra-Zeit für zahlreiche Konzerne im Silicon Valley gearbeitet. Der hat also für die IBM-Leute, die ja nun nicht aus dem Gaming kommen, schon mal den richtigen Stall gerufen.
Gunnar:
[23:57] Und so fragt IBM, Ken Williams, ob Sierra nicht einen der früheren Hits für den IBM-PC portieren würden. Und zwar suchen sie sich auch einen aus, nämlich The Wizard and the Princess.
Chris:
[24:09] Ja, und das geschieht dann auch. Das Spiel wird portiert und erscheint 1982 unter neuem Namen für den PC. Da heißt es dann Adventure in Serenia. Ist inhaltlich aber das gleiche wie auf dem Apple II. Und dieser Port ist auch deshalb wichtig, weil Sierra mal wieder einen technischen Kniff nutzt. Und das Sierra dieser Ära, die sind technische Avantgarde, das merken wir immer wieder. Denn eigentlich kann der PC zu der Zeit ja nur CGA-Grafik mit den bekannten schrägen vier Farben. Aber das gilt nur, wenn man da einen Monitor angestöpselt hat. Wenn die CGA-Karte über den Komposit-Ausgang mit einem Fernseher verbunden ist, dann sind dadurch ein bisschen technische Trickserei 16 Farben möglich. Das nennt man den Komposit-Modus. Das muss das Spiel aber unterstützen und Adventure in Serenia tut das. So erstrahlt das Spiel dann auf dem IBM-PC nicht mehr nur in den sechs Farben, die der Ken Williams auf dem Apple II hingekriegt hat, sondern auf einmal in 16 Farben. Und das macht überraschenderweise die PC-Fassung zur hübschesten Version dieses Spiels. Das ist schon ein kleines Kabinettstückchen. Aber jetzt ist der teure IBM-PC im Jahr 82 alles andere als eine Spieleplattform und entsprechend interessiert sich kaum jemand für den Port dieses Spiels.
Chris:
[25:20] Aber IBM hat da schon das nächste Ding auf der Pfanne.
Gunnar:
[25:24] Denn die Firma will auch in das Heimcomputer-Segment, will sagen, in die Nutzung des Computers zu Hause und nicht nur in die Nutzung des Computers im Büro. Und zu Hause, da regieren andere Firmen. Atari hat den 400-800, Commodore hat den VC20, den veritablen Einsteiger-Computer, Tandy hat den TRS-80. Und Apple hat den Apple II, der nicht nur ein exzellenter Bürocomputer ist, sondern auch noch eine Spielemaschine zu dieser Zeit. Und bei IBM haben sie deswegen einen neuen Computer in Arbeit. Der hat den Codenamen Peanut, der dann später als IBM PC Junior auf den Markt kommen wird. Und was dieses Gerät leisten können sollte, das erklärt uns kurz unser Hardware-Experte Henner.
Henner:
[26:12] Der IBM PC Junior war eine Heimcomputer-Variante des großen IBM-PCs, der damals ja noch eine reine Büromaschine war. Als Gerät für Privathaushalte sollte sich der Junior besonders gut eignen für Spiele. Dafür bot er für das Jahr 1984 auch einigermaßen zeitgemäße Grafik- und Soundfähigkeiten. Anders als die CGA-Karte im großen PC konnte der auch bei einer Auflösung von 320×200 Pixeln 16 Farben gleichzeitig darstellen, nicht nur vier. Und anstelle des piepsigen PC-Speakers hatte er einen richtigen Soundchip von Texas Instruments für dreistimmige Klänge oder die gleichzeitige Wiedergabe von Spiele-Sounds und Musik. Außerdem gab es ihn mit bis zu 128 Kilobyte RAM. Das war damals weit mehr als das, was andere Heimcomputer so boten. Ja, IBM meinte es ernst. Nach den Büros sollten jetzt auch die Haushalte erobert werden.
Gunnar:
[27:12] Das also soll, anders als der IBM PC, ein Computer sein, der explizit auch für Spiele gemacht ist. Und auch für diesen Rechner muss, man kennt es ja von Konsolen-Launches, ein Startlinup her. Und da man mit Sierra schon gute Erfahrungen gemacht hat, fragt IBM Anfang 1983 wieder an und da hören wir mal, Roberta Williams ist dazu. Sie sagt hier, IBM hatte den Wunsch, ein Spiel zu bekommen, das genauso ist wie Adventures in Serenia. Das hat ihnen offenbar gefallen. Das war der vorherige PC-Port von Wizards and the Princess.
Chris:
[28:19] Ja, und das kriegen sie von Sierra auch. Also 1984 wird dann tatsächlich eine Version von The Wizard and the Princess für den PC Junior erscheinen.
Chris:
[28:26] Aber IBM hat noch einen zweiten und letztendlich viel wichtigeren Wunsch. Denn sie wollen, dass Sierra einen Premium-Starttitel für die neue Plattform entwickelt. IBM ist bereit, so ein Projekt zu finanzieren und zu vermarkten. Aber sie haben auch klare Anforderungen. Erstens, das Projekt ist streng geheim. Das Spiel, das da entsteht, muss Neuland betreten. Es muss die modernsten Grafik- und Soundfähigkeiten des Systems voll ausnutzen. Und es sollte auch noch wiederholt spielbar sein. Also ein Vorzeigeprodukt, das so richtig demonstriert, was die neue Plattform zu leisten imstande ist. Ein Mario 64 oder ein Halo sozusagen. Wir haben ja nur halt ein Jahrzehnt früher und auf dem Computer statt einer Konsole. Ken und Roberta akzeptieren das Angebot und das ist bei ihnen auch richtig. Wir haben ja vorhin schon festgehalten, Sierra ist eben nicht eine Firma, die da irgendwelche mittelmäßigen Massenprodukte rauskloppt, sondern die stehen in dieser Zeit für technische Exzellenz.
Chris:
[29:26] Und der IBM PC Junior, allein schon mit dem damals ungewöhnlich großen Hauptspeicher von 128 Kilobyte RAM und mit seiner Grafikpower, der kommt auch Roberta Williams sehr gelegen. Weil die legt ihrem Mann in den Ohren, die Grafik muss besser werden, die Grafik muss besser werden. Wir müssen das animieren, wir müssen zeigen. Und hier scheint sich der Wunsch jetzt zu erfüllen, ein Spiel zu machen auf einer Plattform, die das kann. Dieses neue Spiel, das soll wieder ein Abenteuer werden, wie Adventure in Serenia, aber als eine Neuinterpretation von dieser Idee und gebaut rund um die Leistungsfähigkeit des PC Junior.
Gunnar:
[30:05] Unter der Aufsicht von Ken Williams nehmen dann Roberta Williams und ein kleines Team von sechs Designern, Künstlern und Programmierern die Arbeit an dem Spiel auf, wobei die Williams später gesagt hat, naja, der Ken hatte eigentlich keine Zeit dafür, der war mit Geschäftsführung und derlei Sachen beschäftigt, Eigentlich hat sie das hauptsächlich verantwortet. Und Sierra hatte damals ein neu gebautes, schickes Bürogebäude bezogen in Oakhurst. Das Team für das Geheimprojekt kriegt da einen separaten Raum, der streng von der restlichen Firma abgetrennt ist und den sonst niemand betreten darf. In diesem Labor arbeitet dann Sierra unter höchster Diskretion mit einem Prototyp dieses neuen Heimcomputers PC Junior. Und das sind im Wesentlichen zu der Zeit noch ein paar Schaltplatinen auf einer Halterung. Das ist ja noch kein fertiger Computer, das ist ja alles noch ganz früh. Und was zum Beispiel fehlt, ist die Tastatur. Dass die Tastatur hinterher von IBM völlig in den Sand gesetzt wird, weil sie dem Ding nur eine billige Gummitastatur geben, das erfährt Serra zum Beispiel erst, als IBM den PC Junior Ende 83 der Öffentlichkeit vorstellt. Denn IBM will, dass das total strikt vertraulich ist. Intern vermeidet man sogar den Namen IBM zu erwähnen. Ken Williams verwendet stattdessen die Buchstabenkombination BFC für Big Fucking Company in allen Dokumenten.
Chris:
[31:26] Hat er die BFG vorhergesehen von Doom? Guck mal an.
Gunnar:
[31:30] Genau. Auch dieser eben erwähnte Codename Peanut ist nur ein Fake. Die IBM-Leute haben unterschiedliche Codenamen sich ausgedacht, alle ähnlich, und haben dann allen Firmen, mit denen sie zusammengearbeitet haben, unterschiedliche Codenamen gesagt, damit sie dann rauskriegen konnten, wer den Namen geleakt hat, wenn einer von diesen Namen an die Öffentlichkeit kam. So ernst haben die das genommen.
Chris:
[31:51] Ja, ja, Wahnsinn.
Gunnar:
[31:52] Total krass. Und mehrfach kommen auch IBM-Manager da rein spaziert, unangekündigt, bei Sierra, um die Geheimhaltung zu überprüfen und durchsuchen dann Papierkörbe nach vertraulichen Dokumenten, kontrollieren die Schlösser des Entwicklungsraums und prüfen, ob die Fenster auch ordnungsgemäß zugehängt sind, damit da niemand reingucken kann. Das muss eine Freude gewesen sein.
Chris:
[32:12] Also es ist ein wichtiges Projekt für IBM und auch für Sierra. Am Anfang geht man davon aus, bei Sierra, dass das ungefähr ein Jahr lang dauern wird, das zu entwickeln. Am Ende werden es dann 18 Monate sein, was für die Zeit eine unerhört lange Entwicklungszeit ist.
Chris:
[32:29] Aber während dieser langen Entwicklungszeit passiert etwas Unerwartetes und zwar bricht Sierra zusammen. Denn Ken Williams hat sich überhoben.
Chris:
[32:39] 1982 ist zwar ein Boomjahr, nicht nur für Sierra, sondern für die gesamte Spielebranche in den USA, aber zum Jahresende kommt das Weihnachtsgeschäft und das bleibt so deutlich unter den Erwartungen, dass man da schon merkt, oh oh, da stimmt irgendwas nicht. Und ja, 83 ist ja dann auch das Jahr des Videogame-Crashes in den USA, wo Atari kollabiert und der Markt für Videospielkonsolen dann fast vollständig zum Erliegen kommt. Jetzt ist Sierra mit einem Bein drin in diesem Markt. Das ist nicht so gut. Das andere Bein steht im Heimcomputer-Segment. Dieses Segment kommt glimpflicher davon. Aber auch an dem geht das Marktklima jetzt nicht spurlos vorüber. Insbesondere der Apple II-Markt, der ist übersättigt. Viel zu viele Mini-Klitschen haben viel zu viele mäßige Titel rausgebracht. Auch da ist klar, da wird jetzt eine Konsolidierung stattfinden. Und da rächt es sich jetzt also, dass Sierra den Schritt auf die Konsolen gewagt hat, weil die Firma bleibt dann auf jede Menge Inventar sitzen, teure Module, die sie anfertigen haben lassen und die jetzt einfach nicht mehr verkaufbar sind. Auch die Computerprodukte laufen nicht. Ich hatte ja vorhin erwähnt, dass es diese Kooperation gab, dieses Filmspiel zu The Dark Crystal. The Dark Crystal wird im Kino kein großer Erfolg und analog dazu floppt auch dieses Spiel.
Chris:
[33:49] Dann kommt noch dazu, dass Sierra in der Wachstumsphase in großem Stil Venture-Kapital aufgenommen hat und die Investoren, die wollen jetzt natürlich auch Ertrag sehen, denen gefällt das gar nicht, dass die Firma auf einmal so mit untergelassenen Hosen dasteht. Zu dem Zeitpunkt besteht Sierra aus rund 130 Leuten und Ken Williams kann die jetzt nicht mehr bezahlen. Du hattest gerade gesagt, die sind in ein neues Bürogebäude gezogen. Das ist groß, das ist schick, das ist teuer. Das haben sie natürlich nicht gekauft, sondern nur geleast. Da müssen die Raten bezahlt werden. Dann gibt es einen Versuch, Sierra mit einer anderen Spielefirma zu verschmelzen, mit Spinnaker aus Boston an der Ostküste der USA. Sierra ist ja an der Westküste in Kalifornien. Das schlagen Ken und Roberta dann aus. Ihnen gehört immer noch die Mehrheit der Firma, also die können das entscheiden. Aber dafür müssen sie dann auch für das gerade stehen, was jetzt kommt, nämlich dass Sierra dann einen Großteil der Belegschaft entlassen muss. Ken Williams hat ja vor ein paar Jahren ein Buch geschrieben über seine Zeit bei Sierra. Da beschreibt er das recht plastisch, diesen Moment. Deswegen lese ich das mal kurz vor. Die Übersetzung stammt hier von uns.
Chris:
[34:47] Eine Entlassung in Oakhurst ist nicht wie Entlassungen in anderen Städten. Sierra hatte die meisten Angestellten aus entfernten Großstädten angeheuert und mit ihren Familien nach Oakhurst umgesiedelt. Oft hatten die sich dort Häuser gekauft. Wenn die ihren Job bei uns verloren, dann hatten sie praktisch keine Chance vor Ort, neue Anstellungen zu finden. Wir machten die Entlassungen in einem örtlichen Kinosaal. Die gesamte Belegschaft war dort versammelt und ich musste mich vor sie hinstellen und erklären, dass das Spiel aus war. Ich teilte Briefumschläge mit den Namen der Angestellten aus. 100 davon enthielten die Kündigung und einen letzten Gehaltscheck. In 28 weiteren war ein Zettel, auf dem stand, wir sehen uns morgen. Es gab keine Abfindungen und kurz danach war der Parkplatz voll von weinenden Menschen.
Gunnar:
[35:32] Boah.
Chris:
[35:33] Ja.
Gunnar:
[35:34] Aber in dieser Lage erweist sich der PC-Junior-Auftrag, an dem sie ja arbeiten, als Rettungsanker. Denn IBM bezahlt nach Meilensteinen. Also wenn halt ein Stück geliefert wird, dann zahlen sie wieder was. Und damit hat Sierra regelmäßige Einnahmen durch IBM. Dieses Geheimprojekt bleibt am Laufen und mit dem Geheimprojekt bleibt die Firma am Laufen.
Gunnar:
[35:56] Zudem gelingt es Ken Williams, der IBM, noch weitere Projekte aufzuschwatzen und Sarah portiert dann noch zwei alte Arcade-Spiele auf den PC, nämlich Mindshaft und Crossfire. Und Ken Williams bringt sogar noch ein Anwendungsprogramm im IBM-Portfolio unter. Wir hatten ja vorhin schon kurz gesagt, dass sie da auch vor Anwendungssoftware nicht zurückgeschreckt sind. Das war die Textverarbeitung Homeword. Und dieses Bündel an IBM-finanzierten Projekten hält die ums Blanke über Leben kämpfende Restfirma Sierra in dieser Zeit über Wasser. Und jetzt hängt alles am PC Junior und am Geheimprojekt, das inzwischen auch einen Namen hat, nämlich King’s Quest. Und wir erinnern uns, das soll eine der Killer-Applications für den neuen Rechner werden, das technologische Aushängeschild, eine Evolution der Adventure-Spiele. Den Launch des PC Junior im März 1984 verpasst Sierra knapp. King’s Quest ist noch nicht fertig, aber zwei Monate später, im Mai, kommt es dann auf den Markt.
Gunnar:
[36:55] Und bevor wir erzählen, wie es dann damit weitergeht, jetzt schauen wir uns das Spiel endlich mal ein bisschen genauer an.
Chris:
[37:02] Das tun wir. Wir sind im Königreich Devontree. Das wird regiert vom King Edward und King Edward ist alt und hat zwei Probleme. Nämlich zum einen, sein Königreich ist dahingesiecht. Das war mal ein Reich von Geltung mit auch viel Reichtum, aber dann gab es nicht näher spezifizierte Unglücke der Vergangenheit. So ist es zumindest im Handbuch der Urversion. Es gibt von King’s Quest, da werden wir sicher noch dazu kommen, diverse Auflagen im Laufe der Zeit. Und unter anderem wird dann diese Hintergrundgeschichte in den Handbüchern auch weiter ausgearbeitet. Das erklärt dann auch genauer, was da eigentlich passiert ist. Aber wir bleiben jetzt hier für den Moment dabei. Dem Reich geht es nicht mehr gut. Und auf der anderen Seite, er steht kurz vor dem Tod, hat aber keine Nachkommen. Keine Frau, keine Kinder, noch nicht mal Verwandte. Der Thron droht vakant zu werden. In dieser Notlage ruft der König dann seinen mutigsten Ritter zu sich, Sir Graham, der in dieser allerersten Fassung noch Graham-y geschrieben wird, mit einem E hintendran, aber später dann einfach Sir Graham und sagt diesem Sir Graham, Pass auf, ich schicke dich jetzt auf eine königliche Quest, auf die King’s Quest, die Aufgabe des Königs. Und zwar habe ich gehört, dass es in meinem Königreich drei magische Gegenstände geben soll.
Chris:
[38:27] Eine juwelenverzierte Schatztruhe, die sich immer dann, wenn sie gelehrt wurde, mit Goldmünzen wieder auffüllt. Eine nie endende Schatztruhe. Zweitens einen verzauberten Spiegel, der dem, der hineinguckt, die Zukunft zeigt. Und drittens einen magischen Schild, der alle Gefahren, alle Feinde vom Königreich fernhält. Du, Sir Graham, wirst jetzt ausgeschickt, um diese drei Gegenstände zu finden. Damit das Königreich zu retten und wenn dir das gelingt, dann wirst du der neue König werden, mein Nachfolger auf diesem Thron. Ja und wir sehen schon, wir sind hier in einer Märchenwelt, also der König löst die Probleme des Landes nicht durch Sozialreformen oder Wirtschaftsförderung oder meinetwegen Krieg, sondern halt durch Zauberdinge, die aufzutreiben sind und das, was ich jetzt gerade beschrieben habe, das erfährt man aus dem Handbuch. Das Spiel hat kein Intro an sich, sondern nur einen Titel Bildschirm und das erste Bild zeigt dann Sir Graham, der vor dem Schloss Daventry steht. Aber die erste Aufgabe ist dann in das Schloss reinzugehen, in den Thronsaal und dort von König Edward diese Aufgabe zu bekommen. Also das ist schon insofern einigermaßen modern, als das Handbuch nicht vorausgesetzt wird, um zumindest diese Aufgabe mit zu bekommen. Das erzählt das Spiel durchaus.
