Chris:
[0:24] Hallo Gunnar.
Gunnar:
[0:25] Oh, hallo Christian.
Chris:
[0:26] Gunnar, es ist der Mai des Jahres 1616.
[0:29] Und aus dem Hafen der englischen Siedlung Saint Kitts auf den kleinen Antillen segelt eine Schaluppe.
Chris:
[0:34] Am Mast flattert die englische Fahne. An Bord befindet sich 40 Mann und ein frisch gekürter junger Kapitän, Mr. Stay Forever,. Der war vor ein paar Monaten Plantagenarbeiter, ist dann geflohen, hat sich ner Bande Piraten angeschlossen. Es gab eine Meuterei und da hat er seine Chance ergriffen, den bisherigen Kapitän im Fechtkampf zu schlagen. Und jetzt hat die Mannschaft ihm die Treue geschworen, denn sie haben ein gemeinsames Ziel, Abenteuer und Reichtum hier in der neuen Welt zu finden. Eine straffe Brise aus Osten bläht die Segel, die Sonne glitzert auf dem blauen Meer. Und jetzt stellt sich die Frage, wohin soll es gehen? Sollen wir nach Nordwesten segeln, zur Insel Puerto Rico, um da vor dem spanischen San Juan zu kreuzen und ein paar fette Handelsschiffe abzufangen? Oder fahren wir nach Süden, nach Guadeloupe, um zu schauen, ob der dortige französische Gouverneur uns einen Kaperbrief ausstellt? Oder sollen wir rüber zur niederländischen Stadt Saint-Eustatius auf der Nachbarinsel, wo vielleicht gerade günstige Waren aus Europa angekommen sind? Die könnte man dann in den wohlhabenden Städten in Neu-Spanien einschmuggeln und dort teuer verkaufen. Was sollen wir machen?
Gunnar:
[1:36] Dann fahre ich in die spanisch besetzten Gebiete.
Chris:
[1:39] Sehr gut. Auf dem Weg dahin meldet unser Ausguck ein Schiff in Sicht. Eine Barque. Das ist eins von diesen typischen Allzweckschiffen der Ära, ein Dreimaster. Die Barque ist deutlich größer als unsere Schaluppe, ein bisschen schwerfälliger. Wahrscheinlich ist es ein Transportschiff, vielleicht auch ein Kriegsschiff. Bis zu 128 Mann kann so eine Barque tragen. Das wäre deutlich mehr als unsere Schaluppe. Und die kann mit bis zu 16 schweren Kanonen bestückt sein. Und wir sehen, das Schiff ist spanisch beflaggt.
Spielsound:
[2:06] Was sollen wir machen?
Chris:
[2:07] Weiter segeln oder angreifen?
Gunnar:
[2:09] Ha, das greifen wir an.
Chris:
[2:11] Natürlich greifen wir an.
Gunnar:
[2:12] Fetter spanischer Händler.
Chris:
[2:14] Und aus der Nähe stellt sich dann raus, gerade mal fünf Kanonen hat die Barque und wir sehen 18 Mann Besatzung. Was meinst du, sollen wir sie erstmal sturmreif schießen oder direkt Kurs zum Enten setzen?
Gunnar:
[2:25] Das ist eine sehr individuelle Entscheidung, die sorgfältig abgewogen sein muss. Ne, ich schieße erstmal.
Chris:
[2:31] Sehr gut, weil sicher ist sicher und der Wind steht günstig. Deshalb drehen wir uns schneller als unser Gegner. Die Breitseite ihm zu und zerfetzen dann mit einer Salve aus unserer 8 Kanonen direkt die Takelage. Und zwei Mann gehen mit über Bord.
Spielsound:
[2:44] Die Barque versucht sich zur Flucht in den Wind zu drehen.
Chris:
[2:47] Aber mit beschädigten Segeln hat sie keine Chance. Wir holen sie ein und entern.
Chris:
[2:52] Wir springen mit unseren Mannen an Bord und während die beiden Besatzungen sich erbittert bekämpfen, hechten wir auf den spanischen Kapitän zu und stellen ihn im Fechtkampf.
Spielsound:
[3:01] Welche Waffe haben wir mitgenommen?
Chris:
[3:02] Den Degen, das Schwert oder den Säbel?
Spielsound:
[3:05] Den Degen.
Chris:
[3:06] Eine gute Wahl, das ist eine leichtere und schnelle Waffe, mit der wir zustechen können, während der Gegner noch ausholt und entsprechend schnell ist das Duell vorbei.
Spielsound:
[3:14] Wir schlagen dem Spanier die Waffe aus der Hand.
Chris:
[3:16] Er sinkt auf die Knie, die Hände erhoben.
Spielsound:
[3:18] Der Rest seiner Mannschaft ergibt sich.
Chris:
[3:21] Das Schiff gehört uns. Jetzt wird Beute gemacht. Unter Deck finden wir 16 Tonnen Zucker von den spanischen Plantagen. Das ist ein hochbegehrtes Gut in Europa. Diese Tonnen werden in der nächsten Stadt einen ordentlichen Preis erzielen. Und außerdem plündern wir 1200 Goldstücke und Nahrungsmittel. Aber was soll mit der Barque passieren, Gunnar? Nehmen wir die mit oder versenken wir sie?
Gunnar:
[3:41] Die Barque nehmen wir mit.
Chris:
[3:42] Ja, selbstverständlich. Wir verstärken unsere Flotte und das erlaubt uns, mehr Mannschaft anzuhören, um größere Ziele anzugreifen, mehr Beute zu transportieren.
Chris:
[3:50] Ich würde sagen, das war ein hervorragender Auftakt. Die Mannschaft feiert mit reichlich Rum bis spät in die Nacht.
Spielsound:
[3:55] Aber die Freude ist natürlich trügerisch, denn das Leben als Pirat ist ein sehr gefährliches.
Chris:
[4:01] Und unser Kapitän Stay Forever, der steht ja erst am Anfang seiner Karriere. Der wird noch auf dem karibischen Meer gegen Sturmfronten ankämpfen. Der wird beim verwegenen Angriff auf die Stadt Campeche 400 Mann verlieren. Der wird vor Kuba vor Piratenjägern fliehen. Aber er wird auch die Silberflotte überfallen, er wird seine verschleppte Familie befreien und im Dienst der englischen und der französischen und der holländischen Krone zu Ruhm und Wohlstand kommen. Und wie das alles funktioniert und warum das nicht nur ein halben Spaß ist, sondern auch einer der ganz großen Meilensteine der Spielegeschichte.
Spielsound:
[4:34] Das erzählen wir heute.
Gunnar:
[4:41] Wow, wir sind ja schon fertig. Wir sind ja schon einmal durchs Spiel gelaufen jetzt, Christian.
Chris:
[4:46] Ja, das ist die kürzeste Folge ever. Dabei gab es ja schon mal eine sehr kurze Folge zu Pirates.
Gunnar:
[4:50] Ja, wir haben in der Folge 5 schon mal über Pirates geredet und wir reden ja immer so über die alten Folgen, wie man über die bucklige Verwandtschaft redet. Wir erwähnen sie nicht mehr so oft und denken, naja, wenn sie weg wären, wäre es auch nicht so schlimm. Folge 5 ist eine ganz launige Folge mit relativ wenig Informationsgehalt, wo wir die ganze Zeit über die iPad-Version reden, erstaunlicherweise. Und du aber schon ein oder zwei von deinen typischen Vorurteilen gegen das Spiel bringst, über die auch heute wahrscheinlich noch zu reden sein wird, falls du deine Meinung nicht grundlegend geändert hast. Da schauen wir mal. Es wird jetzt alles auf Null gesetzt. Diese Folge macht alles neu. Alles, was wir damals falsch gemacht haben, wird jetzt besser.
Chris:
[5:30] Da bin ich ja mal gespannt. Sondern wir haben uns ja vorgenommen, einmal im Jahr eine alte Folge neu zu machen. Das ist jetzt das dritte Mal, dass wir das tun. Und wir haben auch dieses Mal abstimmen lassen darüber, unsere Unterstützenden. Und Pirates hat gewonnen vor Ultima 7 und noch ein paar anderen Spielen, die zur Wahl standen. Also stürzen wir uns wieder ins Karibik-Abenteuer.
Gunnar:
[5:49] Gott sei Dank. Das war knapp. Fast wäre es Ultima 7 geworden.
Chris:
[5:53] Ja, ich hatte sehr natürlich auf Ultima 7 gehofft. Aber am Ende freue ich mich auch riesig darüber, dass wir noch mal über Pirates reden. Also alles gut. Das war eine Wahl zwischen lauter guten Sachen, logischerweise.
Gunnar:
[6:04] Ja, das ist immer so bei unseren Abstimmungen für die Remake-Folgen, weil das sind ja alles hochklassige Themen.
Gunnar:
[6:09] Ja gut, so Christian, dann steigen wir mal ein. Ich nehme an, jeder weiß, was Pirates für ein Spiel ist, aber sicherheitshalber sagen wir es nochmal. Das ist ein Spiel von 1987 von Microprose Software. Das hat entwickelt der legendäre Sid Meier, der hat das Design gemacht und das ist ein große Teile der Programmierung. Das ist 1987 zuerst für den Commodore 64 erschienen, später auch noch für andere Plattformen. Wahrscheinlich hast du es auf dem PC gespielt, da musst du dann später davon erzählen, wie schlimm das war.
Chris:
[6:38] Ich hab’s auf dem C64 zuerst gespielt, aber später auch auf dem PC.
Gunnar:
[6:42] Ah, das ist ja mal selten. Hast du es bei deinem Freund Michael gespielt?
Chris:
[6:45] Bei meinem Freund Michael natürlich, wo auch sonst?
Gunnar:
[6:49] Sehr schön. Und Pirates, was ist das für ein Spiel? Das ist ein Genre-Mix, würde man vielleicht heute modern sagen. Es hat Strategie-Elemente, Action-Elemente, vielleicht sogar Rollenspielelemente. Die Packung damals ist sich auch nicht genau einig, wie sie das Spiel beschreiben soll. Die sagt, dieses Spiel würde die Aufregung von Arcade-Action, die Entscheidungsfindung von Simulationen und die interaktive Storyline eines Text-Adventures verbinden. Na, meine Herren, ey. Da sind sie mal hoch reingegangen.
Chris:
[7:20] Das ist mal eine Menge zusammengeworfen. Im Handbuch selbst wird es als Action-Simulation beschrieben, also egal wo man schaut, das ist immer ein klein bisschen anders.
Chris:
[7:29] Heutzutage würde man vielleicht das Label Sandbox-Spiel draufkleben können,
Chris:
[7:34] aber diese Art von Spiel, wo du eine Art Karriere in einer semi-offenen Welt machst, in diesem Fall als Pirat in der Karibik, das ist jetzt nicht ganz neu. Also wir haben zum Beispiel bei Stay Forever ja schon über Elite von 1984 gesprochen oder 1986, also ein Jahr vor Pirates kam Starflight raus. Das ist prinzipiell schon das Gleiche. Du hast eine offene, große Spielwelt und kannst darin Handel treiben, schlägst da in Gefechte, gibt sogar Piraten und Kopfgeldjäger und sowas in Elite. Also von daher gibt es vergleichbare Dinge. Aber Pirates macht eine ganze Reihe von Sachen neu und nicht zuletzt ist einer der ganz wesentlichen neuen Punkte an Pirates, dass das jetzt eine konkrete Ära der Menschheitsgeschichte als Basis nimmt. Also das ist die Fantasie von dem abenteuerlichen Piratenleben verzahnt mit historischen Tatsachen. Das Handbuch sagt auch, ich zitiere das hier mal kurz, deine Spielhandlungen basieren darauf, wie Menschen sie wirklich getan haben. Wie in jeder Micropore-Simulation erzeugt auch hier die ausführliche Recherche zu den Details der Orte, Menschen, Schiffe und Kämpfe einen nie dagewesenen Realismus. Pirates erweckt eine abenteuerreiche vergangene Ära zum Leben.
Chris:
[8:43] Zitat Ende. Und vielleicht fangen wir hier mal an. In welche abenteuerreiche Ära versetzt uns Pirates denn?
Gunnar:
[8:51] Wir sind hier in der Karibik im 16. bis 17. Jahrhundert und man kann interessanterweise eine Epoche wählen und von der Wahl der Epoche, das ist eine der Entscheidungen, die man am Anfang des Spiels trifft, hängt ab, wie die politische Situation und die wirtschaftliche Situation in der Spielwelt ist, in der man gleich spielt. Es gibt frühe Epochen, da fangen wir im Jahr 1560 an, da sind die Spanier sehr mächtig, denen gehört die halbe Karibik, die anderen Kolonialmächte, die hier vorkommen, nämlich die Niederlande, England und Frankreich, die haben bloß kleine Kolonien, da ist nicht so viel los bei denen und dann geht es in Abschnitten bis zu späteren Epochen 1660, 1680, da sind die anderen Nationen mächtiger geworden auf Kosten Spaniens. Und diese Epochen, die man da wählt, die beeinflussen nicht nur die politischen Voraussetzungen für das Spiel, sondern auch damit den Schwierigkeitsgrad, weil es gibt nämlich schwierigere und leichtere Epochen. Und es schreibt natürlich die Technologie fest zu der Zeit, weil den Epochen sind Schiffe zugeordnet. Also man kann nicht alle Schiffe in jeder Epoche spielen.
Chris:
[10:01] In der Anfangszeit, also um 1560, da sind die Spanier so dominant, dass wenn du da als einer der anderen Nationen spielst, man kann sich ja entscheiden, für welche Nation man ins Spiel starten möchte. Auch die Spanier übrigens, dann ist man aber immer ein spanischer Abtrünniger, gehört also nie zur Krone selbst. Weil die Spanier da so dominant sind, bist du da im Prinzip durchgehend ein Feindesland in der Karibik. Das macht es natürlich viel schwieriger als die Standard-Epoche, das ist das Jahr 1660, weil da ist die Karibik schon stark fragmentiert. Da haben alle Nationen ihre Teile von diesem Kolonialreich da rausgeschnitten und die springen sich ständig gegenseitig an die Gurgel. Das ist also eine wilde Zeit und jede Menge Gelegenheit für Freibeuter.
Gunnar:
[10:41] Diese Nationalitätswahl ist grundsätzlich ein bisschen kosmetisch, weil du für alle Nationen arbeiten kannst. Aber wie du schon sagst, wenn du Spanisch wählst, dann bist du in der Regel ein spanischer Abtrünniger. Das heißt, die Spanier sind eigentlich immer die Antagonisten in diesem Spiel. Und ob du gegen die anderen Nationen auch kämpfen willst, das hängt vom Spielverlauf ab. Das sieht man dann. Und von der Nationalität hängt ab, wie du am Anfang ausgerüstet bist.
Chris:
[11:05] Das Spiel liefert eine Art von erzählerischen Rahmen, der sich grob an der historischen Realität orientiert. Also wenn du zum Beispiel im Jahr 1560 als Franzose startest, dann bist du ein Corsar. Dann gibt es so eine kurze Vorgeschichte, die erzählt, dass du halt als Aristokrat aufbrichst, um Schätze zu jagen da im Feindesland. Und wenn du im Jahr 1620 auf französischer Seite startest, dann wiederum ist die Rahmenhandlung, dass du ein Huguenotte bist, also ein Protestant im katholischen Frankreich, der dort fliehen muss, weil Kardinal Richelieu dort religiöse Säuberungen durchführt gerade. Und wiederum 20 Jahre später, 1640, startest du als französischer Freibeuter. Also die Ausgangslage ändert sich auf einer erzählerischen Ebene, was aber de facto für den Start des Spiels keinen so großen Unterschied macht.
Gunnar:
[11:51] Wenn du 1660 als Holländer beginnst, dann bist du ein Händler, weil die Holländer sind ja die Händlernation und dann fängst du aber auch mit mehr Gold an und mehr Essen als zum Beispiel, wenn du der spanische Abtründiger bist im gleichen Jahr. Also es hat schon noch eine kleine Auswirkung auf dein Startsetup, aber kein großes. Und ich habe schon gesagt, die Spanier sind oft die Antagonisten. Die Mechanik bei der Piraterie ist, dass du ja nicht nur für dich kämpfst, um Leute auszurauben und damit reicher zu werden und dein Glück zu machen, sondern dass du auch oft für ein Land kämpfst. Ich habe immer als Holländer gespielt, wenn ich das irgendwie machen konnte und dann habe ich einen Kaperbrief des holländischen Gouverneurs geholt und habe dann bevorzugt gegen alle gekämpft, die mit den Holländern verfeindet waren, weil das ist ein Karrierepfad, weil du dann von den Holländern belohnt wirst dafür und so kannst du das auch für die anderen Nationen machen.
Chris:
[12:36] Genau. Also dieser Start in die Piratenkarriere in diesem weit mehr als 100 Jahre umfassenden Zeitraum spielt aber immer in der Karibik. Und in der Karibik heißt in diesem Fall, dass wir hier in einem Spiel unterwegs sind, das uns diesen geografischen Raum als eine offene und frei zugängliche Welt präsentiert. Es ist also nicht so, als ob man jetzt von, wenn man zum Beispiel wie in unserer Geschichte in St. Kitts als Engländer startet, dass man dann irgendwie eine begrenzte Auswahl hätte, wo es als nächstes hingeht, sondern dann hast du diese Karibik als eine Reisekarte offen vor dir. Das Schiff sticht in See und man steuert dieses kleine Schiff auf dem Karibischen Meer und kann dann entscheiden, wo man hin möchte. Es ist sogar weit mehr als das Karibische Meer. Dem Spiel liegt in der Packung eine Karte bei, eine ausklappbare Poster, große Karte, The Spanish Main 1560 to 700 beschrieben, also die spanischen Besitzungen in Amerika. Und das zeigt die Spielwelt. Das ist die Region zwischen Nord- und Südamerika auf der atlantischen, also der östlichen Seite. Und da ziehen sich die karibischen Inseln wie an einer langen Kette von Florida in einem Bogen hinunter bis nach Venezuela in Südamerika. Und da gehören dann die großen Inseln dazu, sowas wie Kuba oder das damalige Hispaniola. Das sind heute die Dominikanische Republik und Haiti, Puerto Rico, Jamaika und so weiter. Und im Osten haben wir dann diese Perlenschnur von vielen kleinen Inseln, Montserrat, Barbados, Granada und so weiter.
Chris:
[13:57] Und im Süden wird diese Spielwelt begrenzt durch die Nordküste von Südamerika. Das ist das spanische koloniale Kernreich Mittelamerika und Südamerika. Das ist da, wo die Spanier sich hauptsächlich eingenistet haben. Da sind die fetten Küstensiedlungen. Alles, was sie aus dem Süd- und Mittelamerikanischen Reich auch rausziehen an Ressourcen, das ganze Gold, das Silber und so weiter, wird dann an die Küstenstädte transportiert, um von dort nach Europa rüber geschippert zu werden. Und zwischen diesen Inselketten und eben der südamerikanischen Küste, da liegt die Karibische See, das ist das zentrale Meer im Spiel. Rund um dieses Meer ist am meisten los, da gibt es mit Abstand auch die meisten Siedlungen, egal in welcher Ära man spielt. Und dann geht es aber nach Westen auch noch weiter, das Spielgebiet in den Golf von Mexiko. Also da sieht man schon auch noch die nordamerikanische Küste und Florida und so weiter. Da ist allerdings nicht so wahnsinnig viel los. Das ist so ein bisschen vergleichbar mit, wenn wir in einem Weltraumspiel wären, mit den Außenwelten. Ja, dieser Bereich, wo man eigentlich nicht hin will, weil da ist es groß und weit und ist nicht so richtig viel los, aber das Spiel setzt manchmal ein paar Anreize, um doch dorthin aufzubrechen.
Gunnar:
[15:00] Das ist eine Spielwelt, die ist ja gemacht als Spielwelt, aber basierend auf der realistischen Geografie. Und das ist ein bisschen Fluch und Segen. Man kann auch die Karte aus dem Spiel wegwerfen und den Dirke-Welt-Atlas benutzen. Oder, weil man vielleicht gar keine Karte hat, weil man die verloren hat oder so, kann man damit navigieren. Das geht also auch. Mit einer normalen Karte kommt man im Spiel gut klar. Aber das führt auch dazu, dass es, wie du eben schon sagst, interessante und uninteressante Teile gibt. Und dieser Teil der Karibischen See, also südlich von Kuba bis hin zur Küste von Südamerika und an der rechten Seite im Osten begrenzt von diesen Inselketten, das bildet so ein kleines Becken, in dem die Wege kurz sind und in dem du dich auch nicht gut verfahren kannst. Was echt ein ganz guter Punkt ist, weil wenn du da einfach von Curaçao nach Osten segelst, also Curaçao liegt im Süden, nach Osten segelst, dann wirst du schon auf irgendeine Insel treffen und nicht irgendwie im offenen Meer auf dem Atlantik enden und untergehen. Das heißt, da kannst du dich ganz gut bewegen, da muss man auch nicht ständig auf die Karte gucken. Wenn man diesen Bereich verlässt, dann kommen große Wasserflächen, die mühsam zu überqueren sind und wo nicht viel los ist, da musst du dann schon sehr genau navigieren. Ganz rechts oben am Ende der Spielwelt ist die Insel Bermuda. Da muss man hinwollen.
Chris:
[16:15] Sag ich mal so.
Gunnar:
[16:16] Da muss man schon wissen, dass da ein Pirat wohnt, den man irgendwie fangen muss für irgendjemanden. Das ist kein Ort, den du normal besuchst im Spiel.
Chris:
[16:25] Wenn man jetzt hier auf der Karte unterwegs ist, gibt es ja Elemente von Echtzeit und von Management, denn zum Beispiel läuft die Zeit weiter. Also in echt haben solche Reisen Wochen bis Monate gedauert und das ist im Spiel genauso. Also es gibt einen Zeitablauf, wir werden auch gleich noch drauf kommen, inwiefern es relevant ist und je nachdem, wie groß unsere Mannschaft ist, mit wie vielen Schiffen wir unterwegs sind, denn wir können auch eine ganze Flotte mit dabei haben, verbrauchen die auch Nahrung. Das heißt, so sukzessive wird der Nahrungsvorrat, den wir dabei haben, immer weniger. Reisen sind also begrenzt, sie sind zeitlich begrenzt, sie sind durch die Stimmung der Mannschaft begrenzt, weil wenn man monatelang unterwegs ist, ohne dass was passiert, dann werden die auch irgendwann unruhig und es ist begrenzt durch den Nahrungsvorrat. Man muss so ein paar von diesen Variablen im Auge behalten, was auch wieder dazu führt, dass die Entscheidung, wenn man jetzt aus einem Hafen ablegt, die Frage, die sich einem immer wieder stellt, die ist, was mache ich denn jetzt, was habe ich jetzt als nächstes vor?
Gunnar:
[17:15] Du musst deine Reisen schon planen. Also dieses einfache Rumfahren und hoffen, dass du irgendjemanden findest, den du überfallen kannst, kannst du schon machen. Aber ganz viele der Aspekte, die hier auf dich wirken als Spieler, die deine Spielerfahrung beeinflussen, kommen in irgendeiner Form komplexer oder weniger komplex aus der realen Welt. Wir haben ja schon das für die Geografie gesagt. Es gibt aber zum Beispiel auch Wind vor allen Dingen und Wetter.
Chris:
[17:40] Und Jahreszeiten.
Gunnar:
[17:40] Und Jahreszeiten, genau. Und es gibt Kriegserklärungen zwischen Nationen und es gibt auch noch andere Piraten oder Piratenjäger. Diese Spielwelt wirkt auf dich und zwar, das ist ein großes Wort, aber schon auch so, wie man denken würde, dass sie auf einen wirkt. Das ist halt ein Gebiet, da weht der Wind in der Regel von Osten. Und das heißt, wenn du nach Westen reist in diesem Gebiet, hast du immer den Wind hinter dir und das ist viel angenehmer, als wenn du in die andere Richtung reist. Eine meiner großen frustrierenden Erfahrungen meiner verschwendeten Jugend ist, dass ich dachte, so und jetzt fährst du mal ganz nach Westen und guckst, wo da die Karte endet. Und dann bin ich ganz nach Westen gefahren, nach Mexiko. Und da ist einfach nur Küste und keine Siedlung.
Chris:
[18:23] Da ist gar nichts. Nichts.
Gunnar:
[18:25] Da ist gar nichts. Und dann bist du da hingefahren, denkst du, da ist ja wohl nichts. Naja gut, dann fahre ich halt wieder weg und dann fährst du gegen den Wind. Und dann brauchst du für die Rückfahrt doppelt so lang wie für die Hinfahrt, weil du dann vor dem Wind kreuzen musst. Weil wir haben ja ein Segelschiff. Das ist kein Motorboot, das steuert sich nicht wie ein Auto. Das gibt es ja auch in vielen Spielen später, dass sich Schiffe dann einfach so steuern, als wären sie selbst fahrend. Dies hier will auf einfacher Ebene eine Segelsimulation sein und verlangt dir dann auch Mühe ab teilweise, wenn du halt gegen den Wind fahren musst.
Chris:
[18:54] Du sagtest gerade, deren Gedanke war, ich fahre jetzt mal nach Westen und gucke, was da ist. Und das ist gesprochen wie jemand, der keine Originalkarte aus der Spielpackung bei sich hat, als er das gespielt hat.
Gunnar:
[19:04] Nee, ich wollte schon gucken, was man da noch finden kann. Ob da Schätze sind oder Orte oder eine andere Nation. Vielleicht sind da die Inkas.
Chris:
[19:11] Ich finde, das ist ein ganz guter Punkt, weil ich hatte ja gerade schon den Vergleich mit Elite gezogen oder eigentlich noch mehr mit Starflight, weil da ist Exploration ja ein ganz wichtiges Element. Da geht es darum zu gucken, was ist denn da draußen, neue Planeten zu entdecken und die Kolonien darauf, was haben die für Handelsgüter und sowas. Bei Starflight ist das ja eine Kernmechanik, Planeten zu erkunden. Und in Pirates ist das aber eigentlich ein ganz untergeordnetes Element, weil die Spielwelt, die ist eigentlich bekannt. Du musst nur auf die Karte gucken, die deiner Packung beiliegt und da ist die ganze Welt drauf und da sind auch alle Siedlungen drauf eingezeichnet. Du schaust drauf und weißt, da ist nichts in Mexiko. Im ganzen Küstenbogen bis nach Florida hoch ist absolut gar nichts. Das weiß man schon vorher. Und das lohnt sich also eigentlich auch gar nicht da hinzufahren, weil es gibt in dem Spiel keine Mechanik, dass da irgendetwas zufällig zu entdecken wäre. Also da ist noch nicht mal Schiffsverkehr. Also wenn du als Pirat in die Pampa fährst, da sind auch keine Schiffe zu überfallen, weil was sollen die da? Die findest du auf den Handelsstraßen, die findest du vor den Küstenstädten natürlich, vor den Häfen, da ist was los. Aber wo in der Realität kaum Schiffe unterwegs waren, sind im Spiel auch keine.
