Chris:
[0:23] Hallo Gunnar.
Gunnar:
[0:25] Hallo Christian. Aber wen hast denn du da mitgebracht?
Chris:
[0:28] Oh Gunnar, darf ich dir zwei Freunde von mir vorstellen? Das sind Adam und Rebecca. Und natürlich auch umgekehrt die Vorstellung. Adam, Rebecca, das ist Gunnar Lott.
Spielsound:
[0:39] Beeindruckend. In meinem ganzen Leben habe ich sowas noch nicht gesehen.
Chris:
[0:44] Ja, die beiden werden wir in unserer Besprechung heute noch häufiger hören, denke ich. Denn das sind die Protagonisten von Realms of the Haunting. um das es ja heute geht.
Gunnar:
[0:54] In der Vorbereitung auf diese Folge habe ich Amazon-Rezensionen gelesen. Ich weiß nicht, was mich dazu getrieben hat. Ich wollte irgendwas nachgucken. Die Altersfreigabe, glaube ich. Und bin auf Amazon gelandet. Und da hat jemand, ein Herr Braun, geschrieben, wer Fantasie spiele mag, der ist bei R-O-T-H bestens aufgehoben. Aber bitte seht zu, dass ihr es nicht alleine spielt. Denn von überall her können Geräusche kommen. Und zu zweit ist man dem eher gewachsen. Gut, dass wir zu zweit sind oder vielleicht sogar zu viert.
Chris:
[1:28] Stimmt. Oh Mann, meine erste Vorbereitung auf das Spiel war, mit meinem Bruder zu sprechen, bevor ich es wieder gespielt habe. Denn Rhymes of the Haunting ist ein Spiel, das mein Bruder und ich damals relativ zeitnah nach dem Erscheinen gespielt haben. Ich weiß gar nicht, wie ich darauf aufmerksam wurde, vermutlich durch eine Spielezeitschrift. Aber es war eins von den Dingen, wo ich dachte, oh, das muss ich haben und dann habe ich es mir auch gekauft. Und dann haben wir kurz unsere Erinnerungen verglichen. Meine Erinnerung war in erster Linie, ach, da gibt es dieses tolle Haus, das man so nach und nach erkundet und da gibt es so verschiedene Welten, die haben alle komische Namen. Eine Welt ist dabei, wo man dauernd runterfällt und dann gab es diese tollen Filmsequenzen und da war eine besonders grausige Szene dabei. Und mein Bruder steuerte als Erinnerung bei eine Flintlock. Das sei das Zitat, das in Gedächtnis geblieben ist aus Rhymes of the Haunting. Eine Flintlock. Wir kommen noch dazu, was das wohl bedeutet.
Gunnar:
[2:20] Ich sag mal, es ist schon lange her.
Chris:
[2:22] Es ist schon lange her, ja. Und um das gleich aufzulösen, diese besonders grausige Szene, die ich in diesem Jahr nominell Horrorspiel vermutet hatte, da habe ich mich dann beim Wiederspielen gefragt, was ist denn da in meinem Gedächtnis hängengeblieben? Hier war doch nichts dabei, was irgendwie grausig oder gar grausam ist. Und es muss die Szene gewesen sein, wo Adam sich tief unter dem Herrenhaus, in dem wir unterwegs sind, auf einen Thron setzt, einen unterirdischen. Und dann werden ihm zwei Narben in die Hände eingebrannt. Er wird gezeichnet und man sieht dann so, wie er dann halt eine Weile leidet, während seine Hände glühen. Und ja, das ist eine unangenehme Szene, aber das ist, würde ich sagen, das Grausigste, was man in dem gesamten Spiel zu sehen bekommt.
Gunnar:
[3:04] Das Spiel ist in Deutschland, wenn ich das richtig gesehen habe, ab 16, in der europäischen Freigabe ab 11. Also ich würde sagen, das ist auch nicht sehr gruselig und auch nicht sehr grausam. Und dass ihm die Hände gezeichnet werden, da haben wir schon Schlimmeres gesehen in Spielen, sag ich mal.
Chris:
[3:19] Ja, haben wir wirklich Schlimmeres gesehen. Ich war fast ein bisschen enttäuscht, auch enttäuscht von dem jungen Christian, dass er sich von sowas hat beeindrucken lassen. Aber habe ich das richtig verstanden? Du hast das damals zum Erscheinen nicht gespielt, als später nachgeholt?
Gunnar:
[3:32] Gespielt habe ich das sicher, weil das ein Ego-Shooter war und ich damals alle Ego-Shooter gespielt habe. Ob das ein Ego-Shooter ist, sprechen wir gleich noch drüber oder wie sehr. Aber ich habe alle Ego-Shooter mal angefasst. Aber ich kann mich nicht erinnern, das Spiel so weit gespielt zu haben, dass ich da in irgendwelche Welten gekommen wäre oder ein Flintlock gesehen hätte, was immer das ist, oder eine besonders grausame Szene. Meine komplette Erinnerung war an das Spiel, dass es sensationell gute FMV-Sequenzen hat, gefilmte Sequenzen mit richtigen Schauspielern und dass es in einem gruseligen Haus spielt. Aber stell dir meine Überraschung vor, als ich gemerkt habe, dass es gar nicht die ganze Zeit im Haus spielt. Ich so, huch, was ist denn hier los?
Chris:
[4:12] Ja, das wusste ich schon noch. Aber dass das Haus toll ist und dass es super Filmsequenzen hatte, so hatte ich das auch abgespeichert. Das werden wir jetzt alles nochmal ausrollen und unsere Erinnerungen dann abprüfen.
Chris:
[4:22] Aber das ist ja auch immer im Kontext der Zeit zu sehen. Und ich möchte diesen Zeitrahmen nochmal ein bisschen aufmachen, weil du schon gerade gesagt hast, es ist ein Shooter, aber es ist wirklich ein Shooter. Es sieht zumindest aus wie ein Shooter. Und das Jahr 1996, in dem wir hier sind mit Realms of the Haunting, ist ein ganz wichtiges Jahr für die Evolution des Shooter-Genres. Das ist zu dem Zeitpunkt, wenn wir jetzt mal Wolfenstein 3D als Startpunkt nehmen, ja gerade mal vier Jahre alt, dieses Genre. Und wir sind da also in einer Ära, in der schon klar ist, dass diese Shooter als Genre und vor allem auch die 3D-Grafik kein Nischending sind, sondern ein rasant wachsender Markt, vielleicht sogar die Zukunft. Und wir sind in einer Phase, die geprägt ist von ebenso rasanter technologischer und inhaltlicher Innovation. Ist ja auch das Jahr von Quake zum Beispiel, 96. Und die Hersteller fangen an, Ambitionen über das Kerngameplay hinaus zu entwickeln. Also sich zu fragen, was können wir in diesen 3D-Welten anstellen, was über den Kampf hinausgeht. Da sickern dann Einflüsse aus anderen Genres in den Shooter. Da haben wir zum Beispiel Sprungpassagen aus dem Jump’n’Run. Wir erinnern uns an Duke Nukem 3D oder auch an Half-Life später.
Chris:
[5:27] Und Duke Nukem erscheint ja im Januar 96. Also das sind wir im gleichen Jahr. Oder Rollenspielelemente finden den Weg in den Shooter. Im Februar 96 erscheint Strife. Da gibt es dann ein Hub-Level, wie man das vorher in Hexen schon hatte. Und da kann man dann Shops besuchen und Dialoge mit Leuten führen. Da kann man den Charakter ausrüsten und Charakterwerte verbessern. Und vorher 94 hatten wir ja System Shock schon, da kommen Elemente des Adventures ins Genre, also Erkundung, ein Inventar, Rätsel und sowas.
Chris:
[5:56] Und gleichzeitig geht es in dieser Zeit zunehmend auch darum, den Shooter zu einem erzählenden Genre zu machen, was er ja bei Doom schlichtweg noch nicht ist. Zum Beispiel mit den Mitteln der CD-ROM-Technologie, also den Filmszenen. 96 erscheint auch Terminator SkyNet, das ist Bethesdas dritter Terminator-Shooter und der erste aus der Reihe, der zwischen den Levels Filmchen zeigt mit Schauspielern und so.
Chris:
[6:18] Und auch wenn das kein Shooter ist, aber ein Meilenstein in der 3D-Action, auch aus dem Jahr 96, ist es natürlich Tomb Raider aus England. Das verbindet die Schieß-Action mit der Jump’n’Run-Springerei und mit Adventure-Rätseln samt Inventar und mit Erzählung in Render-Filmchen, aber auch in der Spiel-Engine. Da kommt das alles zusammen. Das wird so dieser erste Blockbuster im Genre der
Chris:
[6:39] Action-Adventures. Und ein knappes Jahr später haben wir dann 1997 auch aus England GoldenEye 007 von Rare. Und das kann man ja mit einiger Berechtigung als den ersten cinematischen, also filmhaften Shooter bezeichnen, der dann den Weg ebnet zu den heutigen Call of Duties.
Chris:
[6:55] Aber kurz vorher, Ende 96, also noch mitten in dieser evolutionären Ursuppe des Genres, kommt wiederum ein Spiel aus England, das auch so einen Mix versucht, dass sich also den Ego-Shooter als Basis nimmt, so mit dem Blick in die 3D-Welt und es aber stark mit dem Adventure verschränkt. Sowohl in der Spielmechanik als auch in der Ästhetik. Vor allem der Ästhetik von einem interaktiven Film, mit den Videos, mit Schauspielern und das auch noch in einem Genre, das man im Shooter bisher kaum gesehen hat, nämlich dem Horror. Und dieses Spiel ist eben Realms of the Haunting, das wir uns heute angucken.
Gunnar:
[7:28] Realms of the Haunting heißt Die Reiche des Spuks, würdest du sagen?
Chris:
[7:32] Mhm.
Gunnar:
[7:33] Sowas ungefähr. Das ist, wie du schon gesagt hast, ein Hybrid-Spiel. Das bedeutet spielerisch, man läuft halt in 3D-Räumen rum und guckt über die eigene Waffe. Man bekämpft Monster in Echtzeit. Aber man sammelt auch Gegenstände, man löst Rätsel und erschließt sich diese Welt Stück für Stück durch verschlossene Türen und später auch Dimensionstore. Also der Core-Loop des Shooters ist da ein bisschen erweitert. Der Erkundungspart ist stärker, das Kämpfen ist auch schon noch da, aber nicht so dominant wie in, sagen wir mal, einem Quake. Und du hast noch so einen kombinierenden Rätselknackending. Und du hast auch so eine Art Hubwelt, ein bisschen wie in, will nicht sagen wie in Hexen, aber jedenfalls kommst du immer mal wieder in das Herrenhaus zurück, über das wir geredet haben, wenn du durch Dimensionstore gehst und in andere Welten gehst.
Chris:
[8:18] Mit diesem Herrenhaus, mit diesem Ort fangen wir mal an. Ich würde sagen, wir beschreiben einfach mal, wie das Spiel beginnt, genau, oder?
Gunnar:
[8:26] Ja.
Chris:
[8:27] Genau, und das beginnt nämlich mit einem langen Intro-Video, wie es Usus ist in dieser Zeit. Und dieses Video wiederum beginnt mit etwas, was ich schon längst wieder vergessen hatte. Da hatte ich keine Erinnerung dran, als ich das jetzt nochmal gespielt habe, nämlich mit einer Szene, in der in einer Welt, die ganz offensichtlich nicht unsere ist, eine Art grüner Komet in einem Steinkreis einschlägt. Und aus diesem Kometen entsteht dann eine leuchtende, grün leuchtende Engelsgestalt mit großen Flügeln. Und die wird von Blitzen umzuckt auf diesen Manieren leuchten seltsame Symbole auf. Und dann bleibt von dem Engel nur noch ein Schwert übrig, das im Boden steckt. Und ich finde, in gewisser Weise ist das ein sehr passender Auftakt für das Spiel. Denn selbst jetzt… Durchspielen und langer Beschäftigung mit Realms of the Haunting und seiner Handlung, kann ich dir nicht genau sagen, was das sein soll und wie diese Szene zum Rest des Spiels passt. Also dieses Schwert, das wir da sehen, das spielt im Spiel schon noch eine Rolle, zumindest das, aber der ganze restliche Zinnober, wer dieser Engel sein soll und so, ich weiß es einfach nicht. Und damit herzlich willkommen in der Welt von Realms of the Haunting.
Gunnar:
[9:36] Also Christian, wie jeder weiß, ist das das Schwert Michaels. Michael ist ein Engel. Ich bin auch nicht sicher, ob ich das alles richtig verstanden habe, aber ich hatte das in dieser Lore des Spiels als eine Art Rückgriff in die frühe Vergangenheit eingeordnet. Wir kommen später noch dazu, wie das Spiel das an anderer Stelle noch macht, wenn es dich mit der druidischen Vergangenheit von England konfrontiert.
Gunnar:
[9:58] Als nächstes lernen wir den Protagonisten kennen und das ist Adam Randall, ein junger Mann aus Kanada. Der fährt mitten in der Nacht und bei strömendem Regen im Taxi durch die britische Landschaft und er erklärt uns auch gleich, was er da macht.
Spielsound:
[10:12] Mein Vater starb vor sechs Monaten. Seit er und meine Mutter geschieden waren, hatten wir so unsere Probleme. Ich habe ihn nicht so oft gesehen, wie ich eigentlich sollte. Mein Vater war Pastor in einem Dorf bei Cornwall. Er war sehr beliebt, hatte für jeden Zeit, nur nicht für seinen Sohn.
Gunnar:
[10:33] Das ist natürlich alles tragisch und das ist auch schon ein guter Grund, um aus Kanada nach England zu kommen, trotz des schlechten Wetters. Aber es kommt noch etwas anderes dazu, etwas Beunruhigendes.
Spielsound:
[10:43] Ich weiß nicht warum, aber vor kurzem fing ich an, von einem Haus zu träumen. Unglaublich lebendige Träume.
Chris:
[10:55] Kurz nach dem Tod seines Vaters hat Adam unvermittelt Besuch bekommen. Und zwar ein Mann im schwarzen Talar mit Ziegenbart und Gehstock, der ein bisschen so aussieht, wie man sich so mittelalterliche Inquisitoren vorstellt. Und er sagte ihm, sein Name sei Elias Camber. Er sei ein Kollege von Adams Vater gewesen. Und er sei hier, denn Adams Vater habe etwas Schreckliches über ein Haus am Rande seines Pfarrbezirks herausgefunden, also tief irgendwo in Cornwall. Und dann übergibt Elias Camber Adam ein Päckchen, angeblich von seinem Vater. Darin befinden sich Scherben von irgendwelchen Runensteinen. Das ist alles sehr mysteriös und Adam ist selbstverständlich misstrauisch.
Spielsound:
[11:38] Fast alles von dem, was Camber mir erzählt hatte, war gelogen. Es gab keinen Priester mit seinem Namen in Cornwall.
Gunnar:
[11:47] Aber jetzt werden seine Träume immer schlimmer und da macht er sich dann doch mal auf die Reise, um mal zu gucken, was da vor Ort in Cornwall eigentlich los ist. Und so sitzt er jetzt im Taxi. Das ist die Szene, die wir sehen und erreicht tief in der Nacht sein Ziel.
Spielsound:
[12:05] Das ist es also. Das Haus, von dem Camber gesprochen hatte. Das Haus aus meinen Albträumen. Irgendetwas hatte mich hierher gelost. Ich weiß noch nicht was. Oder warum.
Gunnar:
[12:21] Und genau dieser Frage gehen wir nun gemeinsam mit Adam auf den Grund. Dieses seltsame Haus entpuppt sich als stattlicher Landsitz, einsam, mitten im Nirgendwo, umgeben von einer Mauer mit einem schweren, eisernen Eingangstor. Und natürlich tost ein Gewitter, wie sich das gehört. Der Wind beutelt die Bäume vor dem Gebäude und als Adam die große, hölzerne Doppeltür geöffnet hat und in den Eingangsbereich getreten ist, da fällt sie hinter ihm ins Schloss und ist jetzt für viele, viele Stunden des Spielens nicht mehr zu öffnen.