Chris:
[39:46] Danach gehen wir wieder raus, stehen vor dem Schloss und Daventry liegt vor uns und das geht los mit der Suche nach diesen drei magischen Gegenständen.
Gunnar:
[39:55] Das ist alles ganz schön erstaunlich, weil jetzt liegt diese Welt offen vor uns und wir können an fast alle Stellen hingehen, also manche Wege sind uns noch verschlossen, die müssen erst geöffnet werden, aber wir können diese Welt jetzt durchwandern und in grundsätzlich beliebiger Reihenfolge diese drei Gegenstände suchen. Das Spiel schickt uns jetzt nicht, wie das im Jahr 1984 vielleicht in grafischen Spielen noch eher üblich ist, von Raum zu Raum zu Raum, sondern legt uns seine Welt da offen hin, die wir jetzt erforschen können und wir haben auch keinen Tipp oder keinen Anhaltspunkt, wo wir jetzt als erstes hin müssen. Unsere Aufgabe ist jetzt, diese Welt zu erforschen und dieser Welt Stück für Stück ihre Geheimnisse zu entreißen, was dann hoffentlich über Ketten von Rätseln dazu führt, dass wir auch diese Gegenstände finden.
Chris:
[40:46] Also dieses Offene der Welt und dieses Nicht-Lineare auf der Suche nach den Hauptgegenständen, das ist noch nicht unbedingt neu. Das ist analog zu dem, was wir in diesen Treasure Hunts von Colossal Cave oder Zork oder sowas auch haben, wo du die Gegenstände ja auch tendenziell in jeder Reihenfolge finden kannst und die Spielwelt auch offen ist. Das Neue ist die Präsentation. Das ist etwas, das schon auf dem ersten Bildschirm umwerfend ist für das Jahr 1984.
Chris:
[41:11] Denn wir hatten vorher in Adventures, auch in Text-Adventures, wie zum Beispiel The Wizard and the Princess schon Grafiken drin, die zeigen, wie der jeweilige Raum aussieht. Und die sind teilweise auch schon dynamisch, also auch in Siaras eigenem Wizard and the Princess. Wenn da im Bild ein Amulett liegt und du das aufnimmst, dann verschwindet das auch aus der Grafik. Das können diese Spiele durchaus schon. Aber die sind halt gesehen aus der Ego-Perspektive, sozusagen aus den Augen der Spielfigur. Und andererseits gibt es natürlich in der Ära auch schon jede Menge Sidescrolling-Spiele, wo man eine Spielfigur über den Bildschirm bewegt, also ein Pitfall zum Beispiel oder ein Montezumas Revenge. Aber was völlig neu ist, ist die Kombination, dass wir ein parserbasiertes Adventure spielen, in dem man den Protagonisten aber sieht und in dem man den unmittelbar steuert wie in einem Actionspiel und sogar ja auch in dieser ersten Fassung von King’s Quest auf Tastendruck springen und ducken kann wie in einem Actionspiel. Und man steuert das auch noch mit dem Joystick auf dem PC-Junior. Natürlich muss man zum Eintippen der Befehle in den Passe dann die Tastatur wählen, aber das Spiel ist erstmal darauf ausgelegt, dass du die eigentliche Bewegung über den Bildschirm mit dem Joystick machst. Und das Ganze passiert auch noch in Echtzeit. Nicht Zug um Zug wie in einem Text-Adventure, wo ich beliebig lang nachdenken kann, sondern der ganze Bildschirm lebt. Schon vor diesem Schloss flattern Fahnen im Wind und im Burggraben taucht immer mal wieder ein Krokodil auf und öffnet sein Maul. und um uns rum passieren also Dinge.
Gunnar:
[42:40] Können wir noch mal kurz hier innehalten und diesen ersten Screen würdigen, weil der so besonders spektakulär ist. Dieser erste Screen vereint halt schon total viel von diesem Versprechen. Der wird größtenteils eingenommen da, wo du abgesetzt bist von dem Schloss, in das du ja gleich reingehst und dir den Auftrag erst formell holst. Aber du siehst halt auch den Burggraben, ein paar Bäume und den Himmel und ein bisschen Horizont und deinen Helden Sir Graham. Dieses Krokodil, das da im Burggraben schwimmt, das kann das Maul aufmachen, wie du schon gesagt hast, das bewegt sich von alleine. Das schwimmt da drin rum. Und die animierten Fahnen und es gibt hier auch schon Audio. Auch das ist ja zu der Zeit nicht üblich. Das Spiel hat eine Intro-Melodie. Und es hat aber auch schon Geräusche. Es hat auch noch mehr Sound. Und das ist ein Vollscreenspiel. Wir sehen ja ganz lange noch in den nächsten zehn Jahren sehen wir Spiele, die alles versuchen, um den sogenannten Viewport, also das, wo das Spiel gezeigt wird, das eigentliche Spiel, das in Echtzeit abläuft, kleiner zu machen, indem man massenhaft Elemente drumherum baut, die statisch sind und die man nicht ständig neu berechnen muss. Und hier ist das halt mit verschwenderischer Größe schon dargestellt. Ist auch eine schöne große Spielfigur.
Chris:
[44:09] Für die Zeit, ja absolut. Es gibt im Handbuch von dieser ersten Version für den PC Junior einen Absatz, der so schön ist, dass ich ihn hier kurz vorlesen möchte. Auch hier habe ich das wieder übersetzt. Da steht nämlich, Zitat, Während sie durch das Königreich Daventry reisen, werden sie bemerken, dass Sir Graham an der Kante ihres Monitors oder Fernsehers anhält und das Diskettenlaufwerk beginnt, Geräusche zu machen. Sobald der Ort wechselt, wird ein neues Bild erstellt und Sir Graham erscheint wieder. Machen sie sich keine Sorgen, wenn sie das erste Mal den Bildschirm verlassen. Sie haben weder dem Programm noch Sir Graham Schaden zugefügt. Zitat Ende.
Gunnar:
[44:48] Hahaha. Ah, wie toll.
Chris:
[44:51] Und ich finde das so ein wunderbares Zeitzeugnis, denn zum einen weist es auf etwas hin, was aus der Perspektive von uns Nachgeborenen leicht in Vergessenheit gerät, nämlich das Spiel muss auf dem PC Junior und auch auf dem PC damals bei jedem Bildschirmwechsel nachladen. Von der Diskette, da gibt es keine Festplatte, also das muss dann von der Diskette das laden und das dauert eine Weile, da passiert erstmal gar nichts.
Chris:
[45:13] Und dann, wir haben hier auch diese schöne Formulierung, dann wird ein neues Bild erstellt. Hier wird mit Absicht nicht davon gesprochen, dass da ein neues Bild geladen wird, sondern dass das Bild erstellt wird. Da kommen wir dann gleich noch drauf, wenn wir über die Technik reden.
Chris:
[45:25] Aber der für mich charmante Punkt ist, man muss aus der Perspektive des Jahres 1984 als jemand, der vor King’s Quest sitzt, überhaupt erst mal darauf kommen, dass man den Bildschirm verlassen kann. Ja, dieses, was für uns eine Selbstverständlichkeit ist, geh nach links raus, komm ins nächste Bild, das ist neu, das muss man überhaupt erst mal verstehen. Und auch deswegen ist dieses erste Bild, dieser Schauplatz vor dem Schloss von König Edward so clever, denn das ist ja nur die Hälfte des Schlosses, die wir hier sehen. Und das ist ganz klar, dass offensichtlich da sich linke Hand noch die zweite Hälfte anschließen muss. Und in dieser Startposition, wo Sir Graham das Spiel beginnt, ist auch nicht das Eingangstor zum Schloss. Das ist offensichtlich, muss es noch irgendwo einen Eingang geben. Das heißt, auch visuell schon sagt das Spiel, geh mal nach links. Geh hier mal nach links weiter und schau, was passiert. Und das finde ich ganz wunderbare Benutzerführung, wie gesagt, für eine Zeit, wo man den Leuten das erstmal beibringen muss.
Gunnar:
[46:21] Ja, genau. Also du denkst da an der Stelle gar nicht drüber nach. Du stehst quasi vor einer Brücke über diesen Burggraben und das ist ganz natürlich, sobald du gemerkt hast, dass deine Figur sich bewegen kann, dass du auch darüber läufst und dann führt ganz natürlich der Weg nach links am Schloss entlang und dann kommst du ganz natürlich an dem Tor an und ganz natürlich fällt dir dann ein, dass du Open Door eingeben musst. Also das ist alles so schön, so klar und so logisch in sich, dass es eine reine Freude ist für das Jahr 1984.
Gunnar:
[46:53] Und es macht einen spektakulären grafischen Trick hier an der Stelle. Auch da kommen wir nochmal technisch ein bisschen später drauf, aber du kannst vor dem Baum langlaufen oder hinter dem Baum. Und wenn du hinter dem Baum langläufst, dann verschwindet die Figur hinter dem Baum. Und das ist, Christian, das ist ein 3D-Effekt.
Chris:
[47:14] Das ist unerhört.
Gunnar:
[47:15] Und das ist total neu zu dieser Zeit. Das hat man damals noch nicht gemacht. Ganz typisch waren zu der Zeit in Actionspielen halt noch so Draufsichten, wo man Gegenstände abstrakt eher von oben gesehen hat und nicht hinter den Sachen langlaufen konnte, sondern sozusagen drumherum immer nur gelaufen ist. Dass das hier geht, dass das die Anmutung einer realen Welt hat, weil du hinter den Baum gehen kannst oder, wenn wir schon gerade dabei sind, hinter das Schloss, wo deine Figur ganz verschwindet. Das ist ein Wunder der modernen Welt des Jahres 1984.
Chris:
[47:50] Und dass diese Tiefe des Raumes existiert, dass die Bewegung innerhalb des Raumes existiert, indem man seine Spielfigur hier unmittelbar steuert, das erweitert die Idee, was ein Abenteuerspiel, ein Adventurespiel sein kann, also im wahrsten Sinne des Wortes um neue Dimensionen. Denn im Kern ist das, was man in King’s Quest macht, eigentlich erstmal traditionelle Adventure-Mechanik, wie man sie aus den Text-Adventures schon kennt. Man sammelt Gegenstände, die landen in einem Inventar. Diese Gegenstände setzt man ein oder gibt sie irgendjemanden. Es gibt irgendwelche anderen Charaktere, mit denen man rudimentär interagiert. Und auch in King’s Quest, obwohl das eine zusammenhängende Welt ist, die auf einem Schachbrettmuster angeordnet ist, muss man trotzdem ehrlicherweise eine Karte zeichnen, um sich in der Welt orientieren zu können. Und das ist ja auch gute Adventure-Tradition zu diesem Zeitpunkt. Und nicht zuletzt steuert man das mit einem Text-Adventure-Parser. Mit einem, ehrlich gesagt, ziemlich kruden Zwei-Wort-Parser, wie er in den Zeiten von Colossal Cave oder Adventureland etabliert wurde. Wir sind da in einer Ära, da können zum Beispiel Infocom-Spiele schon längst viel mehr. Die verstehen auch Sätze, die aus mehr aus zwei Wörtern bestehen. Und das versteht King’s Quest nicht. Also so einen zusammengesetzten Satz wie, lege das Ei in die Pfanne oder töte den Troll mit dem Messer. Das versteht King’s Quest nicht.
Chris:
[49:11] Es versteht nur zwei Wörter. Töte Troll, lege Ei. Es ist schon sowas wie Cook In, also Look At, Look In, Look Under oder sowas. Versteht das Spiel in dieser ersten Version nicht. In den späteren kommt das dann dazu. Das bedeutet, dass man also bei komplexeren Befehlen auf das sehr unhandliche Use zurückfallen muss. Es gibt zum Beispiel eine Situation, wo man in einem Wolkenland unterwegs ist. Da stapft ein Riese durch die Gegend und man selbst hat eine Schleuder dabei. Nee, da kann man einen Kieselstein in die Schleuder legen und damit den Riesen erlegen. Und dieser ganze Prozess, Kieselstein rein, Schleuder über den Kopf drehen und dann den Riesen den Stein gegen die Stirn schießen, wird vom Spiel zusammengefasst in den Begriff Use Sling. Ja, das ist das, was hier halt notwendig ist, weil was Komplexeres geht nicht. Also da könnte man fast schon sagen, dieses hochmoderne Spiel ist im Hinblick auf seinen Parser veraltet an dieser Stelle.
Gunnar:
[50:07] Ja, es ist wirklich auf jeden Fall veraltet.
Chris:
[50:09] Aber wie gesagt, das Neue ist die Bedeutung, die Raum in dem Spiel auf einmal hat. Und auch, weil es ja in Echtzeit abläuft, Zeit auf einmal hat. Zum Beispiel, um mit einem Gegenstand interagieren zu können, ihn aufzusammeln oder mit einem Charakter zu sprechen, musst du schon neben dem stehen. Du musst dich da erstmal hinbewegen. Auf einmal gibt es Distanz, auf einmal gibt es Position im Raum. Navigation wird wichtig. Es gibt im Spiel diverse Szenen, in denen Gefahren in der Spielwelt existieren. Löcher im Boden zum Beispiel oder Wasser, in das man hineinfallen kann. Da muss man natürlich aufpassen, dass man da nicht hineintritt. Das ist heutzutage einfach nur noch nervig. Aber das ist damals völlig neu. Das nutzt die Möglichkeiten des 3D-Raums. Mein Charakter kann nicht nur auf eine Achse nach links und rechts laufen. Der kann auch nach hinten und nach vorne gehen. Auf einmal gibt es da eine Fläche, die zu bespielen ist. Und weil das eben in Echtzeit abläuft und sich Dinge im Bildschirm bewegen, wird Timing auf einmal auch wichtig. Man muss Bewegungen abpassen. Da gibt es ein großes Ziegengehege zum Beispiel in der Landschaft von Daventry, wo ein alter Ziegenbock herumläuft und der bewegt sich da auch einfach in seinem Gehege umher. Und den möchte man dann anlocken, indem man ihm eine Karotte zeigt, aber dazu muss man schon in seine Nähe gehen und muss den richtigen Moment abpassen, dass man auch wirklich nah an ihm dran ist, um ihm diese Karotte unter die Nase halten zu können, weil sonst reagiert er da einfach nicht drauf. Das sind Dinge, die waren in Abenteuerspielen bislang nicht möglich.
Gunnar:
[51:31] Selbst wenn man hier Action-Spiele als Maßstab anlegt, ist das ein ziemlich beweglicher Held, der relativ viele Sachen machen kann mit Springen, Sachen aufheben, Sichtducken, das ist schon eine erstaunlich agile Figur hier. Und ungewöhnlich für ein Spiel, das ja eigentlich Rätsel im Vordergrund hat. Aber wie du schon sagst, für ein paar der Rätsel wird halt auch der Raum und Timing genutzt. Diese neuen Sachen, die es vorher in diesen Spielen nicht gab, weil die vorher rundenbasiert waren.
Gunnar:
[52:05] Und diese Welt ist eigentümlich arrangiert, weil die ist auf einem 8×6 Felder Raster. Dieses Schachbrettmuster, das du angesprochen hast. Und die klappt sozusagen um. Das heißt, wenn du rechts aus der Welt läufst, nachdem du ein paar Bildschirme gelaufen bist, kommst du links wieder rein und das wirkt so vollständig dadurch, dass du da durch diese Welt so gehen kannst, die irgendwie so allumfassend ist, als wärst du um die Erde gelaufen.
Chris:
[52:29] Das macht es auch verwirrender.
Gunnar:
[52:31] Eigentlich ist das keine gute Entscheidung für den Game Design her. Aber ich fand es trotzdem irgendwie cool.
Chris:
[52:36] Ja, also es gibt der Welt natürlich das Gefühl von Größe. Schon das zweite Kings Quest macht das anders. Das begrenzt dann zumindest mal die Spielwelt links durch ein Meer und rechts durch Berge. Und schon wird die Orientierung viel, viel, viel leichter. Das merkt man dann schon im direkten Vergleich. Aber es gibt dafür auch immer mal wieder Orientierungspunkte. Also da schlängelt sich ein Fluss durch die Landschaft. Und innerhalb dieses Flusses bilden sich dann auch zwei Inseln. Die eine ist über Brücken erreichbar, die aber von einem Troll bewacht werden. Die andere Insel scheint erstmal komplett unerreichbar, bis man da eine Lösung findet, wie man doch hinkommt. Und es gibt auch immer mal wieder Orte, die bestehen aus zwei Teilen, wie das Schloss, das ja aus einem linken und einem rechten Teil besteht. Und dann gibt es halt auch mal eine Holzfällerhütte zum Beispiel. Da siehst du die Vorder- und die Rückseite oder eben dieses schon erwähnte Ziegengehege. Das sind dann doch wieder Merkmale, an denen man sich orientieren kann. Denn Devontree ist jetzt nicht wahnsinnig groß. Das durchläuft man relativ schnell. Und das ist natürlich an sich eine unsinnige Welt. Das soll ja ein komplettes Königreich sein, aber das hat keinerlei Orte, wo tatsächlich Menschen wohnen. Da gibt es keine Städte, Dörfe, Bauernhöfer oder sowas. Da gibt es genau drei Bauwerke. Das Schloss, eine Holzfällerhütte und ein Hexenhaus. Und das war es auch schon wieder.
Chris:
[53:48] Und ungefähr 50 Prozent der Orte in der Welt sind leere Durchgangsräume. Wiesen, Waldstücken, See, an dem man entlangläuft, aber wo nichts Interaktives an sich geht. Die sind aber trotzdem wichtig, weil sie ja für die Kohärenz der Welt sorgen, weil sie ja Verbindungsstücke sind zwischen den Orten und weil sie natürlich auch diesen Gedanken des Entdeckens der Exploration befeuern. Das ist ein ganz großer Teil des Spaßes von King’s Quest, überhaupt sich die Welt erst mal zu erschließen und sich zu fragen, was ist hier wohl zu finden im nächsten Bildschirm? Was kann hier passieren?