Chris:
[20:13] Dieser Gedanke von vielen von den Vorgängerspielen, auch zum Beispiel ein Seven Cities of Gold von 1984, das erzählt ja quasi die Vorgeschichte zu Pirates, also die Entdeckung und die Eroberung der neuen Welt durch die Spanier ab 1492 bis dann etwa 1540. Und dort geht es auch darum, diese neue Welt überhaupt erst mal zu erkunden, die Karte aufzudecken und zu schauen, was ist denn da eigentlich. Und wie gesagt, in Pirates gibt es eigentlich gar nichts zu entdecken.
Chris:
[20:40] Sondern wenn überhaupt, was man hier finden möchte und was unsichtbar ist, dann sind das andere Schiffe. Das heißt, wir müssen an interessanten Punkten der Landkarte, also insbesondere vor Siedlungen, mal ein bisschen hin und her kreuzen und schauen, ob da Schiffe aufploppen, die für uns interessante Beute darstellen könnten.
Gunnar:
[20:55] Das ist ein bisschen so wie in der Elite auch schon. Die Welt ist ziemlich groß, aber du bleibst dann trotzdem auf einer Route zwischen zwei Planeten oder zwischen zwei Häfen hier.
Gunnar:
[21:04] Also ich finde, es ist wahnsinnig wichtig, wer mit wem Krieg führt. Das macht deine ganze Spielerfahrung mit aus, weil es dir Zugang zu Belohnungssystemen gibt, die du haben kannst oder nicht. Wenn die ganze Karibik friedlich miteinander ist, was passieren kann, dass halt niemand gerade Krieg miteinander hat, dann kriegst du von niemandem eine Belohnung dafür, dass du ein Schiff der anderen Nationen aufbringst. Weil warum auch?
Chris:
[21:25] Im Gegenteil, du versauerst dir sogar dieses Verhältnis mit der Nation, die du angreifst und potenziell sogar mit den verbündeten Nationen.
Gunnar:
[21:32] Genau, dann bist du einfach so ein gewöhnlicher Pirat und nicht der gute Freibeuter, der mit dem Kapperbrief im Auftrag der Krone fährt, weil es sind nämlich zwei unterschiedliche Rollen eigentlich, die aber immer so zusammengeworfen werden in der Betrachtung der Piratenzeit. Wenn du für die Krone unterwegs bist, dann hast du ja legale Häfen, die du anlaufen kannst. Dann kriegst du Belohnungen dafür. Dann hast du Orte, wo du deine Waren verkaufen kannst. Und damit bleiben dir Gegenden verschlossen, die den feindlichen Nationen gehören, die dich dann da nicht reinlassen wollen und so. Und wenn jetzt aber diese Dynamik gerade nicht wirkt, dann wird das Spiel viel anstrengender und viel schwieriger, weil dann bist du zurückgeworfen auf deine Piratenrolle und musst dich damit begnügen, dass du halt einfach schnöde Geld scheffelst und dass niemand dich mag.
Chris:
[22:19] Genau, das hängt auch wieder ein bisschen vom Szenario ab. Wenn du so um 1600 spielst, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Nationen gerade gut miteinander stehen, viel größer als in früheren oder späteren Szenarien. Aber ja, genau, also die Dynamik der Spielwelt hat einen Einfluss darauf, was für Ziele man überhaupt sinnvollerweise verfolgen kann.
Chris:
[22:38] Also was ist denn das eigentlich? Was ist denn unsere Kernmotivation? Naja, das ist natürlich Beute zu machen. Das heißt, also auf der See zu kreuzen und zu schauen, sind da andere Schiffe unterwegs, die es sich lohnt zu überfallen. Und das funktioniert im Endeffekt wie die Zufallskämpfe in einem frühen Final Fantasy. Du bist auf der Karte unterwegs, die per se leer ist. Da sieht man das eigene Schiff und die Wolken, die am Himmel ziehen und die die Windrichtung anzeigen, aber keinen anderen Verkehr. Da ploppen dann also zufällig mal ein Fenster auf und da sagt der Ausguck, hier wir haben ein Schiff gesichtet, wollen wir uns das mal näher angucken. Und dann kann man sich entscheiden, ob man das machen möchte oder nicht. Dann wird dir angezeigt, was für ein Schiff das ist und daraufhin musst du deine Entscheidung treffen, wie wir das vorher auch beschrieben haben. Lohnt sich das, das anzugreifen? Hat das die richtige Nationalität? Ist das möglicherweise zu schwer für mich oder ist das vielleicht nicht lukrativ genug? Und dann trifft man also diese Entscheidung angreifen oder nicht. Und im Besiegen von Schiffen und Beuten von deren Ladung liegt natürlich ein Schlüssel zu Reichtum und wie du gerade beschrieben hast auch ein Schlüssel zu Ruhm, denn wenn man die richtigen, also die feindlichen Schiffe angreift, dann finden die eigenen Gouverneure, die für die man arbeitet, das hervorragend.
Chris:
[23:44] Es gibt aber auch noch lukrativere Ziele da draußen in dieser Welt, denn man muss als Berat nicht unbedingt Schiffe aufbringen. Man kann auch ganze Siedlungen angreifen, so wie die historischen Beraten das durchaus auch gemacht haben. Und wenn man eine Kur hat, die stark genug ist, also viele hundert Mann, dann kann man auch einfach aus dem Schiff aussteigen, über den Landweg marschieren. In Pirates gibt es nicht nur die Schiffsbewegungen, sondern man kann auch durchaus auf Land gehen. Es gibt ja auch einige Städte auf der Karte, die sind überhaupt nicht auf dem Seeweg erreichbar, sondern da muss man über Land laufen. Und dann kann man einfach mal so eine Stadt überfallen und wenn man es schafft, deren Miliz zu schlagen, dann die plündern.
Chris:
[24:18] Und es wäre natürlich kein Piratenspiel, wenn es nicht auch verborgene Schätze gäbe. Und das können sowohl verbuttelte Schätze sein, so denen man Schatzkarten findet und denen man danach spürt, aber das können auch die großen lukrativen spanischen Schatzzüge sein. Da gibt es nämlich die Silberflotte. Das ist eine Flotte von spanischen Galleonen, die an der Nordküste des Südamerikas entlang tingelt von Hafen zu Hafen und dort die ganzen Schätze einsammelt, den Silber überwiegen, um es nach Europa zurückzubringen. Und es gibt den Silberzug. Das ist eine Warenkette an Land, überwiegend auch wieder in Mittel- und Südamerika, wo aus den Minen des Landes die ganzen Reichtüme überhaupt erst mal an die Küstenstädte gebracht werden. Und wenn es einem gelingt, da ein paar Schiffe von diesen Flotten abzufangen, da wartet dann wirklich der ganz große Reichtum.
Gunnar:
[25:07] Wenn du das Spiel richtig erfolgreich abschließen willst, dann musst du das fast machen, dass du eine von beiden oder beide erwischt, weil sich das sehr lohnt. Aber das ist eine Art von Zusatzmechanik, die dir, ich glaube, auch ein bisschen die Spielwelt erschließen soll. Du hast dieses logische, selbstmotivierte Herumfahren zwischen den Orten auf der Suche nach Beute, wobei du dich nach den Kriegszuständen und so richtest.
Gunnar:
[25:29] Und das Spiel gibt dir Hinweise auf Dinge, die an anderen Orten geschehen. Dazu hat es ein Nachrichtensystem. Du kannst in Städten mit Leuten sprechen und da kannst du Sachen rauskriegen. Zum einen kriegst du Hinweise darauf, dass deine Familie verschleppt wurde und dass da spanische Bösewichter, fiese Spanier da beteiligt sind und dann kannst du da Hinweise drauf kriegen. Du kannst Schatzkarten kaufen, also Teile von Schatzkarten kaufen, daraus eine Schatzkarte zusammensetzen und die dann suchen, wenn du dieses Gelände, das da dann gezeigt wird, erkennst und du kriegst Hinweise auf den Silberzug und die Schatzflotte. Dazu kommen noch Aufträge von Gouverneuren von manchen Städten. Ich habe es eben kurz erzählt, Bermuda ist am äußersten Ende. Das war in meiner letzten Partie, die ich gespielt habe, hier vor der Aufnahme, war das etwa in der 15. Spielminute. Da sagt mir der Gouverneur von Curaçao, hol mir doch mal den Piraten aus Bermuda. Und ich so, was? Du denkst doch jetzt nicht, dass ich vier Wochen nach Bermuda fahre, um deinen Piraten zu fangen, der dann da schon nicht mehr ist, schon wieder weg ist. Also das schickt dich über die Karte.
Chris:
[26:30] Das war aber dann nicht die C64-Version, die du gespielt hast.
Gunnar:
[26:33] Das war die DOS-Version, die letztendlich gespielt hat.
Chris:
[26:35] Genau, in der gibt es das noch nicht mit diesen Aufträgen. Das kommt dann in den späteren Versionen dazu. Was die Gouverneure in der Originalversion sagen ist, versenkt mal bitte feindliche Schiffe.
Gunnar:
[26:44] Genau, das ist der Klassiker.
Chris:
[26:45] Und plündere feindliche Städte. Also das ist durchaus eine Anweisung, die man bekommt, sofern die Nation denn gerade im Krieg mit anderen ist.
Gunnar:
[26:51] Genau, und deswegen ist es so ein komisches Element, dass wenn die dann Frieden schließen, dass du dich ärgerst.
Chris:
[26:57] Ja, in der Tat. Ich muss es kurz erzählen, weil wir hatten vorhin ja schon darüber gesprochen, dass an unterschiedlichen Stellen unterschiedliche Aussagen darüber getroffen wurden, was für eine Art von Spiel das ist, von Microprose selbst, weil es so schwer einzuordnen ist. Und im Handbuch steht zum Beispiel auch noch auf der Titelseite als kleiner Unterzeile, Pirates ist Microprose-Software-Marke für ihr Computerspiel über Freibeuterei, Schmuggel und Piraterie in der Karibik. Das fand ich ganz schön, aber das sind ja drei Dinge aufgezählt, Freibeuterei und Piraterie, dass das unterschiedliche Dinge sind, das hattest du gerade schon beschrieben und dann fällt da auch noch das Wort Schmuggel und ich bin da kurz drüber gestolpert, weil ich dachte, Moment mal, wo spielt denn eigentlich Schmuggel in Pirates eine Rolle? Aber das ist dieser Punkt, den du vorhin auch schon angerissen hast, was eigentlich, wenn alle Nationen im Frieden miteinander sind. Es gibt ja sogar ein Szenario, das 1600 einsteigt, das heißt Merchants and Smugglers, da ist der Name schon Programm, weil da kann und soll man das Spiel dann weitgehend als friedlicher Händler und Schreckstrich Schmuggler spielen. Schmuggler heißt es in diesem Zusammenhang, historisch gesehen haben die ganzen spanischen Städte in dieser Region, in den Kolonien ein Handelsverbot mit anderen Nationen und selbstverständlich auch mit Piraten, wird sowieso nicht gehandelt. Aber nun ist das eine Ära der Geschichte und eine Region, in der oft sehr pragmatisch gehandelt werden musste auch vor Ort, weil die Zeiten hart waren und dann hat man das halt doch gemacht. Aber nominell bist du also, wenn du jetzt hier mit deinem Schiff unterwegs bist und kaufst Waren ein und verkaufst die anderswo, bist du nominell eigentlich ein Schmuggler.
Chris:
[28:22] Insbesondere, wenn du mit spanischen Städten handelst und das sind nun mal die reichen Städte in dieser Ära. Und ich habe dann da einen Holländer gespielt, der startet auch gleich mit einer Cargo Float, also das ist so ein effizientes Handelsschiff. Ich hatte meinen Skill auf Navigation, damit ich mich gut über die Karte bewegen kann. Und das Handbuch sagt Trinidad und eventuell auch Granada, das ist ganz im Osten, das sind Vorposten zu Europa, das sind ideale Umschlagplätze. Da kannst du günstig eine der Waren des Spiels, nämlich Goods, das sind Waren aus Europa, kaufen und kannst dir dann ins Hinterland transportieren, möglichst zu irgendwelchen reichen spanischen Städten, verkaufst die dort dann teuer, lädst dort wiederum dein Schiff voll mit lokal produzierten Waren, das ist je nach Szenario immer eine, in diesem Fall ist es Tabak, später ist es Zucker, und fährst dann wieder zurück nach Osten und verkaufst es dort teuer in Trinidad, damit es nach Europa weiter geschippert werden kann. Und das ist dann eine ganz andere Art von Spiel, weil da willst du keine große Flotte haben, da willst du keine riesige Crew haben, du willst dir keine Städte überfallen. Da brauchst du eine effiziente kleine Crew, die länger zufrieden bleibt, die nicht so schnell murrt und du brauchst ein Schiff, mit dem du ordentlich Waren transportieren kannst. Das heißt, es klammert dann diesen ganzen Seekampf und Fechtpart komplett aus. Wenn da ein Schiff aufploppt auf der Karte, dann ignoriert man das am besten und fährt da einfach weiter, weil man möchte ja nur handeln.
Chris:
[29:35] Und theoretisch funktioniert das dann auch. In der Praxis ist das aber eine wirklich mühsame Angelegenheit, weil man dann merkt, diese zugunterliegende Simulation des Spiels ist jetzt nicht so wahnsinnig gut auf dieses Handeln ausgerichtet, weil die Preise hängen nicht unbedingt vom Ort ab, also ob man jetzt im Osten oder Westen der Karte ist, sondern davon, wie reich die jeweilige Siedlung ist. Also mit Glück kannst du in Trinidad Waren für 20 Gold einkaufen und schon zwei Siedlungen weiter für 100 Gold wieder loswerden. Das ist natürlich eine enorme Spanne, aber die Prosperität von den Siedlungen schwankt relativ häufig im Spielverlauf. Also schon wenn du dann das zweite Mal da zurückkommst nach, keine Ahnung, Maracaibo oder sowas, dann kann die Ökonomie da eine ganz andere sein. Auf einmal sind die Preise ganz andere und die Geldmengen und Vorräte bei Händlern sind begrenzt. Also wenn du da mit, keine Ahnung, einer Flotte von acht Handelsschiffen in einer armen Siedlung ankommst, wo sie dir Tabak zu einem Sportpreis verkaufen, dann haben die aber halt vielleicht auch nur 17 Tonnen da vorrätig. Also muss man dann wirklich die Küstensiedlungen abklappern, da entlang tingeln und schauen, dass man irgendwie überhaupt die Ladung voll bekommt. Also ja, das geht im Spiel, aber man merkt schon, warum das Spiel nicht Traders Ausrufezeichen heißt, sondern Pirates Ausrufezeichen.
Gunnar:
[30:51] Ich finde, dieses Handelssystem, dass das rudimentär ist, das fällt nicht auf, wenn du hauptsächlich als Pirat spielst. Dann machst du das so teilweise mit, musst dir deine Waren eh verkaufen, um Geld zu kriegen und manchmal denkst du, oh Gott, ich fahre jetzt hier eh nach Curaçao zurück und ich weiß, dass in Curaçao der Zucker teuer ist und hier gibt es den billigen Zucker, nehme ich halt mal mit. So ein bisschen so, wie man es bei Elite auch oft gemacht hat, dass man so opportunitätsgetrieben ein paar Sachen macht. Aber generell ist das System nicht komplex genug und es gibt auch einfach zu wenig Waren und es gibt keine sauber gebauten Angebot-Nachfragesachen, sondern das hängt von anderen Dingen ab. Vom Zufall, von der Epoche, von dem Reichtum der jeweiligen Städte und auch davon, wie oft du die anfährst, weil es die Städte reicher macht und nicht so sehr wegen der Sättigung der Nachfrage. Aber wie gesagt, man kann das theoretisch als Händler spielen, ist nur halt eine mühsame Erfahrung.
Chris:
[31:42] Genau, also das erklärt dann diesen Schmuggelpart. Nun müssen wir aber trotzdem nochmal diesem nachgehen, warum das Spiel damals so schwer zu definieren war. Wir sind ja Piraten, also logischerweise werden da Schiffe überfallen und dann wird gekämpft und es wird gefochten und so weiter. Und das wiederum bildet Sid Meier’s Pirates als Minispiele ab. Wir sind jetzt hier im Jahr 1987, das ist ein Jahr, nachdem Defender of the Crown erschienen ist auf dem Amiga. Und eigentlich ist die Formel da gar nicht so unähnlich. Bei Defender of the Crown haben wir ja ein risikoartiges Strategiespiel als Metagame. Und hier ist es halt so eine Art Management-Kernspiel, wo man seine Flotte und Crew und Nahrungsmittel und Waren und so weiter managt und Gold anhäuft. Und das wird dann aber ständig unterbrochen von kontextuellen Minispielen. spielen. Und hier bei Pirates sind das im Wesentlichen drei Stück. Das ist der Kampf gegen andere Schiffe, das ist der Kampf an Land, wenn man eine Siedlung angreift, und das sind die Fechtkämpfe gegen feindliche Kapitäne.
Gunnar:
[32:42] Man könnte argumentieren, aber da bist du sicher anderer Meinung, dass das Reisen auf der Karte hier ein Kernelement ist und weniger eine Notwendigkeit wie in anderen Spielen.
Chris:
[32:53] Also, dass das auch eine Art Minispiel ist, meinst du?
Gunnar:
[32:56] Also, ich finde, man könnte es fast andersrum argumentieren. Man könnte sagen, das Reisen auf der Karte ist der Kern und das Management ist das Minispiel. Also, es klingt ein bisschen komisch, weil das hat ja mehr Minispielcharakter, dieses Reisen, aber ich finde, 80 Prozent der Zeit wird hier im Schiff gesessen und gereist. Das ist so ein bisschen die zentrale Metapher. Das ist ja auch die zentrale Metapher für das ganze Piratenthema. Und wenn du an Land gehst, dann bist du halt in diesen Menüstrukturen, wo du auch Bilder kriegst, die dann aus der eigenen Sicht sind und wo du dann das Schiff reparieren kannst und Handelsware kaufen kannst und Leute rekrutieren kannst. Aber eigentlich die Kernerfahrung ist die ganze Zeit in diesem Schiff auf der Karte.
Chris:
[33:34] Ich stimme dir da durchaus zu, dann lass mich das vielleicht ein bisschen anders formulieren, weil das Interessante an der Art und Weise, wie Pirates funktioniert, also in seinem zentralen Gameplay-Loop ist, dass man ja kleine Runs in der Spielwelt macht. Also das ist immer dieser Loop aus Beutezug und Heimkehr, Beutezug und Heimkehr. Das kennen wir ansatzweise schon aus Silent Service auch, aus dieser U-Boot-Simulation, wo man immer ausgelaufen ist, hat Jagd auf U-Boote gemacht, ist wieder in den Hafen zurückgekehrt. Aber hier ist das jetzt natürlich in einer ganz anderen Dimension. Immer wenn man aus dem Hafen startet, dann beginnt eigentlich der Gameplay-Loop, dann stellt sich diese Frage, was jetzt? Was ist jetzt das Ziel? Wo möchte ich jetzt hin? Was möchte ich gerne erreichen? Zum Beispiel ein paar Schiffe überfallen oder mal eine Stadt angreifen. Es kommt aber unweigerlich der Moment, wo du wieder zurück in den Hafen musst, um auf der einen Seite deine Beute zu verkaufen, zu Geld zu machen und auf der anderen Seite Dinge wieder aufzufüllen. Vielleicht die Crew wieder aufzufüllen, neue Leute zu rekrutieren, Schiffe reparieren zu lassen und so weiter. Und auch natürlich zum Gouverneur zu gehen, um deine Belohnung abzuholen, vielleicht einen neuen Rangaufstieg oder sonst irgendwas, wenn du genügend Schiffe versenkt hast. Und sobald du wieder ausgerüstet bist, geht es los in den nächsten Run. Und insofern würde ich also das vielleicht unterscheiden zwischen diesem Basis-Gameplay in den Häfen, wo du deinen aktuellen Run abschließt und den nächsten vorbereitest. Und wenn wir in den Kern-Gameplay-Loop gehen, dann ist die Basis-Mechanik das Segeln, das Bewegen auf der Karte. Da stimme ich dir vollkommen zu.
Gunnar:
[34:56] Ja, das ist richtig. Wobei das dadurch noch stärker wird als Basismechanik, dass du ja nicht in denselben Hafen zurück musst. Das, was du als Run bezeichnet hast, ist ja richtig. Und das ist auch so, wie man das Spiel oft spielt. Man hat eigentlich einen festen Hafen in der Gegend und bleibt da erstmal und macht von da aus Beutezüge, weil es effizient ist. Aber das musst du ja gar nicht. Du kannst doch einfach eine große Rundtour, eine einzelne Reise rund um die Karte machen und immer auf dem Weg in freundlichen oder auch manchmal unfreundlichen Hilfen einkehren, dich da jeweils neu ausrüsten, dann wen treffen unterwegs, dem die Ware abnehmen, in den nächsten Hafen fahren und so. Also das ist schon eine große Reisepotenzial, auf die du nur verzichten kannst, indem du sagst, nee, ich habe jetzt meinen Heimathafen in St. Ostazios und ich greife jetzt 25 Mal Nevis an, die nebengelegene Stadt, weil es effizient ist, das zu machen oder die Engländer, weil wir mit den Engländern verfeindet sind. St. Ostazios ist eine holländische Stadt und Nevis ist eine englische.
Chris:
[35:52] Auch das ist natürlich richtig, wenn man das als Spannungskurve aufmalen würde, dann würde ich aber sagen, also die Spannung ist immer unterwegs und die Auflösung, die Entspannung ist immer in den Städten, weil in den Städten passiert ja eigentlich nichts Dramatisches mit der kleinen Ausnahme, dass wenn du dort einen der bösen Spanier mal findest und stellst, die deine Familie entführt haben, dann kann auch dort ein Fechtkampf stattfinden, aber das ist eher die Ausnahme, ansonsten finden die aufregenden Sachen natürlich draußen nichts.
Gunnar:
[36:16] Genau, jetzt haben wir schon tausendmal die Fechtkämpfe genannt. Die müssen wir doch jetzt, glaube ich, als ein wesentliches Spielelement kurz mitbeschreiben. Wir hatten schon gesagt, man fährt auf dieser Karte herum. Man sieht nicht, ob da andere Schiffe sind in der ursprünglichen Version. Spätere Versionen ändern das dann. Man trifft in einem Zufallseignis ein Schiff, entscheidet sich dann, ob man kämpft oder nicht oder ob man die einfach nur anruft und sagt, hier, was gibt es denn für Neuigkeiten aus der Heimat oder so. Und wenn man dann in diesen Kampf kommt, dann ist das ein Seekampf erstmal. Das heißt, man schießt Breitseiten gegen das feindliche Schiff und navigiert mit und gegen den Wind.
Chris:
[36:52] In Echtzeit.
Gunnar:
[36:53] In Echtzeit, genau. Und das Wesentliche daran ist, dass sich der Wind auch ändern kann und was du für ein Schiff hast. Weil es gibt Schiffe, die wollen den Wind von hinten haben. Das sind in der Regel logischerweise Schiffe mit vielen Segeln, große Schiffe, Galleonen und so. Die wollen vor dem Wind fahren und sind dann sehr schnell. Und so kleine Schiffe wie eine Schaluppe oder eine Pinasse oder so, die haben weniger Segel. Die können mit dem Wind einer Galeone nicht davon segeln, aber die können viel besser gegen den Wind kreuzen. Das heißt, wenn es windaufwärts geht, haben die einen Vorteil. Und die sind natürlich viel wendiger. Dafür haben sie weniger Kanonen. Und aus diesen beiden Extremen, viele Kanonen aber nicht besonders wendig und sehr angewiesen auf Wind von hinten. und wenig Kanonen, ziemlich wendig und nicht so sehr angewiesen auf die Richtung, woher der Wind weht. Daraus ergibt sich so ein Spektrum an Möglichkeiten, wie diese Duelle ausgehen können und wie du das dann auch spielst. Wenn du ein großes Schiff hast, willst du entweder in eine gute Schussposition kommen oder vielleicht auch gleich entern. Wenn du ein kleines Schiff hast, möchtest du vielleicht um das große Schiff herumfahren und das etwa 20 Mal treffen, bevor du es enterst, weil die haben ja viel mehr Leute an Bord.
Chris:
[38:01] Wenn das Schiff weit genug runtergeschossen ist, dann geben die vielleicht auch freiwillig auf. Das ist eigentlich immer ganz gut, weil dann kann man sich den anschließenden
Chris:
[38:06] Fechtkampf sparen. Aber wenn es uns entern geht, dann kommen wir zu dieser Fechtsequenz. Da kann man dann eine von drei verschiedenen Waffen wählen, die Unterschiede in der Schlaggeschwindigkeit, in dem Schaden, den sie machen. Und das Interessante an dem Fechtkampf ist zweierlei. Zum einen, das ist jetzt eine wirkliche Geschicklichkeit, eine Actionsequenz, mehr noch als bei diesem Sehkampf, weil man da unterschiedliche Schlagkombinationen und Abwehrmanöver mit dem Joystick steuert. Das wird ja als C64-Spiel mit dem Joystick gespielt und du entscheidest dann, mache ich einen hohen Schlag, einen niedrigen Schlag, pariere ich oder weiche ich aus. Das ist wie so ein bisschen Steinschere-Papier, du beobachtest den gegnerischen Kapitän, schaust auf dessen Ausholbewegungen, macht er eine hohe oder tiefe und versuchst das zu parieren und dann idealerweise direkt zu kontern mit einem entsprechenden Angriffsschlag. Auf dem Papier funktioniert das auch okay.
Chris:
[38:53] In der Praxis ist das zumindest bei mir häufig ein, ich mache so häufig wie möglich den Tiefschlag, weil der geht am schnellsten und versuche ihn nach hinten zu drängen. Aber man kann das schon auch so spielen, wie es gedacht ist. Nämlich, dass du beobachtest, wie die gegnerischen Bewegungen sind. Das viel Interessantere, finde ich, an diesem Spiel ist, dass das verbunden ist mit der gleichzeitigen Schlacht, die ja an Bord des Schiffes stattfindet, weil die Mannschaften gegeneinander kämpfen. Und die können ja dramatisch unterschiedliche Größenordnungen haben. Also du kannst mit Keine Ahnung, 20 Mann Besatzung ein Schiff angreifen, wo 100 drauf sind oder andersrum. Und das sollte ja eigentlich auf den Ausgang dieses Gefechts einen großen Unterschied machen. Aber wir steuern das nicht, diesen Kampf im Hintergrund. Was wir steuern, ist das Gefechtduell. Und das ist dann miteinander verzahnt über ein Moralsystem, nämlich dass die Moral, also der Kampfeswille unserer Truppe und der gegnerischen Truppe davon abhängt, wie sich die beiden Kapitäne schlagen. Wenn es uns gelingt, den gegnerischen Kapitän schnell und oft zu verletzen, ihn vielleicht zurückzudrängen, dann sinkt die Moral seiner Truppe und unsere steigt. Und dann kann auch eine völlig unterlegene Piratencrew eine Übermacht in die Knie zwingen, wenn wir im Fechtduell besonders gut sind.