Gunnar:
[12:51] Es ist stockdunkel im Haus, aber zum Glück steht da eine Laterne rum und damit gehen wir ins Spiel.
Chris:
[13:04] Tja, und das ist, um es mit Adam und Rebecca zu sagen.
Spielsound:
[13:08] Beeindruckend. In meinem ganzen Leben habe ich sowas noch nicht gesehen.
Chris:
[13:12] Das ist vielleicht ein bisschen hochgegriffen, ihr beiden, aber es ist ein sehr stimmungsvoller Einstieg in das Spiel, finde ich. Das ist ja erstmal ein klassischer Horrorschauplatz, das einsame Landhaus irgendwo im Nichts und wir sind da drin und jetzt liegt es da vor uns und möchte erkundet werden. Und das Schöne finde ich, das ist jetzt auch kein irgendwie Mittelalter-Szenario, sondern das ist ja ein Jetzt-Zeit-Szenario aus dem Jahr 1996 gedacht. Also das heißt, in diesem Haus gibt es selbstverständlich Lichtschalter zum Beispiel und auch Elektrizität. Die funktioniert zwar nicht in allen Räumen, aber diese Lampe, die wir da haben, um die schummerischen Gänge zu erleuchten, die brauchen wir nicht die ganze Zeit, sondern da gibt es schon viele Räume, in die du einfach das Licht einknipsen kannst. Oder manchmal kannst du auch irgendwo Kerzenleuchte anzünden. Aber erstmal geht es darum, so peu à peu jetzt zu schauen, wo sind wir denn hier eigentlich gelandet?
Gunnar:
[14:02] Und jetzt erschließen wir dieses Haus Raum für Raum. Und erstmal ist es gar nicht so unheimlich. Der Weg ist am Anfang ziemlich linear. Es sind Türen verschlossen, weil sie Symbole tragen. Und die erste spielmechanische Erkenntnis, die ich hatte, ist, aha, hier sind versperrte Räume, offenkundig brauche ich für die einen Schlüssel oder einen Zauber oder irgendwas. Und das ist auch ein durchgängiges Element im Spiel, dass man an bekannte Orte wieder zurückkehrt mit einem neuen Schlüsselsystem, mit einer neuen Idee, wie man da weiterkommt.
Gunnar:
[14:36] Und so ist das hier auch erstmal. Und dann gucken wir uns doch mal die Grafik ein bisschen an, oder? Das ist ja immer der erste Eindruck, den man von einem Spiel hat. Und wir sind hier, du hast es gesagt, im Jahr 1996. Das ist eine 2,5D-Engine. Wir haben polygonale Räume, Treppen, Türen und sowas ist alles da. Freie Rundumsicht, freies 3D wie in System Shock. Das ist schon ziemlich detailliert von den Texturen her, aber es hat auch viele 2D-Elemente noch. Zum Beispiel die meisten Gegner und Objekte sind Sprites, 2D-Billboards. Die drehen sich halt immer so zur Kamera, je nachdem, wie du da vorbeigehst, wie wir es auch aus Doom und DyknoCum 3D kennen. Es gibt auch ein paar 3D-Modelle, aber nicht so viele.
Chris:
[15:16] Ich finde das ganz faszinierend. Wir haben ja im gleichen Jahr 96 ein anderes recht berühmt gewordenes Spiel, wo man in ein Gruselherrenhaus geht, nämlich Resident Evil. Und das wählt für die grundsätzlich gleiche Prämisse eine ganz andere Form der Darstellung und Inszenierung, nämlich eigentlich genau die umgekehrte, die Hintergründe 2D, die Charaktere 3D. Und hier ist es um 180 Grad gedreht, hier ist die ganze Umgebung 3D und das Personal und die Gegenstände dafür 2D, weil wir eben in einer Zeit sind, wo die Technologie noch nicht weit genug ist, um beides 3D darstellen zu können. Quake macht das schon, man sieht aber in Quake auch den Preis, nämlich dann ist beides noch relativ grobschlechtig. Grob polygonale Gegner und die Architektur auch nicht so wahnsinnig detailliert und Spiele, die einen höheren Detailgrad haben wollen, müssen sich für eins entscheiden. Resident Evil entscheidet sich für hoher Detailgrad der Hintergründe, dafür statisch. Und Ramps of the Haunting entscheidet sich für, wir machen zwar die Umgebung 3D, aber wir sind ja kein so richtig schnelles Spiel. Wir haben nicht die volle 3D-Grafik wie ein Quake. Dafür können wir hier den Detailgrad ein bisschen erhöhen, was die Ausstattung angeht zum Beispiel.
Gunnar:
[16:24] Und das muss es ja auch, weil es ja ein Adventure ist, enthalten. Also es musste ja Gegenstände anbieten und Sachen zum Durchsuchen anbieten. Und so noch ein kurzes Wort zur Grafik. Das hat auch simple Transparenzeffekte und Lichteffekte, aber die Lichtquellen sind hier natürlich noch statisch. Natürlich möchte man sagen, im Jahr 1996. Quake hatte natürlich diese rudimentäre Echtzeitlichtberechnung schon, aber das war zu dem Zeitpunkt noch lange nicht Standard. Und wenn man sich diese Texturen anguckt, ja auch immer ein wesentlicher Punkt bei 3D-Engines, die sind nicht so hoch aufgelöst und wiederholen sich schon häufiger, sind aber, wie ich finde, an vielen Stellen auch sehr schön. Das Flair des Spiels, dieses Herrenhaus, das ist schön dargestellt, gut lesbar.
Gunnar:
[17:07] Man weiß, wo man hier ist. Das finde ich ganz hübsch. Und es gibt gleich, wo wir gerade noch bei den Engines sind, es gibt gleich noch eine Szene, ganz früh im Spiel, wo du aus dem Haus rausguckst, in den Garten mit Regen. Da kannst du nicht raus, das ist nur ein Ausblick, aber das gibt dem Haus eine ziemliche Echtheit. Das fand ich ganz schön.
Chris:
[17:23] Wir nehmen das ja auf in einer Zeit im Jahr 2025, wo es so Genres gibt wie das Narrative Game, also den Walking Simulator oder die Immersive Sim, in denen es ja auch viel um Exploration eines Schauplatzes geht. Und da würde man heutzutage ganz selbstverständlich davon ausgehen, dass dieser Schauplatz entsprechend inszeniert ist, dass es da auch Dinge zu entdecken gibt. Ganz anders als wie zum Beispiel bei einem Arena-Shooter oder sowas, wo es viel mehr um Lesbarkeit von Kampfsituationen geht, um Geschwindigkeit und vielleicht auch um Vertikalität und sowas. Also unterschiedliche Spielerfahrungen brauchen eine unterschiedliche technologische Basis mit anderem Fokus. Das ist ja völlig klar. Das ist im Jahr 96 noch nicht unbedingt so klar. Deswegen finde ich das schon ganz clever, dass Rams of the Haunting diese Entscheidung hat. Im Zweifelsfall ist uns wichtiger, dass wir hier eine recht detailreiche Umgebung
Chris:
[18:14] haben, die nicht unbedingt schnell sein muss. Es hat deswegen auch schon gleich am Anfang, als wir dieses Herrenhaus erkunden, einige ganz tolle Szenen, ganz tolle Setpieces. Zum Beispiel, wenn wir das Arbeitszimmer in dieser Villa finden, von der wir ja nicht wissen, wem die eigentlich gehört, wer da vielleicht mal gearbeitet hat. War es Adams Vater? Vermutlich eher nicht. Und dieses Arbeitszimmer ist ein richtig eindrucksvolles, fast schon prunkvolles Studierzimmer in so einem englischen Herrenhaus. Das hat schwere Perser-Teppiche am Boden, das hat Wände mit Holzpanelen und so barockartig gemusterten Tapeten, an denen große Gemälde hängen.
Chris:
[18:50] Rundum stehen randvolle, massivhölzerne Bücherregale. Und dann hast du auf der einen Seite einen Kamin, da steht so ein gemütliches Polstersofa davor und auf der anderen Seite ein großes Panoramafenster, wo man, wie du schon beschrieben hast, in diesen dunklen, gewitterumtoasten Park da rausguckt. Und da steht in dieser Nische ein dicker Schreibtisch und daneben tickt eine große Standuhr und da steht eine Kommode mit einem Grammophon und so. Also total wohnlich. Ein bisschen seltsam ist, dass an einer dritten Wand ein großer, schwerer ägyptischer Sarkophag steht, der da irgendwie nicht reinpasst, aber irgendwie doch, der wirkt in diesem überfüllten Zimmer auch nicht deplatziert. Also das übertrifft im Detailgrad der Einrichtung jedes andere 3D-Spiel dieser Ära. In manchen Räumen, nicht in allen, aber in manchen wie diesem auf jeden Fall.
Gunnar:
[19:39] Wir müssen fairerweise an dieser Stelle dazu sagen, dass das der Raum ist. Das ist der Vorzeigeraum für diesen Abschnitt des Spiels und das ist auch der Hubraum, in den du immer wieder zurückkehrst. Dieser Raum enthält auch einfach mehr Sachen, als du jetzt am Anfang bedienen kannst. Also dieser Sarkophag ist dann natürlich später noch, wenn du nochmal wiederkommst und die richtigen Gegenstände dafür hast, ist das ein Tor einer in eine andere Welt. Aber dieser ganze Raum ist, um dir zu zeigen, wo du hier bist, um dir einen Eindruck dieser Welt zu verschaffen. Und er ist auch ein Foreshadowing auf Später.
Chris:
[20:12] Ja, und da ist natürlich schon das Showpiece, wo das Spiel sagen will, guck mal, schau mal, wo du hier bist. Bei mir bist du richtig, so sieht es bei mir aus. Das ist nicht das Niveau, dass es das ganze Spiel hindurch hält. Ganz im Gegenteil, da gibt es auch einige Sachen, die sehr viel einfacher gestaltet sind. Aber immer mal wieder gibt es solche Szenen, wo das Spiel so seine inszenatorischen
Chris:
[20:29] Muskeln spielen lässt. Man ist später zum Beispiel dann auch mal im Innenhof des Hauses. Das ist dann halt so eine große Fläche mit einer Mischung aus Pflasterwegen und Rasenflächen. Das ist groß genug, dass da eine ganze Reihe von Bäumen stehen. Und dann gibt es da so antikisierte Brunnen und menschengroße Marmorstatuen, die da rumstehen. Und weil es ja durchgehend Nacht ist in dem Spiel, wird das Ganze alles erleuchtet von so schmiedeeisernen Laternenpfählen. Aber am zentralen Baum in diesem Hof, das ist so ein kahles, knorriges Astgerippe, da hängen noch die Skelette von aufgeknüpften Menschen. Ich finde das auch wieder sehr schön, weil man sich natürlich unwillkürlich fragt, was mag hier eigentlich passiert sein? Wer lässt denn in seiner herrschaftlichen Villa im Hof die Skelette am Baum baumeln, die ja da offensichtlich seit Jahrzehnten hängen? Erfahren wir nie. Es gibt überhaupt keinen Hinweis darauf, was da jemals passiert ist, aber das muss es auch gar nicht. Es geht ja erstmal eigentlich nur darum, dass das Spiel eine Stimmung erzeugen möchte.
Gunnar:
[21:24] An manchen Stellen hat es diese ganz geschlossenen Räume, wo ein Raum zum nächsten passt und wo du so ein großes Sense of Place hast, so ein Gefühl für einen großen zusammenhängenden Raum. Und dann hast du Passagen, die sind in anderen Welten sehr viel abstrakter gestaltet
Gunnar:
[21:41] und sehr viel schwerer zu lesen. Aber jetzt lass uns erst mal hier im Herrenhaus bleiben, wo wir angekommen sind, das ein bisschen genießen. Und Christian, wie gefiel dir denn die Steuerung, als du da reingekommen bist in dieses Spiel, unvorbereitet auf ein Spiel von 1996, wo die Steuerungskonventionen noch nicht so festgefügt waren?
Chris:
[21:59] Die Antwort auf deine Frage ist, das hat mir überhaupt nicht gefallen als Zeitreisender aus dem Jahr 2025. Weil wenn du dir da denkst, ja, 3D-Ansicht, alles klar, Finger auf WSD und Maus und los geht’s. Dann wird man erst mal enttäuscht werden. Das Spiel muss mit Tastatur und Maus gesteuert werden. Auch zwangsläufig in dieser Kombination. Wir sind da ja in einer Ära, wo das noch völlig legitim ist, einen Tomb Raider oder einen Duke Nukem rein mit der Tastatur zu steuern. Das ginge hier eigentlich auch, wenn das nur ein Shooter wäre, dann könnte man das auch komplett mit der Tastatur steuern. Das ist aber nicht nur ein Shooter. Es ist ja auch noch ein Adventure. Und für das Adventure brauchen wir die Maus. Und wie bringen die das jetzt zusammen, Gunnar? Wie bist du damit zurechtgekommen?
Gunnar:
[22:39] Also du musst die Maus benutzen, das hast du schon gesagt. Und du hast damit einen Mauszeiger wie in einem Adventure, mit dem du in der Welt rumfahren kannst und auf Sachen klicken kannst. Und das ist sogar so ein interaktiver Mauszeiger. Wenn der grün ist, dann siehst du da, da kann ich was bewegen. Wenn der rot ist, kann ich drauf schießen. Wenn der blau ist, muss ich näher rangehen. Und wenn der ein Augensymbol zeigt, dann kann ich da draufklicken und kriege eine Information. Das ist total nachvollziehbar. Das Schwierige ist, wie diese Maus integriert ist in den tastatursteuernden Shooter-Teil. Das schlägt dir im Handbuch vor, entweder die Pfeiltasten zu benutzen, nicht wie ASD, und das ist auch grundsätzlich die okaye Steuerung. Aber es schlägt dir alternativ auch vor, dass du einfach mit der Maus dich bewegen kannst, indem du die rechte Maustaste gedrückt hältst und dann nach vorne, hinten, rechts, links fährst und dann die Figur in die Richtung bewegst. Boah, das war ja eine Geschichte des Scheiterns, als ich das gemacht habe. Konntest du das auf Anhieb?
Chris:
[23:37] Nee, ich konnte das auf Anhieb auch nicht. Ich habe mich da sehr gequält damit, weil man ist ja heutzutage daran gewöhnt, dass du die Maus zum Umschauen und auch nur zum Umschauen benutzt. Meinetwegen natürlich auch zum Klicken, zum Greifen in die Welt sozusagen, aber nicht gleichzeitig zur Bewegung. Und es ist aber die Konvention aus Doom, dass die Maus eine Alternative zur Tastatursteuerung ist. Das heißt, du kannst den Shooter-Teil nur mit der Maus steuern, indem du die Maus schiebst und dich dadurch in der 3D-Welt bewegst. Und den reinen Mauslook, das eine, was man bräuchte, gibt es in Realms of the Haunting nicht. Und das macht das so schwierig.
Gunnar:
[24:13] Du kannst mit dem Doppelklick auf beide Maustasten ja so eine Art Mauslook erzeugen, aber dann bleibst du stehen.
Chris:
[24:20] Ja, also was für mich dann gut funktioniert hat, nachdem ich da überhaupt das mal ins Handbuch geguckt habe, um zu sehen, dass das geht. Also WASD ist tatsächlich so belegt, dass du damit strafen würdest, wie du das im Shooter auch machst. Aber dann kannst du dich logischerweise nicht gut umgucken, weil dir ja die Drehbewegung fehlt. Das müsste man dann mit der Maus machen. Aber es gibt die Q und E-Taste, die sind mit Drehen belegt. Das heißt, man spielt also nicht WASD, man spielt QWES. Und das funktioniert dann ganz okay. Dann muss man zum Strafen umgreifen oder es halt einfach sein lassen. Aber damit geht’s. Also, langer Rede, kurzer Sinn. Das ist noch eine Steuerung, die damals, ich weiß nicht, ob die uns umständlich vorgekommen ist oder nicht, da habe ich keine Erinnerung dran, aber aus heutiger Perspektive ist sie definitiv umständlich.