Chris:
[54:19] Denn es gibt ja auch einen Zufallsfaktor im Spiel, Also es gibt einige Orte, an denen kann eine Figur auftauchen, die kann feindselig sein wie ein grimmiger Wolf, der uns jagt und kann aber auch hilfreich sein wie eine Fee, die uns einen Schutzzauber verpasst. Aber das muss nicht jedes Mal passieren, das kann halt einfach sein.
Chris:
[54:36] Und die Welt ist in sich auch ziemlich atmosphärisch gestaltet durch, wie ich schon gesagt habe, diese Brücken, wo wenn Graham versucht drüber zu gehen, auf einmal ein Troll auftaucht und da rumstampft und sich blockieren in den Weg stellt und ihn nicht vorbeilässt. Und der steht dann auch nicht einfach nur da, sondern der folgt der Bewegung von Graham, der blockiert ihm tatsächlich den Weg.
Chris:
[54:56] Oder es gibt diese Holzfällerhütte und die ist schon von außen zu sehen, die ist heruntergekommen, das Dach eingefallen, drinnen sind Löcher im Dielenboden.
Gunnar:
[55:05] Deutlicher könnte man das nicht machen.
Chris:
[55:07] Nee, deutlicher könnte man das nicht machen.
Gunnar:
[55:09] Wie überdeutlich das gezeichnet ist. Hier wohnen arme Leute, sagt es.
Chris:
[55:13] Ja, und drin sitzen der Holzfäller und seine Frau apathisch am Tisch. Im Hintergrund sind so Schränke zu sehen. Die sind zu, aber wenn man die anguckt, sagt das Spiel schon, in diesem Haus sind alle Schränke leer. Weil die begrüßen einen zwar recht freundlich, aber die sind verzweifelt, die haben nichts anzubieten. Die sind am Ende.
Chris:
[55:30] Das ist in späteren Versionen, im Remake von 1990, ist das noch dramatischer. Da sitzt der Holzfäller dann am Bett und seine Frau liegt drin und ist so schwach vor Hunger, dass er fürchtet, dass sie bald sterben könnte. Und das ist natürlich schon so eine Vignette, aber das ist ein atmosphärischer Schauplatz und auch etwas, was eine gewisse Dringlichkeit hat,
Chris:
[55:49] weil man sich natürlich schon fragt, wie kann ich diesen Leuten helfen?
Gunnar:
[55:52] Genau, das stellt halt diese ganzen Sachen in die Welt relativ unverbunden. Das Hexenhaus, die Holzfällerhütte, diese Rätsel, die du schon angesprochen hast, so wie komme ich über diese Insel, was mache ich da, wie komme ich da weiter und überlässt es dir, diese Welt zu durchsuchen. Das Durchsuchen ist natürlich wie in jedem Adventure immer total wichtig. Es gibt an vielen Ecken Sachen zu entdecken und die klassische Mechanik ist dann auch logisch, dass du alles Mögliche durchsuchst, dann irgendwas findest und das an anderer Stelle einsetzt, so die klassischen Inventarrätseln.
Chris:
[56:24] Lass uns mal ein kurzes Beispiel machen. Ich beschreibe mal eine Rätselkette in King’s Quest. Eine der drei Aufgaben der magischen Gegenstände, nämlich in diesem Fall den Zauberschild. Was muss ich denn machen, um den zu suchen? Wenn man so durch Daventry läuft als Graham, da kann man ein Kleefeld entdecken und da wächst ein vierblättriges Kleeblatt auch gut sichtbar drauf, in der Grafik erkennbar. Das kann man dann pflücken und einstecken. Und ein paar Orte weiter kreist ein riesiger Condor über einer Lichtung. Und ab und zu taucht er nach unten und streift so knapp über die Wiese. Das ist so ein Timing-Moment, weil wir haben ja schon gesagt, Graham kann auf Knopfdruck springen und das muss er einfach im richtigen Moment tun, um sich an diesem Vogel festzuklammern. und der trägt ihn dann auf die unzugängliche Flussinsel, die ich vorher schon erwähnt habe. Auf der wächst ein großer Pilz, den stecken wir gleich mal ein. Aber vor allen Dingen ist da ein Loch im Boden, das offensichtlich in die Tiefe führt und Graham springt da hinunter. Er hat ehrlich gesagt auch keine Alternative, sonst geht es von der Insel nämlich nicht mehr runter.
Chris:
[57:20] Dann führt ein unterirdischer Gang zu einer Tür, aber davor krabbelt eine riesige Ratte und die kann auch noch sprechen. Die können wir jetzt bestechen, indem wir ihr einen beliebigen Schatz geben. Sofern man einen gefunden hat, weil in Devontree gibt es eine Reihe von Schätzen zu entdecken, ein Beutel voller Diamanten zum Beispiel, der steckt da in einem Baumstamm oder in einem Vogelnest liegt ein goldenes Ei und so. Die Ratte akzeptiert einen von diesen Schätzen und gibt dann den Weg frei.
Chris:
[57:45] Hinter der Tür steht ein Leprechaun, also ein Kobold, der hält da Wache.
Chris:
[57:51] Und eigentlich würde der Graham jetzt angreifen, aber dann weiß der irgendwie, fühlt, schnüffelt, keine Ahnung, dass wir dieses vierblättrige Kleeblatt dabei haben und erstarrt in Ehrfurcht, denn diese Kobolde verehren solche Kleeblätter. Und so geht es also nicht nur dieser Wache, sondern dem gesamten Koboldvolk und auch dem König der Kobolde. Die haben sich nämlich alle im angrenzenden Thronsaal versammelt. Und da stehen sie dann wie angewurzelt. Und so kann also Graham ohne Gegenwehr den Zauberschild einsammeln. Der lehnt da am Thron des Königs.
Chris:
[58:22] Und dann führt eine Treppe hinaus aus dem Thronsaal in eine weitere Höhle. Aber die erweist sich als Sackgasse. Nur ein winziges Loch führt noch weiter, aber viel zu klein, als dass sich ein Mensch da durchquetschen könnte. Aber zum Glück hat Graham ja diesen Pilz eingesammelt. Der erweist sich als Zauberpilz einmal reinbeißen. Und Graham schrumpft auf Mausgröße zusammen und kann durch dieses Loch dann nach draußen kriechen. Dort wird er automatisch wieder groß und steht dann wieder in der Landschaft von Devontree und hat den Schild im Gepäck.
Gunnar:
[58:51] Das ist eine ganz schön komplexe Rätselkette, finde ich.
Chris:
[58:54] Ja, ist ja auch ein Drittel des Spiels, was ich hier beschrieben habe. Das ist jetzt nicht gelogen. Das ist also, sagen wir, ein Viertel, wenn wir großzügig sind. Aber Spielinhalt ist nicht so wahnsinnig viel drin in King’s Quest und das ist schon ein ordentlicher Brocken der Handlung.
Gunnar:
[59:11] Also man spielt das in zwei Stunden durch? Anderthalb? Wenn man weiß, was man tut?
Chris:
[59:16] Wenn du weißt, was du tust, spielst du das in zehn Minuten durch.
Gunnar:
[59:19] Zehn Minuten, echt?
Chris:
[59:20] Ja, also kommt immer darauf an, das meiste ist Laufweg. Aber wenn du genau weißt, wo du an welchen Ort gehst, also dann auch ohne ein Speedrunner zu sein, spielst du das in, sagen wir mal, maximal eine Viertelstunde.
Gunnar:
[59:32] Ich habe ein paar Anmerkungen zu deiner ganzen Geschichte hier. Zum einen, erinnerst du dich noch an die Besprechung von The Colonels Bequest, als ich gesagt habe, wow, die hatten mal Animationszeit über bei The Colonels Bequest.
Gunnar:
[59:47] Die haben ja noch echt für winzige, kleine Details haben die noch eigene Animationen gemacht. Und ich finde, das sieht man hier schon, dass das so eine Art Firmenrichtlinie ist. Hier, wie verschwenderisch viele Animationen in diesen Szenen sind, die du da gerade beschrieben hast und in den Szenen, die da hinführen. Alleine, es gibt natürlich eine eigene Haltung, die Graham hat, um sich an diesem Vogel festzuklammern. Mal abgesehen davon, dass er springen muss oder sowas. Der hat eine eigene Animation, logischerweise, um in ein Loch zu springen. Das ist ja auch nicht immer üblich, um da wieder rauszuklettern. Dann gibt es eine eigene Variante von ihm, die geschrumpft ist, logischerweise, damit er da aus diesem Haus raus kann. Und mein Highlight-Moment im ganzen Spiel, der kam jetzt nicht in deiner Kette vor, aber ich muss ihn kurz erwähnen. Ganz am Anfang des Spiels triffst du ja den König und holst du diesen Auftrag ab. Und das Logische an der Stelle ist, da hinzugehen und zu sagen, Talk King, in dem raffinierten Parser, den das Spiel hat. und dann kriegst du halt den Auftrag. Aber wenn du vorher „bow king“ eingibst, also dich vorher verbeugst, wo du ja erst mal drauf kommen musst, dann kriegst du nicht nur drei Punkte, weil dieses Spiel hat einen Score, anders als die Hi-Ros Adventures, sondern es fällt ihm, zumindest in der Version, die ich gespielt habe, auch die Kappe runter.
Gunnar:
[1:01:03] Diese Aktion machst du einmal im Spiel, vielleicht zweimal, wenn du sie am Ende nochmal machen musst. Aber das ist eine völlig überflüssige Szene in sich. Die ist ja hier an dieser Stelle auch optional. Bringt dir halt Punkte, ja klar. Aber sie haben eine eigene Animation gemacht, auch noch eine lustige, dass ihm diese Kappe runterfällt. Er trägt nämlich so eine Art Robin Hood Kappe. Extra nur für diesen einen sinnlosen Befehl. Ich bin vom Donner gerührt, Christian. Wie cool das ist.
Chris:
[1:01:26] Das ist auch noch eine Aktion, die positionsabhängig ist. Das geht nämlich nicht, wenn du das da hinten im Türrahmen machst oder irgendwo in diesem Thronsaal. Nee, nee, du musst schon vor dem König stehen und dich direkt vor ihm verbeugen, sonst wird es nicht akzeptiert.
Chris:
[1:01:39] Ja, aber du hast natürlich recht. Die Inszenierung ist hier ein Stichwort. Also das Wort Inszenierung in Bezug auf die ganzen Adventures vorher braucht man überhaupt nicht aus dem Beutel zu kramen. Es gibt es da einfach nicht, dass etwas in Szene gesetzt wird, etwas ausgespielt werden würde. Und in King’s Quest passiert das auf einmal. Und zwar eben auch teilweise auf eine Slapstick-Art und Weise, die auf den ersten Blick gar nicht unbedingt in die Welt zu passen scheint. Wir kommen dann auch später nochmal dazu. Aber auch dieses, ich habe das gerade so beschrieben, dass Graham da in dieses Loch im Boden springt und dann in dieser unterirdischen Hülle landet. Was eigentlich passiert ist, dass er da runterpurzelt und auf dem Hosenboden landet und dann da breitbeinig da sitzt und erst mal Sterne sieht und sich dann wieder aufrappelt und losgeht. Völlig überflüssige Animation, auch wie du es gerade sagst, aber ist natürlich herzallerliebst.
Chris:
[1:02:31] Oder auch, dass dieser Condor Graham nicht einfach packt und dann Schwarzblende und dann taucht er auf der Insel wieder auf. Nee, der fliegt mit dem erstmal hoch in die Wolken, in den Himmel. Und da sieht man einmal, wie dieser Vogel mit Graham über den Himmel zieht und dann an dem neuen Ort wieder runtersteigt. Und das ist Inszenierung. Das ist ja, also ich benutze das jetzt mit größter Vorsicht, diesen Begriff. Aber das ist eine Cutscene, was da passiert. Das Aufsteigen und wieder Absetzen. Und auch das…
Gunnar:
[1:02:58] Christian, das ist eine Cutscene in der Engine.
Chris:
[1:03:00] In der Engine, genau.
Gunnar:
[1:03:01] Richtig. Wow. Wow.
Chris:
[1:03:03] Bei dieser Rätselkette, die ich jetzt gerade erzählt habe, da ist jetzt nichts Originelles dabei gewesen.
Chris:
[1:03:08] Gegenstände haben und benutzen. Aber es gibt durchaus auch Rätsel in King’s Quest, die ich für ziemlich gelungen halte. Mein Lieblingsbeispiel dafür ist das Lebkuchenhaus. Das steht da so in der Landschaft. Da drin lebt eine böse Hexe in dem Lebkuchenhaus. Die kann einem vorher auch schon begegnen. Und zwar nicht einfach irgendwo in der Spielwelt, sondern die ist schon dann vor ihrem Hexenhaus unterwegs. Also im Bildschirm vor ihrem Hexenhaus. Da kann es sein, dass sie einen jagt. Und wenn man zu diesem Hexenhaus hintritt, dann sieht es aber erst mal ganz friedlich aus. Das ist das Lebkuchenhaus aus Hänsel und Gretel. Bei anderen Häusern in der Spielwelt kann man durch die Fenster schauen. Auch hier. aber das Zuckerglas ist nicht durchsichtig genug. Also Graham weiß jetzt nicht, ob die Hexe drin ist oder nicht. Er kann einfach die Tür aufmachen und reingehen. Und dann, ich sagte schon, Zufallsgenerator, dann kann es sein, dass die Hexe da ist. Sofort Jagd auf ihn macht. Wenn man dann nicht gleich wieder auf dem Absatz umdreht und das Haus verlässt, dann wird man von der Hexe gefangen und verspeist.
Chris:
[1:04:03] Aber du kannst auch, bevor du das Haus betrittst, erst mal dran essen. Und wenn die Hexe drin ist, dann sagt sie, knusper, knusper, Knäuschen, wer knabbert an mein Häuschen? Und dann weißt du, okay, jetzt gerade ist es gefährlich. Wenn dagegen keine Meldung kommt, dann weißt du, naja, sie ist gerade nicht zu Hause, ich kann da reingehen.
Chris:
[1:04:21] Aber das ist gar nicht das, worauf ich hinaus wollte, sondern wenn man dann in das leere Hexenhaus geht, dann stellt man fest, es besteht aus zwei Zimmern. Das hat so eine Art Hauptzimmer, da steht der Ofen der Hexe, da ist in der Hintergrund eine Zelle, wo sie ihre Opfer reinschmeißt und einen Tisch und sowas. Aber es gibt auch noch ein Schlafzimmer, einen Nebenraum, durch eine Tür abgetrennt, da ist ihr Bett und ein Tisch drin und so.
Chris:
[1:04:41] Und das ist jetzt eine Situation, die erfordert Timing. Denn hier wird nach einiger Zeit die Hexe zurückkehren, zwangsläufig. Das ist eine halbe Minute oder sowas. Und wenn sie Graham erwischt, dann gibt es keinen drinnen mehr. Dann bist du auf jeden Fall das Abendessen. Es sei denn, du befindest dich gerade im Schlafzimmer. Denn wenn die Hexe dann reinkommt, weiß sie nicht, dass du da bist. Dann kann sie zwar riechen, dass irgendwie hier was Leckeres in der Nähe ist, aber sie kommt nicht auf die Idee, dass du in ihrem Zimmer bist. Und was sie dann macht, ist, sie geht zu dem Ofen, um schon mal anzuschüren für ein potenzielles Festmahl und dreht einem damit den Rücken zu. Und auch jetzt ist wieder ein Timing, wenn du zu lange zögerst, dann ist sie irgendwann mal fertig mit diesem Anschüren und dann läuft sie durch das Wohnzimmer und du wirst auf jeden Fall irgendwann entdeckt, wenn du deine Nase rausstreckst. Aber wenn du schnell zu ihr hingehst, während sie noch am Ofen steht und in sie hineinläufst in der ursprünglichen Version, dann stößt Graham sie in den Ofen, wie im Märchen. Also das ist tatsächlich eine Situation, wo Märchenkenntnis hilft. Bei Hänsel und Gretel wird die Hexe ja dann auch in den Ofen gestoßen. Und damit ist diese Situation entschärft. Und das finde ich eine wunderschöne Situation.
Chris:
[1:05:53] Weil sie diese neuen Elemente in dem Spiel so gut benutzt, weil sie den Raum benutzt, weil sie Sichtbarkeit oder Unsichtbarkeit herstellt, weil es dieses in die Hexe hineinlaufen, dieses Momentum hat, dieses physische. Und weil das aber auch eine gut lesbare, klar dargestellte Situation ist und dieses Rätsel also in diesem Fall gar keine einzige Parsereingabe erfordert, sondern nur durch Bewegung zu lösen ist.
Gunnar:
[1:06:19] Man muss vielleicht hier zur Erklärung nochmal kurz sagen, dass die Gegner im Spiel, und das ist hier natürlich in der Szene die Hexe, aber es kommen ja auch in anderen Szenen Gegner vor, die halt zufällig irgendwo an irgendwelchen Stellen lauern, also nach dem Zufallsprinzip an irgendwelchen Stellen dann kommen und die haben alle dasselbe Verhalten, die laufen auf dich zu. Das Spiel hat so eine rudimentäre Wegfindung und du musst die Landschaft nutzen, um ihnen auszuweichen. Also wenn du halt dem Wolf begegnest im Wald, dann musst du halt gucken, dass du zwischen dir und ihm einen Baum hast, damit du dann den Bildschirm wieder verlassen kannst. Und wenn du dann den Bildschirm verlässt und wieder reinkommst, dann wird neu ausgewürfelt, ob der Wolf da ist, dann ist er wahrscheinlich weg.
Gunnar:
[1:07:00] Also auf jeden Fall ist er nicht mehr in derselben Stelle. Und so ist es halt auch hier mit der Hexe. Wenn sie dich erwischen will, dann musst du schnell um den Tisch rumlaufen, sonst läuft sie in dich rein und dann hat sie dich und frisst dich. Und das ist das Erste, was du von ihr siehst. Du läufst halt rein, die ist da, hat dieses automatisch ausgelöste Verhalten, dass sie auf dich zuläuft. Du läufst um den Tisch rum, gehst wieder raus, hoffentlich hast du es geschafft. Daraus folgert, finde ich relativ logisch, beim nächsten Mal in das Schlafzimmer zu gehen. Das hat das Spiel dir damit auch beigebracht, an eine Stelle, wo sie dich nicht sehen kann, weil offenkundig die Line of Sight oder die Bewegungslinie hat einen Sinn in diesem Spiel.