Gunnar:
[40:06] Genau, das ist ein Geschicklichkeitsspiel im Kern, genau wie der Seekampf auch eine Geschicklichkeitskomponente hat, aber es wirken in beiden Fällen grundlegende Stärken und Schwächen, die du an anderer Stelle erworben hast. Im Seekampf, haben wir schon gesagt, sind die Schiffe sehr unterschiedlich groß. Wenn du mit einem Schiff mit vielen Kanonen jemanden triffst, dann reicht vielleicht schon ein Treffer, um eine kleine Schaluppe zu versenken. Die Schaluppe muss halt viel öfter treffen. Das kannst du erstmal noch so geschickt sein mit deiner Schaluppe, machst du zehn, zwölf Treffer in Folge und dann trifft er dich einmal, ist es aus. Und genauso ist es auch bei dem Kampf an Bord, wo die Kapitäne sich duellieren. Wenn du mit großer Übermacht reingehst, dann wirst du es wahrscheinlich gewinnen, selbst wenn du das nicht so gut kannst. Und damit kannst du das ja ein bisschen aussuchen. Du kannst ja überlegen, ob du dich auf den Kampf einlässt, auf das Enter einlässt, wenn du der Angreifer bist. Es gibt auch manchmal Fälle, wo du angegriffen wirst, dann kannst du es vielleicht nicht so gut auswählen. Aber wenn du der Angreifer bist, kannst du dir überlegen, ob du mit deinen 20 Mann die 100 fertig machen willst oder ob dir das zu riskant ist und du wieder abhaust. Es ist durchaus möglich, dass du noch als Einziger lebst, der Gegner 100 Leute hat, aber du so gut und so schnell schlägst, dass die 100 Leute sich dir ergeben.
Chris:
[41:19] Ja, wenn der Kapitän den Degen auf der Brust hat, dann sagt die Mannschaft, naja, okay.
Gunnar:
[41:24] Sind die doof, anstatt dass sie einen neuen Kapitän wählen. Das passiert eher auf die niedrigeren Schwierigkeitsgraden. Die niedrigeren Schwierigkeitsgrade kann man das Fechtduell eigentlich immer gewinnen, wenn du mit mehr Leuten reingehst und halt schnell Schläge spammst, wie du das eben beschrieben hast, hoch oder niedrig, am besten niedrig. Und wenn du aber in den höheren Schwierigkeitsgraden spielst, musst du ein bisschen mehr aufpassen, sonst wirst du zu oft getroffen.
Chris:
[41:44] Wenn man das mal verlieren sollte, dieses Duell, egal ob jetzt den Schiffskampf, das eigene Schiff wird versenkt oder eben den Fechtkampf, man muss doch sich ergeben, dann zeigt sich ein ungewöhnlicher Aspekt des Spiels für diese Ära, in der wir da sind, nämlich dann kommt kein Game Over. Dann ist das Spiel nicht vorbei, sondern dann wird man eingebuchtet in dem Fall, muss ein paar Monate im Gefängnis absitzen oder wenn das Schiff sinkt, dann rettet man sich auf einer einsamen Insel, schlägt sich dort ein paar Monate lang durch. Aber es kommt unweigerlich der Punkt, wo man befreit oder gerettet wird, wo die eigene Mannschaft oder sonst irgendwer wieder dabei ist und man hat auf einmal wieder ein Schiff und ist wieder der Kapitän und das Spiel geht weiter. Das heißt, die wesentliche Ressource in diesem Spiel, die sich dadurch verbraucht, wenn du scheiterst, ist Zeit. Warum ist das relevant, Gunnar? Warum ist Zeit hier so wichtig?
Gunnar:
[42:29] Wie du sagst, die zentrale Ressource ist Zeit und die Zeit, wir hatten ja schon gesagt, die vergeht beim Reisen in Monaten. Das Spiel zeigt dir Monatswechsel an durch eine Einblendung und sagt, jetzt haben wir hier, keine Ahnung, den September 1640 und du siehst, dass da Zeit vergangen ist und deine Figur altert in dieser Zeit. Du bist halt ein Pirat, fängst das Spiel an mit 25 Jahren und wir wissen, dass Pirat ein körperlich anspruchsvoller Beruf ist und du möchtest in deiner dir natürlich gegebenen Lebensspanne möglichst reich werden. Diese aktive Lebensspanne, in der du Pirat sein kannst, die endet irgendwann.
Gunnar:
[43:07] Das entscheidest erstmal nicht du, sondern das Spiel. Wenn du zu alt wirst, zu gebrechlich, dann setzt dich die Crew irgendwann ab und deine körperlichen Fähigkeiten, die du dringend brauchst für diesen Nahkampf mit dem Säbel.
Gunnar:
[43:20] Die wird schlechter, wenn du alt hast. Und warum ist das überhaupt so ein Punkt? Weil das Spiel eine Auswertung macht zum Ende. Das Spiel sagt ja am Ende, was für ein Level an Wohlstand du erreicht hast, als das Resultat deiner ganzen Bemühungen. Und das ist im Wesentlichen ein Faktor des Reichtums, weil das Spiel,
Gunnar:
[43:38] du hast gesagt, es läuft in Runs ab. Es gibt auch noch eine andere Art von Run-Mechanik. Das Spiel läuft schon so, dass man halt plündert, Reichtum erwirbt. Und dann irgendwann kommt ein Zeitpunkt, wo die Crew unruhig wird, weil das System bei den Piraten ist nämlich, dass die Crew nicht bezahlt wird, so monatlich mit Gehalt und Sozialleistungen, sondern dass die einfach einen Anteil an der Beute kriegen. Und um den zu bekommen, muss die Reise beendet werden formell und die Beute aufgeteilt werden. Und davon hängt auch ab, wie viel Geld du kriegst. Dir gehört nominell nämlich nicht das ganze Geld, was dein Schiff dabei hat, sondern dir gehört nur, was dein Anteil davon ist. Und wenn so eine Reise endet und das kannst du festlegen, kannst dann halt sagen, okay, wir teilen jetzt die Beute auf, wir beenden jetzt diese Reise, dann wird unter allen zu der Zeit anwesenden Piraten auf deinen Schiffen wird diese Beute aufgeteilt nach einem bestimmten System. Je nach Schwierigkeitsgrad erhältst du einen höheren Anteil und dieser Anteil wird dann gespeichert. Das ist dann dein Vermögen. Das schreibt sich das Spiel dann an eine gesonderte Stelle.
Gunnar:
[44:42] Das ist dein Vermögen für die Rente. Das addiert sich dann im Laufe der Zeit. Du machst mehrere von diesen Runs. Irgendwann wird die Crew unruhig und will mal endlich Geld haben. Die Unruhe der Crew wird maßgeblich davon beeinflusst, wie lange du unterwegs bist, wie viel Geld du in den letzten Wochen und Monaten verdient hast, ob die Kämpfe verloren oder gewonnen worden sind zuletzt. Und irgendwann werden die halt unruhig und sagen, jetzt ist mal langsam Schluss. Und dann desertieren auch möglicherweise Leute. Dann teilst du die Beute auf. Und dann fängst du wieder an mit einem Schiff nur und einer kleineren Crew und gehst wieder auf Beutezug, bis das nächste Mal die Crew zu groß geworden ist, die Reise zu lang und du wieder aufteilst. Und das machst du mehrere Male und das zahlt alles auf deine Rente ein sozusagen, dein Ruhestandsvermögen.
Chris:
[45:28] Das ist toll und elegant im Game Design, finde ich, dass das eine Art Matroschka-Puppe aus Runs ist. Jede einzelne Fahrt, jedes Entsehstechen ist ein Run. Jede größere Kampagne, bis dann zu der Punkt kommt, wo die Beute aufgeteilt wird, ist per se ein Run. Aber jedes Spiel in sich ist ja auch ein Run, weil Pirates im Endeffekt ein Highscore-Spiel ist. Es gibt kein festgelegtes Ziel für das Spiel, sondern es gibt diese Endauswertung, wo dir dann in Abhängigkeit von dem, was du geleistet hast, das ist dein Reichtum, das ist der Landbesitz Das sind die Titel, die du erworben hast, das sind die Familienmitglieder, die du gefunden hast und so weiter. Das ist aber auch dein Alter. Ja, je älter du bist, desto schlechter zahltest auf die Entwertung ein. Und abhängig davon sagt dir das Spiel dann sehr bildlich, was jetzt deine weitere Karriere sein wird. Und das reicht in einer Liste von Bettler über sowas wie ein Tavernenwirt oder ein Händler bis hin zu Berater des Königs. Und das hängt letztendlich nur von der Punktzahl ab. Und das Schöne an Pirates ist, dass anders als bei Elite oder bei Starflight, wo du eine lange Kampagne spielst, und wenn du zu deren Ende gekommen bist, hast du eigentlich alles gesehen, lohnt es sich bei Pirates immer wieder neu zu starten, das Spiel. Denn durch die unterschiedlichen Startbedingungen, die ganzen Variablen und die Dynamik im Spiel kann das Spielerlebnis immer ein anderes sein. Aber es gibt natürlich auch diese Optimierung auf das Endergebnis. Also dieses Mal eine höhere Punktzahl und eine bessere Karriere zu machen als das letzte Mal. Und das ist also die höchste Ebene von Run in dieser Matroschka-Puppe.
Gunnar:
[46:53] Das ist besonders schön, weil der Highscore nicht abstrakt bleibt, sondern der Highscore so real verknüpft wird mit Sachen, die du dir gut vorstellen kannst.
Gunnar:
[47:01] Wenn das Spiel dir sagt, hier, du bist Bettler, dann ist ja ganz klar, dass das scheiße war. Dann ist halt dein restliches Leben in Armut und Schande vielleicht. Und wenn du halt eine ordentliche Taverne hast irgendwo in einem Seekurort, das ist ja schon ganz gut gelaufen. Dann kannst du dir das so ein bisschen vorstellen, finde ich. Das ist halt irgendwie ganz nett. Da hat man auch so ein Gefühl davon. Ach ja, dann erzähle ich immer Geschichten von der See und schenke Bier aus. Das ist irgendwie ein angenehmes Gefühl, dass das so plastisch ist.
Gunnar:
[47:30] Und durch diese Doppelung, zum einen das Geld, das durch das Aufteilen mit der Mannschaft dazukommt und dass du diese Karrieren machst, die abhängig sind von den jeweiligen Nationen. Also dann fängst du ein paar Schiffe der Franzosen und die Franzosen sind mit den Engländern im Krieg und dann geben die Engländer dir den Rang eines Feenrichs oder eines Kapitäns und immer weiter, immer weiter. Und dann ändert sich die weltpolitische Lage und dann machst du dieselben Ränge auch noch bei den Franzosen oder bei den Holländern oder bei den Spaniern oder so. Und diese ganzen Sachen sind auch wieder so nachvollziehbar, weil es militärische Rangstufen sind, die man gut einordnen kann. Und das kommt dann halt dazu. Und diese militärischen Rangstufen, die sind oft verknüpft mit dem von dir schon erwähnten Landbesitz. Dann hast du wahrscheinlich, keine Ahnung, ein Weingut in Frankreich und ein Sumpf in England und ein Deich in Holland. Keine Ahnung, wie diese Liegenschaften sich genau zusammensetzen. Aber am Ende wird das einfach zusammengezählt.
Chris:
[48:26] Nachdem das von karibischen Gouverneuren vergeben wird, würde ich eher mal annehmen, du hast dann Zuckerplantage auf Puerto Rico oder sowas.
Gunnar:
[48:34] Ah, nein. Das stimmt. Das sagst du jetzt. Da habe ich noch nie in all den Jahren darüber nachgedacht, wo dieses Land ist. Ich habe immer gedacht, das ist zu Hause in Holland, weil ich gehe zurück. Du meinst, ich bleibe mein ganzes Leben in der Karibik?
Chris:
[48:47] Wie sollte der Gouverneur von Curaçao dir Land auf dem holländischen Deich zusprechen?
Gunnar:
[48:53] Weiß ich auch nicht. Da habe ich mir nie Gedanken drüber gemacht. Der kennt halt den König.
Chris:
[48:59] Nee, ich schätze schon, du wirst, also das ist jetzt nicht gesagt, je nach Karriere, dass du dein Leben in der Karibik beschließt. Also ich nehme auch an, dass der Berater des Königs eher im europäischen Heimatland sein wird. Aber das heißt ja nicht, dass der nicht trotzdem Besitzungen in der Karibik haben kann. Die werden dann halt von anderen Leuten bewirtschaftet, in Klammern Sklaven, Klammer zu.
Gunnar:
[49:18] Aber wo ist meine Kneipe, wenn ich der Tavernenwirt bin? Die ist doch hoffentlich in Amsterdam.
Chris:
[49:22] Das hängt von der Karriere ab, nehme ich an. Aber da sind wir dann halt schon wieder im Bereich der persönlichen Fantasie. Aber das ist ja auch hübsch, weil was das Spiel hier ja de facto schreibt, das erzählt ja eigentlich keine Geschichte. Es hat diesen Ausgangspunkt, es gibt ja ein bisschen eine Beschreibung, wer du eigentlich bist, wenn du da reingehst in die Welt und es gibt dir eben diesen Anhaltspunkt am Ende, wie es weitergeht. Aber alles, was so dazwischen passiert, ist ja deine persönliche Geschichte, die da beschrieben wird. Also das ist Emergent Storytelling in Reinform, würde ich sagen, weil diese ganze Karriere, die da stattfindet, ist ja eine Art von Erzählung, von Narrativ, aber eben nichts, was dir vom Spiel auktorial aufgedrückt würde, sondern was du selbst dir erwirbst und baust.
Chris:
[49:59] Jetzt müssen wir der Vollständigkeit halber noch kurz sagen, es gibt hier noch dieses dritte Minispiel mit dem Landkampf. Das ist eine Art Proto-Echtzeit-Strategiespiel. Da steuert man gleichzeitig bis zu drei Truppen von eigenen Kämpfern, je nachdem wie viele Leute man mitgebracht hat. Und die bewegen sich von uns gesteuert über die Landkarte und in Echtzeit marschieren aus der jeweiligen Siedlung dann auch Armeen raus. Diese Siedlungen in dieser Zeit in der Karibik, das muss man sich nicht wie große Städte vorstellen. Die reichsten Städte, also sowas wie in Panama oder in Havanna, da leben ein paar tausend Leute.
Chris:
[50:33] Und das sind zum überwiegenden Teil Sklaven, die dort dann auf den Plantagen arbeiten oder in den Bergwerken. Und die werden auch nicht von stehenden Armeen oder so verteidigt, sondern von lokalen Milizen. Das können aber trotzdem dann ein paar hundert Leute sein, die das verteidigen. Die reicheren Siedlungen haben auch Forst, die also gegen Angriffe von der See ausschützen. Deswegen kommt man ja da auch über Land, weil da diese Forst dann nutzlos sind. Und auf der Karte, also das ist dann einfach die gleiche Landkarte, wie man sie auch beim Seereisen hat, ein bisschen anders dargestellt. Da kommen dann also diese Gruppen aufeinander zumarschiert und kämpfen automatisch miteinander. Sobald die in der Nähe sind, tauschen die Mosketenschüsse aus oder gehen in den Nahkampf über. Und da geht es in erster Linie eigentlich nur darum, die Aufstellung zu bestimmen. Also stehen deine Leute im Wald, dann sind sie ein bisschen bisher gedeckt, stehen sie im Sumpf, dann haben sie einen Nachteil und so. Idealerweise möchtest du damit eine Übermacht, eine deutliche Übermacht anmarschieren, weil du dann erstens die Verteidigung leicht überwältigst und vor allen Dingen, wenn du in so eine Siedlung mit einer dramatischen Übermacht einmarschierst, dann bestimmst du auch das weitere Schicksal dieser Siedlung, kannst den Gouverneur raustreten und einen eigenen Gouverneur reinsetzen und damit dann also auch die nationale Zugehörigkeit der Siedlung verändern. Dann kann eine spanische Siedlung von unseren Gnaden auf einmal eine holländische werden zum Beispiel.
Gunnar:
[51:52] Das ist ganz interessant, weil du damit das Machtgefüge in dieser Spielwelt nachhaltig verändern kannst. Und überhaupt die Tatsache, dass du vom einzelnen Schiff als Metapher auf eine Art von Armee gehst, auch wenn die Armee jetzt nur aus ein paar Dutzend Leuten besteht, das ist doch so eine Inszenierung der Piraterie als eine Art paramilitärische Macht, als eine Truppe richtig, die halt noch ganz andere Sachen machen kann, als nur ein paar Schiffe aufbringen und ein paar Leute über die Planke jagen.
Chris:
[52:22] Genau.
Gunnar:
[52:23] Das ist ganz interessant und gibt dem Spiel eine ganz andere Farbe. Es hat nur das Problem, dass das leider keinen Spaß macht, meines Erachtens. Und dass es eine Pflichtaufgabe ist, dieser Landkampf, den ich immer versucht habe zu vermeiden. Das gibt nicht so viel taktische Freiheit, wie man denken sollte. Es gibt diese ganzen Mechaniken und die Auswirkungen des Untergrundes oder so, aber so viel kannst du nicht machen. Und es ist echt quälend langsam. Aber es dauert einfach mal so fünf Minuten, bis man da so einen Kampf durchgefochten hat. Und das ist viel länger als so eine Seestacht zum Beispiel.
Chris:
[52:56] Da sind wir schon gut im Thema, weil das wäre auch meine nächste Frage gewesen, Gunnar, wie findest du denn eigentlich die Minispiele? Wir haben sie ja jetzt beschrieben, es gibt den Seekampf, es gibt den Fechtkampf, es gibt den Landkampf und wir nehmen mal das Segeln auf der Karte auch noch als eine zentrale Spielmechanik. Ich möchte vorweg schicken, den Gedanken, das überhaupt als Minispiele zu sehen, also als in sich geschlossene Spielelemente, das ist was, was zumindest für mich erst aus der Nachsicht entstanden ist. Für mich war das damals einfach das Spiel. Organisch geht das ineinander, was ja auch schon eine Leistung ist. Viel organischer auch als bei Defender of the Crown.
Chris:
[53:28] Aber das ist natürlich einer der Gründe, warum das Spiel sich so einer leichten Genrezuschreibung oder Beschreibung entzieht. Weil das, was man da in einem Fechtkampf macht zum Beispiel, natürlich etwas kategorisch anderes ist als den Handel, den man in den Siedlungen treibt. Und das ist wieder etwas kategorisch anderes als dieses roto-Echtzeit-Ding beim Landkampf. Also das sind Spiele, die sich nicht aus einer zentralen Genre-Idee ableiten oder aus so einer übergeordneten Gedanken wie, wir simulieren hier etwas, sondern wo jeweils für einen bestimmten Aspekt des Piratenlebens eine angemessene spielmechanische Umsetzung gesucht wurde. Piraten fahren auf See mit Schiffen, wie setzen wir das als Spielmechanik um? Piraten liefern sich Fechtduelle, wie setzen wir das als Spielmechanik um? Wir kommen ja in der Entstehungsgeschichte noch dazu, aber Sid Meier hat sich dann nachvollziehbarerweise und auch glücklicherweise dazu entschieden, das nicht alles zwanghaft in die gleiche Form zu pressen, sondern zu sagen, naja, jedes dieser Elemente bekommt dann eine andere spielmechanische Ausprägung.
Gunnar:
[54:30] Wobei, wenn du schon Defender of the Crown als Beispiel nimmst, diese Minispiele sind alle nicht losgelöst vom Hauptspiel.
Chris:
[54:38] Stimmt, ja.
Gunnar:
[54:39] Also in Defender of the Crown ist zum Beispiel das beliebte Turnierspiel komplett losgelöst. Ob du schon 20 Jahre spielst, ob dir halb England gehört, ob du tausende von Leuten hast, egal. Du fängst dieses Turnierspiel, wo du die Leute vom Pferd schubsen musst, bei Null an. Einfach nur mit reinem Skill.
Gunnar:
[54:58] Und hier sind alle Spielteile miteinander verzahnt. Auch in dem ziemlich losgelösten Landkampf hast du ja immerhin…
Chris:
[55:06] Die Menge an Leuten. Also es gibt immer einen Übertrag aus dem Metagame.
Gunnar:
[55:09] Genau. Und die Menge an Leuten ist ja festgelegt, mit wie vielen Leuten du da hingehst. und die Menge an Leuten, mit denen du hingehen kannst, hängt davon ab, wie viel du auf dem Schiff hattest und so. Das ist alles eine Kette und es gibt vor allen Dingen, und deswegen komme ich noch mal auf dieses Reisen mit dem Schiff zurück, eine zentrale Repräsentanz in der Spielwelt. Das ist das, was einem Defender of the Crown fehlt. Du bist da keine Figur oder irgendwas in dem Spiel. Deswegen leben die Teile bei Defender of the Crown so nebeneinander her. Wohingegen das hier, ein bisschen wie auch in dem schon erwähnten Seven Cities of Gold eine zentrale Figur gibt, die mal anders gezeigt wird, aber es ist immer noch dieselbe Figur und dasselbe Spielsystem, theoretisch. Wir hatten ja schon gesagt, wie das über dieses Moralsystem, die vorangegangene Seeschlacht, sehr stark mit dem Fechtkampf verzahnt ist. Das ist viel stärker als in Defender of the Crown zum Beispiel.
Chris:
[55:58] So, dann jetzt mal Butter bei die Fische. Vier zentrale Spielbestandteile, also Minispiele in Anführungszeichen, nämlich Seekampf, Fechten, Landkampf und das Navigieren auf der Karte. Mach mal bitte eine Top 4, welches davon funktioniert am besten für dich, macht am meisten Spaß und welches am schlechtesten, also die Plätze 1 bis 4?
Gunnar:
[56:18] Ich finde, das Reisen auf der Karte ist das Spiel.
Chris:
[56:21] Das war aber nicht die Frage, die Frage war, ob es Spaß macht.
Gunnar:
[56:24] Das macht am zweitmeisten Spaß nach den Seeduellen, aber die Seeduelle sind ja bloß eine Funktion des Reisens auf dem Meer, weil da ja die Metapher nicht geändert wird, also das Schiff nicht geändert wird, sondern du nur reinzoomst. Also wenn ich das so in einer Reihenfolge machen muss, dann würde ich sagen, der Seekampf ist auf Platz 1 und der Landkampf auf Platz 4. So weit kann ich mich festlegen. Die anderen Sachen sind dazwischen.
Chris:
[56:47] Das Fechten auf Platz zwei oder drei für dich?
Gunnar:
[56:49] Drei. Für mich ist das Spiel ein Seefahrtspiel und ein Segelsimulator und alles andere ordnet sich dem unter. Deswegen ist mein Gefühl nicht, dass der Seekampf ein Minispiel ist, sondern es ist einfach eine logische Fokusveränderung beim Seefahren und sowohl der Landkampf als auch das Fechten haben stärker Minispielcharakter.
Chris:
[57:08] Also ich stimme dir bei der grundsätzlichen Analyse schon zu, das ist ein Seekampfspiel, das ist schon das, was man am allermeisten macht, das Bewegen und das Kämpfen zur See. Wenn ich jetzt aus meiner Perspektive den Spaßfaktor beurteile, ist meine Liste genau umgekehrt. Also ich würde auf Platz 1 würde ich den Landkampf setzen, dann kommt das Fechten, dann kommt die Navigation und am wenigsten Spaß macht der Seekampf.
Gunnar:
[57:27] Wie bizarr ist denn das, Christian? Nein. Aber wie kann man das Spiel denn spielen? Das ist doch ein Seekampfspiel.
Chris:
[57:34] Ja, das ist genau das Ding. Also der Seekampf an sich ist toll. Das ist eine ganz elegante Mechanik und das ist ein wunderbar austariertes Minispiel, gerade auch, was lässt das Spiel dich machen und was lässt es dich nicht machen. Im Wesentlichen ist es ja nur steuern und schießen und das Schießen ist ganz simpel, nämlich Taste drücken und es wird in Richtung des feindlichen Schiffs gefeuert. Ganz toll. Also da wurden die richtigen Vereinfachungen getroffen. Das leidet aber unter den gleichen Dingen, warum auch die Navigation auf der Karte für mich keinen Spaß macht. Es ist nämlich einfach viel zu mühsam. Ich finde jetzt das Fechten an sich und auch der Landkampf, das sind jetzt vielleicht keine Highlights, aber gerade für den Landkampf gilt auch das Gleiche. Das ist auch eine sehr elegante mechanische Vereinfachung, dass da viele Dinge automatisch passieren, dass es sich auf einen Aspekt konzentriert, nämlich auch hier wieder die Positionierung im Endeffekt. Das ist ja das, was man selber macht und der Rest passiert automatisch. Und das funktioniert für mich ganz gut und der Fechtkampf ist ja wenigstens schnell vorbei. Aber die Seekämpfe dauern ewig und das Navigieren auf der Karte dauert noch viel länger. Und das liegt hauptsächlich daran, dass sich die Schiffe so langsam bewegen, weil hier halt auch das Segeln gegen den Wind simuliert wird.
Chris:
[58:38] Lass es mich mal anders formulieren, Gunnar. Wie gut findest du die Fauchtbewegung in Pirates?
Gunnar:
[58:43] Ich finde die super.
Chris:
[58:45] Bizarre Meinung.
Gunnar:
[58:45] Ich finde alles daran, wo ich im Schiff bin, finde ich super. Und alles, wo ich nicht im Schiff bin, ist okay. Vielleicht. Und der Landkampf ist sogar richtig schlecht.
Chris:
[58:55] Das sind nur nicht verstanden.
Gunnar:
[58:57] Das Segeln ist ja eben das metaphorische Zentrum dieses Spiels. Das ist die Freiheit, die du hast. Die anderen Systeme sind funktional, kurzlebig, machst du mal eben. Das Segeln ist das Spiel. Ohne diese Seefahrt gäbe es nichts davon. Auch die Tatsache, dass es langsam ist und dass du wartest und dass es mühsam ist, gegen den Wind zu kreuzen und dass du planen musst, was du da tust, ist ja Teil dieser Metapher. Und das ist halt das, was das so stark macht. Und dass es überhaupt so adäquat eine Schiffsreise umsetzt mit den Mühen, ist ja schon was komplett Frisches und was komplett Neues. Ich meine, das ist ein Schiff, das schießt zur Seite raus. Das klingt ja völlig logisch, wenn man sich überlegt, wie Schiffe schießen. Die schießen ja nicht über den Bug. Aber das ist ja für ein Spiel zu der Zeit was Neues. Zu der Zeit bewegst du eine Figur und die schießt nach vorne. Das ist das Typische. Und hier hast du durch dieses Zwischenspiel von die Breitseite, auch wenn es vereinfacht ist und dieses Achten auf den Wind und die Geschwindigkeit und so, hast du so ein eigenes, frisches und originelles Spielgefühl. Das ist halt so fantastisch.