Gunnar:
[25:07] Bis ich diese QWES-Geschichte rausgefunden habe, fand ich es unspielbar. Und damit ging es dann, fand ich. Also daran hat man sich gewöhnt. Und damit wäre man natürlich in Duke Nukem Tod. Aber hier ist es nicht so schnell. Und man ist nicht so sehr darauf angewiesen, dass man wirklich gut strafet. Und dass man wirklich große Gegnermengen besiegen kann oder kontrollieren kann mit den eigenen Waffen. Insofern ist dieses Spiel hier damit ganz gut spielbar. und ich habe ihm dann nach ein bisschen Zeit auch verziehen, sage ich mal.
Chris:
[25:40] Ja, man kommt da schon rein. Das braucht ein bisschen Übung, aber dann geht es ganz gut.
Chris:
[25:45] Denn wie du vorhin auch schon sagtest, das Kämpfen ist gar nicht unbedingt der Schwerpunkt des Spiels. Das gibt es schon. Das gibt es hier als Mix aus Nahkampf, Schusswaffen und Magie. Und die Schusswaffen verbrauchen Munition. Die magischen Waffen unterscheiden sich eigentlich hauptsächlich dadurch, dass die sich von alleine wieder aufladen, wenn auch sehr langsam.
Gunnar:
[26:03] Ja, haha.
Chris:
[26:04] Und in diesen Waffen, von denen es eine ganze Reihe gibt, also ich würde sagen, gutes Dutzend oder sowas, da ist nicht so wahnsinnig viel Varianz drin. Das ist gerade halt mal der Unterschied zwischen Hitscan, also sofortigen Treffen und Projektilwaffen, wo wirklich ein Geschoss fliegt. Und klar, die Waffen sind unterschiedlich stark, aber ansonsten gibt es da kaum funktionale Unterschiede. Also dass man sowas hätte wie das Schnellfeuergewehr gegen eines, das Einzelschüsse abgibt oder ein Ding, das Flächenschaden macht wie ein Raketenwerfer.
Chris:
[26:33] Das ist vielleicht… die eine Waffe, die sich meinem Bruder so eingebrannt hat, nämlich in Adams Worten Eine Schlintlock?
Spielsound:
[26:39] Eine Art Kanone?
Chris:
[26:41] Also das ist quasi der Raketenwerfer des Spiels. Ich bin mir bis zum Ende nicht sicher, ob der wirklich Flächenschaden macht oder nicht. Aber sowas wie irgendwelche speziellen Waffen wie ein Frier, Schuss oder ein Laser oder sonst irgendwas gibt es in diesem Spiel gar nicht. Also die taktische Vielfalt allein schon bei der Waffenwahl ist beschränkt und das passt auch gut zu den Gegnern, von denen es zwar relativ viele gibt, aber die unterscheiden sich fast gar nicht.
Gunnar:
[27:08] Ja, die Waffen haben theoretisch, das habe ich hinterher in Lösungen nachgelesen, das habe ich nicht so richtig im Spiel gefühlt, haben auch theoretisch unterschiedliche Wirkungsgrade gegen unterschiedliche Monster.
Chris:
[27:20] Im Ernst?
Gunnar:
[27:21] Ja, ja, ja.
Chris:
[27:24] Okay, ja, wenn du das sagst.
Gunnar:
[27:28] Aber ernsthaft, ich habe das im Spiel gar nicht bemerkt.
Chris:
[27:31] Nee, ich auch nicht.
Gunnar:
[27:32] Also mir ist das im Spiel nicht aktiv aufgefallen. Ich habe einfach genommen,
Gunnar:
[27:36] was gerade da war. Und da das zumindest für mich ein Munitionsmangelspiel war, habe ich auch einfach immer mit dem geschossen, was ich gerade hatte. Und das ging dann schon alles. Ich konnte fast alles lösen. Am Anfang hatte ich wenig Munition und dann später zu viel. Weiß ich auch nicht. Vielleicht liegt es an der Spielweise von mir. Und ich habe am Anfang zu schlampig gespielt und bin hinterher reingekommen. Aber am Anfang hatte ich den Wunsch, auch immer die Nahkampfwaffe zu benutzen, die du früh kriegst, nämlich das Schwert. Das ist ungefähr so stark wie die Hauptwaffe am Anfang der Colt, der 45er. Und die kann dir helfen, Munition zu sparen. Aber ich bin mit der im Nahkampf überhaupt nicht klargekommen und habe immer zu viel Treffer abgekriegt und habe es dann einfach gelassen und hinterher nur noch geschossen.
Chris:
[28:10] Also ich habe das hauptsächlich mit diesem Schwert gespielt, wann immer möglich, weil das eben keine Munition verbraucht.
Gunnar:
[28:16] Echt? Oh. Ja, siehst du, deswegen hattest du keinen Munitionsmangel. Ich verstehe schon.
Chris:
[28:20] Ja, wenn ich keine Munition verbrauche, habe ich auch keinen Mangel, ganz einfach. Naja, du hast ja über weite Strecken des Spiels, also mindestens mal über das erste Drittel, ausschließlich Gegner, die den Nahkampf beherrschen, die überhaupt nicht auf dich schießen können. Und da ist es dann eigentlich auch relativ wurscht, ob da jetzt so ein schwertschwingender Krieger auf dich zukommt oder eine stapfende, dampfende Robotermaschine oder irgendein dämonisches Viech, die alle sehr cool und unterschiedlich aussehen, aber die in ihren Angriffsmustern keine erkennbaren Unterschiede haben. Kommt auf dich zu, versuch dich zu hauen. Der eine hat drei Treffer aus, der andere fünft, der andere zehn. Es ist jetzt nicht so, als ob ein großer taktischer Anspruch in den Kämpfen bestünde, dass man da manövrieren müsste, weil man gegen große Gruppen von Gegnern sich auseinandersetzt, dass es darum geht, die richtige Waffe für die richtige Situation zu finden. Dieses Bedürfnis hatte ich praktisch nie, auch weil es meistens nur einzelne oder sehr kleine Gruppen von Gegnern sind, gegen die du antrittst.
Chris:
[29:20] Und dazu kommt, dass die Gegner-KI ja schlichtweg erbärmlich ist. Also das ist ein Spiel, in dem Gegner keine Türen durchschreiten können. Du stellst dich auf die andere Seite einer Tür und bist sicher.
Gunnar:
[29:32] Das hast du noch zu harmlos gesagt. Sie können die Türen nicht mal durchschreiten, wenn die Türen offen sind.
Chris:
[29:38] Ja, stimmt. Das meinte ich, ja.
Gunnar:
[29:40] Sie können nicht nur keine Tür öffnen, sondern du kannst die Tür aufmachen, dich in den offenen Türrahmen stellen, einen Zentimeter hinter der Türschwelle und dann bist du schon sicher und dann gibst du ihnen durch die offene Tür so lange, bis die Tür von alleine wieder zufällt und dann machst du sie halt nochmal auf. Ist ja kein Problem. Und deswegen ist das so ein Riesenproblem nicht mit den Gegnern. Also es ist ein Spiel, wo man viel rückwärts läuft. Also ich jedenfalls ziehe mich dann vor ihnen zurück und schieße dann oder schlage. Und damit hat man sie in den meisten Szenen einigermaßen gut im Griff, weil es auch nicht so oft passiert, dass die dich irgendwo in eine Ecke zwängen können, weil sie auch nicht so viele sind. Es ist auch kein so ganz unfaires Gegnerverhalten. Die Gegner sind nicht da. Wenn du kommst, dann werden die rein teleportiert. Aber das ist nicht so wie bei manchen Spielen, wo die dann hinter dich teleportiert werden oder hinter dir respawnen.
Chris:
[30:30] Doch.
Gunnar:
[30:31] Die werden hinter dich teleportiert, aber an feste Orte.
Chris:
[30:34] Ja.
Gunnar:
[30:34] Du läufst über den Trigger und dann werden sie irgendwo hinteleportiert. Und wenn du es halt zweimal gemacht hast, dann weißt du auch, dass jemand hinter dich teleportiert wurde. Aber es ist nicht so was, dass sie hinter dir respawnen. Ja, das ist nicht so, dass du ständig in Gefahr bist aus verschiedenen Richtungen.
Chris:
[30:47] Ja, respawnen natürlich nicht. Aber ja, wenn du diese Triggerpunkte durchläufst, passiert es ziemlich häufig, dass das Spiel dir ein Gegner in den Rücken setzt, während es direkt einen auch vor dich platziert. Also wenn du in den Kampf mit dem Gegner vor dir gehst, rückt der währenddessen von hinten an dich ran. Also wenn du da nicht schnell genug bist, dann kriegst du auf einmal Aua, weil dir jemand von hinten auf den Kopf haut. Das ist einfach beschissenes Design. Ich glaube, dass das Spiel da einfach versucht, seine eigenen Unzulänglichkeiten im Gegnerverhalten dadurch auszubalancieren,
Chris:
[31:12] dass es dir halt unfaire Gegner-Placements dann gibt. Aber im Großen und Ganzen ist das trotzdem ganz okay, das Kampfsystem. Das gewinnt keinen Blumentopf, das ist in keiner Weise fortschrittlich für diese Ära, im Gegenteil. Aber im Kern ist das schon okay, da kommen vergleichsweise langsame Gegner auf dich zugedackelt. Du schießt ihnen so lange mit dem Gewehr ins Gesicht, bis sie umfallen. Das kann man schon machen.
Gunnar:
[31:37] Ja, das sind auch nicht Dutzende Schüsse. Das geht schon alles. Die größte Schwierigkeit und die häufigste Todesursache, die ich hatte, war das Nachladen. Weil das Nachladen sehr langsam funktioniert und wenn dir die Munition ausgeht mitten im Kampf, dann musst du einfach kurz weglaufen, weil das ist nicht so klick, klick, klick getan und man schießt weiter, sondern das dauert richtig ein bisschen und dabei können sie dich schon erwischen, wenn du dich in irgendeine Ecke manövriert hast und dann die Gegner auf dich zukommen lässt.
Chris:
[32:05] Gunnar, ich glaube, das Spiel möchte, dass du die Waffe wechselst.
Gunnar:
[32:09] Aber warum? Ja, vielleicht. Ist mir doch egal. Wenn ich eine Waffe habe, die funktioniert, dann benutze ich die, bis die Munition alle ist. Also man kann da natürlich die Waffe wechseln, das stimmt schon, aber die Nachladeanimation ist unfair langsam. Das hat mich schon ein bisschen gestresst eine Zeit lang. Naja, das ist alles nicht so schlimm. Also dieser ganze Kampfteil, das ist ein bisschen wie, ich will jetzt nicht so was sagen wie Survival-Horror, aber das ist ein bisschen eher wie in Resident Evil, wo du dir denkst, na, lass da mal an denen vorbeigehen oder schnell weglaufen, so dringend muss ich mit denen nicht kämpfen, zumal diese Gegner nur ganz selten Gegenstände fallen lassen nach dem Kampf. Du kriegst von denen in der Regel keine Munition oder irgendwas. Hin und wieder lassen sie mal größere Gegner einen Heiltrank zurück, aber meistens sind alle Gegenstände fest platziert. Die kannst du auch theoretisch, wenn der Raum groß ist, einfach ablaufen und dich dann wieder aus dem Raum entfernen und die Monster da zurücklassen. Du hast nicht so richtig einen Gewinn dadurch, diese Monster zu besiegen. Und ich finde, das passt auch zu dem Spiel. Wir erinnern uns mal, wie es in Quake ist, wo ja der Kampf logischerweise im Mittelpunkt steht, wo dann die Türen zugehen und du erst weiterkommen kannst, wenn die Monster besiegt sind. Hier ist das nicht so ein zentrales Spielelement. Du kannst ihnen an manchen Stellen auch einfach ausweichen. Und das hat keine Nachteile. Außer, wenn du wieder, gibt es mal ein Quest-Item von der Monster, Aber das checkst du dann schon.
Chris:
[33:32] Wie kommt man dann weiter? Wie hat man Fortschritt im Spiel? Na, damit sind wir dann beim Adventure-Part, der ja hier verwoben ist mit dem Shooter. Stichwort Gegenstände zum Beispiel, es gibt ein Inventar im Spiel. Sowas haben wir auch in reinrassigen Shootern wie Duke Nukem 3D schon in der Ära, aber hier ist es ein funktionales Inventar wie im Adventure. Ein extra Bildschirm mit so einem Raster, in dem dann die ganzen Gegenstände als kleine Icons drin sind. Und diese Gegenstände kann man angucken, die kann man aufnehmen und vor allem kann man sie auch benutzen. Entweder anlegen oder mit anderen Gegenständen in der Spielwelt oder im Inventar kombinieren. Du hattest vorhin schon gesagt, der Mauszeiger ist gleichzeitig das Instrument, mit dem du in die Welt greifst und mit dem du in die Welt guckst. Und das heißt also auch zum Beispiel Gegenstände dann in der Welt zu verwenden. Und das ist manchmal auch notwendig, solche Gegenstände, die du im Inventar hast, genauer zu untersuchen. Findet man zum Beispiel mal in einem Buch, das man im Inventar hat, einen versteckten Schlüssel da noch drin.
Gunnar:
[34:30] Boah, ständig findet man Sachen in Sachen. Boah, hat mich das aufgehalten, bis ich dieses Buch mal angeguckt hatte.
Chris:
[34:37] Ja, oder du musst ja manchmal auch Sachen im Inventar kombinieren. Also du findest zum Beispiel eine Schüssel und einen Stößel und dann tust du das zusammen und hast auf einmal einen Mörser. Das ist jetzt nicht die ganz große Wissenschaft, da sind wir halt wirklich im Adventure-Territorium. Es gibt sogar Dokumente, die du dann im Inventar lesen kannst und auch lesen solltest. zum Beispiel Tagebücher oder auch Karten von den Orten, an denen du unterwegs bist.
Chris:
[35:01] Das einzige Ding ist, dieses Fenster für das Inventar und vor allen Dingen auch das Ansichtsfenster, in dem man die Dokumente sieht, ist aus irgendeinem Grund sehr klein. Also das füllt nur einen Bruchteil des ganzen Bildschirms aus, statt den ganzen Bildschirm, was dazu führt, dass das alles ganz schön fitzelig ist. Diese Icons, kaum gut erkennbar, man muss lästig scrollen durch die ganzen Karten und sowas. Das verstehe ich nicht recht.
Gunnar:
[35:25] Ja, das ist ein bisschen komisch. Weiß ich nicht, ob das damit eine Authentizität herstellen will oder ob das einfach eine Frage des UI-Designs ist. Es ist alles ein bisschen fitzlig, wenn dieser Adventure-Part beginnt. Das hätte man auch gut Bildschirm groß machen können. Vielleicht wollten sie den nicht in den ganzen Bildschirm verdecken, falls im Hintergrund du noch die schönen Texturen angucken willst.
Chris:
[35:44] Die dann eh abgedunkelt werden, aber ja, kann schon sein.
Gunnar:
[35:48] Christian, ich habe noch eine Frage zu deinem ersten Spieleindruck. Wir haben vorhin schon kurz beschrieben, dass unsere Erinnerung an das Spiel auch davon geprägt ist, dass das so fantastische FMV-Sequenzen hatte, also Sequenzen mit echten Schauspielern. Und wie war denn das, als du die ersten im Spiel gesehen hast?
Chris:
[36:04] Jetzt, meinst du? Heutzutage?
Gunnar:
[36:06] Ja, jetzt, heutzutage.
Chris:
[36:07] Ich fand die jetzt in ihrer inszenatorischen Qualität und in der Grafik wiederum für das Jahr 1996 besser als vermutet. Da haben wir also echt schon Schlimmeres gesehen. Aber was ich noch gut weiß, das hatte ich ja am Anfang auch kurz angedeutet, ist, dass ich damals, als ich das Spiel gespielt habe, schwer beeindruckt war von den Filmsequenzen, von ihrer Machart, aber auch von ihrer schieren Menge.