Gunnar:
[1:07:36] Und das ist schon ganz cool, wie das in diesem Adventure geregelt ist. Das ist jetzt keine technische Innovation, aber das Spiel macht da an vielen Stellen Gebrauch davon.
Gunnar:
[1:07:46] Wie es auch an vielen Stellen Gebrauch davon macht, und da müssen wir jetzt noch mal drüber reden, weil du das kurz angedeutet hast, von diesen Märchenmotiven.
Chris:
[1:07:54] Ja, gerne.
Gunnar:
[1:07:54] Das Spiel ist eine Anhäufung von Einzelelementen, die aus Sagen und Märchen stammen. Und das ist ja auch erst mal legitim. Aber es gibt mindestens mal zwei Stellen, wo das Wissen um bestimmte Märchen auch notwendig ist, um das Rätsel zu lösen. Also wenn du die magischen Bohnen findest an einer Stelle, die du wie in der Geschichte Hans und die Bohnenranke irgendwo einpflanzt und dann hochkletterst, das checkst du schon, ohne dass du genau weißt, wofür die Bohnen sind. Du musst halt einen Ort finden, wo du sie einpflanzt, geht schon. Aber dass die Hexe in den Ofen geschubst werden muss, das ist schon, finde ich, eine Sache, da musst du Hänsel und Gretel für kennen. Und viel schlimmer noch, du findest an einer Stelle einen Gnom und der stellt dir das Rätsel, seinen Namen zu erraten. Und da gibt es keine spielimmanente Lösung für. Du musst wissen, dass es das Märchen Rumpelstilzchen gibt, im Englischen Rumpelstilzkin. Und an einer Stelle im Spiel, nämlich in dem Haus der Hexe liegt ein Zettel, wo es einen Hinweis drauf gibt, dass man irgendwas umgedreht lesen könnte. Und das sind schon alle Hinweise, die das Spiel dir gibt, um dieses Rätsel zu lösen. Christian, konntest du es damit lösen?
Chris:
[1:09:10] Nee, selbstverständlich nicht. Weil das, was das Spiel meint mit, es wäre ganz gut, etwas rückwärts zu betrachten, ist ja nicht, dass man naheliegenderweise denken würde, nämlich, dass man den Namen Rumpelstilzkin jetzt halt rückwärts eintippen muss. Nein, nein, mein Freund.
Gunnar:
[1:09:25] Wenn man überhaupt den Namen Rumpelstilzchen erst mal drauf kommt.
Chris:
[1:09:28] Du musst erst mal drauf kommen, genau. Aber wobei, das Spiel sagt, wenn du Rumpelstilzchen eintippst einfach nur an dieser Stelle, also klar, du musst es mehr hinkennen, wie du sagst, aber dann ist das Feedback von dem Gnom, ah, das ist schon nah dran, aber nicht ganz richtig. Also das Spiel sagt dir zumindest, dass du auf dem richtigen Weg bist, aber das einfache Umdrehen von dem Namen reicht ja nicht.
Gunnar:
[1:09:48] Ja, das ist das Schlimme. Wenn das jetzt einfach umgedreht wäre, Rumpelstilzchen rückwärts geschrieben, dann wäre das auch noch ein fast machbares Rätsel. Und so ist das im Remake auch dann später. Aber man muss das Alphabet umdrehen, sodass aus dem A ein Z wird und das dann neu zuordnen. Und dann kommt ein total schräges Wort raus. Das ist wie so ein Rätsel in so einem Rätselheft, eher als wie ein Rätsel in so einem Adventure. Und erst dann ist das gelöst. Und ich könnte schwören, das hat niemand damals rausgekriegt.
Chris:
[1:10:20] Ja, es ist eine Art Logikrätsel. Du brauchst externes Wissen über das Rumpelstilzchen, du brauchst Papier um Stift, um dir das Ganze aufzuschreiben. Es ist aus dem Spiel heraus nicht lösbar. Es ist damit auch ein ziemlicher Fremdkörper, weil es das einzige Mal in dem ganzen Spiel ist, dass das vorkommt. Aber das passt auf der anderen Seite auch wieder sehr gut in dieses Spiel, wie ich später, wenn ich mein Plädoyer auf der Seifenkiste machen werde, dann nochmal hervorhebe. Aber du wolltest gerade über die ganzen Märchenmotive sprechen.
Gunnar:
[1:10:46] Genau, davon gibt es halt zu viele und die sind so ein bisschen wild über die Welt verteilt. Auch die Tatsache, was du schon vorhin erzählt hast, als du da ein Loch vor dir gesehen hast, hast du sofort gewusst, dass du hier den Pilz isst und dass der dich schrumpfen lässt. Das wird aber im Spiel gar nicht erwähnt, das ist einfach ein random Pilz. Da gibt es keinen Hinweis darauf, dass der Pilz irgendwie magisch ist oder irgendwas. Das ist typisches Spiel, da wissen wir, was da vorausgesetzt wird, nämlich aus Alles im Wunderland.
Chris:
[1:11:12] Ja, du kannst auch einfach mal reinbeißen in den Pilz, dann merkst du schon auch, was passiert.
Gunnar:
[1:11:15] Ja, stimmt, wenn du da reinbeißt, ja genau. Aber du musst ihn auch erstmal essen, so ein Pilz könnte ja tödlich sein.
Chris:
[1:11:20] Ja.
Gunnar:
[1:11:21] Genau, aber es setzt halt an diesen Stellen das voraus. Ich sag nicht, dass das immer sein muss, so, aber es benutzt diese ganzen Items, Gegenstände und Figuren als so eine Art Abkürzung in den Kopf des Spielers. Es ist völlig klar, dass der Pilz jemanden schrumpfen lässt. Es ist völlig klar, dass der Wolf böse ist und dich beißt. Es ist klar, dass die Fee dir hilft. Es ist klar, dass der Schild dich unverwundbar macht und so weiter und so fort. Das sind alles Abkürzungen, Shorthands, klare Signale an den Spieler, wie diese Sachen funktionieren, weil das alles Klischees sind. Und ich sage das Wort Klischee, das klingt immer heutzutage so negativ, aber Klischees sind, wie Terry Pratchett mal sagte, die Hämmer und Nägel in der Werkzeugkiste der Kommunikation. Und so sind sie hier auch eingesetzt. Das ist alles, um das Spiel schnell lesbar zu machen, mit dem Preis, dass man an ein paar Stellen eigentlich das Wissen mitbringen muss.
Chris:
[1:12:16] Ja, es setzt so eine Art halbliterarisches Allgemeinwissen voraus, dass das einfach zum Erfahrungsschatz von den Spielenden gehört, dass man ein Grundwissen über Märchen- und Mythenmotive hat. Das kann es auch voraussetzen, finde ich, weil also das Kings Quest… Die ganze Serie, aber auch der erste Teil, wird gerne als ein Märchenspiel beschrieben. Aber ich finde das zu eng gefasst. Das bedient sich genauso sehr bei klassischen und auch bei modernen Mythen. Und das ist sehr stark beeinflusst von der popkulturellen Verarbeitung dieser Motive im 20. Jahrhundert. Und da sind wir natürlich in erster Linie bei Walt Disney, weil das Märchen massentauglich als Familienentertainment sein können. Das ist ja das, was Walt Disney mit den wichtigen Märchen-Zeichentrickfilmen ab den 30er Jahren festgestellt hat. Schneewittchen, Dornröschen, Cinderella, also Aschenputtel. Aber auch Disney verarbeitet ja moderne Kindergeschichten in Firmen gleichwertig. Also ein Pinocchio oder ein Alice im Wunderland oder ein Peter Pan.
Chris:
[1:13:14] Und das wird dann aber im Disney-Portfolio in den 70ern dann ja weniger. Da liegt der Fokus dann eher auf so anthropomorphen Tieren, auf einem Winnie-Pooh, einem Bernhard und Bianca und Cap und Capper und so. Und in dieser Zeit ist das aber durchaus noch in den Köpfen der Menschen drin, diese Verdisneysierung von diesen Märchenmotiven. Und wir hatten vorhin ja auch schon die Frage, wieso ist denn in einem Spiel wie King’s Quest das ja eigentlich durchaus eine ernste Geschichte erzählt? Warum ist denn da dieser Slapstick-Humor drin?
Chris:
[1:13:42] Und das ist mit Sicherheit ein Ausfluss von dem cartoonigen Stil von Walt Disney, wo du ja auch immer den Comic Relief drin hast und wo du ja auch so Slapstick-Sekunzen drin hast. Und das lehnt sich ganz eindeutig an das an. Da ist King’s Quest sogar einigermaßen vorausschauend, weil Disney findet ja erst Ende der 80er zurück zu den Märchen mit Ariel und dann später mit Die Schöne und das Biest und Aladdin und so. Und King’s Quest hat das aber schon hier Mitte der 80er, stößt da sozusagen in diese Lücke. Und diese Disney-Formel ist ja im Endeffekt eine familienfreundliche Erzählung draus zu machen, aus den, wie wir wissen, ja oft ganz schön brutalen und düsteren Märchen. Ja, da ist noch ein bisschen Drama mit drin, aber hauptsächlich ist es schon freundlich. Und diese Familientauglichkeit fließt dann auch hin.
Chris:
[1:14:26] In King’s Quest rein. Im Laufe der Seriengeschichte kulminiert das ja berühmt-berüchtigterweise bei King’s Quest V in einem Cover-Motiv. Das Spiel erscheint in verschiedenen Auflagen mit verschiedenen Cover-Artworks. Aber eines der ersten zeigt den Graham, der auch wieder der Protagonist im fünften Teil ist. Und der fliegt da durch die Luft und zieht eine ganze Familie, eine Echtweltfamilie samt Hund, in die Fantasy-Welt hinein. Und drunter steht der Slogan Eine Erfahrung für die ganze Familie. Das ist ultra kitschig, kein Wunder, dass Sarah das dann ausgetauscht hat, aber das ist natürlich, das ist Programm, ja, da steht schon auf der Box drauf, wer hier angesprochen werden soll und wie das Ganze gestaltet ist und das findet man also auch im ersten King’s Quest schon.
Gunnar:
[1:15:09] Das muss schon damals Programm gewesen sein. Also ich bin nicht ganz sicher, ob sie das so bewusst gemacht haben, aber ich glaube schon, das ist so eindeutig an Disney angelegt und Disney ist so das Sinnbild für familienfreundliche Unterhaltung. Das muss einfach Absicht gewesen sein. Roberta Williams hat ja in späteren Interviews auch gesagt, das sei schon ihr Ziel gewesen, dass sie familienfreundliche Spiele machen. Aber ich habe kein Interview aus der Zeit gefunden, wo sie das gesagt hätte.
Gunnar:
[1:15:34] Sie wurde übrigens mal gefragt, sagen Sie mal, wenn das so familienfreundlich sein muss, wieso stirbt denn der Held dauernd?
Chris:
[1:15:43] Ja.
Gunnar:
[1:15:44] Und dann hat sie gesagt, das hat man halt so gemacht damals. Und das fand ich ganz nett. Das ist schon so.
Chris:
[1:15:51] Das ist ja keine Erfindung von Sierra.
Gunnar:
[1:15:52] Ja, genau. Das ist ja die Zeit. Also Sierra hat es besonders fies gemacht, finde ich. Weil Sierra hat halt diesen Raum eingebracht in diese Spiele. Diese Beweglichkeit. Dass man mal irgendwo reinfällt, gab es auch schon in den Text-Adventures. Aber in der grafischen Bewegung durch die Welt, dass du halt einfach in den nächsten Screen gehst und bist an der falschen Stelle in den nächsten Screen gegangen und fällst dann ins Wasser. Das ist schon was, was bei einer grafischen Darstellung mich irgendwie mehr geärgert hat als bei einer Textdarstellung. Aber ist ja wurscht, das war, sie hat da vollkommen recht, ja, ich mache das nicht streitig. Das hat man halt damals so gemacht.
Chris:
[1:16:26] Ich würde ihm auch widersprechen, dieser Einschätzung, und würde sagen, es ist eigentlich sogar freundlicher geworden in King’s Quest im Vergleich zu den Text-Adventures, denn in den allergrößten Teil der Fälle, zumindest hier im ersten King’s Quest, ist es ja vorhersehbar, wo eine Gefahr lauert. Also es gibt diesen Fall, du wechselst das Bild und der nächste Schritt führt ins Wasser. Aber das ist ein Screen oder zwei, wo das sein kann. In den allermeisten Fällen siehst du, da ist die Klippe. Da geht es steil runter.
Chris:
[1:16:52] Da ist das Wasser. Und Wasser heißt ja nicht automatisch Toten im Spiel. Du kannst ja in der Hälfte aller Gewässer schwimmen.
Gunnar:
[1:16:57] Das habe ich überhaupt gar nicht gecheckt. Der ertrinkt ja dann im Wasser. Aber du kannst ja Swim eingeben. Und das war mir überhaupt nicht klar.
Chris:
[1:17:05] Hättest du das Handbuch lesen sollen? Da steht es drin.
Gunnar:
[1:17:06] Ja, das habe ich hinterher im Handbuch nachgelesen. Weil ich habe natürlich angenommen, dass wenn ich jetzt Wasserfalle bin, ich tot. Ist ja klar, ist ja ein Serra-Spiel. Und er tut ja auch so, als würde er gleich untergehen, weil es gibt nämlich da auch wieder, es gibt eine eigene Animation für, oh Gott, ich gehe unter im Wasser und strampele und eine Animation für, ich schwimme.
Chris:
[1:17:24] Ja, und die Schwimmanimation, da krault er dann sogar im Wasser, die ist richtig schön.
Gunnar:
[1:17:28] Ja, der kann kompetent schwimmen, nämlich der Graham. Das Spiel hat immer noch eine Animation mehr, als man denkt, muss man mal sagen.
Chris:
[1:17:35] Ja, also wie gesagt, ich finde, dass das sogar ein Vorteil ist, weil es eben vorhersehbar ist in vielen Fällen. Und du bekommst ja in der Regel eine maßgeschneiderte Animation für den Tod.
Chris:
[1:17:48] Also zum Beispiel, da gibt es einen Ort, da kann ein Troll auftauchen, wiederum zufällig, so ein muskelbepackter Hühner, der dann den Graham jagt. Und wenn der dich erwischt, dann zerquetscht er dich und dann siehst du aber halt auch den Graham, wie er da mal traktiert am Boden liegt, das ist nicht gemein oder blutig, der hat halt ein zerrissenes Hemd und seine Stiefel sind in der Gegend zerstreut, das hat schon auch wieder so eine Cartoon-Anmutung, aber das ist nur für genau diesen einen Tod gemacht. Wenn der Wolf dich erwischt zum Beispiel, dann gibt es so eine Cartoon-Wolke, wie man das aus Cartoons kennt, wo die dann miteinander ringen und da schauen Arme und Beine raus und sowas, die dann über den Bildschirm tobt. Also für unterschiedliche Tode gibt es unterschiedliche Belohnungsanimationen. Das ist ja auch dann ein Motiv, das Sierra noch weiterentwickelt und regelrecht pflegt in seinen Spielen, noch über Jahre hinaus. Und das ist hier schon angelegt.
Gunnar:
[1:18:35] Ich sag’s ja, verschwenderisch viele Animationen. Es ist ganz toll, dass sie das so machen.
Chris:
[1:18:40] Fandest du das Spiel, ich stelle jetzt mal die Gretchenfrage, Gunnar, fandest du King’s Quest jetzt beim Wiederspielen eigentlich schwierig?
Gunnar:
[1:18:47] Es ist immer schwer zu sagen, weil man spielt das ja dann doch mit einer gewissen Effizienz. Also man spielt das ja, wenn man darüber über einen Podcast machen will, anders, als wenn man das so spielen würde. Nein, ich fand es nicht schwer. Also bis auf das Rumpelstilzchen-Rätsel, das halt einfach nicht geht, musste ich nachgucken. Ich bin nicht mal auf die Idee gekommen, Rumpelstilzchen anders rumzuschreiben, weil ich erwartet habe, dass die Lösung aus dem Spiel kommt und ich dachte, ich muss irgendwas im Spiel finden, was mich darauf hinweist. Das war aber nicht so. Ansonsten sind viele von den Rätseln relativ klar und einfach und was ja total erstaunlich ist, was wir noch gar nicht gesagt haben,
Gunnar:
[1:19:23] ist, viele von den Rätseln sind auf unterschiedliche Arten lösbar.
Chris:
[1:19:27] Das stimmt.
Gunnar:
[1:19:28] So, und ich hoffe, ihr erinnert euch noch an die Geschichte, die Christian vorhin erzählt hat, wo er uns durch ein Drittel des Spiels geführt hat. Das machen wir jetzt nochmal. Nur richtig. Was Christian nämlich vorhin erzählt hat, war die schlechtestmögliche Lösung, um zum Zauberschild zu kommen. Das geht viel besser. Wir müssen an dieselben Stellen gehen, aber wir können dieselben Stellen anders lösen. Du hast, Christian, also der Riesenratte begegnet bist, der einen deiner Schätze gegeben. Das geht, aber du kriegst an der Stelle einen Punktabzug. Stattdessen musst du vorher das Hexenhaus besucht haben, da die Hexe in den Ofen gestoßen haben. Die hat im Schrank ein Stück Käse, das du ihr wegnehmen kannst. Und dann kannst du, wenn du bei der Ratte bist, dir einfach den Käse geben, um sie loszuwerden. Zack, gleich viel besser, punktemäßig.
Gunnar:
[1:20:15] Dann hast du bei den Kobolden einen Schatz übersehen. Der König der Kobolde hat nämlich ein wertvolles Zepter, ist einer der Schätze im Spiel. Dazu muss man aber vorher in Daventry dem Holzfäller geholfen haben und seiner Frau. Denen kann man nämlich eine Schüssel gegeben haben, die sich immer wieder mit Stew füllt, also mit Eintopf füllt.
Chris:
[1:20:33] Wie im Märchen der süße Brei.
Gunnar:
[1:20:35] Genau, damit müssen sie dann halt nicht mehr hungern. Und dann kannst du als Dank ihnen die Geige abnehmen, die zufällig in dem Haus rumliegt.