Gunnar:
[1:00:04] Ich mache nichts lieber als Kämpfe in diesem Spiel. Und dann mache ich halt mit Mühe schnell den Fechtkampf und dann ist gut. Und die Landkämpfe mache ich gar nicht. Und das ist aber auch so, das ist doch, woran du dich erinnerst in dem Spiel. Ist das dann nicht… Boah, ich bin nach Havanna gesegelt und sehe das erste Mal die Linie von Kuba und jetzt begegne ich diesem spanischen Piraten und nicht so, boah, da habe ich mich aber fünf Minuten über der Landkarte bewegt und da haben kleine Figuren aufeinander geschossen. Ist das das, was das memorabel macht für dich? Echt jetzt? Hast du da memorable Landschlachten? Hast du so Momente, wo du so mit Freude dran zurückdenkst, die nicht auf der Seekarte waren?
Chris:
[1:00:40] Ja, selbstverständlich. Das erste Mal, eine Siedlung zu überfallen, die genügend Macht angesammelt zu haben, um sich das leisten zu können.
Gunnar:
[1:00:48] Ja, aber das mache ich ja mal vom Schiff aus.
Chris:
[1:00:50] Ja, naja, gut, aber dann musst du ja, ja, okay, dann kannst du es auch vom Schiff aus machen. Gut, danke. Das hast du clever gemacht, weil dann kannst du dann einfach den Seekampf nochmal spielen, nur in noch langweiliger. Weil dann muss man sich gegen den Wind zu krebsen auf den Fohr, während man beschossen wird. Also es kommt natürlich immer drauf an, auf welche Stadt das ist und so. Aber erinnerst du dich, von ein paar Jahren ist Death Stranding erschienen, das Hideo Kojima-Spiel. Und ich kann mich noch gut daran erinnern, dass damals in der Kritik ein ganz wesentlicher Punkt war, dass da die Bewegung gamifiziert wurde. Oh, Kojima hat es geschafft, dass das, was eigentlich eine Selbstverständlichkeit in Spielen ist, nämlich, dass man sich von A nach B bewegt, dass das auf einmal ein Kernbestandteil der Spielmechanik ist. Und für jüngere Generationen von Spielenden und vielleicht auch von Kritikern mag das die erste Begegnung mit diesem Konzept gewesen sein. Aber es gibt ja ganze Spiele wie zum Beispiel Marble Madness oder Rock’n’Roll, die sich fast ausschließlich um die Kontrolle von Bewegung drehen. Oder wir erinnern uns an das Andocken bei Elite, wo man sich am Anfang, bevor man den Docking-Computer hatte, jedes Mal fragt, warum kann ich jetzt nicht einfach einen Knopf drücken? Warum muss ich mich da jedes Mal reinschrauben in diese Scheißstation? Aber das ist ja auch im Endeffekt einfach eine Gamifizierung von Bewegung. Und in Pirates ist das auch so. Und da hast du vollkommen recht, das ist ein ganz zentrales Spielelement, dass hier die Bewegung an sich schon eine spielmechanische Herausforderung ist. Gerade die Bewegung gegen den Wind.
Chris:
[1:02:10] Aber das heißt ja noch nicht, dass es auch Spaß macht. Also ja, natürlich ist das memorabel, wenn du einmal wie der Wind nach Westen gesegelt bist und dann feststellst, ach, ich muss da ja auch wieder zurück und jetzt muss ich da gegen den Wind kreuzen. Das ist jetzt aber spielmechanisch ja nicht herausfordernd. Du guckst halt, wie die Wolken sich bewegen und dann schaust du, dass du da einigermaßen parallel zu der Wolkenbewegung dein Schiff ausrichtest, damit es da hin und her kreuzt. Aber Gott, ist das mühsam, Gunnar. Gerade wenn du ein langsames Schiff hast oder sogar ein beschädigtes, wo das Segel schon runtergeschossen ist und dann musst du da gegen den Wind nach Osten kreuzen und dann gibt es ja auch Momente, da kommst du kaum von der Stelle. Gerade in den Schiffskämpfen kann es ja auch sein, dass du zurückgetrieben wirst, wenn du versuchst, gegen den Wind zu segeln. Und das ist alles so langsam, gerade auf dem C64.
Gunnar:
[1:02:58] Aber das kannst du doch nicht gleichzeitig sagen und dann den noch viel langsameren Landkampf als ein adäquates Spielelement loben.
Chris:
[1:03:05] Der Landkampf ist doch die Ausnahme. Das Segeln gegen den Wind ist ja die Kernmechanik, wie du zu Recht sagst. Das machst du ja ständig. Und ich erinnere mich da immer dran, dass eine deiner Maximen, die ich auch für vollkommen richtig halte bei der Beurteilung von Adventure-Spielen ja ist, dass die Text-Adventures von damals noch diese schöne Eleganz in der Bewegung haben, weil das so zack, zack geht, bis zum Ort zu kommen. Und dass einer der Rückschritte bei Grafik-Adventures war, dass da auf einmal Distanz zurückgelegt werden muss. Das ist das alte, ach, jetzt muss ich mit der Figur bis zum Bildschirmrand laufen, damit es weitergeht. Und damit wird die Bewegung schleppender und mühsamer. Das ist kein Analogum, das ist keine Gamifizierung, aber das ist eine sehr hellsichtige Beobachtung, dass Bewegung im Spiel ein wichtiger Spaßfaktor ist. Und das kann dazu beitragen, dass man mehr oder weniger Spaß hat. Und hier ist es ein ganz wesentlicher Faktor in Pirates. Und natürlich ist das realistischer, dass man hier gegen den Wind kreuzen muss. Es macht aber keinen Spaß.
Gunnar:
[1:03:57] Finde ich überhaupt nicht. Ich finde, das ist so stark hier die Metapher umgesetzt durch den Wind. Insbesondere ja auch in den Seeschlachten. Das ist ja auch ein Entscheidungsspiel an den Stellen. Wenn ich halt eine Siedlung angreife von See aus und die Siedlung hat mehrere Möglichkeiten, von See aus angegriffen zu werden, weil sie auf einer kleinen Insel liegt oder so, Dann komme ich halt von der Seite, wo ich den Wind im Rücken habe und dann schneller hin kann. Das sind ja alles Entscheidungen, die dazugehören. Dem ordnet sich alles unter. So ist das halt. Das ist halt der Wind. Das ist halt ein Segelspiel, Christian. Ich weiß nicht, wie man ein Segelspiel spielen kann und sagen kann, warum habe ich denn keinen Motor? Und die Anspruchslosigkeit des Kreuzens? Ja, mei, also die anderen Teile sind ja auch nicht in der Tiefe anspruchsvoll, mechanisch anspruchsvoll.
Chris:
[1:04:39] Jetzt, wo ich das so beklagt habe, möchte ich aber an der Stelle noch festhalten, ich finde das nicht schlimm. Im Gegenteil, ich finde, nicht alles an Spielen muss immer Spaß machen.
Gunnar:
[1:04:49] Ja, vielleicht.
Chris:
[1:04:50] Das ist ganz interessant, gerade in Bezug auf Pirates, wo einer der wesentlichen Designfaktoren, die wesentliche Fragestellung war, was eigentlich macht für den Spieler Spaß und was nicht. Also, was nehmen wir ins Spiel rein? Aus dieser großen Bratmetapher und aus der echten Historie, was wählen wir aus, weil es Spaß macht und tun es ins Spiel und was lassen wir weg? Und unter diesem Realismus- und Simulationsaspekt kommt aber mit rein, dass man halt hier nun mal Windrichtungen hat und im Zweifelsfall dagegen kreuzen kann. Und das macht dann vielleicht keinen Spaß. Es zahlt aber trotzdem ein auf die Spielerfahrung, logischerweise. Und es zahlt auch ein auf das letztendliche Erfolgserlebnis. Weil abgekämpft mit großer Beute und halb zerschossenem Schiff, sich über Monate bei fast meutender Besatzung und schwindenden Nahrungsvorräten dann doch noch im rettenden Heimathafen anzukommen. Und dann alles zu verkaufen und die Beute zu verteilen. Das ist halt ein wesentlich größeres Erfolgserlebnis, als wenn du da jetzt einfach zippzapp hinreißen würdest.
Gunnar:
[1:05:44] Ja, als wenn es einen Teleport gäbe oder so. Also ich finde, durch die Tatsache, dass das dasselbe Spiel ist in den Kämpfen wie in der Fahrt, ist es da sehr bei sich, finde ich, weil du es genau die Steuerung wieder übernehmen kannst. Und diese ganzen Sachen, die gegen dich wirken, wirken ja auch für dich. Also wenn du siehst, dass die Galeone vor dir flieht mit ihrer fetten Ladung und dann dreht sich der Wind und dann wird sie rückwärts auf dich zugetrieben, während du da stehst und gesagt, kommt nur, ihr Deppen, gleich gibt es so aufs Maul, so aufs Maul gibt es jetzt, das werdet ihr alles doch bereuen, dass ihr versucht habt zu fliehen, das ist doch super.
Chris:
[1:06:17] Ja, das sind die memorablen Momente, aber also wenn wir ehrlich sind, so eine Seeschlacht, die kann ja auch in einem von drei Fällen oder sowas, ist das zumindest bei mir in den Partien halt auch so gelaufen, dass ich da auf ein gleich schnelles Schiff wie meines treffe, sagen wir mal, keine Ahnung, Schaluppe gegen Schaluppe und dann gehen die ersten Schüsse daneben und dann entscheidet sich der Gegner zur Flucht und dreht ab. Und ich setze hinterher und wir fahren beide in der gleichen Richtung mit dem gleichen Wind in der gleichen Geschwindigkeit und du hast keine Chance mehr, da irgendwie einzuholen. Gibt es halt vielleicht noch einen verzweifelten Distanzschuss ab in der Hoffnung, ihn doch noch das Segel zu zerschießen und dann kannst du da nur zugucken, wie das andere Schiff halt Richtung Spielfeldrand kriecht und eine Minute später ist dann dieser Kampf vorbei mit, das andere Schiff ist abgehauen. Aber das ist doch langweilig. Da kommt auch keine Dramatik mehr dann rein. Das sind halt die Sachen, die man dann ausblendet. Aber die gehören genauso zum Spiel.
Gunnar:
[1:07:06] Nein, das gehört dazu, finde ich. Also das hängt total stark davon ab, wo der Wind steht, wenn du anfängst. Ich habe schon Kämpfe abgebrochen, weil der Wind falsch steht.
Chris:
[1:07:14] Ja, klar.
Gunnar:
[1:07:15] Und das ist ja auch ganz normal. Ich mache das genauso. Ich gebe einen Schuss ab und wenn das nicht geht, weil das Schiff schießt ja in acht Richtungen. Wir sind ja hier im frühen Joystick-Zeitalter. Du kannst es auch nicht so genau timen, wo du hinschießt. Du musst das Schiff dann halt so drehen und dann treffen oder nicht. Und wenn nicht, dann drehen wir halt ab. Dann ist es halt vorbei. Und so ist es halt auch. Aber das ist doch gar nicht. Also das gehört für mich so essentiell zur Metapher. Ich fände es doof, wenn es dann noch ein Turbo gäbe oder noch irgendeine andere Mechanik, um das auszuhebeln. Es gibt ja auch Wege, wie du das aushebelst durch taktisches Spiel. Ich fahre dann oft als Hauptschiff so ein Allroundschiff, das alles mögliche kann, Merchantman oder eine Fregatte und dann habe ich selbstverständlich noch eine Schaluppe dabei. Denn falls mir dann eine Pinasse unterkommt oder so, dann versuche ich die mit meiner Schaluppe zu fangen.
Chris:
[1:07:54] Tja, oder du versuchst es doch mit der Fregatte, mit deinen 30 Kanonen, da halt mit einem Schuss auch direkt den Rumpfleck zu schlagen. Und dann ist das auch eine sichere Sache, weil dann kommt sie dir auch nicht mehr aus. Aber ja, natürlich, das gehört zum taktischen Spielraum und es gehört zu dem Spiel auch das Scheitern mit dazu. Also natürlich, dass ein Kampf scheitern kann oder dass man beim Fechten unterliegen kann, aber auch schlichtweg, dass man einen Angriff abbrechen muss, weil man feststellt, das wird nichts mehr. Aber in der spielmechanischen Umsetzung, gerade auf der ursprünglichen Version im C64, ist das ganz schön schleppend. auch so einen Kampf abzubrechen, zu sagen, wir drehen jetzt ab, bedeutet, beide Schiffe müssen zum Bildschirmrand kriechen und erst dann ist der Kampf vorbei.
Gunnar:
[1:08:29] Ja, aber es dauert doch trotzdem nicht so lange wie ein Landkampf.
Chris:
[1:08:33] Ja, naja, gut, aber der Landkampf dauert auch nicht so lange, um ehrlich zu sein. Da sind die Distanzen schon vernünftig gewählt.
Gunnar:
[1:08:38] Ja, das stimmt schon. Das Einzige, was ich wirklich manchmal stressig fand, ist, wenn ich fliehe. Also ich bin schwer verwundet und will jetzt fliehen. Dann ist das Problem mit den gleichen Geschwindigkeiten.
Chris:
[1:08:49] Ja, das ist umgekehrt. Du wirst verfolgt und das Spiel bricht nicht ab.
Gunnar:
[1:08:52] Genau, dann kann ich das Spiel aber ja nicht abbrechen an der Stelle. Wenn ich der Verfolger bin, breche ich halt ab, dann ist mir halt ein Schiff entgangen, das ist doch wurscht. Also dann fahre ich halt zum nächsten Schiff. Aber wenn es mir ums Leben geht hier und ich hier dringend weg muss, weil ich ein fettes Schiff habe und das nicht verlieren will und der Gegner, was weiß ich, stärker ist oder ich ihn unterschätzt habe oder die ersten Schüsse gegen mich gelaufen sind oder so, dann muss ich da ja raus und dann habe ich das Spiel auch schon mal minutenlang stehen lassen und nur so alle fünf Minuten hingeguckt, während mein Schiff verzweifelt da langgekrochen ist mit einem Geschwindigkeit. Vorsprung oder gar keinem.
Chris:
[1:09:24] Ja, da stellt man dann auch fest, dass es tatsächlich ein Zeitlimit gibt, weil irgendwann die Sonne untergeht und dann werden diese Kämpfe abgebrochen. Aber bis es soweit ist… Dauert es eine ganze Weile.
Gunnar:
[1:09:32] Genau, das ist halt ein ganz kleiner Schwachpunkt in diesen Kämpfen, wo dein Argument stimmt, aber das gilt echt meines Erachtens nur für diesen einen spezifischen Fall.
Chris:
[1:09:40] Ja, also ich erwarte da auch gar keine Perfektion bei einem Spiel, das so viele Dinge miteinander verzahnt und das ja auch noch so vergleichsweise früh in der Entwicklung der Spiele ist. Deswegen ist das jetzt überhaupt nicht schlimm gemeinte Kritik, sondern es ist eine Beobachtung, dass wir hier in einer Ära sind, wo Dinge noch langsamer laufen. Auch das darf man nicht vergessen, wir sind hier auf dem C64, das Spiel hat ganz ordentliche Ladezeiten.
Gunnar:
[1:10:01] Mit Diskettenwechsel und allem.
Chris:
[1:10:02] Ja, und vor allen Dingen jede einzelne Aktion, also selbst im Hafen zum Händler gehen, dann fragt er dich, willst du ein Schiff verkaufen? Dann kommt das Handelsfenster, da ploppt jedes Mal ein Fenster auf. Das sind immer ein, zwei Sekunden Verzögerungen, bis es tatsächlich angezeigt wird. Und das ist etwas, was damals eine Normalität war. Wenn man das aus heutiger Perspektive sieht, ist es ein doch überraschend schleppendes Spiel, weil ständig diese kurzen Verzögerungen drin sind bei jeder Aktion. Aber das war halt einfach so, ne?
Gunnar:
[1:10:29] Ja, das habe ich komplett verdrängt gehabt. Das kann man ja in der Emulation sich auch wiederholen. Sehr schön war das. Aber das ist ja nur eine Frage von Gewohnheiten. Das hat damals niemanden aktiv gestört, würde ich sagen.
Chris:
[1:10:40] Nee, das denke ich auch. Das ist auch, wenn du dir die zeitgenössischen Kritiken anguckst, das ist jetzt nichts, was irgendjemand erwähnenswert fand. Im Gegenteil, das, was du fast in jeder von den Kritiken damals findest, ist eine Beschreibung der Komplexität der Spielbestandteile und dann fast immer mit dem Zusatz, dass es dafür aber ein erstaunlich zugängliches Spiel sei. Und das ist natürlich richtig, dass dafür, dass hier so viele verschiedene Spielelemente miteinander verzahnt sind und diese dynamische Simulation im Hintergrund,
Chris:
[1:11:07] also auch das der Vollständigkeit halber noch gesagt, die Verhältnisse dieser Siedlungen und des karibischen Raums, der hier dargestellt wird, kann sich auf einfache Art und Weisen auch im Hintergrund verändern. Wir haben schon gesagt, diese Silberflotte zum Beispiel tingelt von Stadt zu Stadt. Die hinterlässt dort immer auch Reichtum. So eine Stadt floriert immer, wenn die Silberflotte gerade mal da war. Es können auch andere Piratenangriffe stattfinden auf Siedlungen. Dann wird da das Geld geplündert. Es kann Malaria ausbrechen. Dann reduziert sich die Bevölkerung und damit auch der Reichtum der jeweiligen Siedlungen. Also das Schicksal dieser einzelnen Punkte auf der Landkarte dieser Siedlungen ist in ständigem Fluss. Und das teilweise in Abhängigkeit von unseren Aktionen. Wenn wir Städte plündern, werden die natürlich auch ärmer. Wenn wir viel Handel treiben mit einer Stadt, kann die reicher werden. Aber auch unabhängig von unseren Handlungen in so einem ganz rudimentären Simulationssystem.
Gunnar:
[1:11:57] Genau, das macht den Eindruck einer lebenden Spielwelt. Wie realistisch das ist, ist noch eine andere Frage, aber das macht deutlich den Eindruck einer Welt, die auch einfach funktioniert und weiter geht ohne dich. Der Silver Train fährt auch, wenn du ihn nicht findest. Die kriegführenden Parteien ändern sich, auch wenn du nicht eingreifst und so. Und die Schiffe fahren auch hin und her, wenn du damit nichts zu tun hast. Das ist alles irgendwie da, aber trotzdem ist es nicht eine Welt, in der du überflüssig bist, die du nur beobachtest, sondern wo du richtig nachvollziehbar Impact, modern gesagt, haben kannst, Einfluss haben kannst. Am stärksten durch dieses Einsetzen von Gouverneuren, was ja richtig das Machtverhältnis ändert, aber halt auch, indem du mit Städten handelst. Wo du deine Ware verkaufst, macht einen Unterschied, wenn du von deinem Beute zukommst. Wie du gegen Städte kämpfst, macht einen Unterschied. Wie oft du welche angreifst, wo du Sachen kaufst, ob du in der Nähe einer Stadt Schiffe plünderst, die da ja hin unterwegs waren und die da was hinbringen wollten. All das macht einen Unterschied auf einzelne Werte im Spiel, meist den Wohlstand einer Stadt. Und der Wohlstand einer Stadt bestimmt dann wieder die Preise und die angebotenen Waren etc.
Chris:
[1:13:06] Tja, und das alles aber eingebettet oder umhüllt von diesem Mantel der historischen Authentizität zumindest mal, was die Orte, die Namen, die zeitlichen Epochen, die verfügbaren Schiffe und so weiter angeht. Übrigens, zu dem Spiel gehört ja ein Handbuch und wir sind da in einer Zeit, wo Handbücher wichtiger werden. Wir kommen aus einer Ära, wo die meisten Spiele in den 70er und 80ern noch nicht so wahnsinnig viel Wert auf das Handbuch gelegt haben oder auch häufig selbst erklärend war im Hintergrund von den Arcades.
Gunnar:
[1:13:33] Genau, das Spielen kommt in der Zeit aus der Arcade und in den ersten Jahren auf den Heimcomputern wird die Arcade emuliert und dann hat man einfache Spielkonzepte, die sie sofort erklären.
Chris:
[1:13:42] Genau, und auf den Heimcomputern kommen ja dann komplexere Spiele, insbesondere auch Simulationen und die erfordern mehr Erklärung und da kommen wir jetzt dann in die goldene Ära des Handbuchs. Und Sid Meier’s Pirates ist eines von diesen Beispielen, denn das hat ein hervorragendes Handbuch. Das sind ungefähr 70 Seiten, glaube ich. Und das verbindet Erklärung der Spielmechanik mit einer anschaulichen Beschreibung, so aus der Ich-Perspektive von so kleinen Vignetten von Piraten, die dann halt was erzählen, mit dann gleichzeitig aber historischer Einordnung. Das nennt sich Historical Footnotes. Und da wird das, was im Spiel passiert, immer in einen Kontext gesetzt zu dem, wie es nach bestem Wissen und Gewissen in der Realität war.
Chris:
[1:14:18] Das heißt, das Spiel legt Wert, sowohl im Spiel als auch im Handbuch diesen Bezug zur Realität zu wahren und schreibt sich selbst auch zu, zumindest in Teilen darauf zu fußen. Und es bemüht sich an vielen Stellen darum, eine historische Realität nachzubilden. Und wie gut oder schlecht dem Spiel das gelingt, das würden wir gerne mal mit jemandem abklopfen, der sich mit dieser Epoche der Geschichte auskennt. Und dazu haben wir uns heute eine Expertin eingeladen und zwar Dr. Tanja Zagschewski. Tanja, du bist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität in Potsdam. Du hast deinen Master in Militärgeschichte gemacht und zu deinen Forschungsschwerpunkten gehört die Piraterie im Atlantikraum im 17. und 18. Jahrhundert. Du bist also tief im Thema drin und ich freue mich sehr, dass du heute bei uns bist.
Dr. Tanja Zakrzewski:
[1:15:06] Ich freue mich auch, dass ich heute da bin.
Chris:
[1:15:08] Wir sind mit dem Spiel Pirates in der Karibik und in der Zeit von 1560 bis 1700 ungefähr.
Chris:
[1:15:17] Mal ganz allgemein gefragt, warum gilt genau diese Ära in dieser Region als die goldene Zeit der Piraterie?
Dr. Tanja Zakrzewski:
[1:15:26] Das hat in erster Linie geopolitische Gründe. Also wir müssen uns das so vorstellen, dass die Karibik nicht nur geografisch extrem aufgesplittert ist mit den ganzen vielen kleinen Inseln, sondern auch unter den Kolonialreichen heftig umkämpft ist, sodass benachbarte Kolonialreiche auch auf benachbarten Inseln aber in Sichtweite quasi voneinander existieren müssen. Und gerade wenn wir uns angucken, dass Spanien die Kolonien auf dem südamerikanischen Festland kontrolliert, mussten sie durch die Karibik segeln, um die ganzen Ressourcen, das Gold und das Silber, zurück nach Kernland Spanien, nach Europa zu bringen. Und mussten da dann natürlich an diesen kleinen Inseln vorbei, am englischen Einflussbereich und am französischen Einflussbereich. Und das war einfach extrem gefährlich und führte dann dazu, dass sich Piraten da besonders wohl gefühlt haben, weil die großen Handelsrouten einfach durch dieses Gebiet gingen, plus die politische Lage noch dazu.
Chris:
[1:16:23] Wenn du von Handelsrouten sprichst, also wir verstehen Piraten ja jetzt mal ganz simpel gesagt als Räuber, die halt auf dem Wasser unterwegs sind statt an Land. Damit Piraten dort florieren können, muss es ja was zu stehlen geben. Was wird denn da gehandelt? Was sind denn da die wertvollen Beutegüter?
Dr. Tanja Zakrzewski:
[1:16:40] Also wir haben im spanischen Kontext zum Beispiel hauptsächlich Gold und Silber aus den spanischen Kolonien in Südamerika. Das, was heute Peru ist zum Beispiel, wurde dann erst übers Festland bis zur Küste gebracht und dann verschifft zurück nach Spanien, wo es dann nach Sevilla ging. Daher kommt der Begriff Silberflotte, weil die Spanier hauptsächlich Silber transportiert haben. Und das war natürlich extrem risikobehaftet und auch extrem anziehend für Piraten, die schnelles Geld gewittert haben. Andere Güter waren aber auch Tabak und Rohrzucker und natürlich Geld, was transportiert wurde. Schmuck, Juwelen, Sklaven natürlich auch, darf man auch immer nicht vergessen, die auch als Ware gelten in der Zeit.
Dr. Tanja Zakrzewski:
[1:17:24] Das war extrem anziehend für Piraten.
Chris:
[1:17:27] Wenn wir an den Anfang gehen, also das späte 16. Jahrhundert, dann Anfang, Mitte 17. Jahrhundert, Da haben wir also diese sehr lukrativen Besitzungen von Spanien in der neuen Welt und das ganze Silber und das Gold. Und jetzt sollte man meinen, dass gerade dann so eine reiche Nation wie Spanien da eine ordentliche Militärflotte vor Ort haben sollte, um die eigenen Interessen zu beschützen. Und das ist ja auch genau die Zeit, also das späte 16. Jahrhundert, von der berühmten spanischen Armada, also dieser imposanten Kriegsflotte. Und die wird dann von England beschlagen, damit etabliert sich England als Seemacht. Also auch hier, man sollte meinen, Länder mit so großen Seestreitkräften, die tragen ihre Konflikte in der Karibik militärisch aus und machen da kurzen Prozess mit Piraten, die brauchen doch keine Kaperbriefe. Warum ist das nicht der Fall? Wenn ich das richtig verstehe, ist ja sogar das Gegenteil richtig, dass es in der Karibik so gut wie überhaupt kein organisiertes Militär gibt. Und wenn da mal eine Stadt angegriffen wird, dann müssen sich da lokale Milizen um die Verteidigung kümmern.
Dr. Tanja Zakrzewski:
[1:18:27] Genau, das ist in der frühen Neuzeit, in der wir uns hier befinden, absolut üblich. Wir sind noch in der Zeit vor stehenden Heeren. Also diese großen Berufsarmeen, die wir heute kennen, die gibt es zu der Zeit noch nicht. Und das liegt ganz einfach daran, dass das extrem teuer ist. Also die spanische Armada, ja, die ist sehr beeindruckend, keine Frage. Aber diese Schiffe sind extrem teuer. Die Mannschaften sind hochspezialisiert, die Kanonen bedienen zu können. Die riesige Takelage, das sind Experten, die sind auch teuer. Und wenn denen was passiert, ist das ein riesiges Verlustgeschäft. Also weder das spanische Imperium noch das englische haben zu der Zeit einfach die Manpower, die riesigen Gebiete, die sie für sich beanspruchen, tatsächlich zu kontrollieren und verlassen sich deswegen auf Milizen, die zum einen billiger sind, meistens keine Staatsbürger in Anführungsstrichen, weil Staatsbürgerschaft an sich gibt es auch noch nicht. Aber wenn so ein paar Einheimische sterben, ist es weniger relevant, als wenn es wirklich Engländer sind, die vielleicht sogar noch richtig ausgebildet waren. Also Menschenleben sind in der Zeit nicht viel wert.