Gunnar:
[36:33] Ja, es gibt halt ganz viele. Das Spiel wirft damit um sich, das ist richtig. Wenn ich ein typisches FMV-Spiel beschreiben müsste in meiner Erinnerung, ohne jetzt ein konkretes Spiel aus dieser Zeit vor Augen zu haben, dann würde ich sagen, die sehen so aus, dass wir einen grob gerenderten Hintergrund haben, der statisch ist. Davor ein schlecht ausgeschnittener Schauspieler, der da rumtanzt davor, der nicht mit diesem Hintergrund sauber, sichtbar interagieren kann und der eindeutig eine andere Beleuchtung hat als dieser Hintergrund. Und all diesen Fallen der früheren FMV-Spiele, wir sind ja im Jahr 96, das sind wir ja schon bei den späteren FMV-Spielen, da gibt es auch schon bessere, all diesen Fallen weicht es aus. Der Hintergrund und die Schauspieler sind sehr gut miteinander verschmolzen, auch von der Beleuchtung her. Und sie machen zwischendurch immer mal wieder den Trick, dass sie mit echten Props arbeiten, also Gegenstände haben, die der Schauspieler real in der Hand hält. Und das gibt einen guten Anker in die Spielszene rein, weil sie dann wirklich mal was im Hintergrund anfassen oder hochheben können. Und so war ich dann durchaus doch sehr beeindruckt, als ich jetzt beim Wiederspielen gedacht habe, boah, das sind ja Hammer-Zwischensequenzen. Ich sage mal so, der Eindruck hat über das ganze Spiel nicht komplett angehalten. Da gibt es auch dann noch schlechtere Phasen. Gerade in der Vertonung und im Dialog wird das auch mal ein bisschen kruder. Aber ich fand, am Anfang war ich total weggeblasen.
Chris:
[38:01] Ja, es hilft natürlich, dass das ein dunkles Spiel ist, das ja bei Nacht spielt und eine unheimliche Atmosphäre erzeugen möchte. Und es gibt deswegen auch nur ganz wenige von den Filmsequenzen, die mal wirklich gut ausgeleuchtet sind. Das trägt natürlich zur Atmosphäre dann auch bei, dass es eher düster ist. Aber andererseits, Beleuchtung ist wichtig in den Filmsequenzen. Woher kommt das Licht? Wo flackert vielleicht auch irgendwo ein Feuer oder sowas? Und das haben sie echt ganz gut bedacht, weil das kompositorisch in den allermeisten Fällen mit den gerenderten Hintergründen gut zusammenpasst. Das wirkt vergleichsweise organisch, so sehr halt eine Kombination aus 3D-Spiel und dann flachen Filmsequenzen organisch wirken kann.
Chris:
[38:43] Aber es wirkt auch deswegen ganz gut, weil wir nicht nur immer so irgendwie zwischen den Kapiteln mal eine Erzählsequenz bekommen, sondern weil das Spiel das schon als hauptsächliches Erzählvehikel neben den Notizzetteln und sowas, die man im Spiel findet, wählt, sodass also auch in dem Erkunden eines Levels immer mal wieder auf einmal eine Filmsequenz eingeschnitten sein kann. Zum Beispiel, wenn wir das vorhin schon erwähnte Arbeitszimmer unseres Vaters betreten zum ersten Mal, dann kommt dort eine Filmsequenz, wo wir dem Geist unseres Vaters begegnen und dann ein bisschen später, wenn man aus dem ersten Level, das nicht das Haus ist, wieder zurückkehrt into das Arbeitszimmer, kommt wieder unmittelbar so eine Filmsequenz, denn in der Zwischenzeit sitzt in diesem Arbeitszimmer auf einmal jemand drin. Eine junge Frau.
Spielsound:
[39:29] Wow. Vielen Dank. Ich bin Rebecca Travissart. Schön, dich kennen zu lernen, Rebecca Travissart. Adam Randall.
Chris:
[40:15] Das ist Rebecca. Und warum, Gunnar, ist Rebecca wichtig?
Gunnar:
[40:20] Das ist eine gute Frage. Warum ist Rebecca wichtig? Weil sie ihn die ganze Zeit jetzt begleitet und eine wichtige Informationsquelle wird für ihn. Die ist eine junge englische Hellseherin, die auf eigene Faust hergekommen ist und mit ihr zusammen bestreitet er jetzt das ganze Abenteuer.
Gunnar:
[40:39] Das Interessante dabei ist, dass das Spiel mit Charakteren arbeitet. Du hast eben schon den Geist erwähnt. Nicht nur diese Rebecca wird von der Schauspielerin gespielt. Es gibt auch noch andere Bösewichter, die kommen auch vor als Personen in so Zwischensequenzen. Aber in der Engine des Spiels haben diese Leute keine Repräsentanz. Also man kommt in einen Raum, dieser schöne Raum, dieses Arbeitszimmer, sehr sichtbar steht da niemand drin. Aber in der Zwischensequenz wird dir dann die Frau vorgestellt, die da die ganze Zeit war. Und das hat mich echt ein bisschen verwirrt, weil irgendwann später gehst du irgendwo hin, schießt halt Monster tot und dann redest du wieder mit ihr. Und ich dachte, wieso redet ihr mit mir? Gibt es da so eine Art telepathische Verbindung? Und dann kommt eine Zwischensequenz und sie steht neben mir und war also die ganze Zeit da. Sie begleitet dich die ganze Zeit. Das Spiel muss das auf diese bisschen eine krude Art lösen, weil es die Figur nicht in der Engine darstellen kann, sondern nur in diesen Zwischensequenzen.
Chris:
[41:35] Ganz interessanter technischer Kompromiss, finde ich, weil in der Erzählung möchte das Spiel, dass Rebecca ab jetzt unsere Begleiterin ist, die die ganze Zeit an unserer Seite ist und die ja auch die ganze Zeit kommentiert. Wir hören sie immer aus dem Off. In der Spielwelt an sich aber ist das aus irgendeinem Grund technologisch, nehme ich mal an, noch nicht möglich, sie da tatsächlich abzubilden. Das heißt, weder sehen wir sie in der Spielwelt, noch greift sie in irgendeiner Weise in die Spielwelt ein. Also man würde ja annehmen, wenn wir jetzt von Monstern angegriffen werden, dass Rebecca dann vielleicht ja auch mal zur Waffe greifen könnte oder so. Die könnte ja theoretisch mit uns kämpfen. Aber nein, also wir müssen uns die ganze Zeit vorstellen, wie sie sich hinter dem starken Rücken von Adam versteckt, schätze ich mal. oder vielleicht macht sie sich auch unsichtbar. Keine Ahnung, was die gute Frau als Hellseherin alles kann. Auf jeden Fall, sie hat keinerlei Wirkmacht in unserer eigentlichen Spielerfahrung, abgesehen davon, dass sie halt relativ häufig sogar etwas in unser Ohr flüstert. Das an sich finde ich allerdings schon phänomenal. Da würde ich später noch was dazu sagen wollen. Aber ja, es ist ein ganz komischer Bruch.
Gunnar:
[42:41] Es ist ja auch logisch, dass wenn man Charaktere trifft, dass man mit denen in irgendeiner Weise interagiert in dieser Art von Spiel. Wir sind ja hier, du hast es gesagt, in einer Art Adventure. Das Spiel nennt sich ja auch 3D-Adventure. Und es gibt aber keine Charaktere, die irgendwo sind. Du gehst auf sie zu und sprichst sie an. Es gibt es ein-, zweimal bei so Levelgrenzen und dann ist das auf die Crew des möglichen Art gelöst mit so einer statischen Bitmap-Figur, die da rumsteht und dann geklickt werden muss.
Chris:
[43:07] Da sieht man in diesen Momenten, warum sie es nicht gemacht haben im Rest des Spiels.
Gunnar:
[43:12] Genau, und das nämlich an einer Stelle, vielleicht gar nicht, irgendwann in den ersten sieben, sechs Levels, glaube ich, da gibt es eine Stelle, wo du in den nächsten Level kommst und dann mit jemandem sprichst dafür, einem Dämonen. Und der sieht wie so eine ausgestanzte Kinderzeichnung aus und so unecht, dass ich verstehe, dass sie das nicht häufiger gemacht haben.
Gunnar:
[43:28] Das bedeutet aber auch, es gibt keine Art von Dialog, keine Interaktion über das Sprechen. Alle Gespräche, die geführt werden, und das sind ja nicht wenige, sind alle in den Zwischensequenzen und laufen halt dementsprechend automatisch ab.
Chris:
[43:42] Ja, bis auf die Tatsache, dass du dann natürlich Wahlmöglichkeiten hast in den Zwischensequenzen.
Gunnar:
[43:46] Also du hast schon noch Wahlmöglichkeiten, genau, aber nicht so oft. Und nicht auf den einzelnen Dialog, sondern mehr so auf generelle Dinge.
Chris:
[43:52] Es gibt manchmal Zwischensequenzen, da kann man eine Reihe von Fragen an sein Gegenüber stellen. Aber im Endeffekt wählst du damit nur die Reihenfolge, in denen die Videoclips abgespielt werden sollen. Ganz, ganz selten. Ich glaube, an genau zwei Stellen im Spiel hat das mal wirklich Auswirkungen auf den weiteren Spielverlauf, was für eine Dialogoption du da wählst. Das ist jetzt aber wirklich kein Kernelement der Spielmechanik.
Gunnar:
[44:14] Nee, es ist auch nicht so schlimm. Und es ist auch so für das Spiel mit diesen Limitationen, die du schon gesagt hast, wenn man keine Charaktere in der Engine darstellen kann, dann ist es immerhin auf die Art sauber gelöst, muss man ja sagen. Weil die Zwischensequenzen funktionieren ja und sind ja ganz schön. Und wie gesagt, sie haben ja auch so großzügig so viele, dass sie damit auch mal nebensächlichere Sachen einfach erzielen können.
Chris:
[44:35] So Gunnar, jetzt haben wir alle Spielelemente beisammen. Wir haben die Bewegung in der 3D-Welt mit dieser Kampfmechanik, Wir haben die Adventure-Elemente und wir haben die Video-Sequenzen. Wir haben Rebecca an unserer Seite. Das heißt, wir können mal in ein Beispiel reingehen, um greifbarer zu machen, wie sich das in der Praxis spielt.
Gunnar:
[44:58] Wir springen hier in das Kapitel 12, das heißt St. Michael. St. Michael, das ist die englische Dorfkirche, in der unser Vater Pastor war. Dieses Level besteht aus einem Areal mit zwei Gebäuden. Es gibt so einen kleinen gedrungenen Kirchenbau im normandischen Stil. Und daneben ist ein fast genauso großes, einigermaßen prunkvolles Pfarrhaus direkt daneben. Und Adam und seine Begleiterin Rebecca sind da eher überraschend gelandet. Die sind einfach durch eins dieser vielen Portale im Spiel gegangen und vor der Kirche aufgetaucht. Das Eingangstor der Kirche ist abgeschlossen, daher beginnen wir mal am Pfarrerhaus. Es ist Nacht und von der Doppeltür glüht uns eine rote Rune entgegen, die sich in einem Feuerball auflöst. Kein gutes Zeichen. Ansonsten ist da nichts zu sehen im Haus. Es brennt kein Licht, es ist alles dunkel und still.
Chris:
[45:45] Aber zum Glück funktioniert auch hier der Strom noch. Und wenn wir dann das Licht im Eingangsbereich anknipsen, dann zeigt sich, dass das Haus von innen weitaus weniger prächtig ist als von außen. Zumindest inzwischen, denn überall sind Spuren des Verfalls. Die gestreiften Tapeten haben große Risse, der Teppich ist zerschlissen, die Dielen alt und speckig. Alle Türen sind entweder verschlossen, abgeschlossen oder wieder durch diese roten Runen gesichert, die dieses Mal aber hochgefährlich sind.
Spielsound:
[46:15] Damit sollte man wohl besser vorsichtig umgehen. Fass es an und es reißt dir die Hand ab.
Chris:
[46:20] Irgendwie müssen wir die entfernen.
Gunnar:
[46:23] Vor der Eingangstür liegt ein alter Fußabtreter und da schauen wir natürlich drunter in typischer Detektivmanier. Und siehe da, in einer Mulde am Boden steckt ein verzierter Holzstab.
Spielsound:
[46:33] Vielleicht der Stab eines Zauberers? Nicht so eines Magies, wie du denkst. Hier ist richtige Magie am Werk.
Gunnar:
[46:40] Wie sich herausstellt, verschießt der Stab magische Projektile. Und das ist nicht nur eine probate Waffe im Kampf gegen Gegner, sondern auch unsere bevorzugte Möglichkeit, diese Runen zu zerstören und damit die meisten Türen des Hauses zu öffnen.
Chris:
[46:58] Die Zimmer hinter diesen Türen sind dann allerdings genauso vernachlässigt wie der Flur. Alles ist verstaubt und ungepflegt, die Möbel abgeranzt. Im Schlafzimmer, da sind die Betten voller Flecken und voller Flicken.
Spielsound:
[47:11] Unmöglich, dass mein Vater es so hinterlassen hat. Völlig unmöglich. Wenn er es nicht war, wer dann?
Chris:
[47:18] Im Erdgeschirr finden wir eine Art Arbeitszimmer. Die Fenster sind zugemauert, die Wände beschmiert mit seltsamen Zeichen und Runen. Auf dem Schreibtisch steht eine ganz normale Schreibtischlampe. Und wenn man die anschaut, dann kommt einer der zeitlosen Dialoge dieses Spiels.
Spielsound:
[47:36] Wie funktioniert das verdammte Ding? Woher soll ich das wissen? Ach, Weiber. Wie bitte? Was hast du gesagt? Nein, war wahrscheinlich nur der Wind.
Gunnar:
[47:47] Wenn man den Raum verlassen will, dann springt unvermittelt der Fernseher in der Zimmerecke an. Und der zeigt Adam und Rebecca, wie sie Stunden zuvor einen der anderen Orte in der Spielwelt erkundet haben.
Spielsound:
[48:00] Das sind ja Siehe. Ich habe gar keine Kameras gesehen. Meinst du, jemand wusste, dass wir kommen?
Gunnar:
[48:08] Wer hat diese Aufnahmen gemacht und wie? Wer saß hier in diesem Zimmer und hat sie beobachtet? Adams Vater kann es ja nicht gewesen sein. Der ist, wie wir wissen, schon länger tot.
Chris:
[48:18] Das Haus hat noch eine weitere Falle in petto, und zwar Geheimtüren. Und die sind wiederum von Runen geschützt, aber diesmal von unsichtbaren Runen. Neben der Eingangstür, also da, wo wir unter dem Fußabdreter diesen Stab gefunden haben, da befindet sich auch noch ein Fach in der Wand. Und in dem steht eine Taschenlampe. Das ist ein Gegenstand, den wir mitnehmen können und untersuchen im Inventar. Und dann stellt sich raus, die hat eine magische Aura und kann diese unsichtbaren Runen sichtbar machen. Dazu muss man sie dann allerdings in die rechte Hand von Adam legen im Inventar, weil die ist für aktive Gegenstände da. Und wenn er sie da in der Hand hält, dann sieht man auf einmal diese Runen in der Spielumgebung und kann sie auch mit dem Zauberstab auflösen.
Gunnar:
[49:04] Und so kommen wir jetzt ins Hauptschlafzimmer. Und sobald wir das betreten, erscheinen überraschend drei Dämonen aus dem Boden und greifen uns an.
Gunnar:
[49:28] Im Nachttisch liegt ein Schlüssel, der das Wohnzimmer öffnet. Dort steht im Bücherregal ein Tagebuch von Florentine, das ist unser Gegenspieler. Das fängt unvermittelt Feuer, sobald wir danach greifen. Wir können es trotzdem noch lesen und dann bekommen wir ein bisschen mehr Aufschluss über die Hintergrundgeschichte, wobei Aufschluss hier ein ziemlich großes Wort ist.