Gunnar:
[1:20:44] Und die Leprechauns sind ja irische Kobolde. Die stehen nicht nur auf vierblätterigen Kleeblätter, sondern auch noch auf Geigenmusik. Und wenn man da in die Höhle geht und dann anfängt, denen Geige vorzuspielen, dann tanzen die und verschwinden dann. Und jetzt ist der Thronsaal leer und der König hat sein Zepter liegen lassen. Und jetzt können wir das Zepter einsammeln, gemeinsam mit dem Schild. Die beiden Wege führen beide zur Lösung dieses Teils des Spiels. Dazu, dass man den Schild kriegt. Das ist beides legitime Lösungswege, aber auf dem Weg, den ich gerade erzählt habe, muss man mehr Gegenstände einsetzen, muss man auch mehr Vorarbeiten erledigt haben und nur so bekommt man die volle Punktzahl.
Chris:
[1:21:26] Ja, wir erinnern uns, dass wir hatten es vorhin in der Entstehungsgeschichte kurz erwähnt, dass eine der Vorgaben von IBM war, dass das Spiel widerspielbar sein soll. Und die zentrale Lösung von Roberta Williams, um das zu erfüllen, war diese, unterschiedlichen Lösungsmöglichkeiten einzufügen. Denn in den allermeisten Adventure-Spielen derzeit und auch später, wenn wir ehrlich sind, wäre auf diesem Rätselstrang die einzige Lösung, hab den Käse dabei, sonst geht’s an der Ratte nicht vorbei, und hab die Geige dabei, sonst ist Ende bei den Kobolden. Und hier ist es aber so, dass du auch eine geringerwertige Lösung machen kannst, und das ist okay. Das Spiel geht trotzdem weiter. Und davon gibt’s zahlreiche in dem Spiel. Man muss zum Beispiel den Zauberspiegel, den findet man in einer Drachenhöhle, wird von einem feuerspeienden Biest bewacht und Graham kann den Drachen umbringen mit einem Dolch. Oder er kann vorher einen Wassereimer eingesammelt und gefüllt haben und dann mit der richtigen Positionierung wieder, da muss man relativ nah an den Drachen ran, dem einfach das Wasser ins Maul schütten. Daraufhin haut er ab, weil er so beschämt ist, dass sein Feuer ausgelöscht wurde.
Chris:
[1:22:33] Der dritte Gegenstand, die magische Truhe, die befindet sich im Wolkenreich bei einem Riesen. Ich hatte vorhin schon erwähnt, den kann man mit der Schleuder umlegen oder man kann an dieser Stelle auch einfach warten, bis der irgendwann von alleine einschläft und ihm dann die Truhe ungestört aus den Fingern nehmen. Und da gibt es eine ganze Reihe von Möglichkeiten. Dem Troll, der die Brücke bewacht, kann man auch wieder einen Schatz geben oder ihn von dieser alten Ziege erledigen lassen. Bei dem armen Holzfäller, da ist die richtige Lösung, ihm diese immer füllende Schüssel auf den Tisch zu stellen und dann das Wort zu sprechen, das die Schüssel füllt und ihnen somit zu zeigen, wie sie die Schüssel benutzen. Du kannst aber auch die schon gefüllte Schüssel auf den Tisch stellen. Dann begreifen die nicht, wie das funktioniert, bedanken sich aber dafür, dass sie wenigstens noch eine letzte Mahlzeit von ihnen bekommen haben. Kriegst du auch die Geige. Und du kannst denen auch einfach Nahrung geben, den Käse zum Beispiel. Und sie bedanken sich, du kannst ihnen auch einen Schatz geben. Dann sagen die, ja, das wird uns eine Weile helfen. Also das Spiel akzeptiert das alles. Das sind alles Möglichkeiten, in dem Fall keine, die zum Fortschritt führen. Aber da gibt es doch eine erstaunlich breite Palette von Handlungsmöglichkeiten dafür, dass es eigentlich im Kern ein ganz schön simples Spiel ist.
Gunnar:
[1:23:40] Wir hatten vorher kurz erwähnt, dass die Spiele der alten Zeit, die Treasure Hunt-Spiele, dass die ein Scoresystem hatten und dass das bei den Hi-Res-Adventures, weil die ja eher thematisch daherkamen, nicht mehr nötig war. Hier kommt das Scoring-System dann sozusagen zurück als Möglichkeit, den Spieler zum Wiederspielen anzuregen auf die, wie ich finde, bestmögliche Art für so ein Scoring-System, nämlich dass es dir damit sagt, du hast noch nicht alles perfekt gemacht, du kannst hier nochmal durchgehen und mach es diesmal besser.
Chris:
[1:24:14] Da stimme ich dir absolut zu. Ich finde das auch sehr gut, das Scoring-System. Das ist ja auch was, was aus der späteren LucasArts-Perspektive, wo gerne die Nase drüber gerümpft wird, was soll denn das, dieses Punktesystem? Aber erstens hat Sarah das nicht erfunden, wie gesagt. Zweitens haben wir auch die Indiana-Jones-Spiele, die haben auch ein Scoring-System. Aber das ist hier tatsächlich nützlich, weil das ist ja ein Feedback-Element. Also generell, Punkte zu bekommen, auch schon in Text Adventures, ist erstmal eine Feedback-Mechanik. Du hast etwas richtig gemacht, einen Fortschritt gemacht und das zeige ich dir an, indem ich dir Punkte gebe. Das ist per se schon mal nicht schlecht, finde ich. Aber dann ist das hier auch eine besonders geschickte Lösung, weil die Besonderheit bei King’s Quest ist, dass du Punkte verlieren kannst. Wenn du etwas Schlechtes machst oder etwas Ungeschicktes machst, dann zieht dir das Spiel auch Punkte wieder ab. Zum Beispiel, wenn ich der Ratte einen meiner Schätze gebe, dann nimmt es mir die Punkte, die es mir vorher dafür gegeben hat, dass ich den Schatz gefunden habe, wieder weg. Weil ich habe ihn ja jetzt aus der Hand gegeben. Oder diese Ziege, die ich mit der Karotte locken muss, kann die auch umbringen. Kann er mit dem Dolch erstechen, das Biest. Bringt ihm überhaupt nichts. Und das Spiel ist dann nicht vorbei. Das geht dann einfach weiter. Ich brauche die Ziege auch nicht, um das Spiel lösen zu können. Wie gesagt, ich kann dem Troll auch einfach einen Schatz in die Hand drücken. Aber das Spiel zeigt mir über die Punkteanzeige, oh, ich habe hier Punkte verloren.
Chris:
[1:25:29] Das ist vielleicht nicht die beste Lösung.
Chris:
[1:25:30] Und ich finde das nochmal ein zusätzliches Feedback-Element, dass Punkte eben auch runtergehen können, das völlig angemessen ist für ein Spiel, in dem man ja verschiedene Lösungswege hat. Und wie gesagt, du kannst den Drachen ermorden, du kannst den Riesen ermorden, das ist okay. Und das Spiel sagt, ja, dann ist das halt deine Lösung. Aber es ist halt nicht die heldenhafte Lösung. Denk da vielleicht nochmal drüber nach. Wir bremsen dich aber nicht aus an dieser Stelle. Wenn du so weiterspielen möchtest, by all means, dann tu das. Und ist das nicht ausgesprochen modernes Design, Gunnar? Ich würde mir in manchen Adventure-Spielen sehnlichst wünschen, dass diese ganzen Das geht so nicht, Adventures. Mich nicht so hilflos rumraten lassen, was der Designer jetzt wohl von mir erwartet, sondern dass die auch mal öfter sagen würden, okay, wenn du das so lösen möchtest, dann mach das so. Aber ich sag dir, zwinker, zwinker, es gibt da noch eine schlauere Lösung. Denk halt vielleicht nochmal drüber nach.
Gunnar:
[1:26:21] Das ist ein erstaunlich modernes Element. Das ist halt immer ein bisschen schade bei Scoring-Systemen, deswegen sind die auch nicht so beliebt, weil das so ein bisschen außerhalb des Spiels stattfindet. Es ist ja nicht so innerhalb der Erzählung da mit drin. Es ist wie so die Stimme des Game Designers. Aber dieses Element, dass es mehrere Lösungen gibt, gibt es ja durchaus jetzt in nicht ganz wenig Adventures. Nicht so viele, wie man denkt, aber halt nicht in ganz wenigen. Aber dass es unterschiedlich gute Lösungen gibt, die das Spiel auch so bewertet, das ist echt ein seltenes Element und ein sehr modern wirkendes hier, finde ich. Und wie oft haben wir das, wenn wir bei Steve Trevor spielt, Texas Ventures durchspielen, dass wir am Ende beide die gleiche volle Punktzahl haben, weil wir es halt durchgespielt haben. Und damit ist das Scoring-System ja nur ein Fortschrittsanzeiger. Und damit ist das Scoring-System auch immer eine Enttäuschung, wenn wir am Ende volle Punktzahl haben oder die gleiche Punktzahl haben dann, weil wir halt wissen, ja okay, wir haben jetzt halt alles gemacht.
Chris:
[1:27:18] Ja, das fehlt ein Punkt, weil wir ein Easter Egg übersehen haben.
Gunnar:
[1:27:21] Ja, aber oft gibt es es ja gar nicht. Und es nimmt ja auch eine Position ein damit, wenn es dir halt zwei Punkte abzieht, weil du den Drachen tötest. Das heißt, es will halt gewaltfrei sein und du hast die hässliche, die unheldenhafte Lösung genommen.
Chris:
[1:27:33] Ich finde das wunderschön. Das ist übrigens auch was, was nicht auf lange Zeit überlebt. Also wer nur die späteren King’s Quest-Spiele oder andere Sierra Adventures kennt, der kratzt sich jetzt vielleicht am Kopf und fragt sich, hä, Punkteabzug und verschiedene Lösungsmöglichkeiten, das kommt mir aber nicht bekannt vor. Das gibt auch Roberta Williams im Laufe der Seriengeschichte auf. Also das wird dann auch zunehmend linearer.
Chris:
[1:27:53] Aber zumindest hier am Anfang ist das noch drin. Und ich finde, also dieses King’s Quest von 1984 dafür, dass das so ein Sprung war, also eine Revolution für das Adventure-Genre, das es ja die Grafik-Adventures erfunden hatte, ist das doch ein erstaunlich modernes Spiel in mancher Hinsicht.
Chris:
[1:28:08] Ich finde das zum Beispiel in seinem Optionsreichtum überraschend fair. Und fair ist ja auch nicht unbedingt das Wort, das einem bei vielen Adventures dieser Zeit leicht über die Lippen geht. Und auf den ersten Blick ist auch sowas wie, hier kann dir random beim Laufen durch die Landschaft einen Wolf über den Weg laufen und dich zerfetzen. Klingt dir jetzt auch nicht besonders fair. Aber das Spiel hat Lösungsmöglichkeiten für diese Situation. Eine ganze Reihe davon. Also man kann sich zum Beispiel von der Feenkönigin einen Schutzzauber abholen und der schützt dann vor diesen random Gegnern für eine Weile. Oder man findet einen Unsichtbarkeitsring im Spiel, Das ist kein notwendiges Item, das ist einfach nur dafür da, dass man den im Zweifel überstülpt und wenn man unsichtbar ist, kann ein Wolf, Oga, böser Zauberer, Hexe und so weiter halt einfach nicht mehr sehen. Und das ist übrigens auch visuell ganz toll, weil du siehst dann noch die Fußabdrücke. Du weißt also immer noch, wo deine Spielfigur ist. Ist ja auch notwendig. Du musst sie noch bewegen können. Und man sieht dann, wie sich die Fußabdrücke über die Landschaft bewegen. Ganz, ganz toll. Und wenn du den magischen Schild schon gefunden hast, dann, ich meine.
Chris:
[1:29:08] Was war nochmal dessen inhärente Eigenschaft? Der schützt vor Feinden. Und das tut er dann auch. Wenn Graham den mit sich rumträgt, dann kann einem der Oger etc.
Chris:
[1:29:16] Nichts mehr anhaben. Da wird sogar richtig Fortschritt fühlbar. Ich fand das so wunderbar logisch, dass man dieses mächtige Artefakt hat.
Chris:
[1:29:22] Das sollte dann natürlich auch was bewirken. Aber meine allerliebste Option, wir sind noch nicht am Ende, ist, dass du ja auch die Ziege dabei haben kannst, die du mit der Karotte lockst. Und während du die Ziege dabei hast, nehmen all diese Gegner, der Wolf, der Oger, die Hexe, reiß aus. Da sagt das Spiel so Sachen wie bei dem Zauberer zum Beispiel, der Zauberer sieht, dass du die alte Ziege bei dir hast und entscheidet sich lieber zu verschwinden. Und das ist so nett, weil das ja implizit diese Ziege charakterisiert. Die muss einen Ruf wie Donnerhall in der Welt von Daventry haben. Kein Bösewicht legt sich mit der an. Und auf Zeit ist die unser Verbündeter. Einfach dadurch, dass wir sie dabei haben, fliehen alle Leute. Ist das nicht fantastisch?
Gunnar:
[1:30:03] Ja, das ist toll. Die Ziege ist die Rätsellösung für den Troll an der Brücke.
Chris:
[1:30:09] Genau.
Gunnar:
[1:30:09] Die nimmt man deswegen mit von der Karotte angelockt, damit man da den Brückentroll besiegt. Und das würde ja schon reichen. Also du kriegst die Ziege für den Brückentroll. Das ist ja schon okay, aber das Spiel geht halt immer noch ein Stück weiter und gibt dir mit der Ziege so eine Art Superschild, so eine Superheldenfähigkeit, wenn du da durch die Welt gehst. Und das ist echt eine nette Idee.
Chris:
[1:30:32] Finde ich auch. Ja, und um noch das Sahnehäubchen obendrauf zu setzen, wir kommen nochmal zurück zu dem Rumpelstielchen-Rätsel. Ja, alles ist richtig, was du gesagt hast. Es braucht externes Wissen. Es ist nervig, dass man das hier mit Stift und Papier und logischen Denken lösen muss. Aber dieses Rätsel ist optional. Der Gnom fragt dich dreimal nach seinem Namen. Und wenn du ihn richtig sagst, dann gibt er dir magische Bohnen, womit man eine riesige Bohnenranke entstehen lassen kann, um ins Wolkenreich hochzukommen. Aber wenn du es nicht richtig errätst, dann verschwindet er und hinterlässt einen Schlüssel. Und dieser Schlüssel schließt eine Tür im Gebirge auf und man kann über eine große Steintreppe auch ins Wolkenland hochgehen. Kein Game Over, keine Sackgasse. Es ist halt nur die schlechtere Lösung in diesem Fall, die ein bisschen weniger Punkte gibt. Ich weiß nicht, was ich noch sagen soll, Gunnar. Es ist also, ich habe daran nichts auszusetzen.
Gunnar:
[1:31:23] Nee, es ist schon ein faires Spiel. Also es ist natürlich ärgerlich, dass es ein Rätsel in der Welt gibt, dass mich, weil ich da nicht sofort in die Lösung geguckt habe, dazu gebracht hat, noch mal zehn Minuten durch die Welt zu laufen und nach diesem Namen zu suchen. Aber am Ende ist das wurscht, du hast recht. Es gibt diesen anderen Weg noch und dann fehlen dir halt ein paar Punkte. Fünf oder so, es ist nicht mal besonders schlimm.
Chris:
[1:31:41] Ich habe gerade die Bohnenranke erwähnt. Wer das erste King’s Quest kennt, der wird schon die ganze Zeit darauf gewartet haben, wann wir die endlich ansprechen. Weil die hat einen ausgesprochen schlechten Ruf. Das ist nämlich dann eine Ranke, die man erklettern muss. Und das ist nicht automatisch, sondern du bewegst Graham dann auch hier wieder auf dieser Bohnenstange nach oben. und wenn du ihn falsch bewegst, also wenn er den Halt verliert, dann stürzt er nach unten und das sind drei Bildschirme nach oben. Also du musst diese Bohnenranke eine ganze Weile lang drei Bildschirme hochklettern, bis du im Wolkenreich angekommen bist. Wenn du auf der untersten Ebene stürzt, dann rappelt sich Graham noch auf, aber sobald du da im Himmel quasi oben bist, ist das der Tod, wenn er da abstürzt.
Chris:
[1:32:20] Das ist natürlich nervig, weil das ist ja in diesem Fall jetzt eine Geschicklichkeitsherausforderung Und es ist auch nicht so richtig gut lesbar, wo die Bohnenranke tatsächlich noch Halt bietet und wo nicht. Wie schlimm das jetzt ist, diese Situation, hängt stark davon ab, welche Version des ersten King’s Quests man spielt, denn das ist ja in mehreren Auflagen erschienen und die meisten Leute spielen die EGA-Auflage von 1987, das ist das erste Remake, wenn man so möchte, auch wenn es noch nicht so heißt, nicht das von 1990, sondern von 87 und da ist das ein Albtraum, diese Bohnenranke, weil man da wirklich diffizil sich bewegen muss und oft nur sehr geringen Spielraum hat, Aber vor allem muss man erkennen, dass es in dem Fall nicht darauf ankommt, dass Graham an den Händen Halt hat, sondern die Füße müssen auf der Bodenstange bleiben. Wenn man das gecheckt, dann ist es viel einfacher. Immer noch nervig. Immer noch nervig, ja. In dem Remake von 1990, da ist es deutlich einfacher, weil man es mit der Maus steuern kann. Wenn man aber darauf nicht kommt, das mit der Maus zu machen, sondern mit der Tastatur ist es genauso nervig. Im Original, 84 auf dem PC Junior, ist das nicht so schlimm.
Chris:
[1:33:25] Da geht es nämlich in erster Linie fast gerade nach oben, An zwei Stellen muss man begreifen, dass diese Bohnenstange dreidimensional gewunden ist und dass sich Graham quasi hinter einer Bohnenranke entlang bewegen muss. Wenn man das aber erstmal gecheckt hat, dann kommt man da eigentlich ganz gut durch, zumal das ja ein Spiel ist, wo du jederzeit speichern kannst. Also das hat seinen Ruf nicht zu Unrecht. Das ist eine nervige Passage, aber in der Originalfassung längst nicht so schlimm wie in späteren Versionen.