Chris:
[1:19:38] Im Spiel gibt es neben dem ganzen ökonomischen Aspekt noch einen anderen Anreiz und zwar die soziale Mobilität. Also man startet da eigentlich immer als Nobody und dadurch, dass man dann erfolgreich in der Karibik agiert, kann man sich dann aber hochdienen bis zu Adelstiteln tatsächlich, sogar bis zu hohen Adelstiteln. Man kann sich Landbesitz erwerben und so weiter. Das erscheint mir für die ja relativ festgefügten gesellschaftlichen Systeme dieser Zeit recht ungewöhnlich. War das denn in der Realität wirklich so?
Dr. Tanja Zakrzewski:
[1:20:08] Ja und nein. Also ganz so einfach war es gerade mit den Adelstiteln und dem Landerwerb natürlich nicht. Ich bin mir ziemlich sicher, dass hier allen sofort Henry Morgan einfällt, der Kapitän, der zufällig tatsächlich in den Adelsstand gehoben wurde und Land erworben hat, aber das ist die absolute Ausnahme. Also soziale Mobilität spielt weniger für die Kapitäne eine Rolle als für die Mannschaft an sich, weil an Bord von Piratenschiffen erstmal jeder oder sogar jede anheuern konnte. Unabhängig von Herkunft, also Herkunft im Sinne von Nationalität oder ob jemand adelig geboren war oder sogar unehelich. Religion spielte weniger eine Rolle, Hautfarbe spielte weniger eine Rolle. Also nein, ich sage es immer in Relation, weil es sich natürlich von Kapitän zu Kapitän unterscheiden konnte. Wir wissen von Kapitänen, die selbst Sklavenhandel betrieben haben. Wir wissen aber auch, dass einige gezielt Sklavenschiffe angegriffen haben, um die Sklaven zu befreien und für sich zu rekrutieren. Es ist schwierig, es ist Einzelfallentscheidung am Ende, aber soziale Mobilität auf Piratenschiffen auf jeden Fall, aber eher für die Mannschaft als für die Kapitäne.
Chris:
[1:21:25] Also Freiheit ist ein Aspekt und Ausbruch aus dieser sozialen Lage, aber was zumindest laut dem Spiel auch eine Rolle spielt, ist das Ökonomische. Also dass man da eine Möglichkeit hat, zu einer Art bescheidenen Wohlstand zu kommen, wenn denn alles gut geht. Denn im Spiel wird das so skizziert, dass nach so einem erfolgreichen Beutezug diese Beute dann gleichmäßig unter der Besatzung aufgeteilt wird, nach einem festgelegten Schlüssel. Und das legt so nahe, dass es da eine vergleichsweise egalitäre Organisationsform an Bord der Schiffe gibt. Das, was wir jetzt im Spiel finden, dass da die Beute fair geteilt wird und dass die Besatzung teilweise Entscheidungen mittrifft, also im Spiel zum Beispiel ist es so, dass irgendwann ihre Stimmung so schlecht wird, dass sie darüber mitentscheiden, de facto, wann der Beutezug auch tatsächlich zu Ende ist, weil wenn die Mannschaft nicht mehr will, dann geht es halt auch nicht mehr. War das in echt auch so?
Dr. Tanja Zakrzewski:
[1:22:15] Ja, da finde ich, ist das Spiel erstaunlich akkurat. Also wir wissen von dem sogenannten Piratenkodex, der ist tatsächlich auch in der Quellenlage überliefert, was für Historiker immer ein ganz großes Ereignis ist, wenn wir was wirklich schriftlich nachweisen können. Das ist allerdings nicht so sehr wie in Ihrenkodex zu verstehen, wie es in der Populärkultur gerne dargestellt wird, sondern es ist mehr eine Art Arbeitsvertrag, wo vornherein festgelegt wird, Wenn wir Beute machen, wer bekommt wie viele Anteile? Und da ist es natürlich gestaffelt, der Kapitän bekommt immer die meisten Anteile und dann der erste Maat und so weiter. Also ob man das jetzt für fair halten möchte, lasse ich mal dahingestellt, aber es ist auf jeden Fall vorab festgelegt. und es ist großzügiger als beispielsweise in der englischen Marine. Was dieser Piratenkodex aber auch macht, ist auch wieder eine Rückversicherung. Also man muss sich vorstellen, die einzelnen Punkte werden festgelegt. Meistens sind die sogar zeitlich befristet. Also es gibt diese Verträge auch manchmal nur für einen Raubzug und dann wird der neu aufgelegt. Und darunter gibt es eine Liste der Mannschaft, namentlich aufgelistet und daneben unterschreiben die. Jetzt können die meisten natürlich nicht richtig schreiben und machen dann einfach nur ihre Initialien, wenn sie können, oder ein Kreuz oder irgendwie sowas.
Dr. Tanja Zakrzewski:
[1:23:36] Das regelt zum einen die Beuteverteilung am Ende, dass sie dann was haben, womit sie sagen können, hier wurde aber vorher festgelegt, ich bekomme drei Anteile von dem, was wir erbeutet haben.
Dr. Tanja Zakrzewski:
[1:23:47] Gleichzeitig sichert das natürlich auch gegen Verrat ab, weil ich habe ja schon gesagt, Piraterie ist eine Straftat. Und hier ist jetzt schriftlich festgehalten, wer sich bereit erklärt, diese Straftat zu begehen. Also hier ist natürlich auch die Rückversicherung an den Kapitän, dass er sich vor Verrat schützen kann. Und das sind auch die Verträge, die den Mannschaften dann zu Verhängnis werden, wenn sie tatsächlich irgendwo gefangen genommen werden. Weil man das schwer abstreiten kann, wenn man das abgesegnet hat.
Chris:
[1:24:16] Wer wird denn beraubt? Wer verliert da was? Und in wessen Taschen landet das?
Dr. Tanja Zakrzewski:
[1:24:22] Beraubt wird, wer das Risiko wert ist. Also das ist immer der Balanceakt, den die Kapitäne schaffen müssen. Es ist natürlich extrem verlockend, ein mit Silber voll beladenes spanisches Schiff anzugreifen. Das sind aber auch die Schiffe, die am besten bewacht werden. Also wir sehen die Hauptziele gerade in der frühen Phase der Piraterie. 1560 bis 1600 ist die Silberflotte der Spanier, die überfallen wird, was so schlimm wird, dass sie dann tatsächlich einen Marinekonvoi als Schutz bekommen. Und darüber hinaus sind es die Handelsschiffe, vor allem der Niederländer. Also jedes Schiff, was Güter aus der neuen Welt zurück nach Europa bringt, kann im Prinzip Angriffsziel werden. Und da wird dann natürlich unterschieden, manche Schiffe werden besser geschützt als andere, je nachdem, ob die Reederei sich das leisten kann oder nicht. Und dann haben wir auch das Phänomen, dass gerade Schiffe, die Sklaven transportieren, gerne angegriffen werden, auch wenn sie keine oder darüber hinaus nur wenig andere materielle Güter transportieren, weil sie extrem leicht zu übernehmen sind. Denn das Erste, was passiert, wenn Piraten auf ein Sklavenschiff treffen, ist zu sagen, wenn ihr euch auf unsere Seite schlagt, befreien wir euch. Und dann haben wir natürlich direkt Meuterei auf diesem Schiff. Und da ist dann auch wieder die zahlenmäßige Unterlegenheit der Freien und dann ist die Sache innerhalb von Minuten erledigt.
Dr. Tanja Zakrzewski:
[1:25:50] Das ist dann eher so eine Art Rekrutierungsfahrt, nenne ich das. Da kommt vielleicht nicht viel Gold bei rum, aber dann hat man die Manpower für die wirklich großen Raubzüge.
Chris:
[1:25:59] Also wenn die Silberflotte zum Beispiel befallen wird, die Geschädigte ist dann in dem Fall die spanische Krone, also das Königshaus. Und bei den Handelsschiffen sind es Händler oder im Falle der Holländer ja teilweise auch Firmen. Also in jedem Fall die Wohlhabenden, die Oberschicht. Ist das korrekt?
Dr. Tanja Zakrzewski:
[1:26:20] Ja, auf jeden Fall.
Chris:
[1:26:21] Okay.
Dr. Tanja Zakrzewski:
[1:26:22] Es werden nicht die Ärmsten der Armen zum Ziel von Piraterie.
Chris:
[1:26:26] Zumindest nicht auf See, würde ich sagen, weil jetzt kommen wir zu dem anderen Aspekt.
Chris:
[1:26:30] Wir verbinden mit Piraten ja meistens den Gedanken von Seekampf und Überfälle auf andere Schiffe. Aber im Spiel wiederum ist ein ziemlich wichtiger Bestandteil auch der Angriff auf Siedlungen, auf Städte. Und damit zusammenhängt dann auch der Kampf zu Land. Wie häufig kam denn sowas in echt vor?
Dr. Tanja Zakrzewski:
[1:26:48] Das ist total spannend, dass das Spiel das aufgreift. Und hier war ich auch wieder überrascht, wie historisch akkurat das ist, weil das absolut ein großer Bestandteil von Piraterie ist. In der Karibik fällt das immer so ein bisschen unter den Tisch, weil wir da Überlieferungen von den großen Raubzügen auf See haben. Aber wenn wir uns mal als Vergleichsgröße das Mittelmeer angucken, da ist die Hauptbedrohung der Hafenstädte Piraterie und nicht ein Überfall eines feindlichen Landes zum Beispiel. Die Spanier haben im Mittelmeer mehr Angst vor Piraten aus Nordafrika als vor der Osmanischen Flotte zum Beispiel. Also Hafenstädte sind absolut bedroht von Piraterie und das ist in der Karibik nicht anders. Gerade wenn es dann zu Fällen kommt, wo Piraten in Hafenstädten geduldet werden, weil sie gut fürs Business sind, dann aber verraten werden, das rächt sich oft extrem und sehr schnell und sehr gewaltvoll. Weil hier kommt auch wieder ins Spiel, Piraten sind nicht unbedingt gute Menschen. Das sind schon absolute Gewalttäter, die, wenn sie genug provoziert sind oder außer Kontrolle geraten, Gräuseltaten an der Zivilbevölkerung begehen.
Chris:
[1:28:02] Und da trifft es dann doch wieder die in Anführungszeichen normalen Menschen. Es gibt zu dem, was du gerade gesagt hast, das Handbuch von Pirates ist reich an Geschichten, Aber ein Beispiel ist von dem französischen Piraten Lolonay, der im Jahr 1666 die spanische Hafenstadt Maracaibo geplündert hat. Die ist zur Seeseite gesichert mit einem Vor. Also die verteidigt sich gegen Seeangriffe, aber was er dann macht, ist halt einfach anzulanden und von der Landseite aus anzugreifen. Und dagegen ist die Stadt offensichtlich nicht ausreichend gesichert. Auf jeden Fall wird sie von ihm dann überrumpelt und geplündert und dann in der Folge auch im Endeffekt dem Erdboden gleichgemacht. Also Morde an der Zivilbevölkerung und Vergewaltigungen gehören da offensichtlich zur Tagesordnung. Und dieser Lolonet hat den Ruf, einer der besonders grausamen Piraten zu sein, mit deutlich psychopathischen Zügen.
Chris:
[1:28:54] Also das entspricht nicht unbedingt dem Bild von dem edlen Piraten, das wir heutzutage in den Medien haben. Aber wenn ich dich richtig verstehe, ist das eh eine Fiktion.
Dr. Tanja Zakrzewski:
[1:29:03] Ja, also das Bild, was wir in der Populärkultur von Piraten haben, ist schon sehr romantisiert. Wobei das nicht nur eine Erfindung der Moderne ist. Wir finden auch schon im 18. Jahrhundert Publikationen, die Piratengeschichten erzählen und aufhübschen, weil sich das gut verkauft. Das sind keine historischen Quellen. Es sind aber auch nicht wirklich Unterhaltungsromane, wie wir sie heute kennen. Die verkaufen sich zu der Zeit als wahre Berichte, als ich mit Kapitän so und so gesegelt bin, was dann alles frei erfunden ist. Aber es verkauft sich gut. Also manche Kapitäne werden schon in diesen Publikationen erwähnt, bevor sie überhaupt tot sind. Und werden dann schon zu lebenden Legenden.
Chris:
[1:29:47] Jetzt kommen wir noch mal zu einem Aspekt, der jetzt schon aufgetaucht ist, aber der, glaube ich, wichtig ist, noch mal explizit zu besprechen. Ein Aspekt, den das Spiel komplett ausblendet, nämlich das Leben der einheimischen Bevölkerung. Und damit meine ich sowohl die Menschen, die dort in den Siedlungen leben, als auch insbesondere das Leben der Sklaven. Diese Schätze der neuen Welt, die wir vorhin schon erwähnt haben, also das Silber, das Gold, aber auch so Dinge wie das Zuckerrohr oder Tabak, die müssen ja irgendwo herkommen.
Chris:
[1:30:17] Sowohl für die Bergwerke als auch für die Plantagen braucht man Arbeitskräfte und natürlich auch nicht wenige.
Chris:
[1:30:22] Und zu der Zeit, wo das Spiel am Anfang spielt, also das Ausgehen der 16. Jahrhundert, da sind das zumindest für die Spanier überwiegend noch die indigene Bevölkerung von Mittel- und Südamerika. Aber das ist schon ein Zeitpunkt, da haben die die mehr oder weniger verschlissen. Ja. Also ich weiß gar nicht, wie man das drastisch genug ausdrücken kann, aber das war ja ein Genozid, den die Spanier dort ausgeführt haben an der einheimischen Bevölkerung und weil ihnen dann die Arbeitskräfte ausgehen, fangen sie dann an, afrikanische Sklaven in diese Region zu deportieren und dort, wie du sagst, wie Vieh zu behandeln. Also Sklaven sind eine Ware und wiederum auch eine Ware, die für Piraten dann natürlich einen Wert haben. Du hattest das vorhin schon geschildert, dass teilweise dann die Sklavenschiffe zur Rekrutierung benutzt werden, aber genauso. So ist es ja, wenn ich das richtig sehe, historische Realität, dass Piraten auch Sklaven handeln. Also es gibt im Spiel zum Beispiel ein Szenario, da spielt man John Hawkins, einen englischen Freibeuter, dessen Flaggschiff ist die Jesus von Lübeck und im Spiel ist das halt ein Schiff wie jedes andere. In der Realität war das ein Sklaventransporter und John Hawkins hat sich extra eine Methode ausgedacht, dort Sklaven Rücken an Rücken legen zu lassen, damit sie möglichst eng gepackt werden können unter Deck, damit er so viele wie möglich da in die Karibik transportieren kann. Also wie gesagt, im Spiel findet das nicht statt, aber ist das aus deiner Perspektive eine Ausnahme, dass Piraten auch im Sklavenhandel aktiv sind oder ist das historischer Alltag sozusagen?
Dr. Tanja Zakrzewski:
[1:31:50] Viele Piraten sind gnadenlose Opportunisten. Also ich würde auch hier wieder Abstand davor nehmen, zu sagen, dass selbst die Piraten, die sich im Vergleich als besonders moralisch hervortun, nicht auch geneigt dazu wären, Sklaven zu handeln, wenn sie damit richtig viel Geld machen können. Wir dürfen nicht vergessen, dass diese afrikanischen Sklaven zu der Zeit nicht als Menschen wahrgenommen wurden. Das ist, als hätte man Kühe über den Atlantik transportiert. Mit der gleichen emotionalen Verbindung, die man dazu hat. Es gibt natürlich immer Leute, die aus der Reihe tanzen und das zu der Zeit, wo es passiert, schon ablehnen. Aber das sind die absoluten Ausnahmen.
Chris:
[1:32:37] Das bringt mich jetzt zu meiner Abschlussfrage an dich, Tanja. Wie endet das Ganze denn? Diese goldene Ära der Piraterie. Wann und warum findet diese Ära ihr Ende?
Dr. Tanja Zakrzewski:
[1:32:47] Also wir sehen am Anfang des 18. Jahrhunderts, so in den 1710ern, 1720ern nochmal so ein letztes Aufbäumen der Piraterie. Das passiert diesmal tatsächlich aus der politischen Lage, die an Land stattfindet. Der spanische Erbfolgekrieg kommt zu Ende. Und hat dann schlichtweg dazu geführt, dass extrem viele Kapitäne arbeitslos waren. Und die haben dann auf eigene Rechnung als Piraten weitergearbeitet, weil sie gut drin sind. Das ist das letzte Aufbäumen der Piraterie. Und dann kommen wir langsam dahin. Inzwischen haben sich die Schusswaffen besser entwickelt. Es dauert nicht mehr zehn Minuten, bis man eine Kugel nachgeladen hat. Die Technik im Militär wird immer besser. Es kommen langsam stehende Heere, weil man eben gerade in den Kolonien sieht, dass Milizen es einfach nicht bringen, wenn es hart auf hart kommt und man sich dann entscheidet, in stehende Heere zu investieren. Die Marine wird aufgerüstet und die Großmächte zu der Zeit, Portugal gehört dann jetzt auch dazu, kommen zu dem Schluss, dass es sich für alle mehr lohnt, die internationalen Handelswege zu schützen, vor Piraten als auf Piraterie als subtile Kriegsführung zurückzugreifen.
Dr. Tanja Zakrzewski:
[1:34:03] Weil es inzwischen zu viele Piraten gibt, die nicht mehr zu kontrollieren sind, weil sie sich eben nicht mehr an Kaperbriefe halten. Und so kommt das goldene Zeitalter der Piraterie zum Ende. Aber Piraterie hört natürlich nicht auf. Also wir haben Piraterie heute noch, nur in anderen Gewässern.
Chris:
[1:34:20] Das Handbuch von Pirates fühlt sich berufen, proaktiv sich zu verteidigen. Warum denn die Ära nach 1700, also 1710, 1720 eigentlich nicht mehr abgebildet ist, obwohl so ein berühmter Pirat wie Blackbeard zum Beispiel in dieser Zeit aktiv war. Und die Begründung, die dann da gegeben wird, ist, das fand ich ganz interessant, dass sich der Blick auf Piraten von staatlicher Seite verändert hat. Während die vorher ein nützliches Werkzeug oder schlimmstenfalls so eine Art notwendiges Übel waren, gelten sie jetzt als Verbrecher, schlichtweg als Verbrecher, die bekämpft werden müssen.
Dr. Tanja Zakrzewski:
[1:34:58] Genau, diesen Umschwung sehen wir auf jeden Fall in der Zeit. Und da macht es dann auch Sinn, dass das fürs Narrativ des Spiels ausgeblendet wird, weil es dann auch einfach zu kompliziert wird, gerade am Ende.
Chris:
[1:35:11] Ja, kompliziert ist das alles, wie wir jetzt auch im Gespräch mit dir erfahren haben, Tanja. Also das ist wirklich eine wilde Zeit und ich glaube, wir haben da auch nur an der Oberfläche gekratzt von dem, was es da alles zu erzählen gäbe. Würdest du sagen, dass man Pirates empfehlen kann, wenn man zumindest ein bisschen mehr wissen möchte über diese Ära der Piraterie oder der Weltgeschichte?
Dr. Tanja Zakrzewski:
[1:35:31] Also ich kannte das Spiel nicht. Das ist vor meiner Zeit gewesen. Aber ich war wirklich gerade auch, als ich mir dieses Handbuch angehuckt habe, positiv überrascht. Also ich habe natürlich erwartet, dass es stark eingekocht wird und dass die Romantisierung stattfindet. Aber gerade diese historical footnotes waren schon beeindruckend. Eine schöne Überraschung.
Chris:
[1:35:53] Das finde ich echt schön, dass du so im Nachhinein mehr als 30 Jahre später deinen Segen findest.
Dr. Tanja Zakrzewski:
[1:35:58] Ja.
Chris:
[1:35:59] Vielen Dank an dieser Stelle nochmal, Tanja, dass du uns bei dieser Einordnung geholfen hast.
Chris:
[1:36:04] Ich möchte hier anknüpfen, Gunnar, nochmal schnell auf eine kleine Sache eingehen, weil es gibt einen Aspekt, den ich aus spielmechanischer Perspektive dann doch wieder ganz treffend finde, weil, wie wir gerade auch bei Tanja gehört haben, Menschenleben waren in dieser Ära nicht viel wert. Und in der Tat ist es in Pirates auch so, dass die entbehrlichste Ressource die eigenen Crewmitglieder sind, weil die bleiben im Spiel ja eine völlig anonyme Masse und sie kosten dich auch nichts. Das Rekrutieren von Crewmitgliedern ist prinzipiell kostenlos und dann wollen sie nur Nahrung haben. Der Zahltag kommt ja dann am Ende, wie du beschrieben hast, wenn die ausgezahlt werden möchten.
Chris:
[1:36:42] Aber zu diesem Zeitpunkt möchte man sie dann eigentlich möglichst klein haben. Anfang ist es gut, eine große Kuh zu haben, um die großen Beutezüge zu machen, zu Städte zu überfallen. Aber wenn es darum geht, die Beute zu verteilen, ist es besser, möglichst wenig Leute zu haben. Nicht, weil der eigene Anteil dann größer wäre, der ist fest, aber der Anteil, den jedes einzelne Crewmitglied am Ende bekommt, davon hängt ab, wie gut dein Ruf als Piratenkapitän ist. Und deswegen ist es opportun, vor dem Aufteilen der Beute lieber nochmal einen Teil der Mannschaft zu verschleißen. Sie desertieren zu lassen oder sie in Kämpfen umkommen zu lassen, weil wenn weniger übrig sind, kriegt jeder von den WD-Kin mehr Gold. Die sind dann umso zufriedener und dein Ruf als Piratenkapitän steigt. Und das ist ganz schön zynisch, weil das ja eine spielmechanische Umsetzung ist. Das Spiel legt nahe, dass du so handeln solltest zu deinem eigenen Vorteil, am Ende nochmal deine eigenen Leute zu dezimieren.
Gunnar:
[1:37:32] Also es geht fast nicht anders, weil die Spielmechanik dazu so zwingend ist. Einerseits in der Auswertung, aber auch, dass die Crew die ganze Zeit aufs Konto schaut. Die wissen immer ganz genau, wie viel Geld gerade im Laderaum ist und rechnen sich ständig live ihren Anteil aus. Wahrscheinlich haben sie da echt irgendwie kleine Runden für, einen Ausschuss.
Chris:
[1:37:52] Große Schiefertafeln hängen da vermutlich an der Kabine, genau.
Gunnar:
[1:37:55] Die ganze Zeit wollen die darüber reden und wollen da Bescheid wissen. Und wenn das halt zu viele Leute sind, dann werden sie unzufrieden. Das merkt man dann schon. Und das Spiel wird ja ineffizient, wenn da ständig Leute rekrutieren oder die Leute ständig unzufrieden sind und so. Das heißt, du musst schon aus Selbstschutz, selbst wenn du sagst, ich pfeife auf mein Geld am Ende, auf den Highscore, mir steht die Spielerfahrung im Vordergrund. Ich will einfach meine Leute fair behandeln oder mit einer großen Crew unterwegs sein. Das ist mir wichtiger, weil mich das handlungsfähig macht. Nee, das geht nicht. Das Spiel fängt dann an, die Leute wegzunehmen oder das Spiel schwieriger zu machen durch diese Desertation.
Chris:
[1:38:31] Auf einer spielmechanischen Ebene ist das auch wieder schön und elegant balanciert, weil du musst das dann austarieren gegen den Bedarf von Leuten. Wenn du eine große Flotte hast, muss die natürlich auch besetzt werden. Eine zu kleine Crew kann deine Schiffe nicht mehr steuern. Dann kann es passieren, dass du Schiffe aufgeben musst, wenn du nicht mehr genügend Leute hast. Und dir bringt auch die größte Kriegsgaleone mit 80 Kanonen nichts, wenn da zu wenig Leute drauf sind, um die Kanonen zu bedienen. Und das setzt das Spiel dann auch um. Also da werden halt nur die Kanonen abgefeuert, die auch tatsächlich von der Mannschaft besetzt werden können. Und dementsprechend hast du schon Gründe, viele Leute dabei zu haben, aber gerade zum Ende hin hast du eine starke Motivation, möglichst wenig Leute an Bord zu haben.
Gunnar:
[1:39:11] Der zentrale Erfolgsindikator. Die ganze Zeit für alle Arten von Konflikt ist die Zahl deiner Crew. Wenn du mehr Crew hast, wirst du die Seeschlachten gewinnen, wenn du enterst. Wenn du mehr Crew hast, wirst du die Sebelduelle leichter gewinnen, wenn du geentert hast. Wenn du mehr Leute hast in deiner Landschlacht, dann wirst du die Landschlacht gewinnen und so weiter. Das ist die ganze Zeit der entscheidende Faktor, auf den hin du optimieren musst. Du nimmst die ganze Zeit anfangs Angebote an von Leuten, die sagen, darf ich nicht bei dir mitmachen, bis du ein paar hundert Leute hast, was dir dann ermöglicht, größere Ziele anzugreifen und halt auch dich mit Städten anzulegen und so, was halt für sonst nicht so geht mit kleinen Gruppen. Und dann gegen Ende eines mittleren Runs schlägt es plötzlich um, die Leute müssen sofort alle weg. Am besten komplett über Bord und so, damit du dann beim Aufteilen nicht so hohe Umkosten hast.
Chris:
[1:40:05] Also im Endeffekt ist es doch ein Crewmanagement-Spiel. Na, jetzt haben wir den Kern herausgearbeitet. Das steht wiederum nicht auf der Packung oder im Handbuch. Das ist die eine Beschreibung, die noch fehlt.
Gunnar:
[1:40:14] Ja, weil da nicht so viel zu managen ist, fürchte ich.
Chris:
[1:40:16] Ja, das stimmt natürlich. Aber da sind wir ja wieder bei dem Punkt, was ist es jetzt denn im Endeffekt für ein Spiel? Und das wäre eine gute Überleitung in die Entstehungsgeschichte, dass wir uns jetzt mal angucken, wie dieses für seine Zeit so ungewöhnliche und so schwer greifbare Spiel denn eigentlich in die Welt gekommen ist.
Gunnar:
[1:40:31] Bitte gerne.