Spielsound:
[49:47] Im Tagebuch steht etwas von der einen Macht. Ist damit Gott gemeint? Nein, ganz im Gegenteil. Florentin erwähnt in seinem Tagebuch die eine Macht im Zusammenhang mit einem Mitglied des Tempels, das verrückt wird und das er als eine Art Opfer zu benutzen droht. Sie haben also ihre Mitglieder geopfert. Das ist ja ein nettes Arbeitsverhältnis.
Chris:
[50:08] Nun im Haus ist jetzt nichts weiter zu holen, also müssen wir doch noch mal rüber zur Kirche. Und auf diesem kurzen Weg vom Pfarrhaus zur Kirche tauchen auf einmal bänonische Gangster in schwarzen Anzügen auf, die uns überfallen und die schießen mit Pistolen und zu allem Überfluss auch noch mit Feuerbällen auf uns.
Chris:
[50:29] Ein weiterer Dämon, der die Kirchentür bewacht hat, der lässt bei seinem Ableben eine Münze fallen. Und zufälligerweise steht vor der Küchentür ein Spendenkasten. Und wenn wir da die Münze reinwerfen.
Spielsound:
[50:41] Dann wird das Tor entriegelt und wir können die Kirche betreten.
Gunnar:
[50:45] Das Innere dieses Gotteshauses ist ziemlich prächtig. Das ist von Kerzenständern auf schummrige Art erleuchtet. Da läuft ein roter Teppich durch die Reihen der Holzbänke bis zum Altar. Daneben ist die Kanzel, schwere Pfeiler tragen das Kreuzgewölbe. Vor allem aber strahlen uns von allen Seiten ungewöhnlich große und bunte Bleiglas-Fenster entgegen. Die zeigen biblische Figuren und Szenen.
Gunnar:
[51:11] Unser Spiel schaltet an dieser Stelle nahtlos eine Videosequenz um, in der Adam und Rebecca das Fenster bewundern.
Spielsound:
[51:19] Sankt Michael, wie er einen Dämon aus dem Himmel vertreibt.
Gunnar:
[51:26] Musik,
Gunnar:
[51:39] Das Hauptfenster direkt hinter dem Altarraum zeigt den Namenspatron der Kirche, St. Michael, den heiligen Michael. Und dieses Fenster ist es, das Adam und Rebecca zu folgendem Ausruf bewegt.
Spielsound:
[51:52] Beeindruckend. In meinem ganzen Leben habe ich sowas noch nicht gesehen.
Chris:
[51:55] Ja, aber wir sind natürlich nicht wegen dem Fenster hier, sondern wegen dem Gegenstand, der sich in der Sakristei verbirgt. Und zwar ein alter Ritterhelm, denn der ist mehr als ein Helm, wie uns dann im Abschlussfilm dieses Kapitels der mysteriöse, geisterhafte Ritter-Elf verrät.
Spielsound:
[52:13] Wir sehen uns wieder. Diesmal mit Hilfe des Drachenhelms. Damit kriege ich wohl keins mehr von hinten übergezogen, stimmt’s? Ehrlich gesagt nein. Das ist die Zugangsberechtigung für Arca, das Reich der Götter. Zieh ihn auf, Freund.
Chris:
[52:35] Damit endet dieses Kapitel, das nur eines auf unserer langen Reise ist und die geht jetzt weiter in Arka, dem Reich der Götter. Damit beenden wir hier unser Beispiel.
Chris:
[52:48] Und Gunnar, da kann ich dich gleich mal fragen, was genau ist denn jetzt Arka, das Reich der Götter und was hat es denn überhaupt mit diesen ganzen Welten auf sich?
Gunnar:
[52:55] So viele Fragen, so viele Fragen hat das hier aufgeworfen. Arka ist eines der vier Reiche, in die du im Verlauf dieser Handlung kommst. Und wieso überhaupt Reiche? Hier gibt es so Tore, die dich in andere Dimensionen führen. Am Anfang sind wir ja in diesem Herrenhaus und ich hatte ja schon erzählt, ich dachte, das sei der gesamte Schauplatz. Aber Pustekuchen, man kommt hier relativ schnell in so einen mystischen Turm, der auch wieder ein Weg ist, um in andere Reiche zu kommen. Und dann gibt es an verschiedenen Stellen Dimensionstore in unterschiedliche Richtungen und die Handlung des Spiels führt dich wie so an einer Perlenschnur durch diese gesamten Reiche. Wir hatten schon erwähnt, dass es so ein Hub-Level gibt, in den du immer wieder kommst, dieses Arbeitszimmer, aber das ist vielleicht ein zu großes Wort dafür. Das ist einfach der Ort, an den du immer mal wieder kommst und den du dann wieder erkennst und von da aus geht es dann weiter, weil dann sich wieder irgendwas geöffnet hat. Das ist nicht so sehr eine Struktur, wo du ausziehst aus diesem Hubraum, irgendwas findest und dann wieder zurückkommst und das in unterschiedlichen Reihenfolgen machen könntest. Es gibt schon einen klaren Weg durch das Spiel, weil das Spiel dich da durchleitet, je nachdem, welche Türen es öffnet und welche Wege es dir aufmacht. Und zu diesen Orten gehören halt diese vier großen Reiche, die jedes Mal sehr andere Schausplätze sind und auch einfach ein anderes Flavor ergeben, als du das im Herrenhaus anfangs denkst.
Chris:
[54:20] Also die Kadenz des Spiels ist, dass man aus dem Herrenhaus immer mal wieder in andere Welten springt, dann wieder zurückkehrt und bei dieser Gelegenheit werden neue Trakte des Herrenhauses aufgeschlossen. Das heißt, das ist für uns nicht vollständig zugänglich am Anfang, sondern das wird peu à peu erst aufgeschlossen. Das war für mich auch eines der zentralen Elemente der Faszination. Ich mochte das Herrenhaus einfach sehr als Schauplatz. Und ich habe damals wie heute mich immer sehr gefreut, wenn mir mehr davon zugänglich wird. Man kriegt ja auch im Laufe des Spiels eine Karte des Herrenhauses zu einem Zeitpunkt, als die aber große Teile davon noch überhaupt nicht zugänglich sind. Das ist ganz clever, finde ich, weil das ja so eine Art von Aussicht auf das ist, was noch kommen mag, wo man sich auch noch fragen kann, okay, was wird da wohl noch alles so drin sein? Das hält das Spiel schon auch ein. Also, dass man in diesem Herrenhaus sich immer weiter bewegt und immer größere Teile dann kennenlernt.
Gunnar:
[55:10] Lassen wir mal ganz kurz nochmal zu den Reichen zurückkehren. Das habe ich ja ein bisschen kurz nur angerissen. Diese Reiche, das sind mystische Reiche. Agua ist das Reich der Götter, aber auch eher so ein Elementarreich. Dann gibt es Raquia, das ist das Geisterreich oder das Himmelsreich. Sheol, die Höllenreiche und halt der Turm.
Chris:
[55:26] Und Helet, die Erde.
Gunnar:
[55:28] Ach, Helet fehlt ja noch. Und die Reiche haben alle so ein Flavor. Also zum Beispiel das Geister- und Himmelsreich, das ist sehr labyrinthisch und da haben die Prüfungen so einen symbolischen Charakter, geht es auch mal um Musik und um Stille und derartige Dinge. Und in den Höllenreichen, da sieht es auch alles schon ganz schön viel hölliger aus und die Rätsel und die Gegner passen auch dann besser da rein. Und so kannst du durch diese Gegenden gehen und da auch immer ein bisschen eine andere Geschmacksrichtung dieser Welt erforschen. Und das ist halt, wir haben es vielleicht noch nicht ordentlich gesagt, ich meine, es sind halt diese vier Reiche und der Turm, beziehungsweise das Herrenhaus, das macht das Spiel ganz schön lang. Wie lange hast du daran gespielt? 30 Stunden vielleicht?
Chris:
[56:08] 20 Stunden, würde ich schätzen.
Gunnar:
[56:10] 30 ist vielleicht ein bisschen viel, aber 20 fand ich schon an der unteren Grenze, je nachdem, wie effizient man spielt.
Chris:
[56:15] Ja.
Gunnar:
[56:15] Ja, wenn man immer die Munition spart, Christian, kommt man schneller durch.
Chris:
[56:21] Diese Reise, also wir haben sie jetzt hier schon so mit mysteriösen Welten, in denen man unterwegs ist und so weiter, das klingt jetzt schon alles nicht mehr so sehr nach Horrorspiel. Und in der Tat, wir haben sie am Anfang auch schon angedeutet, ein Horrorspiel ist das eigentlich nicht. Das bedient sich inszenatorischen Versatzstücken, die wir auch aus Horrorfilmen kennen, insbesondere halt hier diese Ankunft bei In der Gewitternacht am einsamen Herrenhaus und dann erstmal die Erkundung im Dunkeln. Aber es ist nicht so, als ob es hier zum Beispiel eine große Bedrohung gäbe, hier den wahnsinnigen Killer im Hintergrund oder dass wir von Gespenstern oder Dämonen verfolgt würden. Es gibt keinen wahnsinnigen Spannungsaufbau und schon gar keine Jumpscazen im Spiel. Mal davon abgesehen, dass sich halt manchmal Gegner vor uns rein teleportieren, aber das war auch schon alles.
Chris:
[57:05] Nee, eigentlich ist das eher eine, ich würde mal wohlwollend sagen, eine Art Mystery-Geschichte, die hier erzählt wird. Wir sind ja auch im Jahrzehnt von Akte X und auch wenn das hier jetzt natürlich keine Akte X Story ist, aber ich glaube so ein bisschen zumindest die Einflüsse kann man schon wahrnehmen. Das Ganze ist eher so ein mythologisches Potpourri. Es geht dann da um die großen Themen von Konflikt des Guten gegen das Böse, Repräsentanzen von diesen beiden Mächten auf der Welt und einen seltsamen Seelenstein. Das alles ist mit anderen mythologischen Einflüssen verquirlt und dann kommt so eine seltsame Esoterik dabei hinaus. Und diese Story, die im Grunde eigentlich ziemlich linear und auch einigermaßen banal ist von dem Kampf des Guten gegen das Böse.
Chris:
[57:52] Wird aber auf die verquastest mögliche Art und Weise erzählt in dem Spiel. Das muss ja irgendwie auf seine 20 Stunden Laufzeit kommen. Und dementsprechend ist das also ganz schön viel so Andeutungszinn ober. Also wir haben das in der Szene mit Rebecca schon so ein bisschen gehört.
Chris:
[58:10] Dass die zwar irgendwie miteinander reden, aber auch irgendwie aneinander vorbei. Also dass zum Beispiel der Adam mal fragt, wie kommst du hierher? Was machst du denn das Nachts in einem leeren Herrenhaus? Das wäre ja doch irgendwie so die naheliegende Frage. Aber das interessiert ihn überhaupt nicht. Der sagt, ach ja, bist du hier, dann kommst du halt mit. Immer wenn wir mal irgendwelche Personengestalten, Charaktere im Spiel treffen, die mit diesem mythologischen Gewebe zu tun haben, also wie diesen Ritter Elf, den wir schon kurz kennengelernt haben, zumindest in den ersten zwei Drittel des Spiels bekommst du in diesen Szenen eigentlich nie Antworten, sondern immer nur so ein verklausuliertes Herumorakeln. Wir hören mal kurz in die erste Szene rein, in der wir Elf treffen.
Spielsound:
[58:55] Welche Aufgabe? Was habe ich damit zu tun? Das Schicksal deines Vaters und das Schicksal all jener, die frei sein wollen, liegt in deinen Händen. Erkunde diesen Ort. Nimm das Symbol der Reue, welches du nun besitzt. Dieser kostbare Gegenstand enthält alle Antworten. Auf das Vergangene und auch auf das, was noch kostet. Reinen Herzens. Deine Gedanken sind deine stärkste Waffe. Die Herausforderung ist angenommen. Gehe mit offenem Auge um den Schwingen der Engel. Das Schwert des Drachen wird wie ein Leuchtfeuer emporgehalten. Finde den Turm, Adam.
Chris:
[59:35] Ja, und ich weiß nicht recht, was ich damit anfangen soll. Meine Gedanken sind meine stärkste Waffe, aber ich brauche schon irgendwo ein Schwert der Drachen und ich soll das Symbol der Reue nehmen. Das enthält alle Antworten. Aber rankomme ich an diese Antworten jetzt auch nicht so ohne weiteres und es wurde eine Herausforderung angenommen. Von wem habe ich die angenommen? Ich soll den Turm finden? Elf, kannst du mir einen klitzekleinen Hinweis geben, wo der Turm sein könnte? Nö, weg ist er. Ja, und das mit diesen Schwingen der Engel und so, das erpuppt sich viele, viele Stunden später als verklausulierte Leitsprüche. Damit wollte Elf Adam sagen, was er tun soll und das wird genau in dem Moment klar, wo man wieder mal auf Elf trifft gegen Ende des Spiels und der fragt das dann ab wie in einer Schulstunde. Erinnerst du dich noch, als ich dir von den Schwingen der Engel erzählt habe? Was könnte das wohl bedeuten, Adam? Und Adam so Ach so, jetzt wird mir klar, das war ja hier dies und das. Und ich saß davor und dachte, aha, das ist ja interessant. Aber hätte der einfach mal vor vielen Stunden Klartext gesprochen, der gute Ritter, dann hätten wir uns viel Leid und Rumgereisen sparen können. Aber es gibt keine einzige Figur in diesem Spiel, die klar ausspricht, was Sache ist. Und selbstverständlich haben alle mindestens noch eine doppelte Agenda.
Gunnar:
[1:00:50] Ja, es gibt auch ein paar kleine Zwists und so. Es ist fast nicht wert, sie zu erwähnen.
Gunnar:
[1:00:54] Dieses Ganze ist ein Potpourri, wie du schon gesagt hast, wild zusammengewürfelt aus größtenteils christlichen Quellen. Das ist ganz viel christliche Anspielung. Da gibt es die sieben Siegel aus der Offenbarung des Johannes. Da gibt es den Abaddon, das ist der Engel des Abgrundes. Der kommt auch in der Offenbarung vor. Dann gibt es den Erzengel Michael, dessen Schwert hier gleich im Intro vorkommt, das du erwähnt hast. Auch aus der Offenbarung so eine Art Kreuzritterorden kommt hier vor. Dann gibt es so ein bisschen allgemeine Esoterik und Okkultismus hier mit Kerzenritualen und Pentagrammen. Und dieses Reich Rakia, das ich eben kurz erwähnt habe, das ist auch ein Begriff aus der Genesis. Das ist da die Himmelsfeste, die Trennung zwischen Himmel und Erde. Und da hat halt jemand seine Bibel durchgelesen und davon relativ viel genommen. Dieser Turm könnte man ja auch denken, dass das was mit dem Turm zu Babel zu tun hat, weil er in so viele Gegenden führt. und da drauf ein paar Pentagramme gestreut und dann noch ein bisschen Lovecraftisches Dimensionendingen. Wenn man es in so einer Lore-Zusammenfassung liest, ergibt das auch einigermaßen Sinn. Wenn man es im Spiel spielt, kann man nicht mehr folgen. Würde ich meine Hand für ins Feuer legen. Ich wusste da überhaupt nicht mehr, wer was ist und wo das hinführt und welcher Twist jetzt hier zu irgendwas geführt hat.
Chris:
[1:02:06] Weiß nicht, also wenn du alle Notizen gelesen hast und das einigermaßen stringent spielst, dann schon. Dann ist es jetzt nicht so, als ob am Ende so wahnsinnig viele Fragen offen bleiben würden. Es ist eher so, dass man sich dann am Ende denkt, naja, also das hätte ich dir jetzt auch in zwei, drei Sätzen zusammenfassen können. Hawk ist der Repräsentanz des Guten, Ghaul ist die Repräsentanz des Schlechten und dieser Mensch Florentine, der möchte die sieben Siegel des Seelensteins zerbrechen, weil er damit dann den Ghaul, also den Vertreter des Bösen, zum Herrscher über die Welt macht. Wir auf der anderen Seite sollen das verhindern. Ende der Geschichte. Ja, da gibt es noch ein paar Ausschmückungen.