Gunnar:
[1:33:54] Und es ist ja auch eine Szene, fairerweise muss man das sagen, die spektakulär ist. Ich meine, du läufst da in dieser Spielwelt rum, da bist du ja schon eine Weile unterwegs, bis du diese Bohnen hast und dann musst du auch erstmal noch den
Gunnar:
[1:34:06] Ort finden, wo du sie eingraben kannst und dann erschließt sich dir halt, wie in dem Märchen, diese neue Welt, nachdem du da drei Bildschirme hochgeklettert bist, dann läufst du ja auf den Wolken und bist in dieser Wolkenwelt genau wie im Märchen und triffst da den Riesen und so. Und das ist schon sehr cool, bis du dann wieder runtergehen musst über diese ewig lange Treppe, was echt ein bisschen mühsam ist, aber gut.
Chris:
[1:34:30] Aber wie gesagt, du kannst ja auch über diese Treppe hoch. Das heißt, die Bohnenranke ist sogar optional. Die allermeisten Leute der Zeit damals werden die nie gesehen haben, weil dazu muss man das Rumpelstilzchen-Rätsel lösen. Und wir haben gerade beschrieben, wie schwierig das ist. Von daher, na, auch da, es gibt eigentlich fast immer eine Alternative. Und ja, es ist einfach schön. Die Wolkenwelt ist spektakulär, die Bohnenranke ist schön. Das ganze Spiel ist wunderschön. Und da sollten wir nochmal auf die Technik zurückkommen, weil wir wollten ja auch noch beschreiben, was da eigentlich passiert.
Gunnar:
[1:34:57] Genau, dann steigen wir hier nochmal in die Erzählung ein zur Entstehung des Spiels und sprechen aber spezifisch über die Technik. Das hat ja eine neue Engine, das ist die AGI-Engine, weil vorher gab es ja bei Sierra im Haus nur diese Hi-Res-Adventures, die basierten ja auf einer ganz anderen technischen Grundlage. Also um dieses ambitionierte, animierte Adventure umzusetzen, braucht Sierra eine neue Technik, eine neue Spielengine und die entwickeln sie jetzt. Sie haben da einen erfahrenen Informatiker im Haus, das ist der Arthur Abraham, der leitet die Entwicklung der Engine, unterstützt von Charles Tingley für die Grafikprogrammierung und die entwerfen zusammen eine relativ flexible, moderne Architektur, mit der Designer, Grafiker und Programmierer effizient zusammenarbeiten können. Die Engine umfasst eine eigens entwickelte Programmiersprache, die Game Adaptation Language, einen Compiler und einen Byte-Code-Interpreter. Und zusammen ist das dann halt dieser Adventure Game Interpreter, das AGI. Die Game Adaptation Language ist eine Hochsprache ähnlich C, also im weitesten Sinne ähnlich C, deren Code dann auf dem Plattform-unabhängigen Bytecode kompiliert wird, der auf verschiedenen Systemen laufen kann. Und das ist ja in Anführungszeichen eine frühe Virtualisierung und damit macht sich die Entwicklung weniger abhängig von der PC-Junior-Hardware und das wird sich noch später als vorteilhaft erweisen.
Chris:
[1:36:27] Ja, das wirft schon seinen Schatten voraus. Das ist aber auch was, was Infocom ja zum Beispiel auch gemacht hat mit den Spielen. Also das ist eine bekannte Technologie der Zeit oder Vorgehensweise der Zeit.
Chris:
[1:36:37] In der Zeit, wo das Projekt angebahnt wird, das ist ja noch vor der großen Entlassung, stellt der Ken Williams erstmal zusätzliche Läuter für dieses PC-Junior-Projekt ein. Insbesondere gewinnt er da einen jungen Programmierer namens Ken McNeil. Den hat er zufällig bei Flugstunden kennengelernt. Und der McNeil übernimmt dann die zentralen Programmieraufgaben und entwickelt unter anderem auch das Zeichenprogramm, mit dem da die Hintergrundgrafiken des Spiels erstellt werden, das heißt Picture Editor. Der Ken McNeil empfiehlt dann seinen Bruder, Doug McNeil, an Bord zu holen. Der ist nämlich talentierter Grafikdesigner, der kommt dann also auch noch mit dazu.
Chris:
[1:37:14] Und obwohl dieser Doug keine Erfahrung mit Computern hat, hat er künstlerische Fähigkeiten, die überzeugend genug sind, dass er den Job dann erhält. Doug McNeil illustriert gemeinsam mit einem Grafiker-Kollegen, mit Greg Rowland, dann auch die ganzen Hintergründe und die Charakter-Sprites des Spiels. Also wir sind nicht mehr in der Zeit, wo Roberta Williams das noch selber zeichnet. Und als der Grafiker Doug zum Team kommt, da stehen aber noch nicht mal die grundlegenden technischen Spezifikationen für die Grafik fest. Also zum Beispiel, in welcher Auflösung soll das Spiel entstehen? Es ist schon klar, insbesondere getrieben durch Roberta Williams, sie will einen dreidimensionalen Look für diese Spielwelt haben. Wie ein Diorama, wie ein Puppenstube, in den man reingucken kann. Aber wie soll denn das eigentlich umgesetzt werden? Gibt ja kein Vorbild. Doug hat später zum Protokoll gegeben, dass seinem Eindruck nach das Projekt da stillstand zu der Zeit. Aber das wird dann bald aufgelöst durch eine Entscheidung zur Auflösung und durch ein Konzept, das Sie Prioritäten nennen, Priorities, um diesen angestrebten 3D-Effekt zu erzielen. Wie funktioniert das, Gunnar?
Gunnar:
[1:38:16] Das ist das zentrale Grafikgeheimnis, mit dem dieser 3D-Effekt gemacht wird. Dieses Priority-Layering, das ist dafür da, damit ein Teil des Bildschirms, etwa der Baum, den wir vorhin erwähnt haben, als Bereich definiert werden kann, hinter dem die Spielfigur langgehen kann. Und dazu zerlegen sie jedes Hintergrundbild in mehrere Ebenen, basierend auf der Entfernung vom unteren Bildschirmrand. Und dadurch kann die Engine dann nahtlos erkennen, ob sich die Spielefigur vor oder hinter einem Objekt befindet. Weil logischerweise, das ist ja 3D in den Raum gedacht, näher am unteren Bildschirmrand, heißt vorne. Und sie haben unsichtbare Begrenzungslinien, mit denen sie die begehbaren Bereiche definieren und haben dann farbcodierte Masken gebaut, die sicherstellen, dass die Figuren hinter bestimmten Objekten verschwinden können, halt das Schloss oder der Baum. Und diese Technik, die den Anschein echter Tiefe erweckt, die war halt, wie wir schon gesagt haben, neuartig für diese Zeit. Das sieht man auch in Magazinen.
Gunnar:
[1:39:18] Ich habe einen beeindruckenden Artikel gelesen aus der Compute!, aus der Ausgabe 285. Das ist eher ein Computermagazin als ein Games-Magazin. und die sprechen da drei Seiten darüber und erklären im Detail, wie das funktioniert, weil die so beeindruckt sind.
Chris:
[1:39:36] Weil das so ein Wunder ist, genau.
Gunnar:
[1:39:38] Also wie genau sie das dann so sagen, passen Sie auf, Sie sehen jetzt nur diese Grafik, aber wenn Sie sehen könnten, dahinter liegen so Gitterlinien und die definieren, wo man langgehen kann, das ist verrückt. Das ist ganz toll.
Chris:
[1:39:48] Ich finde das sehr schön mit diesen Prioritäten. Das ist ja wie in so einem Papierdiorama. Kennst du sicher auch, dass man so aufklappen kann und dann hast du verschiedene Papierschichten, die sich halt hintereinander verdecken. Eigentlich ist das genau das Gleiche.
Chris:
[1:40:01] Aber das, was ich viel beeindruckender finde und ich weiß auch noch, dass ich das erst Jahre, nachdem ich meine Sierra Adventure Erfahrungen schon gemacht hatte, irgendwann mal erfahren habe, ist, dass die Grafiken im Spiel ja nicht von Diskette geladen werden. Da kommen wir nochmal zu dem zurück, was im Handbuch so nebenbei erwähnt wird. Das Bild wird erstellt. Und das heißt in diesem Fall, jede einzelne Hintergrundgrafik wird gemalt auf den Bildschirmen und zwar aus einzelnen Linien, aus Vektordaten. Das ist eigentlich eine sehr moderne Technologie heutzutage. Im Internet kennt man die SVG-Dateien, also Vektorgrafiken, die beliebig skalierbar sind, weil sie halt aus Linien und Regeln bestehen und nicht aus einzelnen Pixeln wie ein Bitmap. Das kommt aber aus einer Zeit, hier insbesondere bei den Spielen, wo das ja eine schlichte Notwendigkeit ist. Das Mystery House zum Beispiel, da wollte die gute Roberta schon damals im Jahr 1980, dass da halt nicht nur ein oder zwei Grafiken drin sind, sondern Dutzende, für jeden Raum eine. Aber auf so eine arme Apple II-Diskette passt das nicht drauf als Bitmap-Grafik, völlig illusorisch.
Chris:
[1:41:02] Und das zwingt dann quasi den Ken Williams, dass er sagt, naja gut, dann muss das Spiel halt das Malen, das Bild, aus einzelnen Linien. Da wird das Haus dann aus Linien nach oben, dann schräge Linien fürs Dach und so weiter, wird quasi auf den Bildschirm gemalt und dann muss man hier kein Bild abspeichern, sondern nur die Regeln, nach denen das Bild gemalt werden soll, was natürlich viel weniger Platz braucht. Und das läuft dann eine ganze Weile so weiter, nicht nur in Sierra spielen. Wir haben ja schon über den Hobbit zum Beispiel gesprochen von Melbourne House aus dem Jahr 82, da funktioniert das ganz genauso. Und hier in King’s Quest ist das auch noch so, aber schon auf einem viel kleinteiligeren Niveau, sodass es auf den ersten Blick gar nicht unbedingt auffällt, dass das ein erstelltes Spiel.
Chris:
[1:41:43] Das sieht man aber insbesondere in der PC-Junior-Fassung noch ganz wunderbar, weil der Rechner noch so langsam ist, dass man ihm zuschauen kann dabei, wie er das Bild auf den Bildschirm malt.
Chris:
[1:41:54] Das war beim Apple II auch ganz genauso. Zum Beispiel dieser Startbildschirm vor Schloss Devontree. Wenn der geladen wird, dann sieht man, da zeichnet das Spiel erstmal den schwarzen Umriss des Schlosses auf einen hellen Hintergrund und dann die Umrisse der Landschaft, ein Baum links, eine Brücke, den Burgraben im Vordergrund, Baumwipfel am Horizont.
Chris:
[1:42:13] Das sieht dann aus wie ein Ausmalbild auf weißem Grund. Und dann werden als nächstes die Flächen farbig gefüllt mit den Möglichkeiten der Palette damals. Die Burgmauer sind halt grau und der Pfad braun und der Baum mit Grünton und so weiter.
Chris:
[1:42:28] Danach werden die Details eingezeichnet. Dann bekommt die Burgmauer Steine, Planken der Holzbrücke, Verästelungen in der Baumkrone. Da sieht man dann in dieser Phase, wie detailliert die Bilder teilweise sind. Dieses ganze Mauerwerk von dem Schloss wird da aus einzelnen kleinen Linien eingezeichnet.
Chris:
[1:42:46] Und ganz zum Schluss zeichnet das Spiel dann noch alle beweglichen Elemente drüber. Das heißt in der Engine, in der AGI-Engine Views, wir würden heutzutage sagen Sprites. Letztendlich ist das alles, was mit Animationen versehen ist. Also in dieser Szene zum Beispiel natürlich der Graham, dann das schon beschriebene Krokodil im Burggraben. Aber oben auf den Burgzinnen flattern ja auch Fahnen im Wind, die sind auch Sprites. Und das Eingangstor zur Burg, das sich öffnen und schließen kann, das kommt da auch noch drüber. Und dieser ganze Malprozess, der dauert auf dem Original IBM PC Junior mehrere Sekunden, bis das geladen und gezeichnet ist. Und das ja bei jedem Bildwechsel. Also wenn du dich durch die Landschaft bewegst, ist das ein ganz schön mühsamer Prozess.
Gunnar:
[1:43:27] Aber man guckt dir auch ganz gern zu.
Gunnar:
[1:43:30] Das Interessante ist, diese Linien, die sind ja wirklich gemalt. Die können schräg durch die Welt gehen und irgendwas. Und das sind auch die Linien, an die dann die Bewegungsweiten angedockt sind. Weil wenn da jetzt der Fluss gemalt wird in einer anderen Szene, dann geht der so ein bisschen, der fängt oben links an und geht so ein bisschen schräg nach rechts unten. Und der Fluss folgt dann einer verästelten, schrägen Linie, wie so ein richtiger Fluss. Und das bedeutet aber, weil an dieser Linie, die da gemalt ist, die den Fluss begrenzt, die ist auch die Begrenzung für die Bewegung von der Spielfigur. Das heißt, die Spielfigur kann dann, wenn sie so weit gehen will, bis sie reinfällt, kann sie am oberen Teil des Flusses sozusagen nicht so weit ins Bild gehen und am unteren Teil des Flusses weiter ins Bild gehen, weil es genau dieser Linie folgt. Und das ist ein ganz schön überraschender Effekt zu der Zeit, als solche Levels ganz oft ja in Action-Spielen halt mit so geraden, blockigen Elementen gebaut worden sind, dass es da dann schräg gebaute Stellen gibt in diesen Spielen, wo man dann wirklich auch richtig in diese Schräge reingehen kann, ist gar kein häufiger Effekt zu der Zeit. Das ist dieser Technik geschuldet, dass das hier total problemlos geht und das gibt dem Spiel auch weiter einen Realismus in diesen Räumen.
Chris:
[1:44:49] Ich glaube, man kann gar nicht genug betonen, wie bildhübsch King’s Quest für seine Zeit ist. Und das nicht nur durch die schiere bildschirmfüllende Farbpracht, die der IBM PC Junior ermöglicht, sondern schon auch dadurch, wie die Grafik gezeichnet ist. Bäume zum Beispiel werfen Schatten, teilweise hast du Spiegelungen im Wasser, hast viele geschwungene Linien statt lauter Geraden. Also ein Mystery House zum Beispiel besteht ja fast ausschließlich aus geraten Linien und spitzen Winkeln und sowas. Und hier ist das schon viel organischer. Gelegentlich, weil wir ja eine räumliche Tiefe haben, siehst du gelegentlich in der Ferne Orte. Also wenn du zum Beispiel an dieser Flussbiegung mit dem Pilz bist, da hebt sich dann Castle Da Vinci im Hintergrund.
Gunnar:
[1:45:32] Oh ja, dass du in andere Orte gucken kannst, wie geil, ja.
Chris:
[1:45:35] Du weißt, wenn ich jetzt nach Norden gehe, dann komme ich da hin. Geht jetzt in dem Fall nicht, weil der Fluss dazwischen ist. Aber naja, wir wissen, was gemeint ist. Von den Animationen brauchen wir nicht nochmal anfangen, das haben wir ja gerade schon erwähnt.
Chris:
[1:45:45] Abgesehen von der schieren Pracht, die Leistung hier ist halt auch, dass die Spielwelt konkretisiert wird, im Vergleich zu dem, was wir in Text-Adventures haben. Dass es anschaulich wird und damit auch viel zugänglicher, was denn eigentlich gemeint ist in dem Spiel. Das Schöne an Text-Adventures ist ja, dass viel im Kopf stattfindet, gerade wenn sie völlig ohne Grafik sind. Das ist eine Qualität, die jeden inhärent ist, die ich auch nicht missen möchte. Aber umgekehrt ist das natürlich auch eine Zugänglichkeitshürde. Und hier ist aber alles viel anschaulicher. Es hat so eine Unmittelbarkeit, dass alles, was auf dem Bildschirm existiert, ist auch da. Und umgekehrt, was nicht gezeigt wird auf dem Bildschirm, ist in der Regel auch nicht da.
Chris:
[1:46:22] Es sei denn, irgendwas ist versteckt hinter oder in etwas. Aber vor allem hast du halt durch den Spielcharakter die unmittelbare Präsenz in der Spielwelt. Und was wichtig ist an dieser Stelle, das ist nicht nur ein Paradigmenwechsel in der Darstellung, dass da halt auf einmal der Charakter zu sehen ist, sondern das ist ein Paradigmenwechsel in der Erzählung. Denn das ist hier ja ein vordefinierter Charakter. Das ist der Ritter Sir Graham. Und der Standard bis dahin in Adventure-Spielen war die Spielerperspektive. Also die Figur, die wir spielen, sind wir. Das ist unser alte Ego. Zu dem Zeitpunkt mal kurze Frage, Schätzfrage für dich, Gunnar. In dem Jahr 1984 bis dahin hat Infocom zwölf Adventures veröffentlicht. Wie viele davon haben einen Protagonisten mit Namen?
Gunnar:
[1:47:09] Die Hälfte.
Chris:
[1:47:10] Null. In allen diesen Spielen ist das You.
Gunnar:
[1:47:14] Bis 84 noch keins? Hat nicht Deadline schon einen Namen? Nein.
Chris:
[1:47:17] Das bist du. Der Detektiv, der namenlose Detektiv bist du. Alle diese Spiele haben keinen benannten Charakter.
Gunnar:
[1:47:25] Sie haben theoretisch gefasste Charaktere. Du bist halt ein Detektiv in dieser Welt.
Chris:
[1:47:30] Ja, du hast eine Rolle.
Gunnar:
[1:47:31] Ein Student und so ist eine Rolle, aber stimmt, das ist kein Name.
Chris:
[1:47:34] Das ist kein Charakter, genau. Und die umgekehrte Frage mal, wie viele von den LucasArts Adventures, die dann in der Zeit nach King’s Quest erscheinen, haben eine Erzählperspektive aus der Spielersicht? Also wo der Held du bist.
Gunnar:
[1:47:48] Niemand mehr, das ist ja vorbei dann.