Chris:
[1:40:32] Gut, dann beginnen wir natürlich bei Microprose. Also die Vorgeschichte von Microprose werden wir an dieser Stelle nicht erzählen. Das wird Thema in einer anderen Folge mal sein, wenn wir uns die früheren Simulationen mal angucken. Das Entscheidende ist, dass Microprose zu diesem Zeitpunkt, wo Pirates entsteht, eine Firma ist, die eigentlich ziemlich stark festgelegt ist auf das, was sie macht. Als die Firma 82 gegründet wird von Sid Meier und Bill Steeley, Da ist das Start-Line-Up sozusagen noch relativ divers. Das sind ja lauter 8-Bit-Titel. Da haben sie dann auch mal einen Sidescroller dabei mit Chopper Rescue oder ein Floyd of the Jungle. Das ist ein Jump’n’Run. Aber dann fokussiert sich die Firma ganz schnell auf ein Kerngenre. Und das sind Flugsimulationen. Das beginnt mit Hellcat Ace. Und dann kommen jedes Jahr ein bis zwei weitere dazu. Der Grund ist einerseits, dass der Mitgründer, der Bill Steeley, ja einen militärischen Hintergrund hat. Der ist selber Militärpilot. Der begeistert sich für diese Art von Spiel. Aber der andere wesentliche Punkt ist, dass das sehr erfolgreiche Spiele sind. Also insbesondere F-15 Strike Eagle, das kommt 1984 raus, das verkauft natürlich nicht sofort, aber über mehrere Jahre hinweg dann am Ende eine sechsstellige Stückzahl. Das ist also ein Mega-Ergebnis für diese Ära. Und Sid Meier, der andere Mitgründer und der Hauptprogrammierer, der diese Spiele sperrpunktmäßig macht am Anfang, der ist auch fasziniert von diesen Simulationen, gerade von der technischen Herausforderung. Das sind ja 3D-Berechnungen und das verfeinert er so sukzessive mit jedem Spiel. Aber schon in diesem Jahr 1984, da ist also Microprose im dritten Jahr, da wird Sid Meier das mit den Simulationen so langsam langweilig.
Gunnar:
[1:42:02] Und dann beginnt eine Dynamik zu wirken zwischen diesen beiden sehr unterschiedlichen Charakteren, die das Microprose-Portfolio die nächsten zehn Jahre lang bestimmen wird. Denn der Bill, der will Militärsimulationen haben. Immer mehr Militärsimulationen, bessere Militärsimulationen, noch realistischere Militärsimulationen und wer soll es machen. Sid Meier, der kann das ja. Der hat das ja schon bewiesen, dass er das kann. Weiter, weiter, weiter. Es gibt noch viel mehr Flugzeugtypen, die man machen könnte. Und Sid Meier will zunehmend andere Sachen machen. Der ist ja das lange mitgegangen, das Militärsym Thema. Jetzt will er auch langsam mal da raus. Und wir hatten das in der Civilization-Folge schon beschrieben, dass das dazu führt, dass sich Meier dann seine eigenen Projekte zunehmend intern erkämpfen muss. Obwohl er einer der beiden Gründer ist, weil der Wild Bill Steely ist das eigentliche Machtzentrum der Firma, weil er nämlich der Geschäftsführer ist. Und dadurch gibt es dann immer so eine Art Ping-Pong-Spiel. Also Meier macht ein Projekt, das der Steely haben will und dann kriegt er die Freiheit dadurch, wenn das fertig ist, mal was Eigenes zu machen, dann kann er ein eigenes Spiel umsetzen. Und man erkennt diese von Bill Steeley ungeliebten Zwischenprojekte sehr schön von außen daran, dass die den Namenszusatz Sid Meyers vor dem Spielenamen tragen, also Sid Meyers Railroad Tycoon. Und dieser Namenszusatz, das kommt zum ersten Mal vor 1987 mit dem Spiel Sid Meyers Pirates.
Chris:
[1:43:28] Genau, denn das Spiel, das startet in genau so einer Konfliktkonstellation zwischen Sid Meier und Bill Steeley. Im Jahr 1984, da hat Microprose schon eine Handvoll Angestellte, darunter ist auch ein Programmierer Andy Hollis, der wurde eigentlich dafür eingestellt, dass er die Simulationen auf andere Systeme portieren soll, aber der macht dann bald auch eigene Spiele und weil der Hollis sich dann so um Simulationsnachschub kümmert, der macht Spiele wie Mick Alley Ace und Kennedy Approach, da hat Sid Meier dann das erste Mal Zeit für eine eigene Extravaganz. Aber ganz, der macht dann da eine Serie von Rundentaktik-Kriegsspielen. Das hat schon 83 begonnen mit NATO Commander, das hat übrigens Sid Meier rückblickend als ein schlechtes Spiel bezeichnet, aber vielleicht auch deswegen, weil das noch nicht so gelungen war, verbeißt er sich dann in das Genre und macht dann da in kurzer Folge drei weitere Titel, nämlich Crusade in Europe, Decision in the Desert und Konflikt in Vietnam. Das sind also, wie gesagt, Rundentaktik-Spiele, das ist schon eine erste Abkehr von den Militär-Simulationen, aber es ist ja immerhin Das sind Militärspieler, historische Militärspieler.
Gunnar:
[1:44:28] Nee, das reicht nicht. Bill Steely will fliegen. Er ist halt der Kampfpilot. Er will die nächste Sid Meier-Flugsimulation haben.
Gunnar:
[1:44:35] Und Hollis arbeitet zu der Zeit an einer Helikoptersimulation, die heißt Gunship. Und Sid Meier steigt dann schließlich bei diesem Projekt ein und macht dann da die 3D-Engine. Und als das durch ist, da geht Bill Stidi davon aus, dass Sid Meier jetzt das macht, was schon lange überfällig ist. Sie haben ja dieses Hitspiel, du hast es erzählt, F-15 Strike Eagle. Da wird jetzt mal langsam ein Nachfolger fällig. Das ist ja wohl klar. Da muss man auch gar nicht drüber nachdenken. Das ist ja klar, dass das so kommen muss.
Chris:
[1:45:00] Der Markt verlangt es.
Gunnar:
[1:45:02] Ja, also da gibt es halt einfach fundamentale Blickwinkel zu diesen Sachen. Und aus Meiers Sicht ist es aber halt so, der hat ja gerade eine Flugsimulation gemacht. Das muss ja jetzt reichen. Es kann ja nicht zwei Flugsimulationen hintereinander machen. Jetzt muss mal wieder ein Zwischenprojekt kommen und da hat er was ganz anderes im Sinn, nämlich ein Piratenspiel. Und das findet Stili absurd. Absurd. Eine Totgeburt. Und es ist ja ein geschäftliches Risiko. Die Firma hat jetzt schon 45 Personen. Die hat ja auch richtig Kosten dann jeden Monat. Die macht 10 Millionen Dollar Jahresumsatz im Jahr 1986. Muss auch investieren, weil sie stärker nach Europa wollen. Bauen in England eine Dependance auf. Und all dieser Erfolg, all dieser Umsatz, der basiert ja nun auf den erfolgreichen Militärsimulationen. Das ist ja klar, dass man das weitermachen muss.
Gunnar:
[1:45:47] Aber ich meine, es ist halt Sid Meier. Ihm gehört halt die halbe Firma. Und der Deal zwischen diesen beiden Companions ist, okay, wenn der Sid das macht, dann wird Bill es auch verkaufen. Das gilt nach wie vor. Und so kommt es dann zu diesem Namenszusatz bei den Pirates. Denn laut Sid Meiers Memoiren hat der White Bill Steely dazu sinngemäß gesagt, ja gut, wenn du das Piratending machen willst, dann lass uns wenigstens deinen Namen davor sitzen, damit die Leute auch wissen, dass es von dir ist, dem Mann, der F-15 gemacht hat. Das ist das, was die Leute wissen wollen. Das ist ein Marketinginstrument in der Hoffnung, dass sie davon ein bisschen mehr verkaufen an die Simulationskäufer und dass das dann kein totaler Flop wird. Und so beginnt Sid Meier 1986 mit der Arbeit an einem Piratenspiel.
Chris:
[1:46:31] Ja, also ich finde übrigens diese ganze Geschichte mit diesem Namenszusatz, das stimmt sicherlich so, also dass das Sid Meier als Namenszusatz in erster Linie dafür gedacht war, dass das im Marketing eine Strahlkraft entwickeln kann und dass Leute da draußen dann vielleicht sagen, okay, ich kenne Sid Meier, ich habe schon Spiele von dem gemocht, ich gebe diesem Piratending eine Chance, obwohl es keine Militärsimulation ist.
Chris:
[1:46:52] Aber das wird zumindest bei diesem ersten Spiel erstens noch nicht konsistent gehandhabt, weil im Spiel selbst heißt es nur Pirates. Und unterschiedliche Versionen, die im Laufe der Zeit rauskommen in Europa, in den USA, tragen mal auf der Packung den Namenszusatz Sid Meier und mal nicht. In den Werbematerialien wird er mal verwendet, mal nicht. Also da ist es noch nicht ganz festgelegt. Dass dann spätere Spiele Sid Meier fest im Namen tragen und konsistent im Namen tragen, hat sicherlich auch damit zu tun, dass Pirates dann aber so ein erfolgreiches Spiel war und dass es dann etabliert war. Und ich finde es aber auch ein ganz gutes Beispiel, dass man bei diesen historischen Recherchen immer ein bisschen vorsichtig sein muss, wenn man Interviews insbesondere liest, die mit großem zeitlichen Abstand passiert sind, weil da Sachen verklärt werden, auch von den Schöpfern selbst. Der Sid Meier zum Beispiel, der hat 2017, also Jahrzehnte später, dem Rolling Stone Magazin mal ein Interview gegeben und darin sagt er, Zitat, es gab damals keine Genres. Wir dachten uns, lassen Sie ein bisschen Rollenspiel und Action und Storytelling und Abenteuer zusammenwerfen. Wir hatten Spaß daran, Neuland zu betreten. Es war eine Zeit des Experimentierens. Zitat Ende. Und ich glaube ihm das absolut, dass er Spaß an Experimenten hatte. Aber es ist natürlich Quatsch, dass es damals keine Genres gegeben hätte oder dass Micropose als Firma, als Ganzes nach Neuland gestrebt hätte. Weil wir haben ja gerade schon gehört, das Gegenteil ist richtig.
Chris:
[1:48:11] Steely und das Management von Micropose hatten damals schon eine Riesenangst, dass Pirates sich nicht verkaufen wird, weil das eben gerade so rausfällt aus den bekannten Genre-Standards. Und da sieht man ja schon, wie da bereits in Marktstandards gedacht wurde zu der Zeit.
Gunnar:
[1:48:25] Wobei, ja und nein. Ich glaube, gerade White Bill Steely hat auch stark in Themen gedacht, nicht nur in so formalisierten Genres. Heutzutage verstehen wir, glaube ich, Genres stärker formalisiert als damals. Ich glaube, damals gab es auch noch mehr Wechsel und mehr Mix. Also heutzutage identifizieren sich auch, glaube ich, Spieler stärker darüber, welches Genre sie mögen. Ich bin Adventure-Fan oder ich bin Rollenspiel-Fan und das war, glaube ich, damals noch nicht so.
Gunnar:
[1:48:50] Aber wenn eine Firma ganz stark auf Genres abgehoben ist, dann war es Microprose. Ausgerechnet.
Chris:
[1:48:57] Wenn du das Logo von damals anguckst, da steht Microprose und unten drunter steht Simulation Software. Also das trägt die Genrebezeichnung schon im Namen. Wobei das ist vielleicht eher umgekehrt die Frage aus einer Marketingperspektive, die Menschen da draußen, die Zielgruppe, was erwarten die denn von einem Microprose Spiel? Und ich denke, das ist sicher auch einer der Gründe, warum Pirates letztendlich in der Bewerbung so häufig mit dem Begriff Simulation in Verbindung gebracht wird. Und es hat mit darauf eingezahlt, warum Pirates am Ende ein Spiel ist, das so stark in den historischen Rahmen eingebunden ist. Weil das ist eine Erwartung, die man an die bisherigen Microprose-Spiele dann schon haben konnte, dass die irgendwie der Realität verankert sind, was ihr Szenario angeht. Und das ist bei Pirates dann natürlich auch so.
Gunnar:
[1:49:41] Wenn du an die damalige Zeit zurückdenkst, hattest du ein Gefühl dafür, was Microprose für Spiele macht? Hattest du das Gefühl, das ist eine Firma, die macht X?
Chris:
[1:49:51] Das ist ein bisschen schwer zu sagen, weil ich war in den frühen 80ern zu jung, um das wahrzunehmen. Und für mich ist MicroPose als Firma, der ich Qualität zugeschrieben habe, die eine meiner Lieblingsfirmen dann auch war, das sind wir in den frühen 90ern. Und da war das Portfolio natürlich schon diverser. Aber auch ich wusste, dass MicroPose zu einem großen Teil Flugsimulationen oder Simulationsspiele herstellt zu diesem Zeitpunkt. Also für mich war das schon eine Simulationsfirma.
Gunnar:
[1:50:16] Ja, für mich war das nie ein Begriff, dieses Simulationsding. Haben wir damals so ganz selbstverständlich von Simulationen gesprochen. Ich bin gar nicht sicher. Für mich war das immer eine Militärfirma.
Chris:
[1:50:27] Ja, ist ja auch richtig, ja.
Gunnar:
[1:50:29] Das ist ja fast dasselbe. Aber ich habe das 1987 erschienene Airborne Ranger, das kommt ja ungefähr gleichzeitig, das ist ja so ein Einzelsoldatenspiel. Das ist ja keine große Simulation, das sind ja so einzelne Einsätze, auch stark stylisiert. Das habe ich völlig selbstverständlich als typisches Microprose-Spiel wahrgenommen, weil es halt einen Militär-Background hatte.
Chris:
[1:50:48] Ja, das ist ein interessantes Beispiel, weil das Airborne Ranger wird gerne mal vergessen, aber du hast recht, zeitgleich mit Pirates erscheint ein anderes Spiel, das auch nicht so richtig in der Tradition des bisherigen Portfolios steht. Also ich glaube, da sieht man schon, dass das so langsam erweitert und aufgebrochen wird. Was aber nichts dran ändert, Airborne Ranger ist ja so ein Top-Down-Arcade-Spiel. Du schaust das an und erkennst sofort auch damals, was für eine Art von Spiel das ist. Das gilt für Pirates nicht unbedingt und das macht das sicher auch schwieriger, den Umgang mit diesem Spiel.
Gunnar:
[1:51:16] Man sieht auch, es fällt dem Spiel schwer, den Pirates auf den Packungen das Spiel zuzuhalten. Nicht nur zu beschreiben, das haben wir ja schon gesagt, sondern auch abzubilden. Sie neigen dann dazu, die großflächigen Grafiken zu nehmen aus den Menüs, weil sich die leicht erkennen lassen. Auf der ursprünglichen Packung ist nur ein Bild vom Schiffskampf und das ist auch so klein, dass man da glaube ich echt nicht erkennen kann, was man da macht. Und natürlich dieses Säbelgefecht, das wird auch gezeigt, weil das schnell verständlich ist. Das nur als Nebenaspekt. Kommen wir zurück zur Entstehungsgeschichte.
Gunnar:
[1:51:48] Bill Steeleys Sorge ist ja nicht unbegründet grundsätzlich, denn auch Sid Meier weiß zu dem Zeitpunkt, als er anfängt, nicht, was für eine Art Spiel das werden soll. Die Idee zu dem Piraten-Setting kommt aus einem Meeting, einem Design-Meeting, wo sie Ideen in den Raum geworfen haben, was für Themen man noch nehmen könnte für weitere Strategiespiele, für weitere Gefechtssimulationen. Und der Arnold Hendrick, der zu dem Zeitpunkt mit an Gunship arbeitet, der schlägt halt Piraten vor und dabei denkt er an so detaillierte taktische Schlachten mit Segelschiffen. Bisschen inspiriert von dem Brettspiel von Avalon Hill, Wooden Ships and Iron Man.
Gunnar:
[1:52:26] Das klingt auch irgendwie wie eine ganz logische Fortführung, aber Spiele dieser Art gibt es schon ein paar. SSI hat zum Beispiel Broad Sides gemacht. Das hat sich nicht so irre verkauft und das ist echt.
Gunnar:
[1:52:38] Nischige Genre. Und dem Sid Meier gefällt die Idee, ein Piratenspiel zu machen. Das kann er sich gut vorstellen. Da hat ja auch jeder sofort was im Kopf. Das war auch damals so. Aber nicht als reines, taktisches Schiffskampfspiel. Das ist ihm zu langweilig und vor allen Dingen erscheint es ihm zu eng. Und er schreibt in seinen Memoiren, wenn er an Piraten denkt, dann denkt er an Schwertduelle, an Männer, die sich an Seilen über Deck schwingen, an Holzbeine und Rumpfässer. Also eher so ein filmisches Bild an Abenteuer.
Chris:
[1:53:05] Es gibt ja in den Memoiren von ihm eine interessante Passage zu diesem Wort Abenteuer, weil er sich da darüber beklagt, dass das Wort Abenteuer, also Adventure im Englischen, zu dem Zeitpunkt schon von einem anderen Genre in Beschlag genommen wurde, nämlich von den Text-Adventures. Da sind wir in der Ära ja noch vor den späteren Grafik-Adventures. Und er beschreibt das in seiner Biografie, in seinen Memoiren, dann ganz schön geringschätzig und sagt, bei Microprose damals habe man diese Art von Spielintern nur Nimm-den-Stock-Spiele genannt und keiner im Team habe, die geringste Lust gehabt, irgendwie sowas in diese Richtung zu entwickeln. Und er habe dann den Ehrgeiz entwickelt, ein wirkliches Abenteuerspiel zu machen. Also eines, das dem Namen gerecht würde. Und zwar ohne diese ganze Mühsal und die Trägheit von Text-Adventures und vor allen Dingen auch ohne einen fest vorgegebenen, linearen Lösungsweg, sondern als ein offenes Spiel mit großer Handlungsfreiheit. Und wir können ihn dazu mal selbst hören, denn Im Jahr 2013 hat er diesen Gedanken in einem Interview mit Adam Sessler so beschrieben.
Chris:
[1:54:32] Ja, und im Gegensatz zu den Simulationen, die Michael Rose zu diesem Zeitpunkt hauptsächlich macht, soll es, so ist sein Gedanke, dieses Mal eben nicht um Realismus gehen bei diesem Piratenspiel, sondern um fantastische Elemente, wie man sie aus Abenteuerfilmen kennt. Also entführte Jungfrauen retten und versteckte Schätze aufspüren und Schiffe entern und Kapitäne im Säbelduell niederringen.
Gunnar:
[1:55:00] Im Englischen gibt es dafür den Typus des Swashbuckler. Keine Ahnung, ob ich das richtig ausspreche. Das Wort hat gar keine deutsche Entsprechung. Das ist dieser typische, sympathische, raubeinige Haudegen, den man aus Filmen kennt. Der ist edel und galant, aber ungebunden von Gesetz und Konventionen sind auch nicht so seins und der macht so alles Mögliche.
Gunnar:
[1:55:22] Zorro ist so eine Figur und Robin Hood auch und vielleicht sogar Han Solo, wenn man es ein bisschen weiterfasst. Und natürlich die Piraten in den prägenden Filmen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Das ist eine Zeit, die ist natürlich schon lange vorbei in den 80ern, als Sid Meier dieses Spiel macht, aber die wirkt noch nach. Da gibt es diese Filme, in denen Errol Flynn und Douglas Fairbanks genau solche Leute spielen, so Filme wie Seahawks oder so. Und das hat man auch sofort noch vor Augen, Wenn man darüber redet, das sind diese Sachen, die stark vereinfacht sind. Der Held ist oft ein Rächer, aber immer galant zu Frauen und hat immer auch eine Liebesaffäre natürlich und so. Und es gibt immer diese stilprägenden Säbel-Duelle.
Gunnar:
[1:56:03] Und um sich mit dem Thema vertraut zu machen, da hat Meyer auch nicht nur auf dicke Schinken zur Historie zurückgegriffen, also historische Bücher, wie sich das für einen guten Microprose-Chef gehören würde, sondern zu Beginn zumindest auch auf Kinderbücher. Weil er meinte, dass die Kinderbücher einem viel deutlicher als historische Bücher zeigen, was halt cool ist an einer bestimmten Zeit. Und das sollte ihnen visuelle Ideen geben, wie man da weitermachen muss mit so einem Spiel und was man betonen muss und was nicht.
Sid Meier:
[1:56:32] In those days, we actually did a lot of our research by getting children’s picture books of the topic, because that would really highlight what’s the common currency of this topic. You know, what are the cool things? And that would give us some visual ideas, but it also kind of tells us what to highlight in the game.
Gunnar:
[1:56:47] Und laut eigener Aussage wurde er auch von Seven Cities of Gold inspiriert von 1984. Das haben wir ja auch schon genannt. Das hat ihm so ein bisschen die Augen geöffnet vielleicht für offene Spielwelten. Es hat auch ein paar sehr auffällige Ähnlichkeiten mit Pirates. Und in einem Interview mit Idle Thumbs in den 2010ern hat er Pirates auch als seine Antwort auf Seven Cities of Gold beschrieben, also einen sehr direkten Zusammenhang hergestellt.
Gunnar:
[1:57:11] Aber, wie soll das alles zusammengehen, Christian? Wie soll das Spiel denn jetzt funktionieren?
Chris:
[1:57:15] Ja, das mit diesem romantischen Swashbuckler-Ideal und sowas, ja, das weiß Sid Meier auch nicht. Aber er setzt sich dann halt hin und fängt mal an, Dinge zu bauen. Also, wir sind hier noch in einer Ära, auch bei Microprose, wo noch nicht unbedingt in Teams oder großen Teams gearbeitet wird, sondern noch alleine. Sid Meier ist hier schon der Federführende, der hat dann Michael Hare zur Seite als Grafiker, das ist damals der Chefgrafiker bei Microprose und im Laufe der Entwicklung kommt der von dir schon erwähnte Arnold Hendrick dann auch noch dazu für hauptsächlich diesen historischen Unterbau. Aber der Programmierer ist erst mal Sid Meier und der arbeitet iterativ. Das heißt, er programmiert was, schaut, ob ihm das gefällt, behält das, was funktioniert und den Rest wirft er wieder weg. Später hat er dann mal erzählt, dass er ungefähr die Hälfte des Codes, den er geschrieben hat, für Pirates wieder weggeworfen hat. Und der Rest ist dann im Spiel geblieben. Und das ist etwas, das was wir vorhin schon kurz angerissen hatten, dass dann hier also so eine persönliche Auswahl stattfindet unter diesem ganzen bildhaften Möglichkeitenraum, was ein Pirat, ein Swashbuckler sein kann, sucht sich also Sid Meier Schlüsselelemente raus und versucht die in Spielmechaniken zu übertragen und klopft das immer darauf ab, ob das zu diesem Bild passt und ob es ihm gelingt, da eine spaßige Spielmechanik dazu zu finden oder nicht. Wenn nicht, dann schmeißt das wieder weg. Und wenn ja, dann kommt das in sein Spiel.
Chris:
[1:58:34] Es ist ihm bei diesem Auswahlprozess auch wichtig, erstens sich immer zu fragen, ist das etwas, was man spielen möchte? Und zweitens auch zu gucken, dass das lauter so Highlights, so Schlüsselmomente sind, aber nicht zwangsläufig eine lineare Geschichte zu erzählen. Dieser Punkt, den er für sich schon so definiert hat, ich möchte nicht das wie ein Adventure von Erzählpunkt zu Erzählpunkt führen, Sondern ich möchte den Spielenden ermöglichen, ihre eigene Geschichte zu erzählen und dabei immer diese Schlüsselerlebnisse zu erleben. Und zu diesem Auswahlprozess gehört natürlich auch zu entscheiden. Was möchte ich denn in meinem Spiel zeigen und was nicht? Das ist ja nun eine Ära und das ist eine Profession, die Piraterie. Dazu gehören auch Dinge wie Skorbut, abgeschlagene Gliedmaßen, kaltblütiger Mord, erhängte Piraten, wenn sie erwischt wurden und sowas. Und das will er alles nicht drin haben, sondern er möchte die coolen Sachen drin haben, er möchte die stereotypischen Sachen drin haben. Was dann am Ende den Effekt hat, dass das Spiel sehr greifbar und sehr verständlich wurde, weil es halt sehr stark auf Klischees aufbaut. Also auf Dingen, wo man schon Vorwissen mitbringt und was man intuitiv verstehen kann. Also es entspringt in seiner Anmutung nicht unbedingt dem Geschichtsbuch, sondern eher der Popkultur.
Gunnar:
[1:59:51] Weil es der Popkultur so stark entspringt, braucht es halt Bilder. Es braucht schöne Bilder, die das klar symbolisieren und die mit den Filmen mithalten können. Und das ist schon ungewöhnlich für Microprose-Spiele, die ja sonst ein Cockpit zeigen, einen Hintergrund oder irgendwas.
Chris:
[2:00:07] Ja, funktional sind.
Gunnar:
[2:00:08] Genau, die halt funktional irgendwas abbilden wollen. Und hier müssen ja jetzt ja mal Szenen geben, die irgendwas visualisieren. Und das ist schon ein ganz anderer Prozess. Und deswegen ist auch dieser von dir schon erwähnte Grafiker, Michael Hare, schon früh dabei. Und der macht großflächige Illustrationen. Und die sind sehr schön. Aber das überfordert schnell den Speicher des C64. Der C64 hat ja nur 64 Kilobyte RAM. Davon waren für Grafiken kaum mehr als 8 Kilobyte nutzbar. Also klassische Bitmap-Darstellungen, gezeichnete Hintergründe, waren für komplexe Szenen wie Häfen oder Schiffe oder Landkarten einfach zu groß.
Gunnar:
[2:00:45] Microprose brauchte hier für die Entwicklung eine Methode, diese großen Illustrationen zu nehmen, die im Spiel darstellen zu können, ohne aber den Speicher zu sprengen. Und Peer hat einen Bekannten, den talentierten Programmierer Randall Don Mastella und der kommt jetzt an Bord, um dieses spezifische Problem zu lösen. Der entwickelt nämlich ein Tool, das gezeichnete Bilder automatisch in kleine Kacheln zerlegt. 8×8 Pixelblöcke. Das ist die Größe eines normalen C64-Zeichens, also eines Buchstabens. Und diese Blöcke werden dann zu eigenen Zeichensätzen konvertiert und dann als Zeichensatz geladen, als Alphabet sozusagen. Jede dieser Kacheln hat dann einen eigenen Buchstabencode. Und dadurch kann man die dann als Bilder einsetzen. Der Trick dabei ist, dass sich halt viele Bildzeile in einer typischen Szene wiederholen. Man hat ja zum Beispiel ein Viertel des Bildes ist Himmel oder sowas. Oder Wasser, wenn man ein Schiff zeigt. Oder Holzbretter, die wiederholen sich also. Und wenn man immer dasselbe Zeichen dafür einsetzt, dann muss das nicht als Bildinformation gespeichert werden, sondern dann speichert man nur einmal das Zeichen und tut es immer wieder an die gleiche Stelle und das spart halt Speicherplatz. Jede dieser Kacheln muss nur einmal gespeichert werden. Und das reduziert den Speicherverbrauch dann dramatisch und erlaubt große detaillierte Bilder in diesem 8 Kilobyte Zeichensatzlimit. Das ist technisch ein Teil, die Duplication System. Das ist gar keine neue Idee. Man hat schon immer auf dem C64 Bilder mit eigenen Zeichensätzen gebaut. Das ging gar nicht anders. Zum Beispiel Sid Meiers eigenes Floyd of the Jungle von 1982.