Gunnar:
[1:02:43] Ja, wenn du das so kurz fährst, dann natürlich schon.
Chris:
[1:02:47] Das ist den ganzen Zinnober vorher halt nicht wert. Und das Mysteriöse trägt nur deswegen so lang, weil halt kein Mensch mal sagt, was eigentlich Sache ist. Und das ist natürlich am Ende enttäuschend. Also es ist nicht so, als ob das Spiel über seine lange Laufzeit und seine lange Erzählung irgendetwas zu sagen hätte, was über Groschen-Roman-Niveau hinausgeht.
Chris:
[1:03:09] Und selbst so etwas wie zwischenmenschliche Beziehungen. Also normalerweise ist ja das Interessante an so Mystery-Erzählungen oder auch an Horror-Erzählungen die Frage, wie Menschen mit Extremsituationen umgehen. Was macht denn das mit Menschen? Wie entwickeln sie sich als Charaktere? Zu welchen Taten bringt sie das? In welche Grenzsituationen bringt sie das? Nichts dergleichen wird überhaupt auch nur versucht hier in Realms of the Haunting. Also der Typ, der am Anfang des Spiels, der Adam, eher noch von einem magischen Thron Brandmale in seine beiden Handflächen eingebrannt bekommen, hat das fünf Minuten später schon als Fakt akzeptiert, dass er jetzt der Gezeichnete ist und ab dann spielt es auch keine große Rolle mehr. Und das ist aber auch schon das Heftigste, was passiert. Und in der Paardynamik zwischen Rebecca und Adam, die ja immerhin weite Teile des Spiels miteinander verbringen, gibt es an Charakterentwicklung oder zwischenmenschlicher Annäherung in Summe, Lass mich kurz nachrechnen. Ja, nix. Null. Da passiert dann einfach gar nichts zwischen den beiden. Ja, stimmt nicht ganz. Einmal reichen sie sich die Hand. Und sie gibt ihm mal ein Küsschen auf die Wange.
Gunnar:
[1:04:11] Ich bin auch mal ganz froh, wenn es mal keine Romanze gibt zwischen den beiden einzigen gegengeschlechtlichen Hauptpersonen, die man da in solchen Spielen hat. Aber es macht auch dieser Beziehung von diesen wildfremden Menschen, die sich ja in einer Drucksituation, wo es um Leben und Tod geht, treffen, wenig. Kann man jetzt vielleicht auch nicht erwarten. Der Adam hat so eine Art minimalen Charakter-Arc, weil er ja am Anfang so ahnungslos ist und dann diese ersten Prüfungen besteht und dann halt da der Auserwählte wird. Aber du hast schon recht, er nimmt das sehr selbstverständlich, wundert sich überhaupt nicht mehr nach einer Zeit und hat die ganze Zeit auch so einen flapsigen 90s-Tonfall. Ich würde mir auch manchmal wünschen, er wäre ein bisschen ernsthafter bei der Sache. Also ich weiß auch nicht, warum die Charaktere in solchen Spielen so oft so flopsig und patzig daherkommen und nicht mal irgendwas Ernsthaftes sagen können.
Chris:
[1:05:00] Naja, wir werden vielleicht bei der Entstehungsgeschichte noch dazu kommen, aber das sind halt Laien, die da am Werk sind, was jetzt so das Storytelling angeht. Dass das überhaupt trägt, das klang jetzt vielleicht etwas patzig, was ich gesagt habe, ich nehme das dem Spiel aber jetzt gar nicht übel, dass das so eine flache Geschichte erzählt, weil die Grundspannung und das Mysterium ja doch überraschend lange Zeit trägt. Also es hat bei mir bestimmt bis zur Hälfte des Spiels getaut, bis mir so langsam dämmerte, dass das eigentlich ziemlich öde ist, was jetzt hier erzählt wird. Aber bis dahin hatte ich immer noch die Hoffnung, ja, wer weiß, was da kommt. Und das ist schon eine erzählerische Qualität, sage ich mal in Anführungszeichen. Das ist aber vor allem eine inszenatorische Qualität, weil ich mochte die Filmsequenzen wirklich sehr. Die haben auch sowas Langsames, sowas Getragenes. Die sind sehr entschleunigt, aber das passt ganz gut zu dieser vorsichtigen, angespannten Stimmung, die das Spiel ja fast die ganze Zeit aufbauen und halten möchte. Und es hat insbesondere in der deutschen Version auch mit der Qualität der Stimmen zu tun.
Chris:
[1:06:00] Wir haben hier ein Spiel, das in einer deutschen Version erschienen ist, in der Mitte der 90er Jahre, wo das noch nicht zwangsläufig bei allen Spielen der Fall war. Und vor allem ist, finde ich, Realms of the Haunting ein Beispiel dafür.
Chris:
[1:06:12] Wo die deutschen Stimmen nicht nur hervorragend, sondern sogar teilweise besser als die englischen sind. Und ich möchte hier ein kurzes Beispiel einspielen. Da trifft Adam ein seltsames, von Spinnweben und Leinenfetzen bedecktes Wesen. Man kann das Gesicht nicht erkennen, das scheint sich erst gar nicht zu bewegen. Und dann spricht es ihn doch an. Und im Englischen klingt das so.
Spielsound:
[1:06:34] Die Sands der Zeit erkennen deinen spiritus. Was ist das? Niemand ist hier aber dich und ich. Oh!
Chris:
[1:06:47] So, und hier hören wir jetzt zum Vergleich die deutsche Fassung. Und ich weiß nicht, ich finde die Stimme, die hier gewählt wurde, für den Gnall besser. Und wir haben ja vorhin auch schon Adam und Rebecca gehört. Die klingen wirklich gut. Das sind sehr, sehr schöne Stimmen. Rebecca hat übrigens auch im Englischen eine ganz tolle Stimme.
Chris:
[1:07:26] Und was besonders lobenswert ist für die Zeit, die deutsche Version übersetzt auch alle Texte, sogar die in den Texturen. Also da, wo im englischen Original englische Schriften an den Wänden sind, Inschriften oder sowas, da sind das in der deutschen Version übersetzte deutsche Texte. Und das ist in dieser Frühzeit der 3D-Spiele so selten, dass man allein darüber schon sagen kann.
Spielsound:
[1:07:48] Beeindruckend. In meinem ganzen Leben habe ich sowas noch nicht gesehen.
Gunnar:
[1:07:52] Ist nicht immer gelungen, die Übersetzung, aber halt schon oft sehr okay. Und wie du sagst, die deutsche Sprachausgabe ist auch sehr gut. Also das ist ein gut übertragenes Spiel. Und das ist auch was, was man in den 90ern nicht so oft über Spiele gesagt hat. Gerade als verwöhner Spielejournalist haben wir da immer viel drüber gemauelt. Und das ist ein Spiel, wo sich der deutsche Publisher nichts hat zu Schulden kommen lassen, würde ich sagen.
Gunnar:
[1:08:14] Aber wir haben ein bisschen über das Mysterium gesprochen und wie das so trägt. Und das Spiel hält sich schon grundsätzlich, weil es die Schauplätze oft wechselt, weil die Kernmechanik, dieser Mix der Kernmechaniken ganz gut funktioniert. Das Kampfsystem ist nicht besonders dolle, aber es ist auch nicht schlecht und es macht genug Spaß, um dich dabei zu halten. Und dieser Adventure-Teil wertet das halt schon ziemlich auf. Und du hast immer diese Bewegung durch diesen Raum und immer wieder unterbrochen von echt sehr neuen Orten und sehr vielen Zwischensequenzen. Ich habe mich da ganz gut so durchgezogen gefühlt und hatte nicht so dieses, boah ey, noch ein Raum, der mit den gleichen Monstern gefüllt ist, kam da ganz gut durch und habe mich auch immer gefreut, wenn ich an irgendeinen neuen Ort kam.
Chris:
[1:08:57] Genau, das ist natürlich einer der Vorteile von einem Spiel, das verschiedene Spielmechaniken mixt. Das kann auch immer zwischen den Reizen hin und her schalten. Das ist halt nicht der Dauerkampf von einer Arena an den nächsten, sondern dazwischen ist dann immer mal wieder Erkundung eines Schauplatzes. Dann ist da mal wieder eine Rätselpassage. Es gibt ja auch Logikrätsel in dem Spiel. Es gibt ja wirklich Sequenzen, wo du Schalter betätigen musst, um Wände hoch und runter zu tun, damit ein Laserstrahl einen freien Weg hat. oder du musst einem Lichtstrahl den Weg durch umschaltbare Spiegelkristalle in ein Ziel leiten und sowas. Also halt so klassisches Müsseug findest du hier auch und das setzt aber natürlich einen ganz anderen Reiz dann. Das ist auch ein Tempowechsel und dann kommt wieder ein Kampf und dann kommt wieder der nächste Schauplatzwechsel und dann kommt auf einmal wieder eine Erzählsequenz im Video und dann kann ich Dialoge drin wählen und dann kommt wieder das nächste Rätsel und so weiter. Genau wie du sagst, es ist tatsächlich ständige Abwechslung.
Gunnar:
[1:09:48] Also es wirkt halt als hätte es total viele Mechaniken, obwohl dass das ja nicht hat, aber weil es halt auch so viele unterschiedliche Rätselarten gibt. Mal drückst du hier wo drauf und dann verschiebst du in eine Kiste und es gibt ja sogar ein, zwei Rätsel, wo du Monster mit Rätseln besiegst. Das könnte noch mehr sein für meinen Geschmack, aber als ich das das erste Mal gemacht habe, wo man so einen Stein runterfahren kann mit einem Schalter und dann wird das Achsmonster zerquetscht, das echt zu dem Zeitpunkt sonst zu schwer wäre, das war eine sehr schöne Szene, die auch dem Abwechslungsgefühl da an der Stelle sehr gut getan hat.
Chris:
[1:10:31] Genau, es ist eines der ganz seltenen Momente im Spiel, wo man tatsächlich Kampf und Adventure verschränkt wird, indem man eine Bedrohungssituation durch ein Umgebungsrätsel löst und nicht durch das Schießen, was leider viel zu selten passiert.
Chris:
[1:10:45] Was das Spiel aber halt auch über weite Strecke hält, ist eine vergleichsweise dichte und angespannte Atmosphäre und dazu trägt halt wiederum viel die Inszenierung bei, dazu trägt die Lichtstimmung bei, die Gestaltung der Schauplätze und deren Abwechslungsreichtum.
Chris:
[1:11:03] Dazu trägt auch die Musik bei. Das ist ja auch noch eine Zeit, die mittelfrühe CD-Ära, wo es noch nicht zwangsläufig immer ein digitaler Soundtrack war. Also wir hatten ja zum Beispiel Spiele wie Unreal dann zwei Jahre später, die einen Mod-Soundtrack benutzen. Hier ist es ein MIDI-Soundtrack, das heißt die Musik ist MIDI und die Geräusche sind aber logischerweise gesampelt und in der Verbindung zusammen schafft das oft eine Dichte, manchmal sogar eine bedrohliche, manchmal eine geheimnisvolle Atmosphäre und in manchen Situationen klingt das ganz hervorragend. Zum Beispiel, wenn wir das erste Mal die Welt Rakaia betreten, das ist die Welt des Geistes, dann stellt sich raus, das ist ein überraschend großer, prächtiger, richtiggehend idyllischer Landschaftsgarten. Vollkommen ausgestorben, keine Menschenseele, aber während man dort durchläuft, erzeugt die dezente Musikuntermalung trotzdem ein Gefühl der Angespanntheit, so als ob trotz dieser ruhigen Beschaulichkeit irgendwas hier nicht stimmt.
Chris:
[1:12:32] Und generell würde ich sagen, obwohl die Musik also nur in Anführungszeichen MIDI ist, ist sie überwiegend dezent, sie ist atmosphärisch, manchmal wird sie ein bisschen dynamischer. Und da können wir mal einen Ausschnitt aus einem Stück anhören, das im Haus läuft. Das hätte jetzt auf einer Roland MT-32-Karte, wenn man damals eine gehabt hätte, folgendermaßen geklungen. Ach und übrigens, eure Lautsprecher oder Kopfhörer sind nicht kaputt. Das Klavier, das man hier hört, das wandert wirklich fröhlich über das Stereo-Spectrum von links nach rechts und zurück.
Gunnar:
[1:13:37] Sehr schön. Und wie du schon sagst, zusammen mit den gesampelten Geräuschen, von denen es ja auch einige hat, kommt diese Atmosphäre sehr gut rüber. Und dann darf man ja nicht vergessen, dass es ja, weil es so viel FMV hat, auch so viel Sprachausgabe hat. Also es ist schon ein Spiel, wo man in Sachen Audio einiges bekommt, finde ich, für sein Geld.
Chris:
[1:13:55] Wo wir schon bei den zertorischen Themen sind, können wir ja eigentlich hier die Abbiegung nehmen und uns mal angucken, wie das Spiel entstanden ist.
Gunnar:
[1:14:03] In den 80er Jahren führte in die Spielebranche ja kein so gerader Weg, wie das heute vielleicht ist, wo es ja Universitätsstudiengänge gibt für sowas. Manche der Leute, die wir auch damals interviewt haben, die kamen ja direkt aus dem Kinderzimmer. Das waren Autodidakten, die haben aus Neugier ihren ersten Spielen in Basic getippt und wurden dann von kleinen Publishern entdeckt. Andere waren Quereinsteiger aus Musik und Film und Literatur, die von diesem noch jungen und frischen Medium angezogen worden sind. Und der eine brachte technisches Basteltalent, der andere künstlerische Fähigkeiten oder erzählerische Fähigkeiten. Und das machte diese wilde Frühzeit der Spielentwicklung aus. Und den Fall des talentierten Quereinsteigers, den hatten wir ja gerade erst in der letzten Folge bei CinemaWare’s It Came From The Desert. Der Gründer Bob Jacobs, der war ein erfolgreicher Geschäftsmann in einem anderen Feld. Und der Game Designer Dave Rodden, der hatte als Musiker in seiner ersten Karriere schon einiges geleistet. Bei Realms of the Haunting hingegen haben wir zwei zentrale Personen. Den Producer und Künstler Paul Green, zu dem kommen wir später, und den Engine-Entwickler Tony Crowther. Und mit dem fangen wir unsere Geschichte an, weil der ist nämlich einer dieser Schüler, die sich autodidaktisch das Spieleprogrammieren beigebracht haben.
Chris:
[1:15:12] Wir sind im Jahr 1982 und in Sheffield in Großbritannien gibt es einen Computerladen namens Superior Software. Der wird geführt von zwei Brüdern, von Tim und Mike Mahoney. Und eines Tages läuft in deren Laden der Tony Crowther rein und fragt, ob sie sein selbstgeschriebenes Spiel vertreiben würden. Tony ist 17 Jahre alt und hat schon ein Jahr Erfahrung mit dem Schreiben von Spielen, wie er mal in einem Interview mit der englischen Retro Gamer beschrieben hat. Dort sagte er, dass er angefangen hat, mit 16 Spiele zu schreiben in der Schule, als er seinem Lehrer und Bibliothekar Ian Warby hieß, der bei einem Projekt half und unter dem Label Aztec-Software Lernspiele entwickelt hat. Diese Spiele, die wurden von mehreren Leuten verfasst, von ihm, von Ben Deglish, Russell Merriman und noch einem weiteren Menschen.
Gunnar:
[1:16:04] Dieser Ben Deglish, den er da erwähnt, der kam übrigens auch noch groß raus. Der wurde bekannt für die Komposition zahlreicher Soundtracks für Heimcomputerspiele in den 80ern, darunter Last Ninja, Trap, Crackout und Deflektor. Und Daglish und Crowther gründeten Wii Music, das stand für Wii Make Youth Ones. Sound in Computers. Bisschen bemühte Metapher.
Chris:
[1:16:29] Sensationelle Abkürzung.