Chris:
[1:47:50] Ja, nicht ganz. Eines, nämlich Labyrinth, das erste von 86. Das beginnt ja bezeichnenderweise als Text-Adventure und da gibt man am Anfang den Namen und das Geschlecht ein. Aber danach dann keines mehr. Worauf ich hinaus möchte ist, das ist ein ganz grundlegender Wechsel in der Erzählperspektive, der sich aus dieser grafischen Perspektive ableitet. Die Spiele nach Kings Quest erzählen jetzt nicht mehr über dich, sondern die erzählen über jemand anderen. Bei Sierra zum Beispiel, da haben wir 81, also vor King’s Quest ja das berühmte Soft-Porn-Adventure im Portfolio und das sind die peinlichen Abenteuer von dir. Und dann 87 kommt Leisure Suit Larry und da sind es dann die peinlichen Abenteuer eines lustigen Losers namens Larry Leisure. Eigentlich gleiche Geschichte, aber auf einmal ist es eine andere Person, ein Charakter, über den hier beschrieben wird. Das ändert fundamental die Art und Weise, wie Adventures erzählt werden.
Gunnar:
[1:48:41] Ja, ab jetzt können Adventures ja Helden haben. Und das ist ja das, was an vielen, vielen Adventures uns so hängen geblieben ist. Wir erinnern uns an Guybrush, an Zak McKracken, an Sir Graham und wir erinnern uns nicht mehr daran, wer das Rätsel in Deadline gelöst hat.
Chris:
[1:48:58] Ja, also wir haben ja über Planetfall zum Beispiel schon gesprochen. Wir erinnern uns an Floyd, aber wir erinnern uns nicht an den namenlosen Fähnrich, den wir da gespielt haben.
Gunnar:
[1:49:08] Ja, also das ist schon ein wesentlicher Durchbruch, der den Adventures da gelingt, durch die Arbeit von Roberta Williams.
Chris:
[1:49:16] Ja, und das ist ein Durchbruch also in der Erzählform. Aber ich möchte auch noch dazu sagen, dass es kein Durchbruch in der Erzählung an sich ist. Also das ist ein stark visuelles Spiel, das King’s Quest. Das hat nicht so viel Text. Um genau zu sein, das besteht aus insgesamt 11.305 Wörtern in der Originalfassung. Und jetzt mal zum Vergleich, das Planetfall, das ein Jahr vorher erschienen ist, das hat 23.000 Wörter, also das Doppelte. Und selbst ein Zorg 1 von 1980 hat 14.000 Wörter.
Chris:
[1:49:45] Also das ist wahnsinnig wortkarg, denn eigentlich könnte man sagen, die Maxime hier ist Show, Don’t Tell. Nach Möglichkeit zeigt es dir halt etwas und protzt natürlich auch mit seiner Zeigefreude und seinen Animationen und erzählt dafür weniger. Und die Handlung an sich ist zwar ereignisreich, aber handlungsarm. Also da gibt es zwar lauter Momente der Dramatik, hier die Höhle des Drachen, die Konfrontation mit dem Riesen, das Versteckspiel mit der Hexe, das wir erzählt haben, der Flug mit dem Condor, aber die sind nicht durch einen Spannungsbogen verbunden und von Charakterentwicklung brauchen wir gar nicht erst anfangen. Das ist zwar Sir Graham, aber Sir Graham hat keinerlei erkennbaren Charakter und entwickelt sich auch nicht weiter, auch wenn der Ausgangspunkt der einer Heldenreise sein mag mit einer Queste und Hindernissen und der Held muss geschickt und gewitzt sein, aber da ist kein Lernprozess, da ist keine Reflexion oder sowas. Und Graham bleibt ja auch ein sprachloser Held. Also es wird zu ihm gesprochen, aber er spricht nicht. Das endet sich im Laufe der Serie dann erst mit dem dritten King’s Quest. Da wird Handlung und Charakterisierung viel relevanter. Das ist ein so großer Sprung für die Serie, dass ich auch sagen würde, ein King’s Quest 3 braucht mal eine eigene Folge und ein King’s Quest 5 auch. Und eigentlich auch fast alle außer dem zweiten Teil.
Chris:
[1:50:53] Zumindest diese beiden als große Meilensteine. Aber im ersten ist es jetzt noch nicht das große Erzählspiel. Und es ist auch noch nicht das große Spiel, das einen Thema hätte, weil vorher schon haben wir über die Märchen geredet. Das erzählt ja jetzt nicht ein Märchen, sondern das ist eine Fantasy- und Märchen-Wundertüte. Das mixt ja klassische Märchen, Lebkuchenhaus und Rumpelstielchen und sowas mit der europäischen Sagenwelt. Ein Drache ist ja keine Märchenfigur. Da sind wir ja eher im Niebelungenlied oder in Beowulf und die Brückentrolle sind eher aus dem skandinavischen Kulturkreis und sowas. Und du hast die hilfreiche Elfe und den diebischen Zwerg, das würden wir heute mit Tolkien verbinden, aber die gemeinsame Quelle ist da auch eher die europäische Sagenwelt. Und dann hast du Mythen, die eher aus dem angelsächsischen Raum kommen, wie den Hans und die Bohnenranke, das kennt man bei uns glaube ich nicht so sehr, das Märchen, aber in England, in den USA ziemlich stark. Oder die Kobolde, die Leprechauns im Spiel. Das ist ja die irische Mythologie samt der Fiedel und dem Kleeblatt.
Chris:
[1:51:48] Du hast Zitate aus arabischen Märchen. Das ist hier noch ganz dezent, aber dieser Riesenvogel, der uns da durch die Luft trägt, das ist ja eher ein klassisches Motiv aus dem arabischen Raum. Du hast biblische Motive, der Riese, der durch einen Schleuderschuss erlegt wird. Du hast den Verkleinerungspilz aus Alles im Wunderland. Das ist eher die frühmoderne Kinderliteratur. Also das ist ein Hodgepodge. Das sind lauter Versatzstücke ohne Kontext. Die sind herausgelöst aus ihren Geschichten sind ja als Symbole auch universal erkennbar. Dieser Zauberspiegel, der funktioniert auch ohne Schneewittchen und der Wolf funktioniert auch ohne Rotkäppchen. Das ist nicht mal irgendwie eine Neuinterpretation dieser Märchen, das ist kein Pastiche, keine Nachahmung, das ist einfach nur eine Collage, das ist einfach nur Versatzstücke für die eigene Spielwelt zusammengesammelt. Und das Interessante ist, finde ich, das gibt ihm aber einen ganz eigenen Stil. Das hat schon so eine märchenhafte Anmutung, jetzt nicht mehr im klassischen Sinne von einer Moralerzählung, sondern halt in diesem modernen Disney-Stil. Das ist irgendwie verspielt, das ist unterhaltsam, das ist vielgestaltig und es ist ganz grundlegend gutmütig. Das ist, glaube ich, eine ganz wichtige Beschreibung der ganzen Serie, dass die letztendlich gutmütig und wohlwollend ist, selbst in ihren dramatischen Elementen.
Gunnar:
[1:52:56] Selbst wenn es dich umbringt, ja, es ist gutmütig, das stimmt schon. Es ist insofern auch durch das Score-System und durch die Schätze, die du da finden kannst, auch wieder ein bisschen zurückgerückt an die Schatzjagd der frühen Adventures, die ja auch einfach Abenteuerschauplätze sind, wo du verschiedenste Sachen, die nicht unbedingt zusammenpassen, lösen musst. Wohingegen spätere Infocom-Adventures zu der Zeit und das schon vielfach erwähnte Deadline zum Beispiel oder auch das Planetfall ja viel stärker einen kohärenten Schauplatz haben, eine kohärente Kette von Lösungen, die was mit einer Handlung zu tun haben und nicht so sehr der Ort sind, wo hier ist der wilde Themenpark, mach mal alles. Das ist, glaube ich, auch der Tatsache hier geschuldet und das ändert sich ja dann auch noch in den späteren Kings Quest-Spielen, dass das jetzt einfach ein neues Spiel ist, wo es wirklich ums Zeigen geht, ums Grafische und man da dann auch an anderer Stelle ein paar Abkürzungen genommen hat, weil man dieser großen Zeigefreude auch nicht im Weg stehen wollte, indem man zum Beispiel noch elaborate Beschreibungen hat oder so.
Chris:
[1:54:02] Ja, und das ist damit letztendlich die neue Blaupause aus dem Stand für das Grafik-Adventure. In der Präsentation durch dieses steuerbare Sprite vor diesen Dioramen mit räumlicher Tiefe, in der audiovisuellen Gestaltung Dinge lieber zu zeigen, als sie zu beschreiben, in der Erzählperspektive, im Echtzeitablauf, dass Zug um Zug jetzt vorbei ist. Und ich finde, das erste King’s Quest experimentiert auch noch ganz wunderbar mit den Möglichkeiten, die sich daraus ergeben, indem es halt auch im Rätseldesign vielgestaltig ist. Darauf wollte ich nochmal zurückkommen mit dem Rumpelstielzchen-Rätsel. Es fällt halt so völlig aus dem Rahmen, weil es auf einmal hier dieses Logikgefrickel braucht. Aber es ist halt insofern passend, weil lauter so experimentelle Sachen da drin sind. Dieses Hexenhaus-Rätsel mit dem Versteck dich im Nebenraum passiert auch nur dieses eine Mal in dem Spiel. Dass du irgendwas anspringen musst und dich festhalten musst, passiert nur einmal. Es gibt diesen Duck-Befehl, wo man sich ducken kann. Den brauchst du überhaupt nur ein einziges Mal im ganzen Spiel, nämlich um der Hexe auszuweichen, falls sie dich anfliegt. Und das ist ja auch etwas, was du ganz leicht auf andere Weise vermeiden kannst.
Chris:
[1:55:02] Also das sind halt lauter so, lass uns mal gucken, was da jetzt geht. Lass uns mal gucken, wie ist das, ob die Hexe uns sehen kann oder nicht. Und das finden wir dann später in der Adventure-Geschichte ja teilweise auch wieder. In Baphomets Fluch, wenn du da im Museum stehst, musst du aufpassen, dass die Wache George nicht sieht, während er da Dinge macht. Oder hier, dass man halt den richtigen Moment abpassen muss, dass Timing auf einmal relevant wird. In Sam & Max, da bist du in diesem Tunnel der Liebe, in dieser Geisterbahn und musst im richtigen Moment den Max in den Sicherungskasten stecken. Oder bei Monkey Island 2, bei dem Wett-Spucken, muss man den richtigen Moment abpassen, dass der Wind da gerade weht. Das wird dann wieder und wieder aufgegriffen, mal mehr, mal weniger. Das Manövrieren im 3D-Raum, dass man da Gefahren ausweichen muss, stellt sich raus, das ist was, was Adventure-Spieler eher nervt. Ja, das macht Sierra dann einfach stur noch weiter hier jahrelang, aber die anderen, also gerade Lukas hat sagt, na, na, das machen wir mal lieber nicht, na, das geht uns auf die Nerven. Also nicht alles ist ein Winner, was hier drin ist und man kann auch nicht unbedingt sagen, dass Sierra das jetzt immer sofort verstehen würde, was gut funktioniert und was nicht, aber da sind halt doch genügend Dinge schon drin, die dann das Adventure-Genre prägen. Und mindestens mal in Sachen der alternativen Lösungswege, wir haben es schon herausgearbeitet, ist das Spiel sogar seiner Zeit weit voraus. Bei einem Maniac Mansion zum Beispiel, das erlaubt ja dann auch, das gleiche Problem auf unterschiedliche Arten und Weisen zu lösen.
Chris:
[1:56:22] Je nachdem, wen du in deinem Team hast. Aber es ist dann halt eine Lösung in dieser Situation und es gibt keinen Unterschied in Maniac Mansion zwischen einer guten oder einer schlechten Lösung. Also einer Lösung, die geht und einer Lösung, wo du noch ein Fleißsternchen bekommst. Das ist schon sehr ungewöhnlich dann in der Adventure-Geschichte und hier in King’s Quest ist es drin.
Gunnar:
[1:56:41] Also bei allem Lob muss man natürlich sagen und das kommt ja auch aus deiner Erzählung ein bisschen raus, das Spiel oder Roberta Williams hat hier so viel Innovationen drin, dass sie ihre kohärente Sprache noch nicht gefunden haben. Nein, wirklich nicht. Sondern da wird halt viel an die Wand geworfen, von dem dann einiges kleben bleibt. Und einiges dann aber auch schon, und das muss man ja erstmal schaffen mit dem ersten Spiel, zum Standard im Genre wird. Aber manches fällt auch einfach ohne zu kleben von der Wand wieder runter und wird dann vergessen oder nicht mehr gemacht. Und das ist ja auch alles legitim, aber ich finde, man versteht das Spiel viel besser. Auch in der Hinsicht, dass es in mancher Hinsicht ein bisschen ungerichtet ist und einfach viel versucht und viel einmalig macht und an vielen Stellen nicht so viel Ordnung hat, weil es halt ein Experiment ist und ein früherer Take auf etwas, was noch nie da gewesen ist.
Chris:
[1:57:34] Tja, die Prioritäten ändern sich dann auch in dem Maße, in dem zum Beispiel die King’s Quest-Spiele erzählender werden, werden sie dann linearer. Gerade diese unterschiedlichen Lösungsmöglichkeiten fallen dann weg, weil es Roberta Williams dann wichtiger wird, eine stringente Geschichte zu erzählen. Das ist ja auch einigermaßen nachvollziehbar. Das ist halt primat der Narration über die Spielmechanik in diesem Fall. Für Adventures durchaus angemessen, finde ich, diese Entscheidung. Schade finde ich es trotzdem.
Gunnar:
[1:57:59] Es wird halt auch teurer da. Je mehr du erzählst, das heißt, wenn du in einem relativ freien Spiel, das nur Animationen und Schauplätze hat, wenn du da eine abzweigende Lösung machen willst, dann machst du dir halt einfach. Brauchst du vielleicht nochmal eine andere Animation. Mehr aber auch nicht. Oder eine andere Cutscene in der Engine, schnell zusammengesetzt. Wenn du es halt in einem wirklich erzählenden Spiel machst, brauchst du ja vielleicht noch Zeilendialog, noch eine Zwischensequenz, um diese Handlungen aufzufangen. Und deswegen sehen wir ja dann in der Geschichte der Adventures zunehmend, dass solche Sachen vermieden werden, einfach wegen des Produktionsaufwands.
Chris:
[1:58:37] Das Erbe dieser Idee der Handlungsfreiheit finden wir dann in der Quest for Glory-Serie wieder von Lori und Corey Cole. Da erscheint der erste Teil fünf Jahre nach King’s Quest, also 1989. Und dieser erste Teil ist nicht nur im Szenario eine klare Anlehnung an King’s Quest mit seiner europäischen Märchenwelt, sondern das greift dann wirklich wieder den Gedanken von verschiedenen Lösungsmöglichkeiten auf und rückt die noch viel stärker ins Zentrum des Spiels. Natürlich auch deswegen, weil das ja ein Adventure-Rollenspiel-Hybrid ist. Aber nichtsdestotrotz, hier lebt dieser DNA-Strang weiter und ich denke, das ist vielleicht auch einer der Gründe, warum Quest for Glory vielen Leuten da draußen ja als mit das Beste gilt, was Sierra hervorgebracht hat in diesem Bereich.
Chris:
[1:59:19] Jetzt sind wir schon bei den Nachwirkungen und haben ja auch schon darüber gesprochen, dass es da noch eine ganze Seriengeschichte gibt. Aber wir haben ja unsere Erstehungsgeschichte vorhin an einem Punkt unterbrochen, wo das Spiel gerade erst auf den Markt kam. Da setzen wir jetzt mal mit unserer Erzählung wieder an, denn das hätte auch gut anders ausgehen können. Es hätte auch gut einen Lauf nehmen können, wo heutzutage niemand über Kings Quest sprechen würde, denn das Ganze geht erstmal nicht gut weiter.
Gunnar:
[1:59:49] Nochmal ganz kurz, das war ein teures Projekt, sicher das teuerste Spiel seiner Zeit. Es hatte am Ende zwischen 700 und 850.000 Dollar Budget und halt ein Team von sieben Entwicklern über 18 Monate. Das war für damalige Verhältnisse einfach insgesamt beispiellos. Als das Spiel dann rauskommt, am 10. Mai 1984, erhält es von der Fachpresse super Kritiken, wird gefeiert, logischerweise als neuer Standard, Spiel des Monats, wegen der vielen technischen und spielerischen Neuerungen. Alles völlig klar, das haben wir ja schon deutlich gesagt. Also ideale Voraussetzungen für einen Hit, aber der kommt nicht. Das liegt an IBM und dem PC Junior und da bitten wir nochmal Henner, uns zu sagen, was eigentlich mit dem PC Junior passiert ist.
Henner:
[2:00:34] Der PC Junior wurde ein gewaltiger Flop. Das hatte mehrere Gründe. So verstieß er ausgerechnet als IBM-Gerät gegen das heilige Kompatibilitätsgebot. Viele wichtige PC-Anwendungen wie WordStar oder Lotus 1-2-3 liefen nicht darauf. Der kleine PC ließ sich auch nicht so einfach um Steckkarten erweitern wie ein richtiger PC. Und dann war da noch die Tastatur. Der PC ist berühmt für seine fantastische, unzerstörbare Knickfedertastatur, die mit dem herrlich klickenden Klang. Der Junior hingegen hatte eine grässliche Chiclet-Gummitastatur mit viel zu kleinen Tasten und hoffnungslos unzuverlässiger Infrarotverbindung. All das könnte man einer reinen Spielemaschine vielleicht noch verzeihen, aber dafür war der PC Junior zu teuer. Das kleinere Modell mit 64 KB RAM kostete 670 Dollar und das größere mit 128 KB und das Kettenlaufwerk sogar happige 1270 Dollar. Ein C64 gab es im Jahr 84 schon ab 200 Dollar. Ohne Kompatibilitätsprobleme, dafür mit besserer Tastatur. Ja, und so konnte sich der PC Junior nicht als Heimcomputer etablieren, als richtiger, vollwertiger PC funktionierte er aber auch nicht und geriet schnell in Vergessenheit.