Gunnar:
[2:02:15] Das nennt er als ein Beispiel für ein Spiel, das Animationen erzeugt auf diese Art. Durch das schnelle Wechseln zwischen zwei Buchstaben, zwischen zwei Zeichensatzzeichen. Aber was hier neu ist an dem Tool von Marstalla, ist, dass das fertige Bilder nimmt, die schon gezeichnet sind und die dann zu Zeichensatz verarbeitet. Das ist der Durchbruch, nicht die Tatsache, dass es Zeichensatzgrafiken gibt. Das ist ganz normal.
Chris:
[2:02:37] Diese Bilder werden dann ja im Spiel angezeigt, in erster Linie immer in diesen Menüsituationen, also wenn man in der Stadt ist zum Beispiel oder wenn man Entscheidungen trifft, nachdem man ein Schiff gekapert hat. Da werden ja dann Bilder und auch Texte in so kleinen Fenstern angezeigt, die dann jeweils aufploppen und auch die Dialogentscheidungen, also die Entscheidungsmöglichkeiten in so einem Fenster. Das ist ein System, das geht auf einen anderen Microprose-Programmierer zurück, Greg Tavares. Der hat schon bei Gunship mitgearbeitet und der hat dafür dann diese Art Fenstersystem für den C64 gebaut, was hier halt einfach dann übernommen wird in Pirates. Und das hat ja fast ein bisschen was von einem Grafik-Adventure.
Gunnar:
[2:03:11] Voll.
Chris:
[2:03:11] Also das, was jetzt hier entsteht. Das ist immer ein Bild von der Szene und dazu meistens eine Textbeschreibung, ein Fenster und drunter dann ein Fenster mit einem Choose-Your-Own-Adventure-Auswahl-Menü sozusagen. Was willst du jetzt machen? Das Schiff versenken oder nicht? Das ist so ein bisschen analog Zurück zu der Einstiegsszene, die wir hatten.
Chris:
[2:03:27] Also ist auch einer der Aspekte, wo dieser Adventure-Gedanke wieder zumindest ein bisschen reinkommt.
Chris:
[2:03:33] Aber zurück zu den interessanten Dingen, aus denen das Spiel ja laut Sittmeier bestehen soll. Diese Idee, hier alles reinzupacken, was im Piratenleben spannend ist, das führt dazu, dass Pirates also kein Spiel wie andere C64-Spiele wird, sondern eigentlich eine Sammlung von Einzelspielen, das hatten wir ja schon beschrieben, die dann zusammengehalten werden von dieser Karte der Karibik und der Bewegung da drauf und in den Städten und sowas dann eben diese Menü-Screens. Und diese einzelnen Minigame-Bestandteile, die hat Sid Meier wiederum selbst programmiert in 6502 Assembler. Und gerade den Seekampf vor allen Dingen, das beschreibt er als den experimentellsten Teil, also das, was auch am meisten Mühe gemacht hat, sozusagen da die richtige Formel zu finden. Weil das unterliegt ja auch dieser ständigen Iteration. Das Segeln zum Beispiel, das war anfangs noch langsamer geplant und die Schiffskämpfe hätten auch Elemente von Flottenmanagement gehabt, also dass man da nicht nur ein einzelnes Schiff steuert, sondern mehrere.
Chris:
[2:04:31] Der Gedanke war anfangs auch, dass das Schießen, diese Breitseiten über einen Zielcursor hätte erfolgen können. Und dann geht Sid Meier da immer wieder ran und fragt sich, ist das wirklich notwendig? Macht das wirklich Spaß? Und streicht dann da auch immer wieder solche Sachen raus. Also es wird im Laufe des Prozesses eigentlich weniger. Das Spieldesign wird eingedampft auf das, was wirklich notwendig ist, um möglichst flott und möglichst spaßig zu sein. Also auch aus dieser Idee der Fechtkämpfe zum Beispiel, die ja aus den Filmen kommen, da ist schon am Anfang auch der Gedanke, da müsste man ja eigentlich auf Tische springen und sich irgendwie viel flexibler im Raum bewegen können und sowas. Aber das ist im Rahmen der technischen Möglichkeiten auf dem C64 auch einfach nicht umsetzbar.
Gunnar:
[2:05:11] Das Einzige, wo ich als Spieler damals in den 80ern mal gefühlt habe, dass es eine Mechanik mehr geben sollte an einer Stelle, die dem Spiel fehlt, die auch mal geplant war, die dann aber verworfen wurde, ist das Handling von Flotten. Weil wenn zwei Flotten gegeneinander kämpfen, du kannst eine Flotte haben und du kannst auch theoretisch mehreren Gegnern begegnen, dann wird das alles zerlegt in Einzelkämpfe zwischen jeweils zwei Schiffen. Und das habe ich am Anfang gedacht, das wäre ein Fehler. Als ich das gespielt habe, komme ich dann mit meinen vier Schiffen auf ein anderes Schiff und dann sagtest du, okay, welches ist dein Flaggschiff? Dann sage ich, ja, das tut das, das Flaggschiff so. Aber ich habe ja nicht gedacht, dass die anderen Schiffe dann verschwinden. Das war ein völlig überraschendes Fehlen eines Features, das ich so aus der Metapher des Seekampfes logisch angenommen habe, dass es jetzt kommen würde. Gedacht habe, jetzt muss ja der Flottenkampf kommen, ah, kommt nicht, komisch. Und habe dann gedacht, das sei irgendwie ein Problem meiner Version oder sonst irgendwas.
Chris:
[2:06:02] Ja, das ist ein gutes Beispiel dafür, wie Sid Meier vorgeht oder was seine Prämisse ist, nämlich, dass im Zweifel der Spielspaß die Spielbarkeit immer wichtiger ist als die Authentizität. Und ja, natürlich ist das absurd, dass du hier Schiff-gegen-Schiff-Kampf hast, wenn eigentlich Flotten sich gegenüberstehen. Aber das hätte die Spielmechanik wesentlich komplizierter gemacht, das wäre vermutlich in Echtzeit gar nicht mehr umzusetzen gewesen. Das sehen wir ja bei dem Landkampf, den du nicht magst, was da passiert, wenn man mehrere Truppen auf einmal steuern muss. Und dementsprechend ist das natürlich spielmechanisch gesehen die völlig richtige Entscheidung, das zu vereinfachen.
Gunnar:
[2:06:36] Wobei man mit dem gleichen Argument natürlich auch sagen könnte, na, die hätten auch mal den Wind entschärfen können, damit du nicht so viel weinen musst, wenn du gegen den Wind kreuzen musst.
Chris:
[2:06:44] Bin ich völlig bei dir. Wir werden ja gleich noch darauf kommen, es gibt ja eine ganze Versionsgeschichte von dem Spiel. Das ist über die Jahre portiert worden auf verschiedene Systeme und das hat zwei Remakes bekommen, Pirates Gold und Pirates von 2004. Und da ist natürlich immer, gerade über so einen längeren Zeitraum, eine interessante Frage, was behalten diese Spiele denn bei vom Originalspiel und was ändern sie? Also wo identifizieren sie einen Punkt, wo sie sagen, na, das können wir heute nicht mehr so machen oder das ginge inzwischen besser. Und was diese Remakes aber durch die Bank immer beibehalten, ist. Erstens, der Kampf wird reduziert auf Schiff gegen Schiff. Im Pirates Remake kann es mal sein, dass du auch mal gegen zwei Schiffe gleichzeitig antrittst, aber du steuerst immer nur eins, egal wie viele du dabei hast. Was für mich zeigt, das ist einfach eine spielmechanische Entscheidung, die hat überdauert, die haben auch 2004, also fast 20 Jahre später, keine bessere Lösung für Echtzeitschiffkämpfe als das, was Sid Meier damals hat. Was auch überdauert, bis ins Jahr 2004 ist das Kreuzen gegen den Wind. Und da würde ich sagen, das ist nicht, dass man da keine bessere Lösung gefunden hat, Sondern da sind sie, glaube ich, bei Gunnar, stehen sie in deinem Feld und sagen, das ist einfach Teil der zentralen Spielmechanik. Können wir nicht rausnehmen.
Gunnar:
[2:07:50] Glaube ich auch. Also man hätte es theoretisch ja entschärfen können, dass es dich nicht rückwärts treibt oder sonst irgendwas. Oder dass der Wind auch mal häufiger wechselt. Aber es gehört dazu, damit ist es gebongt, da müssen wir auch gar nicht weiter drüber reden, Christian. Das beste Feature am Spiel.
Chris:
[2:08:04] Die Geschichte gibt dir recht.
Gunnar:
[2:08:07] Pirates ist eigentlich ein Wind-Simulations-Spiel. Das ist das Wichtigste.
Chris:
[2:08:10] Eigentlich ja. Crew-Management und Wind-Simulation, das sind die wesentlichen Spielmechaniken.
Gunnar:
[2:08:14] Ja, wenn dir diese beiden Sachen gut beherrscht, hast du es schon.
Gunnar:
[2:08:17] Naja, wir Wir sprachen gerade vor dem kleinen Exkurs über Entscheidungen, die Sid Meier trifft und die dem Spaß untergeordnet sind und weniger dem Realismus. Eine weitere Entscheidung, die Sid Meier trifft, prägt das Spiel dann sehr stark. Der Spieler kann nicht sterben oder komplett scheitern. Das hast du am Anfang schon kurz erzählt, dass man dann eingekerkert wird, wenn man eine Schlacht verliert, wenn das eigene Schiff versenkt wird und dass man da Monate verliert. und dass das Zeit, Lebenszeit des eigenen Helden zu einer zentralen Ressource macht.
Gunnar:
[2:08:49] Dieses Nicht-Sterben-Können, das kommt direkt aus den filmischen Vorbildern. Sid Meier meinte, naja, Errol Flynn stirbt ja auch nicht in den Filmen. Das wird das ganze Konzept des sympathischen Heldens zerstören. Wenn der sterben könnte, dann wird es ja von einem Drama zu einer Tragödie. Das geht nicht. Aber Sid Meier weiß auch, ein Spiel ohne Fail-State, ohne Niederlage, ohne Game-Over ist eigentlich erstmal kein richtiges Spiel. Da fehlt doch dann was. Man muss ja auch scheitern können. Und daher findet er einen anderen Weg. Die Niederlagen werden zu den bloßen Rückschlägen mit dem Einkerker und dem Zeitverlust, den wir schon beschrieben haben. Die verschlechtern das Endergebnis, führen aber nicht zum Game-Over. Und das ist eine Krücke, auch ein bisschen unelegant, weil es sich ja nur auf den Score auswirkt. Aber fast zufällig macht es die Spielerfahrung besser und auch realistischer, weil man jetzt ein sehr starkes Ziel hat, das echt für die Zeit auch ungewöhnlich stark ist. Es gibt auch andere Spiele, die eine Endauswertung machen und dir eine Belohnung am Ende geben. Aber das hier ist schon durch die Tatsache, dass es das ganze Spiel noch verzahnt und immer die ganze Zeit mitschreibt, was du da erreicht hast, zumindest mal in Geld und Reichtum, gibt es dem schon einen sehr starken Drive, das Ende auch erfolgreich zu erreichen.
Gunnar:
[2:10:01] Das ist ein Punkt, den Sid Meier vielleicht ja zufällig erreicht hat. Er wollte ja anfangs Sachen rausnehmen aus dem Spiel. Ganze Elemente Flottenkampf werden dem Spiel entfernt, weil sie das Spiel zu komplex machen. Und jetzt ist es am Ende doch ein sehr stark als Simulation zu lesendes Spiel geworden und nicht nur eine reine Action-Swashbuckler-Simulation, sondern ein wirkliches Spiel, in dem wesentliche Elemente sich ja auf die Simulationswerte beziehen.
Chris:
[2:10:29] Ja und dafür, dass es ja ursprünglich aus den Filmen und aus dem romantischen Ideal des Piraten abgeleitet ist, hat es dann doch am Ende einen erstaunlich akkuraten historischen Unterbau. Das haben wir ja vorhin in dem Interview mit Tanja auch schon gehört. Und das ist ja nun maßgeblich das Verdienst, das schon genannten Arnold Hendrick, der aus dem Brettspiel-Design kommt, der auch schon ein bisschen älter ist als der Rest bei Microprose, der ist 2020 leider auch schon verstorben und der bei Microprose eingestellt wurde, so eine Art Sid Meier hat es rückblickend gesagt, so eine Art Producer, das Wort gab es damals in der Form noch nicht, aber jemand, der hauptsächlich da ist zu unterstützen bei der Gestaltung von den Spielen und dazu gehörte dann auch die Dokumentation, also Also Arnold Hendrick macht das Handbuch, der macht einen großen Teil der historischen Recherche und der sorgt dafür, dass dann also viele von den Daten möglichst nah an der Realität sind. Und wie gesagt, das Handbuch, das dem Spiel beilegt, das ist also von Arnold Hendrick.
Gunnar:
[2:11:24] Dass man auch nicht genug loben kann, weil es dem Spiel noch zusätzlich über das eigene Spiel hinaus so ein Microprose-Flair gibt. Weil das gehört nämlich dazu, dass da dicke Handbücher drin liegen.
Chris:
[2:11:32] Ja.
Gunnar:
[2:11:33] Ach, das waren noch schöne Zeiten.
Chris:
[2:11:35] Ist auch wirklich lesenswert. Wir sind es ja heutzutage nicht mehr gewohnt, als spielende lange Texte zu lesen, insbesondere Texte, die extern zum Spiel sind. Aber man kann darüber streiten, ob man Pirates heutzutage noch spielen sollte oder nicht. Da kommen wir vielleicht später noch mal dazu. Selbst wenn man sich entscheidet, das Spiel nicht mehr zu spielen. Das Handbuch kann man echt gut lesen. Kann man wirklich gut lesen und da bereichert rausgehen.
Gunnar:
[2:11:56] Ja, das ist richtig. Das Spiel kommt dann raus, das ist ja eine C64-Entwicklung am 8. Mai 1987.
Gunnar:
[2:12:03] Als C64-Spiel wird auch relativ schnell ein Erfolg. Also es ist jetzt nicht so ein Spiel, das sofort am ersten Tag Hunderttausende von Exemplaren verkauft, aber es ist relativ früh klar, dass das ein Erfolg wird. Diese Beigabe Sid Meyers vor dem Namen wird dadurch von einem Erkennungszeichen zu einer Art Qualitätssiegel und kommt ja deswegen auch noch häufiger auf Spielen von Sid Meier vor. Und dann beginnt auch schon das Portieren. Die Quellen sind nicht so ganz klar. Ich würde sagen, Christian, widersprich mir, wenn du noch ganz anderer Meinung bist dazu. Ich würde sagen, es kommt relativ schnell danach eine Version für den PC, also für DOS, eine PC-Butter-Version und eine Version für den Amstrad CPC. Die müssten meines Erachtens entweder Ende 87 oder Anfang 88 erschienen sein.
Gunnar:
[2:12:50] Relativ parallel. Die Amstrad-Version zielt natürlich auf den englischen Markt. Die wird zwar in-house bei Microprose von einem Freelancer programmiert, aber die wird hauptsächlich in Europa vermarktet, in England und Frankreich. Und die PC-Version zielt natürlich zunächst auf den US-Markt. Und dann im Jahr drauf kommen dann auch noch Versionen für die anderen Systeme, die in Amerika relevant sind, nämlich die Apple-Systeme. Und ein bisschen später kommen dann noch Atari ST, Amiga und auch das NES 1991. Das ist dann eine strukturell leicht andere Version. Und da wird übrigens als kleine Anekdote der Tabak, den man da finden kann im Spiel als Handelsware durch Ernten ersetzt, weil Nintendo keine Raucher haben wollte in ihren Spielen. Da gibt es niemanden, der raucht, auch nicht in der Karibik.
Chris:
[2:13:38] Das ist natürlich auch ein Indikator für den Erfolg des Spiels, dass das noch relativ spät Portierungen bekommt. Die Amiga-Version zum Beispiel kommt ja 1990, also drei Jahre nach dem Original. Und diese Versionen sind dann, weil da auch ein zeitlicher Abstand dazwischen liegt, teilweise natürlich auch schon verbessert. Die Amiga-Version zum Beispiel hat jetzt eine Maussteuerung, hat mehr Musik, viel bessere Grafiken, sieht also wesentlich besser aus als die C64-Version. Und es verändern sich teilweise auch inhaltliche Sachen. Du hattest ja vorhin schon erwähnt, schon die PC-Version hat jetzt auf einmal noch so kleine Aufgaben, die die Gouverneure einem geben können. Auch die EGA-Version sieht mit ihren 16-Farben deutlich besser aus als die C64-Version. Die haben aber alle so ihre Vor- und Nachteile. Ich weiß nicht, wie es dir da geht, Gunnar, aber für mich ist einer der Gründe, warum ich weder die PC-Version noch die Amiga-Version so richtig von Herzen empfehlen würde, ist die kleine Tatsache, dass die Karibik-Karte, also diese Kernbewegung nicht scrollt, sondern umschaltet, während sie auf dem C64 scrollt, während man sich durch die Karibik bewegt. Und das macht für mich einen gravierenden Unterschied, dieses kleine Ding.
Gunnar:
[2:14:40] Ja, das stimmt. Das ist einfach eine Spielgefühlfrage. Das macht das, spielhafter und vom Gefühl her weniger realistisch. Das stimmt. Ich mag die beiden Versionen auch nicht besonders. Ich finde die C64-Version ungeschlagen in meinem Kopf, aber das ist natürlich auch ein Bias aus meiner Erinnerung, weil das die ist, die ich damals gespielt habe.
Chris:
[2:14:57] Ja, also es gibt ja dann noch zwei Remakes, nämlich 1993 kommt von MicroPro selbst Pirates Gold. Da ist der Grafiker Michael Hare dann gleichzeitig hier der federführende Producer und der von dir schon erwähnte Randall Don Mastella, der hat sowohl die erste DOS-Portierung gemacht, als auch jetzt hier die Programmierarbeit in Pirates Gold. Und das hat dann super VGA-Grafiken, das hat eine Handvoll Sound-Samples und sowas und hat auch ein paar neue Komfortfunktionen. Da gibt es jetzt eine Übersichtskarte im Spiel zum Beispiel. Lässt sich auch mit der Maus steuern. Also wenn man eine vergleichsweise authentische.
Chris:
[2:15:33] Spielerfahrung haben möchte, die aber schon ein bisschen komfortabler ist und vor allem ein bisschen flüssiger läuft als die C64-Fassung, dann ist das die
Chris:
[2:15:40] Go-To-Version Pirates Gold und es gibt dann auch nochmal ein Jahrzehnt später 2004, diesmal von Phyrexis, das offizielle nächste Remake, das heißt dann auch nur noch Pirates und das ist jetzt tatsächlich ein neues Spiel. Das ist generell massiv erweitert, das ist optisch völlig umgestaltet, da funktionieren einige Sachen ganz anders, also zum Beispiel gibt es jetzt zum ersten Mal auf der Karibik Karte auch Schiffverkehr, du siehst die anderen Schiffe, die da hin und her fahren und sowas. Es gibt ganz erweiterte Spielmechanik. Du kannst jetzt Gegenstände sammeln und spezielle Crewmitglieder anheuern. Es gibt neue Minispiele, die völlig überflüssig sind. Ein Tanzminispiel mit den Gouverneurstöchtern und so. Also das ist einfach Käse. Das spielt sich trotzdem gut. Das ist ein schönes Spiel. Und du siehst hier an den Actionsequenzen, gerade an dem Fechten, jetzt wirklich ganz klar das Vorbild. Die sehen so aus wie die Mantel- und Degenfilmer, aus denen die ursprüngliche Idee abgeleitet ist. Mit auf dem Tisch springen und allem.
Gunnar:
[2:16:35] Mit der Goldversion gibt es dann auch noch eine neue Portierung, nämlich auf den Mega Drive. Und das finde ich eine echt schöne Version, ist vielleicht sogar optisch meine Lieblingsversion. Spielerisch ist noch eine andere Frage, aber optisch ist die wunder, wunderschön. Hat halt auch einen heute ganz super gealterten Pixel-Look, die Mega Drive-Version. Gefällt mir ganz gut. Aber wie du schon sagst, die Tatsache, dass das spät noch Portierungen erhält, die Tatsache, dass noch eine Gold-Version sechs Jahre nach dem ursprünglichen Erscheinen kommt, erfrischt das ganze Spiel immer mal wieder. Und es wird ja auch dann immer wieder weiterentwickelt in diesen Versionen. Und hält das Spiel für eine ganze Zeit lang aktuell und relevant. Und man sieht auch, dass es in seinen Kernmechaniken nicht so stark gealtert ist in dieser Zeit, weil es diese Relevanz aus den 80ern in die 90er überführt. Und ich sag mal so, das muss man erst mal schaffen.
Chris:
[2:17:26] Das muss man erst mal schaffen, ja genau. Dass dann ein Spiel Jahre später im Wesentlichen immer noch das Gleiche ist inhaltlich. Das spricht schon für die Kohärenz des ursprünglichen Werks.
Chris:
[2:17:35] Und damit sind wir eigentlich schon bei dem letzten Punkt unserer Besprechung heute. Nämlich, wir haben das Ganze am Anfang als Meilenstein beschrieben, das Spiel. Und darauf sollten wir jetzt nochmal zurückkommen, um nochmal klarer zu machen, was ist denn die Leistung von Pirates? Warum kann man das als einen Meilenstein in der Spielegeschichte begreifen? Und was finden wir die herausragenden Merkmale? Und was für eine Nachwirkung hat das Spiel vielleicht oder vielleicht auch nicht?
Gunnar:
[2:18:01] Wo fangen wir denn da an? Ich finde ein häufig unterschätzter Punkt übrigens in der Diskussion des Gameplays ist, dass man sich halt konzentriert auf die Funktionalität oder Nicht-Funktionalität von Spielteilen, das haben wir ja auch schon gemacht, aber das ist ja ein Spiel, von dem Microprose sagt, damit kann man hunderte von Stunden Spaß haben und man kann es aber natürlich auch so einen größeren Run bis zum eigenen Ruhestand in ein paar Stunden durchspielen. Das ist aber ein Spiel, das ist immens widerspielbar. Und das liegt nicht nur daran, dass es unterschiedliche Start-Setups hat oder Ausgangssituationen hat, sondern auch, dass man sich in dem Spiel einzelne Ziele selber setzen kann, über das eigentliche Reichwerden hinaus. Dass es diese starken emergenten Gameplay-Elemente gibt und auch, dass die Systeme dann doch an vielen Stellen komplex genug sind, dass sich das Optimieren lohnt. Dass man halt sagt, okay, diesmal kriege ich aber auf jeden Fall Treasure Fleet und Silver Train. Diesmal hole ich aber in jedem Fall die Schätze alle, die ich kriegen kann. Oder fange alle Piraten, was man vielleicht am Anfang eher nicht macht. Diesmal setze ich nur holländische Gouverneure im ganzen Osten ein. All sowas. Da kann man einfach noch total viel machen und das macht, glaube ich, auch viel aus. Das ist ein Spiel, das einen jahrelang begleiten kann und nicht ein Spiel, das man halt in zwei Wochen mal irgendwann durchspielt und dann auf den Stapel legt oder auf Ebay verkauft, gab es damals schon Ebay, auf dem Flohmarkt verkauft.
Chris:
[2:19:23] In den kleinen Anzeigen in der ASM oder im Haupt.
Gunnar:
[2:19:25] Genau, dann zum nächsten Spiel übergeht. Das finde ich schon einen wesentlichen Aspekt, den wir bis jetzt noch nicht so deutlich gesagt haben.
Chris:
[2:19:31] Wunderbarer Aspekt, da würde ich mich auch direkt ranhängen an diesen Wagen, denn diese Widerspielbarkeit kommt natürlich auch aus der Tatsache, dass es überhaupt variable Systeme in dem Spiel gibt. Und ich finde, das Interessante an Pirates ist, gerade im Kontext von Microprose, der Firma.
Chris:
[2:19:46] Der das Label Simulation dranhängt, aber es meint auf einmal etwas anderes, etwas Neues, weil das Verständnis von Simulationen zu der Zeit, wo Pirates entsteht, im Gaming-Kontext, ist ja das das jeweilige Spiel, was nachbildet, was auch in der Realität existiert. Also eine Flugsimulation zum Beispiel, die verspricht eine Annäherung an die Wirklichkeit, indem sie zum Beispiel das Flugverhalten von einer F6F Hellcat möglichst glaubwürdig nachzustellen versucht. Das ist natürlich weit, weit weg von der wirklichen Realität, deswegen machen die Sims damals ja noch Spaß, anders als später. Aber Simulation heißt hier, die Eigenschaften eines Dings im Spiel verhalten sich ansatzweise so wie in echt. Also die Fantasie ist, in diesem Helikopter erlebst du einen Kriegseinsatz in Südostasien so, wie ihn ein echter Pilot erlebt hätte. Und das ist ja offensichtlich nicht der Simulationsbegriff von Pirates. Das stimmt hier ja nicht. Also man kann wirklich viel über das Spiel sagen, aber dass man hier die Erfahrung eines Piratenkapitäns an Bord seines Flaggschiffs realitätsnah nacherleben könnte, das ist einfach Quatsch. Das ist ja gar nicht der Anspruch des Spiels. Das ist nicht das, was Simulation hier meint. Stattdessen haben wir hier eine Simulation in einem anderen Sinne, nämlich als eine Modellwelt. Also das Spiel definiert ein selbst ablaufendes System.
Chris:
[2:21:03] In das man dann eingreift, um zu schauen, was sich verändert. Das bedeutet, anders als bei den Militärsimulationen von Microprose, dass die Spielwelt prinzipiell unabhängig von uns Spielenden existiert und sich auch unabhängig von unseren Handlungen verändern kann. Und dadurch wirkt sie ja auch so lebendig. Das ist im Endeffekt das SimCity-Modell. Für uns ist SimCity heute so eine archetypische Simulation. Man greift ein und dann guckt man in dieser selbst ablaufenden Simulation, was sich dadurch verändert. Bei Pirates ist das schon auch so, nur halt zwei Jahre vorher.