Gunnar:
[1:16:30] Wir nutzen Sound in Computern, also Wii Music, als einzelne Buchstaben. Und die haben dann angefangen zusammenzuarbeiten. Die hatten dieselbe Schule besucht, die Bradfield Comprehensive School. Und der Declish arbeitete in der Folge überwiegend freiberuflich, war jedoch auch später noch ein paar Jahre bei Gremlin Graphics angestellt. Er spielt aber für diese Geschichte gar keine Rolle mehr. Christian, zurück zu Crowder.
Chris:
[1:16:53] Ja, zurück zu Crowther. Also der hat ja angefangen mit dem Commodore PET 4032, den hatte sein Vater sich von einem Freund ausgeliehen und auf diesem PET hat sich Crowther das Programmieren dann selbst beigebracht, hat Listings aus Büchern abgetippt oder bei bestehenden Spielen in den Sourcecode geguckt, um zu verstehen, wie die funktionieren, wie man das halt so gemacht hat in dieser sehr frühen Ära. Und als er dann 1982 die Mahoney-Brüder und ihren Laden kennenlernt, beschließt er dann zu denen zu wechseln, weil die gründen dann nämlich im gleichen Jahr einen frühen Publisher unter dem Namen Alligator und hauen dann bis einschließlich 1983 nicht weniger als 23 Spiele raus, meist für den BBC Micro oder auch schon für den C64.
Gunnar:
[1:17:36] Der Crowzer darf im Laden die Samstagsschicht übernehmen und bekommt dann auch seinen ersten C64 von den Mahonis. Und die verkaufen sein erstes Spiel direkt im Laden. Das ist eine VC-20-Produktion namens Amazing. Und der Crowzer schreibt von den ersten 23 Spielen von Alligator, das ist ja die Spielefirma, die aus Superior Software entsteht, von denen schreibt er nicht weniger als 10 Stück selber. Das ist zumeist einfache Action-Kost. Ich sage 10, weil er bei Moby Games mit 10 Spielen von Alligator als Autor gelistet ist. In einem Interview hat er mal erzählt, dass es sechs waren. Mir sind die meisten davon eh nicht bekannt, also ich kann das jetzt auch nicht gut überprüfen.
Gunnar:
[1:18:16] Aber es war einer der frühen Favoriten von mir auf dem C64 dabei, nämlich das großartige Spiel Killer Watt. Was für ein toller Name auch, Killer Watt.
Chris:
[1:18:25] Noch nie gehört.
Gunnar:
[1:18:26] Mit Glühbirnen, das ist super. Ja.
Chris:
[1:18:28] Wir halten dann hier mal kurz inne und wechseln den Spieleladen. Wir waren ja gerade bei dem Spieleladen namens Superior Software, aus dem Alligator entstanden ist. Und der andere Laden, zu dem wir jetzt rüberspringen, der heißt Just Micro. Der ist auch in Sheffield und im Jahr 1983 wird dort auch eine Spielefirma ausgegründet, und zwar Gremlin Graphics. Die Besitzer dieses Spieleladens, also Just Micro, das sind Ian Stewart und Kevin Norburn. Und die wissen, dass bei dem anderen Spielladen in ihrer Stadt, nämlich bei Superior Software, dieser sehr talentierte junge Mann arbeitet, Tony Crowther. Und so fragen sie ihn, ob er nicht zu ihnen rüber wechseln will, ob er nicht bei ihnen Spiele machen möchte. Naja, und das Angebot scheint gut gewesen zu sein. In dem Interview mit Retogamer hat er erzählt, also um dort einzusteigen, gleich Gründungsmitglied von Gremlin Graphics zu werden, sollte jeder der Beteiligten 5000 Pfund einbringen. Und Ian Stewart und Kevin Norburn, also die Besitzer des Spieleladens, haben das auch gemacht, aber Tony Crowther hat keine 5000 Pfund. Und dementsprechend sagt er, naja gut, ich bringe dann quasi mein erstes Spiel ein, das ich für Gremlin entwickle. Und das hat er dann auch so gemacht und dieses erste Spiel hieß Percy the Potty Pigeon.
Gunnar:
[1:19:42] Großartiger Titel. Und das fängt auch alles gut an, aber er bleibt da nicht lange. Denn schon relativ bald steigt ein Geschäftsmann ein, Jeff Brown. Und der hat gerade Centisoft gegründet und US Gold und ist eine große Nummer im Publishing-Geschäft. Und das ist schon ein Riesending, weil der Brown spielt ja noch eine große Rolle dann später in der britischen Geschichte, die jetzt aber hier nicht zur Sache tut. Eigentlich eine super Nachricht für die junge Firma. Aber Crowther ist zu dem Zeitpunkt schon, der hat halt Star-Allüren, der ist 18 und hat jetzt schon ein halbes Dutzend, bis ein Dutzend Spiele geschrieben, je nach Quelle. Der erträgt das nicht, dass jetzt plötzlich seine Anteile an Gremlin-Graphics nur noch 25% sein sollen und nicht mehr 33% wie vorher, weil der Brown ja Geld einbringt. Und dann streiten die sich und er steigt im Streit aus. Wir lassen jetzt die nächsten Jahre von Crowther erstmal aus. Der produziert dann weiterhin Spiele. Es ist auch nichts wahnsinnig Weltbewegendes dabei und wir bleiben mal kurz bei der Firma Gremlin.
Chris:
[1:20:42] Also Tony Crowther ist raus, Jeff Brown ist drin und 1986 hat Brown dann sogar die Mehrheitsbeteiligung an Gremlin, also 75 Prozent gehören dann ihm und das führt dann zu einer deutlichen Veränderung der Unternehmensstrategie. Also bisher hat Gremlin, wie halt die typischen Krauter in England dieser Zeit, halt lauter originelle Titel rausgehauen, was halt gerade so jemanden in den Sinn kam. Und jetzt soll das Ganze ein bisschen professioneller werden, vor allem lizenzierte Produkte aus Film und Fernsehen kommen dann ins Programm. Also bei Gremlin erscheinen zum Beispiel Spiele zu Mask oder zu Masters of the Universe. Diese strategische Neuausrichtung hat aber auch ihren Preis. Die führt dann dazu, dass viele von den kreativen Mitarbeitern frustriert abwandern und so entsteht aus den Talenten bei Gremlin die halbe englische Spielebranche dann der 80er und später 90er Jahre. Also da gibt es zum Beispiel die Mitarbeiter Tony Kavanagh, Peter Harrop und Sean Hollingworth, die gründen Tech Software Development. Daraus wird später Chris Ellis. Oder Jeremy Heath, Smith, Kevin Norburn und Greg Holmes gründen Core Design. Das ist die Firma, die später Tomb Raider machen wird. Auch Chris und Steve Carey und Mark Rogers verlassen das Unternehmen. Die machen dann Impact Software Development. Daraus wird später Painting by Numbers. Und Ben Deklisch, den haben wir ja vorhin schon erwähnt, den Schulfreund von Crowther, den Komponisten, der geht ebenfalls. Den kann sie da auch nicht mehr in dieses Umfeld einfügen, das seiner Ansicht nach zunehmend corporate ist. Also zu professionell.
Gunnar:
[1:22:11] Ich meine, wir sind im Jahr 88, wo immer noch alles Wild West war. Und jetzt ist das denen schon zu anstrengend, weil sie wahrscheinlich eine Hose tragen müssen. Egal, in den späten 80er Jahren beginnt eine schwierige Zeit für Gremlin. Nicht so sehr wegen der ganzen Abwanderung der Leute, sondern wegen der Umstellung von 8-Bit auf 16-Bit-Plattformen. Ja, der C64 geht raus, der Amiga und der SD kommen. Das ist ja ein Phänomen, das viele Spielefirmen zu der Zeit betrifft. Und ihre Spiele kriegen sie dann selten in die Charts in dieser Zeit und die Medien spekulieren dann auch schon über das Ende dieses noch so jungen Unternehmens.
Gunnar:
[1:22:47] Gremlin erholt sich dann schon 1989, als Ian Stewart und seine Frau Jenny Richards das Unternehmen dann von Jeff Brown zurückkaufen. Und die Jenny Richards übernimmt eine entscheidende Rolle für das Unternehmen. Die wird dann Vertriebsleiterin und kaufmännische Direktorin und bringt das Unternehmen damit wieder ein bisschen auf Spur. Und sie richten den Fokus jetzt auf Qualität und neue Talente, nicht so sehr auf diese lizenzierten Titel. Und stärken in diesem Zuge auch PR und Marketing, was ja auch immer wichtig ist. Und sie gründen auch noch ein eigenes Budget-Label, also ein Label für günstige Spiele, das Gremlin Budget House.
Chris:
[1:23:20] Ja, es muss natürlich aber trotzdem Hits her. Und die kommen dann auch vor allen Dingen die Lotus-Serie, diese Rennspiel-Serie, die von Magnetic Fields eingekauft wird. Die wird ab 1990 ein richtig großer Erfolg. Das ist dann maßgeblich für den Wiederaufstieg von Gremlin verantwortlich. Oder auch Zool 1992. Das ist dieses ikonische Maskottchen, dass auf dem Amiga so populär ist, auch das ein großer Erfolg für Kremlin. Das Unternehmen benennt sich dann im gleichen Jahr um in Kremlin Interactive und expandiert dann international, gründet auch neue Studios, zum Beispiel The Warp Factory in Glasgow. Die werden dann für die Spiele Harlequin und Zool 2 verantwortlich sein oder auch die der Pendant aus Kremlin Ireland in Dublin. Aber das ist ja auch eine Ära in den 90ern des Plattformunbruchs. Manch eine Firma ist ja zum Beispiel mit dem Amiga untergegangen, in der Zeit oder hat in Deutschland zumal den Sprung auf die Konsolen nicht geschafft. Das meistert Gremlin gut, also die sind relativ früh dabei, diese Umbrüche in der Zeit mitzumachen, auf die Konsolen zu gehen und vor allem auch die 3D-Grafik zu marmen.
Gunnar:
[1:24:26] Apropos 3D. Jetzt sind wir im Jahr 1994 und da kommt Tony Crowther zu Gremlin zurück. Der hat die ganze Zeit gefreelanced und Spiele gemacht und der bringt was mit. In der Tasche hat er eine 3D-Engine. Er nennt sie die True 3D-Engine. Ich weiß nicht, ob er die in der Tasche hat oder auf einem kleinen Wagen hinter sich herzieht, wie man das mit Engines so macht. Jedenfalls hat er die geschrieben, hat die 3D-Grundlagen dafür gelernt und das ist eine Doom-ähnliche 2,5D-Grafik-Engine. Crowther schlägt jetzt Gremlin vor, damit ein Spiel zu machen. Er hat zwei Ideen für Spiele, entweder ein Spiel mit Monstern hauptsächlich oder ein Spiel mit Teufelsthema. Total originelle Vorschläge macht er da. Und Gremlin entscheidet sich für das gruselige Thema, das Teufelsthema.
Chris:
[1:25:13] Aber der Crowther ist primär Techniker. Also man schüttelt ja so eine 3D-Engine auch nicht aus dem Ärmel. Das zeigt schon, was für ein Talent der ist. Trotzdem wird als kreativer Mensch auf das Projekt jetzt jemand anders gesetzt. ein Verantwortlicher. Und da sind wir wieder bei dem vorhin schon erwähnten Paul Green. Der ist noch nicht lang bei Gremlin zu der Zeit. 1993 ist er dort als Grafiker eingestiegen. Aber der wird dann Hauptdesigner für dieses Spiel, das jetzt gebaut werden soll mit der Teufelsthematik und der 3D-Engine von Tony Crowther. Und dieses Spiel wird Realms of the Haunting. Und Paul Green setzt sich dann dran, also aus dieser sehr rohen Prämisse von Crowther was Konkretes zu machen oder ein Setting zu entwickeln, diese ganze Mythologie, die wir vorhin beschrieben haben, sich auszudenken und natürlich auch eine Handlung zu schreiben.
Gunnar:
[1:26:04] Paul Green hat die typische Vorbildung, die wir alle haben aus der Zeit, nämlich er ist Tabletop-Rollenspieler, er hat Runequest gespielt und Call of Cthulhu, das hilft immer, und liest dann historische Texte, biblische Texte, religiöse Texte und auch so Bücher wie The Holy Blood and The Holy Grail. Das inspiriert ihn und für die düstere, beklemmende Stimmung des Spiels nennt er in einem Interview Michael Mann’s The Keep als Einfluss. Die unheimliche Macht, heißt der Film auf Deutsch, und John Carpenters Das Ding aus einer anderen Welt. Und da ist vielleicht die Inspiration für die Intro-Sequenz zu suchen, Christian. Bei The Thing fällt doch auch irgendwas runter, oder?
Chris:
[1:26:44] Ja, wenn das die Gemeinsamkeit ist, dann ja gut. Okay, ich bleibe eher bei der beklemmten Atmosphäre, die findet man bei The Thing ja auch zu Genüge.
Gunnar:
[1:26:53] Ja.
Chris:
[1:26:53] Naja, also jetzt muss ja aber trotzdem dann auch noch eine Entscheidung getroffen werden, was für eine Art Spiel das werden soll. Und jetzt sind wir wieder bei diesem Punkt. Die sind ja hier im Jahr 1994, das ist wirklich ja noch die noch viel frühere Zeit der Ego-Shooter. Aber hier fällt jetzt schon die Entscheidung, einen Genre-Hybriden zu machen. Also diese 3D-Engine zu nutzen, nicht um einen reinen Doom-artigen Shooter damit zu basteln, sondern eben eine Mischung aus Ego-Shooter oder Ego-Spiel und Adventure-Elementen, Point-and-Click-Adventure-Elementen und damit eine Art immersive Erfahrung zu ermöglichen. Und damit das Ganze möglichst gut aussieht, also die Story dann auch noch gut präsentiert wird, kommen also auch noch die Full-Motion-Videosequenzen rein. Auch da wieder Entwicklungsstart 1994, da startet das gerade durch. Die CD-ROM als neues Medium, da sind die ersten Hits schon draußen, Rebel Assault zum Beispiel und Mist. Und dementsprechend zeigt sich, okay, das ist jetzt eine vielversprechende Technologie, auf diesem Waggon möchte Gremlin auch noch aufspringen. Also da haben sie sich ordentlich was vorgenommen. Erstes Shooter-artiges 3D-Spiel, gleichen Genre-Hybriden und auch noch Full-Motion-Video irgendwie da reinpacken. Ja, da haben sie sich den Teller vollgenommen.
Gunnar:
[1:28:05] Sie planen das erst natürlich als zweijähriges Projekt, wie man ein Projekt in der Spielebranche ja meistens für 18 bis 24 Monate plant, auch schon in dieser Zeit. Später ändern sie das und sagen, naja, es darf dann auch vielleicht knapp drei dauern. Es wird auf jeden Fall schon jetzt klar, dass das das teuerste Spiel ist, was sie je gemacht haben.
Gunnar:
[1:28:24] Und nachdem sie schon angefangen haben, fragt Gremlin den Growser, wenn sie schon seine Engine da lizenzieren, ob sie die noch für ein weiteres Projekt benutzen können. Und das heißt Normality, ein anderes Spiel. Und der Tony stimmt zu und liefert die Technologie an das Normality-Team.
Chris:
[1:28:40] Also entstehen bei Gremlin also zwei Spiele gleichzeitig mit dieser 3D-Engine. Das Normality wird eine kürzere Entwicklungszeit haben und letztendlich vor Realms of the Haunting erscheinen. Deswegen man auch häufiger hört, dass Realms of the Haunting die Normality-Engine benutzen würde. Umgekehrt wird ein Schuh draus. Eigentlich benutzt Normality die Realms of the Haunting-Engine. Aber das ist ja auch wurscht. Abgesehen davon, dass das Normality also ein reines Adventure ist, ist es auch ein wesentlicher Unterschied. Das benutzt keine Filmsequenzen, Realms of the Haunting schon. Und irgendwo muss das ja aber jetzt herkommen. Gremlin hat ja überhaupt keine Expertise in diesem Bereich. Die haben vorher kein Full-Motion-Videospiel gemacht. Also was tun sie?