Chris:
[2:01:58] Als King’s Quest im Mai 1984 erscheint, da ist der PC Junior ja schon zwei Monate auf dem Markt. Aber in dieser Zeit sind seine Verkaufszahlen weit unter den Erwartungen geblieben. Sowohl den Erwartungen von IBM als auch der Öffentlichkeit, die dem schon durchaus begeistert entgegengefiebert hat. Aber als King’s Quest rauskommt, hat IBM gerade mal 10.000 PC Juniors abgesetzt. Also absolut enttäuschende Zahl. Nochmal zur Erinnerung, von ihrem Debüttitel Mystery House haben Roberta und Ken Williams 40.000 Stück verkauft. Das war vier Jahre vorher. Und beim Launch von King’s Quest ist die installierte Basis nicht mal ein Viertel davon. Und logischerweise legt sich nicht jeder PC-Junior-Besitzer in King’s Quest zu. Also IBM begegnet dem Problem mit dem schleppenden Start dann im Sommer 1984 mit einer groß angelegten Marketingkampagne. Da senken sie den Preis des Computers, da tauschen sie das Gummi-Keyboard gegen ein ordentliches aus, da bündeln sie dann Software mit dabei. Und kurzfristig wirkt das auch. Bis zum Jahresende sind dann ungefähr 250.000 PC Juniors verkauft. Aber Anfang 1985 gehen die Verkäufe dann schon wieder in den Keller und so gibt IBM den PC Junior im März 1985 genau ein Jahr nach seiner Markteinführung auf. Und er gilt ab dann als einer der spektakulärsten Flops der Computergeschichte.
Gunnar:
[2:03:16] Das ist natürlich für Sierra eine Katastrophe. Man kann das nicht anders sagen. Sie haben ja dieses ganze Geld bekommen in diesen Milestone-Payments, aber das waren die Vorauszahlungen auf zukünftige Tantiemen. Alle Erlöse am Umsatz von King’s Quest werden jetzt verrechnet gegen die geleisteten Vorauszahlungen. Das heißt, Sierra kriegt überhaupt kein Geld mehr.
Gunnar:
[2:03:36] Und dazu kommt, dass IBM für alle seine Produkte, egal ob Anwendung oder Spiel, ein einheitliches Packungsdesign gemacht hat. Das ist unfassbar. Das sind so uninspirierte, graue Plastik-Cases, auf denen im Fall von King’s Quest auch noch ein ziemlich zufällig wirkendes Artwork prangt, das eigentlich mit dem Spiel nicht viel zu tun hat, außer dass da auch ein Ritter drauf ist. Aber eher ein böser Ritter, würde ich sagen. Das sieht eher nach einem Action-Titel aus. Das hilft dem Verkauf auch nicht unbedingt. Da kann man nicht sehen, was das für ein Spiel ist. Und Sierra ist ja immer noch die Rumpffirma in Nöten, die die Nase nur knapp über dem Wasser hat. Die brauchen jetzt dringend frisches Geld.
Gunnar:
[2:04:14] Das kommt durch eine Klausel im Vertrag mit IBM. Ohne diese Klausel wäre die ganze Geschichte an dieser Stelle wahrscheinlich zu Ende. King’s Quest wäre ein obskures, kleines Spiel für eine gescheiterte Plattform und Sierra wäre nicht mehr da. Aber diese Klausel besagt, dass Sierra das Spiel auch für andere Plattformen umsetzen darf. Und, ganz wichtig, dass sie auch die zugrunde liegende Technologie für andere Projekte verwenden dürfen. Und das ist nicht, weil der Ken Williams so ein raffinierter Verhandler ist.
Gunnar:
[2:04:44] Sondern diese Klausel wollte IBM, weil die Firma war damals so groß und mächtig, dass die amerikanischen Regulierungsbehörden sie beobachtet haben unter dem Verdacht, dass sie vielleicht eine Monopolstellung haben. Und dann hatten sie Angst, als Monopol eingestuft zu werden und damit ja möglicherweise zerschlagen zu werden. Und als eine der Vorsichtsmaßnahmen, die sie dahingehend getroffen haben, haben sie bei ihren Vertragspartnern immer explizit darauf verzichtet, dass sie irgendwas exklusiv kriegen. Und so auch im Fall von Serra.
Chris:
[2:05:14] Also das ist natürlich pures Glück, aber das führt dazu, dass Sierra dann nur wenige Wochen nach dem Launch für den PC Junior, also noch im Mai, dann halt Ende Mai 1984, eine Version von King’s Quest für den normalen IBM-PC rausbringt. Und diese zweite Version, diese Portierung vom PC Junior auf den PC, die erscheint dann auch nicht über IBM, sondern das ist jetzt ein Sierra-Produkt in der typischen Sierra-Verpackung der damaligen Zeit. Also mit einem ansprechenden Logo und einem Cover-Artwork. Da sieht man jetzt zwar keine Figur mehr drauf, sondern so eine Schatzkiste und Artefakte. Aber das sieht schon mal viel mehr nach Fantasy-Märchenwelt und Abenteuer aus. Das Handbuch ist dann auch erweitert. Da ist jetzt eine stimmungsvollere kurze Hintergrundgeschichte drin, die von der Autorin Anna Giles stammt. Also das ist schon mal eine bessere Packung sozusagen.
Chris:
[2:06:03] Aber auch das ist noch nicht der große Wurf, weil da gibt es eine technische Hürde. Bei dieser ersten PC-Version, die unterstützt nämlich nur den Composite-Modus der CGA-Karte, das, was wir vorhin beschrieben hatten. Also die funktioniert nur, wenn du deinen PC an einen Fernseher angeschlossen hast über den Komposit-Ausgang. Dann sieht man das Spiel in ähnlicher Pracht, wie das auch auf dem PC Junior gedacht war, in den 16 Farben. Das war Sierra sicher wichtig. Aber auf einem normalen RGB-PC-Monitor sieht es dann scheiße aus. Und die meisten PC-Besitzer haben keinen Fernseher an ihrem Rechner hängen. Insofern erreicht dieser Release also eigentlich auch nur eine Nische des PC-Markts.
Chris:
[2:06:42] Sierra reagiert darauf, die arbeiten dann im Update und im August erscheint dann eine neue Version, die jetzt auch den CGA-Modus, die vier Farben des PC-XD unterstützt. Dann ist das natürlich eine Version, die längst nicht mehr diese grafische Pracht hat, des IBM PC Junior, vom Sound gar nicht zu sprechen. Da haben wir nur noch den PC-Speaker, das ist also unterirdisch. Aber wenigstens läuft das Spiel jetzt mal auf einer Plattform, die eine größere Reichweite hat als der PC Junior.
Chris:
[2:07:12] Aber trotz dieses PC-Releases bleiben die Einnahmen für das Jahr 84 weit unter den Erwartungen.
Chris:
[2:07:19] In der Zwischenzeit ist es Sierra gelungen, einen Vertrag mit Disney abzuschließen. Passenderweise, wir haben ja gerade schon über die Anlehnung an den Disney-Stil gesprochen, da geht es um Lernspiele für Kinder. Und um überleben zu können, verlagert Sierra dann vorübergehend die Produktion und den Fokus auf diese Disney-Auftragsarbeiten. Und dafür nutzen sie die AGI-Engine von King’s Quest, was zum Glück, ja, wir erinnern uns an diese Klausel, möglich ist.
Gunnar:
[2:07:42] Im November 1984 kommt dann der Tandy 1000 auf den Markt. Das ist ein Heimcomputer der Tandy Corporation. Das ist die Mutter der Ladenkette Tandy Radio Shack. Der ist voll IBM-kompatibel. Technisch bietet dieser Tandy 1000 die gleichen Grafik- und Soundfähigkeiten wie der PC Junior, 16 Farben und 3 Kanalton, aber mit einer normalen IBM-komplatiblen Tastatur, mit besserer Erweiterungsmöglichkeit und zu einem günstigeren Preis. Quasi der bessere PC Junior. Und dank RadioShacks landesweitem Vertriebnetz ist das Ding auch deutlich erfolgreicher als der PC Junior. Bereits im ersten Monat übertrifft er alle früheren Verkaufsrekorde von Tandy-Produkten. Und Tandy ist ja kein kleiner Player auf dem Computermarkt. Und Kenny Williams hat das vorausgeahnt. Der fliegt 1984 persönlich nach Texas und sichert sich in Meetings mit dem Tandy, CEO John Roach, das Recht, King’s Quest als Vorzeigespiel auf dem Tandy 1000 zu platzieren. Und Tandy lizenziert King’s Quest und verkauft ab Anfang 1985 spezielle Diskettenversionen davon im eigenen Radiocheck-Filialnetz. Und durch diese Partnerschaft, jetzt gehen endlich die Verkaufszahlen von King’s Quest in die Höhe. Und Sierra hat endlich auch kommerziellen Erfolg mit dem Spiel, der ihnen bisher versagt geblieben ist.
Chris:
[2:09:06] Ist lustig, weil da ist King’s Quest jetzt zum zweiten Mal Launch-Titel und Killer-Application für die Plattform. Nur dieses Mal erfolgreich.
Gunnar:
[2:09:12] Ja, erstaunlich, nicht? Dass Tandy die IBMs jetzt bei ihrem eigenen Spiel schlägt.
Gunnar:
[2:09:17] Aber so ist es. Tandy macht jetzt dieses Spiel groß. Und dann macht Sierra auch weiter. Sie portieren King’s Quest auf andere populäre Computersysteme. Es kommt im Oktober 1984 noch eine Umsetzung für den Apple IIe IIc. Und der neue Apple IIc ist jetzt auch mit 128 KB RAM ausgestattet. Er füllt damit auch die Anforderungen des Spiels. Wir erinnern uns, das war ja für die 128 KB RAM des PC Junior programmiert. In den folgenden Jahren kommt dann King’s Quest auch noch auf den Amiga und den Atari ST. Da sind wir dann schon im Jahr 1996.
Gunnar:
[2:09:50] Und um auch PC-Nutzern der neueren Generationen gerecht zu werden, veröffentlicht Sierra dann im November 86 eine aktualisierte Version mit Unterstützung für die hochmodernen EGA-Grafikkarten. Erstmals können jetzt IBM-PC-Besitzer mit EGA und 256 KB RAM das Spiel in 16 Farben genießen, so wie es gemeint war. Und diese EGA-Fassung dient halt auch als Basis für die Amiga- und ST-Version.
Chris:
[2:10:19] Wenn man heutzutage das alte Kings Quest noch mal spielt, im Internet sucht und spielt, dann ist das in der Regel diese EGA-Fassung. Also schon die Neuauflage. Die originale Version von 84 selbst, die für DOS-PCs. Erstens sind das Booter, also die starten gar nicht von DOS, sondern da legt man die Diskette ins Laufwerk und das bootet dann von selbst. Das ist also schon mal eine kleine Emulationshürde. Und zweitens ist insbesondere diese 16-Farben-Lösung, also entweder über den PC Junior oder über CGA Composite, in Emulatoren gar nicht so leicht herzustellen. Und man muss es auch erst mal finden, so eine ursprüngliche Version. Also wer die authentische 84er-Erfahrung machen möchte, der hat ein bisschen Arbeit. Aber es tut natürlich auch die EGA-Erfassung, die viel leichter zu bekommen und zum Laufen zu kriegen ist heutzutage. Die ist aber inhaltlich an einigen Stellen verändert. Zum Beispiel, wir hatten es ja schon erwähnt, das Bohnenstangenklettern ist überhaupt kein Spaß mehr in dieser Version. Und das ist nur eine der Veränderungen.
Chris:
[2:11:15] Aber wie sagt man so schön, der Rest ist Geschichte.
Chris:
[2:11:18] Also King’s Quest und der Erfolg von King’s Quest legt dann den Grundstein für eine ganze Reihe von Adventure-Hits von Sierra. Insbesondere diese AGI-Engine, die wird ja dann zur technischen Grundlage von den restlichen Sierra-Adventures der 80er Jahre, fast allen, bis dann die Nachfolge-Engine SCI kommt Ende der 80er. Und da entstehen dann Serien wie Space Quest, Clasher Satellary, Police Quest, Quest for Glory und das sind allesamt Spiele, die große Erfolge und ja auch langanhaltende Reihen dann werden. Und natürlich ist für die Firma Sierra Kings Quest auch der symbolische und wirtschaftliche Wendepunkt. Vorher standen sie vor der Pleite, jetzt geht es ihnen wieder gut und das bringt nicht nur Geld, das bringt auch Prestige. IBM hat das natürlich letztendlich bewirkt. Als Geldgeber waren die da die helfende Hand, haben davon nicht profitiert am Ende, aber das ist ihre eigene Schuld durch das Verbaseln des PC Juniors. Und es war dann der strategische Deal mit Tandy von Ken Williams, der dann den Weg für den geschäftlichen Erfolg geebnet hat. Und die Einnahme aus diesen King’s Quest-Verkäufen über Radio Shack, die lassen Sierras Umsatz ab 1985 dann kontuierlich wachsen und markieren, so hat es Ken Williams später mal zu Protokoll gegeben, den Beginn von 15 Jahren ununterbrochener Profitabilität für das Unternehmen.
Gunnar:
[2:12:40] Und die Serie selber etabliert sich dann als dauerhafte Adventure-Marke. Bis 1987 verkaufen sie von den ersten drei Teilen über 500.000 Stück zusammen mit King’s Quest V. Aus dem Jahr 1990 durchbricht Sierra dann erstmals die Schwelle von einer halben Million verkauften Exemplaren. Das ist eins der meistverkauften PC-Spiele seiner Zeit. Bis Mitte der 90er entstehen sieben Fortsetzungen der Reihe. Zusammengerechnet werden nahezu zehn Millionen King’s Quest-Spiele verkauft. Damit spielen sie schon bei den ganz Großen mit. Und dieser Erfolg begründet auch den Ruf von Roberta Williams als eine der erfolgreichsten und einflussreichsten Spieldesignerinnen aller Zeiten. Sie hat nämlich mit King’s Quest ein Genre-Standardwerk geschaffen, das die Messlatte für Adventure-Spiele ein Jahrzehnt lang bestimmte. Und das muss man ja erstmal machen.
Chris:
[2:13:33] Ja, das ist eine bemerkenswerte Leistung. Ja, ich denke auch für uns bei Stay Forever, Gunnar, kann das nur der Auftakt zu weiteren Besprechungen von King’s Quest und Sierra-Spielen sein. Jetzt, wo ich dir eine Würdigung abbringen konnte von dieser Leistung. Ich mag das erste King’s Quest sehr, aber mein absoluter Liebling der Reihe ist der dritte Teil. Das hatte ich ja vorhin schon angedeutet. Also mindestens den werde ich, da werde ich die so lange bearbeiten, bis wir den auch irgendwann mal besprechen. Aber es hat noch Zeit.
Gunnar:
[2:14:03] Ja, jetzt müssen wir erstmal wieder was anderes machen.
Chris:
[2:14:05] Jetzt müssen wir erstmal wieder drei LucasArts Adventures besprechen, wenn wir überhaupt noch so viele zusammenkriegen, damit das wieder ausgeglichen ist.
Gunnar:
[2:14:11] Ja, genau.
Chris:
[2:14:15] Na gut, okay, ich beuge mich gerne diesem Schicksal. Es sind ja nun wirklich alles schöne Spieler. Aber ich bin doch sehr froh, dass wir jetzt endlich nach dieser langen Zeit King’s Quest gewürdigt haben.
Gunnar:
[2:14:24] Ja, also ich bin auch froh, muss ich jetzt ehrlich mal sagen.
Chris:
[2:14:27] Schön, das freut mich sehr.
Gunnar:
[2:14:28] Ich sagte ja schon, das war eine richtige Lücke. Und was ist denn das für ein Spiel? Der Hammer. Vielen Dank. Wahnsinn, Christian.
Chris:
[2:14:35] Gut, hoffe ich, dass wir euch, ihr liebe Zuhörende, ein bisschen überzeugen davon könnten, was für eine Bedeutung das Spiel hatte.
Chris:
[2:14:41] Und vielleicht will der eine oder andere von euch oder die eine oder andere von euch es ja doch noch mal nachholen. Das kann man immer noch ganz gut spielen. Wie gesagt, in der EGA-Fassung, das tut nicht weh.
Gunnar:
[2:14:51] Genau, es gibt eine Version auf GOG. Da gibt es mehrere Bundles. Die Spiele 1 bis 3 sind zusammen in einem Bundle. Das kriegt man für relativ kleines Geld und kann das auch gut noch spielen. Und das ist dann auch die schöne Version und nicht die schauderhafte CGA-Version.
Chris:
[2:15:05] Ja, aber wie gesagt, es gibt auch noch mal ein Remake von 1990. Das heißt dann King’s Quest I, Quest for the Crown. Das hat einen Untertitel bekommen, rückwirkend. Das ist auch nur ein EGA-Spiel. Also das ist grafisch schon noch mal ein deutlicher Schritt im Vergleich zu vorher, aber jetzt noch nicht so sehr, wie das im gleichen Jahr erschienene King’s Quest V. Und ich kann das explizit nicht empfehlen, dieses Remake. Das ist nicht die Version, die man spielen sollte. Von daher mit der EGA-Fassung von 86, 87, da liegt man richtig.
Gunnar:
[2:15:33] Ja, genau.
Chris:
[2:15:34] Gut.
Gunnar:
[2:15:34] Stimme ich dir zu, ausnahmsweise.
Chris:
[2:15:36] Alles gut. Sehr gut.
Gunnar:
[2:15:37] Dann vielen Dank fürs Zuhören euch und bis zum nächsten Mal.
Chris:
[2:15:40] Bis dann. Tschüss.
Wow! ENDLICH kann ich diese Wissenslücke schließen!
Ich bin schon sehr gespannt!
Vielen Dank!
Was musste Chris denn tun, damit Gunnar ein Sierra Adventure bespricht? Ein Ziege opfern? Versprechen dass Gunnar die nächsten 100 Folgen entscheiden darf?
Auf jeden Fall mega cool!
Nochmal Alpha Centauri besprechen…und zugeben das es das bessere Civi ist?
Ist das eigentlich identisch zur Steam Version von 2015?
Großartig! Zum einen natürlich, weil endlich mal wieder ein Sierra-Spiel behandelt wird. Zum anderen aber auch, weil es DAS Sierra-Spiel ist. Es war nicht das erste Adventure der Firma, aber es hat so viele Sachen erstmals gemacht. Und vermutlich Sierra On-Line gerettet. Das können die wenigsten Spiele von sich behaupten.
Natürlich ist es heute zäh und unansehnlich. Damals war es ein Meilenstein.