Chris:
[2:21:33] Und es benutzt es anders als SimCity. Es benutzt es, um dann da lauter Was-wäre-wenn-Situationen zu erschaffen. Was wäre, wenn ich im Jahr 1560 als englischer Pirat spiele, wo alle Siedlungen spanisch sind, ich so gut wie keinen sicheren Rückzugsort habe. Was passiert dann? Oder was ist, wenn ich als Holländer um 1600 in einer Ära lande, in der die Nationen zu Friedensschlüssen tendieren und es mir niemand dankt, wenn ich feindliche Schiffe kapere? Du hast vorher schon beschrieben, was für eine undankbare Situation das ist. Das verändert die Spielerfahrung fundamental. Das wird zu anderen Lösungsstrategien führen müssen, weil die bisherigen Lösungsstrategien nicht übertragbar sind in so eine Veränderung der Simulation. Und da werden ja einfach nur ein paar Stellschrauben am Simulationsmodell anders ausgerichtet und auf einmal verändert sich die Spielerfahrung und das wiederum zahlt auf den Wiederspielwert ein. Und das ist für mich einer der unterschätzten Aspekte an der spielerischen Freiheit von Pirates, der Möglichkeitenraum, der sich nicht nur aus der offenen Spielwelt ergibt, sondern aus den Variablen darstellt. Darunterliegenden Simulationsmodells.
Gunnar:
[2:22:38] Genau, weil es ein Spiel der Systeme ist, nämlich.
Chris:
[2:22:40] Genau.
Gunnar:
[2:22:41] Und das ist zu der Zeit vielleicht nicht revolutionär, aber noch relativ selten. Wir haben schon öfter Defender of the Crown als Beispiel genommen, als Gegenbeispiel für einen Entwurf. Diese ganze ursprüngliche Anspruch von Sid Meier, dass man halt die Szenen eines Films zeigt, die spaßigen Sachen eines Films dann in einem Spiel, das ist ja genau der Anspruch von den CinemaWare-Spielen. Und genau das macht ja Defender of the Crown auch auf eine Art. Wolltest du schon mal eine Belagerung sehen? Hier, mach sie selber. Wolltest du schon mal ein Ritterturnier reiten? Hier, mach sie selber. Aber die sind in eine Dramaturgie eingebettet und nicht systemisch mit dem Rest verknüpft. Und die Tatsache, dass das bei Pirates eine systemische Welt ist, in der mehrere Systeme, die Diplomatie, das Schiffsfahren, die Wirtschaft, die Piraterie, die Piratenjäger und so, diese ganzen Systeme alle existieren und auf dich Einfluss nehmen oder auch nicht und du Einfluss nimmst auf sie und oder auch nicht, das macht halt dieses immer neue Spielgefühl aus damit. Und deswegen ist es auch eigentlich in allererster Linie ganz richtig beschrieben als Simulation und nicht so sehr ein Adventure, obwohl es sogar häufiger als Adventure bezeichnet wird. Das steht dann auch auf der Goldpackung steht nochmal Adventure drauf groß, weil das halt so ein Begriff ist, den man mit der Piraterie in Verbindung bringt. Ein Piratenabenteuer. Aber es ist ja eigentlich dann doch auf eine Art ein Piratensimulator. Kein Schiffssimulator, aber ein Piratensimulator.
Chris:
[2:24:04] Ja, ein Piraten-Welt-Simulator sogar, würde ich sagen.
Gunnar:
[2:24:06] Ein Karibik-Simulator vielleicht.
Chris:
[2:24:08] Ja, in gewisser Weise schon. Pirates erkennt, dass daraus aber wiederum narrativ entsteht. In so einer Simulation, wenn du da jemanden reinsetzt, der einen klaren Ausgangspunkt hat, der eine erzählerische Rahmung hat und der vor allen Dingen auch Ziele hat. Das ist ja auch nicht unwesentlich. So eine Simulation ist ja erst mal selbstzweckhaft. Und das wird erst dadurch dann spaßig und relevant, dass man Ziele erreichen kann innerhalb von dieser Simulation, von dieser Welt. Und Pirates ist schlau genug, anders als zum Beispiel ein Elite. Wir erinnern uns daran, Elite hat in seiner Urversion auf dem BBC noch nicht mal die Missionen. Die kommen ja erst in späteren Missionen rein. Das hat einfach nur die Welt und sagt, ja, jetzt flieg da raus und mach irgendwas. Das ist dir völlig selbst überlassen. Und Pirates ist da ja schon eine Ecke weiter und sagt uns hier, ich gebe dir aber schon ein paar Dinge vor, da ist diese Schatzflotte, da sind deine entführten Verwandten, da sind die bösen Spanier. Da gibt es also Sachen, denen man nachgehen kann und es gibt ja auch die konkrete Endauswertung mit den von uns beschriebenen Berufen, die man dann ergreift. Und das füllt das mit Bedeutung, diese Simulation, diese simulierte Welt. Und es füllt sie auch insofern in Bedeutung, als wir jetzt kein Agent in dieser Welt sind, der da einfach nur durchläuft und es rauscht so entropisch an uns vorbei, die Simulation, sondern es ist ja ein Feedback-Loop. Wir haben es vorher beschrieben, unser Handeln hat wiederum Einfluss auf die Simulation. Wir können tatsächlich eingreifen in das Schicksal dieser simulierten Welt, jetzt nicht tiefgreifend.
Chris:
[2:25:29] Wir können da keine Entscheidungen der Machtverhältnisse in der Karibik herstellen, aber wir können das Schicksal einzelner Siedlungen und Städte zum Beispiel bestimmen und wir können dadurch, wie erfolgreich unsere Raubzüge sind, bestimmen, wie stark wir gejagt werden von Piratenjägern. Also uns als Spieler wird vom Spiel mitgeteilt, implizit in den meisten Fällen, ich habe dich wahrgenommen. Diese Welt nimmt dich wahr und du spielst da tatsächlich eine Rolle darin.
Gunnar:
[2:25:54] Ich finde, das Spiel findet so sehr stark den Sweet Spot von Größenordnung. Du herrschst ja über Leben und Tod deiner Mannschaft und kannst halt Schiffe versenken, Dutzende und Aber-Dutzende. Wenn du aber einen ganzen Handelsposten drehen willst oder eine Stadt drehen willst, ist das schon eine richtige Aufgabe. Das machst du im Spiel bloß eine Handvoll von Malen. Und wenn du das geschafft hast, dass jetzt eine Stadt eine andere Nationalität annimmt, weil du einen eigenen Gouverneur eingesetzt hast, das ist ein richtiger Erfolg, ein richtiger Meilenstein, Killer. Da steckst du dir noch eine halbe Stunde später auf die Schulter, dass du das gemacht hast. Und du kannst es auch wiederholen, aber du kannst nicht das gesamte politische Klima drehen. Du kannst nicht der König dieser Welt werden. Du kannst nicht die Welt retten oder irgendwas in der Art. Die Welt ist viel größer als du und du bist halt ein Teil davon. Und das ist eine Größenordnung, die selten ist in interaktiver Unterhaltung, finde ich. Oft geht es halt auf das ganz große Ziel, die Welt retten, den Atomkrieg verhindern oder irgendwas. Und ganz oft machst du ja auch ganz kleine Sachen nur, deine Freundin retten oder fünf Gegner erschießen. Und hier ist es so dazwischen.
Chris:
[2:26:56] Ja, Spiele sind ja Selbstwirksamkeitsgeneratoren, das ist ja eine ihrer besonderen Stärken. Und da gibt es aber natürlich eine Bandbreite davon. Ein Spiel kann Selbstwirksamkeit generieren wie eine Skinnerbox. Drück diesen Knopf und dann gebe ich dir eine Belohnung und dann fällt eine Erdnuss in deinen Mund. Das ist auch eine Selbstwirksamkeitserfahrung. Und viele Spiele sind ja solche stark geführten Erfahrungen. Hier ist die Mission. Sammle zehn Org-Schädel und komm wieder zurück. Dann kriegst du deine Belohnung. Zehn Goldmünzen. Und das Mächtige, das Wirkmächtige an einem Spiel wie Pirates ist aber, dass hier die Ziele ja vom Spieler selbst gesetzt sind. Nie im Spiel sagt dir irgendjemand, erobere die Stadt Kartagena. Sondern der Spieler Gunnar Lott kommt irgendwann zu dem Schluss, der Wind steht günstig, ich habe genügend Mann, Katagina ist gerade reich. Ich gehe jetzt dahin und plündere diese Siedlung. Und weil das aber nicht alltäglich ist und weil es schwierig ist, ist es eine umso stärkere Selbstwirksamkeit, die da erzeugt wird, wenn es gelingt. Es ist ein großes triumphales Erfolgserlebnis und es ist umso mächtiger, weil du dir dieses Ziel selbst gesetzt hast.
Gunnar:
[2:27:58] Man nennt das heutzutage Player Agency. Das heißt, dass der Spieler auch einen Grund hat für seine Sachen und sich diesen Grund auch notfalls selbst suchen kann, ohne nur an der Nase da durchgeführt zu werden, von Plotpunkt zu Plotpunkt und so. Und das ist eins der Spiele, die da eine gute Mischung finden. Ich finde, natürlich hat ein Spiel wie Elite drei Jahre früher auch Player Agency, aber da hast du auch einfach sehr wenig zu tun. Du kannst halt so rumfliegen und hast nicht so richtig einen Grund, was zu finden. Und hier, weil die Welt endlich ist und du es auch weißt, weil du diese Karte schon vorab sehen kannst und weil es so eine Mischung gibt aus vorgefertigten Zielen und eigenen Zielen, hast du halt eigentlich immer was zu tun, was angenehm ist.
Chris:
[2:28:40] Also das ist jetzt schon eine ganze Bandbreite von tollen Dingen, die Pirates erreicht hat. Und das ist auch wieder sehr augenfällig, finde ich, dass es nicht das eine Ding ist, auf das man zeigen kann und sagen kann, schau mal, das ist das Tolle an Pirates. Hier die offene Spielwelt, hier die dynamische Simulation, hier das Emergent Narrative, hier die Player Agency, sondern das ist ja alles da drin. Wenn ich das versuchen sollte, zusammenzufügen auf einen Punkt, warum das für mich so ein Meilenstein ist, dann würde ich sagen, das ist ein Paradebeispiel von Spieldesign als einer eigenständigen kreativen Disziplin, weil wir hier eine so elegante Verzahnung von Spielmechaniken haben, die alle auf die Spielerfahrung einzahlen, die alle miteinander verbunden sind, sodass man sich am Ende wie ein Pirat fühlt, der ein eigenes Abenteuer erlebt. Das ist hier eine Spiel-Design-Leistung. Und ich meine hier nicht das Gesamtwerk mit seinen Grafiken und Sounds und der Steuerung. Ich meine das pure abstrakte Design-Regelwerk, das da drunter liegt. So wie ja zum Beispiel Programmierer immer sagen, dass Code auch eine eigene Eleganz und Schönheit haben kann, so kann auch Design-Regelwerk eine Eleganz und Schönheit haben. Und ich finde, Pirates zeigt das in großer Klarheit. Für mich ist das ein ganz wichtiger Schritt für die Schöpfung des Spieldesigners als Berufsbild im Gaming. Und ich würde auch sagen, Sid Meier wurde vor Pirates nicht als Designer wahrgenommen und mit Pirates dann schon. Das ist, glaube ich, sein definierendes Werk als Spieldesigner. Vorher war er Programmierer.
Gunnar:
[2:30:08] Oh ja, das stimmt. Weil es ja auch so ein Bruch in dem Portfolio von Microprose ist und auch so ein Bruch in seinem eigenen Werk im positiven Sinne. Weil es ihm jetzt ermöglicht, Spiele zu schaffen, die über das hinausgehen, was die Ambition von Microprose als Firma ist und was der Bill Steeley mag. Weil er jetzt hier diesen entscheidenden Erfolg hat, der es ihm ermöglicht, hinterher zu sagen, nee, ich mach jetzt mal ein Spiel mit Eisenbahnen. Oder nee, ich mach ein Spiel, wir nennen es mal Civilization. Ich bin grundsätzlich der Meinung, dass es Civilization nicht gegeben hätte ohne Pirates. Oder wenn Pirates kein Erfolg gewesen wäre.
Chris:
[2:30:45] Das können wir mit Sicherheit sagen. Dann hätte es weder ein Railroad Tycoon noch ein Civilization gegeben.
Gunnar:
[2:30:50] Genau, dieses Spiel ermöglicht halt diese anderen Spiele. Und diese Spiele ermöglichen ja auch wieder andere Spiele. Nicht direkte Klone, so funktioniert Wirkungsgeschichte nicht, meine ich, aber die ermöglichen mit ihrer Freiheit, mit ihrer Ambition und ihrer Verzahnung von Systemen ganz eigene Game-Design-Disziplinen. Und das ist schon das Verdienst von diesem Spiel, das so angefangen hat als, lass mal was machen, was aussieht wie Errol Flynn und mach mal ein schönes Bild, Michael Herr.
Chris:
[2:31:16] Ja, das Stichwort Wirkungsgeschichte ist ein sehr gutes, weil das Interessante in diesem Zusammenhang ist, dass es ja gar keine unmittelbaren Nachahmer gibt von Pirates. Es ist nicht so, als ob wir jetzt dann hier Ende der 80er, Anfang der 90er auf einmal lauter Pirates-Likes sehen würden oder überhaupt nur offene Spielwelten mit einem Simulationsunterbau, sondern ganz im Gegenteil. Das bleibt eigentlich fast ein singuläres Werk. Wenn das Pirates eine, in Anführungszeichen, Action-Simulation ist, dann schlägt ja zum Ende der 80er, also 89, jetzt erstmal die Stunde der Strategie-Simulationen. Da kommt dann ein SimCity, da kommt ein Populous und die sind eigentlich viel blaupausiger für andere Spiele, als in Pirates das ist. Und selbst Sid Meier kehrt ja nicht zu dem Pirates-Konzept zurück, sondern der macht mit Railroad-Tarcoon ja dann ebenfalls eine Strategiesimulation, eine Management-Simulation.
Chris:
[2:32:05] Und das Piratenspiel in der offenen Welt, das kehrt wieder zurück in den Weltraum. Das finden wir dann am ehesten in Privateer wieder 1993. Und das steht natürlich auch eher in der Traditionslinie von dem Starflight und dem Elite. aber das funktioniert ja trotzdem nach wie vor noch ziemlich nah an dem wie ein Pirates funktioniert hat, nur halt jetzt wieder in der Science Fiction und auch spätere Spiele wie Freelancer und sowas stehen dann in dieser Linie. Aber ein Spiel, von dem man jetzt in den nächsten Jahren nach 1987 draufzeigen könnte und sagen könnte, hier, das ist nach der Blaupause von Pirates entstanden, würde mir keins einfallen.
Gunnar:
[2:32:38] Nee, gibt es auch nicht. Und ich glaube, es gibt einen Grund, warum das in den Weltraum wandert, weil das da beherrschbarer ist. Und ein Simulator der Karibik, den man im Jahr 1987 auf dem C64 so abstrakt machen konnte, müsste zehn Jahre später sehr viel realistischer sein, sehr viel grafischer, noch viel mehr Systeme haben, glaube ich. Weil man ja dann halt von Spielen, die dann einen ganzen Tick weiter sind im technischen Fortschritt, mehr erwartet, insbesondere an Realismus.
Gunnar:
[2:33:11] Und man sieht ja auch ganz logisch, dass dann 2004 das Remake von Pirates dann in so eine Comic-Richtung geht. Und dass sie gerade dem Realismus ausweichen, das ist ja nicht so in dem ursprünglichen Pirates. In ein paar von den Versionen ist noch ein Foto auf dem Cover von dem Schauspieler im Piratenkostüm.
Chris:
[2:33:28] Ja, stimmt. Beim ursprünglichen Spiel, ja.
Gunnar:
[2:33:30] Das ganze Spiel wirkt ein bisschen comicky, weil es halt C64-Grafik hat, aber das ist nicht comichaft gemeint. Und das Spiel von 2004 geht dann halt wirklich in so einen eckigen, kantigen Comic-Look. Und ich glaube, das ist um dem Realismus auszuweichen.
Chris:
[2:33:47] Ja, das glaube ich schon auch. Mit den zusätzlichen Minispielen, die da reinkommen, wird es ja eher unrealistisch, die Stadt reinschleichen und solche Dinge. Ich habe das damals getestet für die GameStar. Das war in seiner Zeit, als das rauskam, immer noch ein ungewöhnliches Spiel. Also auch da in diesem Jahr wüsste ich nicht, was da irgendwie eine vergleichbare Spielerfahrung gewesen wäre.
Chris:
[2:34:06] Also wir sagen ja häufig hier als so ein Qualitätskriterium oder als eine Grundlage für Nachwirkung von dem Spiel, ist das eine Blaupause, an der sich spätere Spiele und Werke orientiert haben. Und bei Pirates muss man relativ nüchtern sagen, nein, ist es nicht. In der Gestalt, wie wir es hier sehen. Es ist aber trotzdem ein Meilenstein, es ist trotzdem ein wirkmächtiges Spiel, weil, wie du gesagt hast, erst mal das Sid Meier einfesselt und ohne das hätte es dir wesentlichen Meilensteine seiner Karriere vermutlich nicht gegeben. Die haben ja dann eine viel stärkere Wirkung wieder in andere Spiele. Aber es ist halt auch so ein typisches Designers Game. Ganz viele Leute haben Pirates damals gespielt, die dann später Karriere in der Spielebranche gemacht haben und sagten, das hat mir gezeigt, wie Spieldesign sein kann. Ich hatte ganz kurz zur Vorbereitung dieser Folge nochmal Kontakt mit Bruce Shelley, der zu der Zeit gar nicht bei Microprose war, der da bei Avalon Hill war. Und der sagte dann nebenbei, der Grund, warum er zu Microprose wollte, war Pirates. Er hat das damals gespielt. Er fand das so toll, dass er dann da zu Michael Poros und zu Sid Meier rüber wollte. Also das hat Menschen, die dann später Spiele gemacht haben, implizit beeinflusst. Und nicht unbedingt in der Hinsicht, dass sie sagten, ich will jetzt auch so ein Spiel machen. Vielleicht auch, weil es so Szenarien wie Pirates, wo das historische und das filmhaft-geotypische so gut ineinander gehen, gar nicht so häufig gibt.
Gunnar:
[2:35:24] Es gibt schon noch ein paar systemisch inspirierte Spiele, würde ich sagen. Und mein Beispiel, weiß nicht, ob ihr da zustimmst, ist ein Spiel wie Mountain Blade von 2008. Das hat freie Bewegung, es hat Kämpfe in Echtzeit, es hat eine Karriere, so ein bisschen Pirates auf dem Land, finde ich. Es hat massenhaft emergente Erzählung, es kombiniert Subsysteme, du kannst auf ganz verschiedenen Wegen zum Erfolg kommen und du hast halt auch eine ganz starke Spielerrepräsentanz, weil du es halt aus der Ego-Perspektive spielen kannst. Aber trotzdem hängen die Siege in der Schlacht nicht von deiner Ego-Perspektiven-Tätigkeit ab, sondern von der besseren Armee.
Chris:
[2:35:59] Ja, gutes Beispiel würde ich dir voll zustimmen, weil das ist einer der Fälle, wo auch eine historische Realität mit einem romantisch verklärten, Popkultur geprägten Bild wunderbar zusammengeht. Und ein Spiel gleichzeitig sagen kann, ich versuche das authentisch zu gestalten und bediene trotzdem aber auch die Vorstellung vom romantisierten Mittelalter.
Gunnar:
[2:36:18] Ist jetzt auch das Einzige, was mir einfällt. Alle anderen sind schlechtere Metaphern. Daran merkt man es ja schon. Sea of Thieves wird oft genannt, aber es ist ja ein ganz anderes Spiel. Port Royale wird zuweilen genannt. Das 2002er von Escaran, aber es ist ein ganz anderes Spiel. Das hat nur so ein bisschen Flair davon. Die DNA von Pirates lebt schon noch fort, aber stark verdünnt, würde ich sagen. Und Pirates selber als Subgenre, Pirates-artige Spiele, Pirates-Likes, hat es leider vielleicht nie gegeben.
Chris:
[2:36:48] Ja, aber umso strahlender leuchtet der Stern des originalen Pirates. Und um das an dieser Stelle noch mal zu sagen, sollte man das heute noch mal spielen? Kann man das heute noch spielen? Ja, unbedingt. Also gerade die ganzen PC-Fassungen, sowohl die Originalfassung als auch Gold und das 2004er-Remake gibt es auf GOG. Und die PC-Fassung ist auch gut spielbar. Von daher, ja, jede davon kann man noch spielen. Wenn man eine davon auswählen wollte, würde ich sagen, am besten Pirates Gold.
Gunnar:
[2:37:16] Ja, gefällt mir grafisch nicht so. Mir gefällt erstaunlicherweise die originale PC-Fassung optisch bester. Aber das ist auch schon alles.
Chris:
[2:37:25] Die hat auch noch eine Sache, um noch dieses kleine Sternchen hinten dran zu machen. Nur so die Kirsche auf dem Sahnehäubchen von Pirates. Das hat noch die Farbcodierung, die auch die C64-Version hat. Weil in den Texten, die du im Spiel liest, sind Farben eingesetzt, um Nationen zu kennzeichnen. Jede Nation hat eine klare Farbcodierung. und um auch so Dinge wie sind im Krieg oder sind in der Allianz farblich direkt hervorzuheben. Rot ist im Krieg, Grün ist in der Allianz.
Gunnar:
[2:37:52] Das ist super.
Chris:
[2:37:53] Also du erkennst an den Farben direkt zum Beispiel nationale Zugehörigkeit und spätere Versionen geben das auf. Die Amiga-Fassung hat das zum Beispiel nicht. Und ich glaube auch Pirates Gold, wenn ich richtig im Kopf habe, nutzt nicht mehr Farbcodierung, sondern dann halt die Länderflacken von den Nationen und du merkst im direkten Vergleich, das funktioniert aber halt nicht so gut. Und dass schon 1987 an sowas gedacht wurde, an Information Design, über die Farbgestaltung. Also ich ziehe meinen Hut vor Sittmeier. Es ist ein wirklich grandioses Werk.
Gunnar:
[2:38:21] Ich habe noch eine Frage. Jetzt vielleicht ein bisschen außerhalb der Erzählung, aber es geht auf was zurück, was wir im Vorgespräch kurz besprochen haben. Hast du das Spiel mit Speichern gespielt? Im Sinne von hast du gespeichert und nochmal gespielt, wenn das schiefgegangen ist, die Schlacht?
Chris:
[2:38:36] Ja.
Gunnar:
[2:38:36] Ah, Cheater.
Chris:
[2:38:38] Weil es geht, weil es geht. Das Spiel bietet es ja an, auch schon auf der C64-Version. Du kannst dein Spiel speichern, nur in den Hafenstatten, aber das reicht ja.
Gunnar:
[2:38:46] Aber du musst es ja neu laden, du kannst es ja nicht im Spiel neu laden. Das habe ich nie gemacht, ich habe es immer durchgespielt und habe deswegen auch nie so richtig hammermäßige, war nie der Berater des Königs oder so, selbst in den guten Runs nicht, weil ich dann doch irgendwann mal, ist irgendwas schiefgegangen, meistens in einem Schwertkampf. Jedes einzelne Spiel, das ich gemacht habe, habe ich einfach so durchgespielt. Das habe ich auch nie gespeichert. Das habe ich einfach nie gemacht. Aber ich fand das so eine große Hürde, nochmal das Spiel neu zu starten mit Laden und allem, den ersten Disketten wechseln, dass ich immer dachte, nee, komm, jetzt spielst du halt weiter. Wird schon noch wieder gut werden.
Chris:
[2:39:18] Das ist sicher auch die richtige Art und Weise, das Spiel zu spielen. Aber die Folgen von Scheitern können doch gravierend sein. Wenn du dich verschätzt und verlierst die Hälfte deiner Flotte in einem einzigen Kampf, dann ist das so ein gravierender Rückschlag, dass ich an solchen Stellen dann schon gesagt habe, na, da lade ich lieber meinen Spielstand.
Gunnar:
[2:39:34] Ich finde, wenn ich einen Kampf verloren habe, dann ist es meine eigene Schuld. Das ist schon okay. Das kann ich schon ertragen. Da muss ich mit meinen Sachen leben. Wo ich vielleicht mal geladen haben könnte, ich bin nicht mehr sicher, ist, wenn ich in einen Hafen segle und habe vergessen, dass ich mit den Spaniern verfeindet bin. Und dann schießen die einfach auf meine Flotte, um mich da wegzutreiben, weil sie mich nicht in den Hafen lassen wollen. Und wenn du ein Schiff hast, dann schießen die halt einfach Dresdler ab. Wenn du eine Flotte hast, versenken sie eins von den Schiffen. Manchmal zumindest. Und dann hast du plötzlich deine Fast Gallon verloren, für die du lange gespart hast, die du lange gesucht hast und die du wirklich immer wieder einsetzt. Und das wäre ärgerlich. Ich will nicht ausschließen, dass ich da mal neu geladen habe.
Chris:
[2:40:14] Ja, das führt uns jetzt auf eine ganz andere Tangente. Aber Spiele sind ja erst mal immer nur ein Angebot. und man kann sich da selbst entscheiden, was einem Spaß macht und was nicht. Und wenn für mich das Spiel spaßiger ist, wenn ich mir den Spielstand lade und es ist legitim, weil das Spiel mir die Option anbietet, naja, okay. Was soll man daran kritisieren?
Gunnar:
[2:40:29] Ja, ich hab das auch nicht gewertet. Das ist völlig legitim.
Chris:
[2:40:32] Gut so.
Gunnar:
[2:40:33] Ja, das ist dein eigenes schlechtes Gewissen, Christian, dass du da spürst.
Chris:
[2:40:36] Übrigens auch noch mal ein Fortschritt gegenüber Silent Service, dass er eins von Sid Meiss vorherigen Spielen ist, das hat noch keine Speichermöglichkeit in der Kampagne.
Chris:
[2:40:45] Und hier ist es jetzt drin. Also Es ist alles ein sehr schönes Paket und ich hoffe, dass wir dem einigermaßen gerecht geworden sind in dieser langen Folge, was nicht heißt, dass wir nicht noch mehr dazu zu sagen hätten und auch tun werden, denn auch dieses Mal wird es für Unterstützende eine Wusste-dir-eigentlich-Folge dann noch als Ergänzung geben mit ein bisschen zeitlichem Abstand, wo wir auf diverse Aspekte nochmal eingehen, um das Spiel herum, um die Versionsgeschichte. Wir haben auch in der Recherche zur Entstehungsgeschichte mal wieder Punkte gefunden, die schwierig zu verifizieren waren. Da wollen wir davon erzählen. Und das Gespräch mit Tanja, das ihr gehört habt, war nur ungefähr die Hälfte von dem, was wir besprochen haben. Da waren einige sehr interessante Aspekte noch dabei, die sie erzählt hat. Das werden wir dann auch in der Folge noch nachtragen.
Gunnar:
[2:41:27] Genau, dann vielen Dank, Christian, für das Gespräch. Vielen Dank euch fürs Zuhören bis hierher und hoffentlich auch dann beim Zuhören der Wusstet ihr eigentlich Folge. Und dann sage ich Tschüss, bis zum nächsten Mal.
Chris:
[2:41:41] Tschüss.
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