Gunnar:
[1:29:15] Die suchen sich einen Auftragnehmer, der das für sie handeln kann. Die Bright Light Studios aus Warwickshire. Das ist zufällig der frühere Arbeitgeber von Paul Green. Das passt ja. Das ist ein Studio, das ist auf Spezialeffekte spezialisiert. Und die sollen jetzt hier alles machen. Die Dreharbeiten, das Make-up, die Requisiten, die Kostüme, alles. Alan Coleman ist der Mann, der die Produktion überwachen soll und der dann auf Gremlin-Seite die Bearbeitung des Materials machen soll. Und die Aufnahmen erfolgen vor Blue Screens in einem Studio in einem Industriegebiet in Sheffield. Es gibt sogar eine Szene im Spiel, die wurde mit einem echten realen Hintergrund gefilmt. Das ist diese Eröffnungsszene, in der die Hauptfigur mit dem Taxi fährt und dann im Haus ankommt. Die wurde nämlich in einem Automuseum in Coventry gedreht. Also hat sich der Schauspieler ein richtiges altes Auto gesetzt und dann haben sie das von außen beleuchtet und mit Wassersprays angesprüht, damit da schöner Regen ist. Sehr schön.
Chris:
[1:30:10] Stichwort Schauspieler. Die beiden wichtigen sind natürlich unsere Protagonisten. Adam wird gespielt von David Tromey, einem Kanadier. Und die Rebecca wird gespielt von einer englischen jungen Schauspielerin namens Emma Powell. Und uns hat sehr interessiert, wie war denn das eigentlich damals in dieser
Chris:
[1:30:28] Ära, solche Filmsequenzen aufzunehmen für dieses ja neue Medium und deswegen haben wir uns eine Zeitzeugin gesucht, nämlich Emma Powell, also die Rebecca und sie mal dazu gefragt, wie sie eigentlich an diese Rolle kam und wie das war. Und sie hat uns erzählt, dass sie im Endeffekt direkt von der Schauspielschule kam. Sie hat an der Weber-Douglas Academy of Dramatic Arts in London studiert und ihre Vorerfahrung zu diesem Zeitpunkt, das waren überwiegend kleine Theaterproduktionen, aber nicht der Film, wie sie erzählt.
Emma Powell:
[1:30:59] Ich war ganz fresh aus dem Drama School. Ich habe ein paar Jobs gemacht. In fact, ich auditionte für das, und dann ging ich auf und war singen auf einem sehr rubbish, kleinen Cruise-Ship. Und dann hatte ich den Telefon, der gesagt hat, dass ich diesen Job hatte. Also habe ich den Flugzeug, das war schrecklich. Und dann kam und kam und war das. Und es waren sehr early days. Ich denke, man kann sagen, dass ich nicht viel Film-Erfahrung habe, weil ich denke, ich versuche zu hart.
Gunnar:
[1:31:31] Powell kannte den David Lerner. Das ist der Schauspieler, der Belial gespielt hat im Spiel. Und durch ihn hat sie erfahren, dass da so ein Studio in Sheffield so ein Spiel machen will mit Schauspielern. und dann hat sie sich auf die Rolle der Rebecca beworben. Und dann gab es ein Casting in Sheffield mit dem Alan Coleman, den ich schon erwähnt habe. Und dann ging es los.
Chris:
[1:31:50] Die Dreharbeiten an sich hat Emma als recht lang, ziemlich pragmatisch und eher unorganisiert beschrieben.
Emma Powell:
[1:31:58] It was in a studio in or near Sheffield. It was a building that made props for film, I think. So there were all these kind of weird props and latex masks and pictures all over the place. And then we filmed in a not very big room that was green screen with all the lights and a couple of cameras. I mean, it could have just been one camera, to be honest. It was very small scale. Ich erinnere mich, die erste Zeit, ich war für Filme, dass sie mein Kostüm von der Pound Shop waren, die wirklich cheap shop waren. Ich war ein bisschen veranstalter mit, aber es war, ihr wisst. Und dann, ich habe mir viel Zeit gemacht, und dann nicht mehr Filme. Wir haben einfach nur einen Film gemacht, und dann den nächsten Tag, wir haben angefangen. Es war nicht sehr, sehr, sehr, sehr in der Organisation, ich sage.
Chris:
[1:32:48] Also ihrer Erinnerung nach gab es da keine große Vorbereitung. Keine Diskussion über die Charaktere und wie sie angelegt sind und wie sie sich fühlen. Noch nicht mal große Proben, das wurde direkt losgelegt und ihre Rolle musste sie improvisieren. Sie sagte uns, dass sie und auch die anderen Schauspieler große Schwierigkeiten gehabt hätten zu verstehen, was denn überhaupt die Handlung war.
Emma Powell:
[1:33:23] Und ich denke, ein paar Jahre, wir wussten nicht wirklich was, was going on. Wir wurden gebeten den script für die nächsten Woche oder so. Und dann gebeten die clues, wenn wir eigentlich filmen es. Oh, du hast eine Sache mit diesem Mann. Oder du hast ein 400 Jahre altes Psychik. Okay. Wir wurden gebeten die clues, aber wir wurden nicht gebeten die whole script. No.
Gunnar:
[1:33:44] Generell war wohl die Kommunikation zwischen dem Entwicklungsteam und dem Filmteam schwierig. Die Spielszenen haben dann nicht immer dem Storytelling-Fluss gut entsprochen. Und wie Emma vorhin schon gesagt hat, die Darsteller hatten Schwierigkeiten, die Charaktere zu verstehen, weil sie zu wenig Hintergrundinformationen hatten. Und weil diese interaktive Natur der Szenen für diese Schauspieler, die ja noch nie in einem Spiel mitgespielt haben, ungewöhnlich war. Weil die Charaktere können ja dann plötzlich magisch Dinge in die Hand nehmen, die gar nicht im Skript stehen und die erscheinen dann trotzdem im Spiel. Das ist ja Zauberei, offenkundig. Und das hat sie wohl auch mit verwirrt. Und eine besonders schwierige Aufnahme war das Fallenlassen zweier Federn vor der Kamera. Das hat wohl einen ganzen Tag gedauert und man brauchte eine speziell entworfene Federfallstange dafür.
Chris:
[1:34:33] Also das war alles ziemlich pragmatisch und Emma hat uns die Produktion auch als fragmentiert beschrieben. Also sie hat Szenen aufgenommen, war dann fertig, ist zurück nach London gefahren und hat gedacht, so das war es jetzt. Der Gesamtzusammenhang der Handlung war ja irgendwie nicht klar. Und dann kam Tage später der Anruf, wir müssen noch mehr aufnehmen, komm wieder her und dann ist sie halt wieder zurückgefahren. Und das hat insgesamt ungefähr sieben Wochen gedauert, also diese ganzen Aufnahmen.
Chris:
[1:35:01] Vor Ort, also wenn dann aufgenommen wurde, war natürlich auch nicht die ganze Zeit Schauspieler, das waren ja keine Sets an sich, also die haben vor Blue Screen gedreht, das hatten wir schon gesagt, da gab es keinerlei Bühnenbild oder Kulissenaufbauten oder sonst irgendwas, sondern maximal die Gegenstände, die sie in der Hand hatten. Was es aber gab, war Beleuchtung und für die ging offensichtlich viel Zeit drauf.
Emma Powell:
[1:35:20] Ja, ich habe mich, dass sie viel Zeit haben, auf die Lichter. Und ich habe mich, dass Alan immer wieder getrennt, weil die Lichter oder die Cinematografie waren so lange, um es zu machen, um es zu machen, wir haben es zu machen. So, ja, da war ein viel Zeit und Energie in die Lichterung. Obviously, in den Szenen, sie fühlt sich mehr Zeit auf, in den anderen Szenen, es war so, dass wir jetzt ein, Just get these next five scenes done before the end of the day. So just do it so it looks good enough.
Gunnar:
[1:35:52] Während der Dreharbeiten gab es auch viel Downtime, in der dann die Schauspieler miteinander abgehangen haben, wie das Schauspieler eben so tun. Und dieses Kernteam, die Emma, der David Chaomi und der Regisseur Alan Coltman und manchmal ein wechselndes anderes, viertes Mitglied des Cast, die lebten während der Drehtage gemeinsam in einer Wohnung. So eine Art Kurzzeit-WG war das. Und haben sich wohl untereinander gut verstanden und haben wohl auch zusammen den einen oder anderen Joint geraucht.
Chris:
[1:36:17] Diese Beleuchtungsgeschichte, die wir gerade beschrieben haben, das ist halt auch so eines von diesen Dingen, die dann bei der Produktion im Studio bei Gremlin wiederum Schwierigkeiten gemacht haben, weil durch die Beleuchtung waren manchmal die Charaktere schwieriger vom Hintergrund, vom Blue Screen zu trennen, also gerade bei den dunkleren Szenen oder es gab einen Schattenwurf, musste dann alles bereinigt werden dann in der Post-Production. Und überhaupt die Schauspieler dann mit den Hintergründen zusammenzuführen, sodass das organisch aussieht, das war auch eine Herausforderung. Der zuständige Grafiker, der hieß Darren Mills bei Gremlin, der musste da sehr viel Aufwand betreiben, um die Hintergründe im Spiel dann so auszuleuchten, dass das wiederum zu der Beleuchtung passt, die die Szenen mit den Schauspielern hatten.
Gunnar:
[1:37:01] Am Ende führten diese ganzen Wirrungen dazu, dass sie auch noch zu viel gedreht haben. Die Handlung haben wir ja schon als lang und kompliziert empfunden, aber die war wohl noch länger und noch komplizierter. Am Ende haben sie dann eine Stunde gestrichen, nicht so sehr wegen Speicherbegrenzungen, Zeitbegrenzungen, Kostenbegrenzungen, auch um die Anzahl der CDs zu reduzieren in der Packung. Das hat dann aber schon dazu geführt, dass man ein paar Kürzungen machen musste und dann wurde das Ende ein bisschen überstürzt. Und es blieben auch ein, zwei Sachen unerklärt und die Integration von Handlungselementen mit dem Gameplay ist nicht immer perfekt.
Chris:
[1:37:38] Ja, das scheint schon das größte Problem gewesen zu sein, diese Verzahnung zwischen den Filmaufnahmen und der Integration im Spiel. Das hat ja an unterschiedlichen Orten zu unterschiedlichen Zeiten stattgefunden und das zusammenzufügen war offensichtlich eine Herausforderung.
Chris:
[1:37:53] Auch wiederum für die Darsteller, Emma sagte uns, sie hatte während der gesamten Zeit, die sie damit verbracht hat mit den Dreharbeiten, überhaupt keine Vorstellung davon, wie das Endprodukt, also das fertige Spiel, aussehen würde. Und sie hatte auch keine Ahnung, was im Spiel passiert. Das wurde ihnen nicht erklärt. Und als sie es dann hinterher gesehen hat, das fertige Ding, war es, wie sie sagte, more than I expected it to be. Also hat ihre Überwartungen, wie auch immer sie gewesen sein, übertroffen. Sie war dann positiv überrascht. Und sie sagte mir, sie wird immer noch regelmäßig auf Rhymes of the Haunting angesprochen, obwohl sie es selbst nie gespielt hat. Ich habe sie auch gefragt, wie viel Geld sie dafür bekommen hat. Das wusste sie nicht mehr, aber sie sagte zumindest mehr als auf diesem verdammten Kreuzfahrtschiff. Und es hat ihr insgesamt großen Spaß gemacht und war eine gute Erfahrung. Sie hat dann später Karriere gemacht, überwiegend als Theaterschauspielerin und dann als Synchronsprecherin. Das ist sie auch heute noch. Ich sagte ja auch vorhin schon, sie hat, wie ich finde, eine wirklich schöne Stimme und arbeitet gelegentlich auch für Computerspiele. Also zum Beispiel in Total War Rome 2 von 2013, da ist sie eine der Stimmen, die man da anhören kann.
Gunnar:
[1:39:01] Zurück zum Spiel. Die Szenen sind aufgenommen. Das Spiel ist programmiert. Es hat fast drei Jahre gedauert. Und jetzt naht der Veröffentlichungstermin. Das Spiel kommt raus im Dezember 1996 in Großbritannien und in den USA am 24. März 1997.
Gunnar:
[1:39:18] Dort ist der Publisher Interplay. Das Spiel kommt gut an bei den englischen und amerikanischen Kritikern. Das hat bei Game Rankings dann 92 Prozent im Durchschnitt. Gamespot gibt 8,5 von 10 Punkten. Die englische PC-Zone bewertet es mit 93 Prozent und es wird auch Finalist beim PC-Adventure Game of the Year und bei den Interactive Achievement Awards. Also es kommt schon einiges rum an Lob bei den Kritikern. Im Mittelpunkt des Lobes stehen meistens die hochwertigen Filmsequenzen, die insgesamt atmosphärische Präsentation, dieser interessante Gameplay-Mix aus Adventure und Ego-Shooter und die enorme Größe des Spiels.
Gunnar:
[1:39:58] In Deutschland ist man nicht ganz so begeistert. Für die PC-Player gibt die Monika Stoschek drei von fünf Sternen und nennt es eine eigenartige Mischung. Und der Wechsel zwischen 3D-Darstellung und Videosequenzen sei nicht unproblematisch. Aber vor allem Fortgeschrittene sollten diese Mixtur mal probieren. Naja, die beste Wertung in Deutschland gibt Herbert Eichinger für die PC Games mit 87 Prozent mit einem jubelnden Meinungskasten. Da lese ich nur den letzten Satz vor. Rams of the Haunting braucht keine Holzhammer-Methoden, um Spannung zu erzeugen. Ein untrückliches Zeichen für überragende Qualität.
Chris:
[1:40:37] Okay, also Kritiker, Meinung und Erfolg haben ja nicht zwangsläufig was miteinander zu tun und hier ist es leider, möchte ich sagen, auch so, denn insgesamt ist Rams of the Haunting ein kommerzieller Misserfolg für Gremlin, insbesondere in der ersten Verkaufswoche in England. Da werden weniger als 500 Einheiten verkauft. Das ist katastrophal. Das liegt sicher auch im Erscheinungstermin. Das kommt nämlich Mitte Dezember raus. Also die wichtige Vorlaufszeit fürs Weihnachtsgeschäft wurde da verpasst. Und es gibt starke Konkurrenz. Tomb Raider zum Beispiel und Diablo. Also insgesamt ist es dann eher schleppend. Ich habe meinen Teil dazu getan. Ich habe meine Kopie gekauft von Realms of the Hunting. Aber es reicht nicht. Eigentlich sollte da noch ein Nachfolger erscheinen. Paul Green, der Designer, hatte mit der Arbeit, mit der konzeptionellen Arbeit an einem Nachfolger schon begonnen. Aber nachdem sich dann herausstellt, dass die Verkaufszahlen so unter den Erwartungen bleiben, wird das dann eingestellt. Zumal das Spiel ja hohe Kosten hatte, wir haben es gehört, relativ aufwendig und über drei Jahre produziert. Und dass das dann nicht eingespielt wird mit Realms of the Haunting führt sogar dazu, dass Gremlin in finanzielle Schwierigkeiten gerät und 1999 dann vom französischen Konzern-Aufrogramm geschluckt wird.
Gunnar:
[1:41:56] Das parallel entwickelte Normality findet ein ähnliches Schicksal und hilft da auch nicht, um Gremlin aus der Klemme zu befreien, hier aus der finanziellen Klemme, in der sie da sind. Und wie gesagt, dann ab 1999 eine Tochter von Afrogramm.
Gunnar:
[1:42:11] Damit sind wir durch mit der Entstehungsgeschichte des Spiels und ja schon auch mit der grundlegenden Analyse. Jetzt die Frage, Christian, was ist denn dein Fazit?
Chris:
[1:42:23] Also ich bin dem Spiel nach wie vor sehr wohlgesonnen, obwohl es natürlich ganz klare Schwächen hat. Das ist schon an vielen Stellen ein seltsames Hybrid-Spiel im Look und in der Spielmechanik, aber ich finde, diesen Medienbruch im Look kann man ihm nicht vorwerfen. Das hat sich im Jahr 96 noch nicht getraut, die Geschichte im Spiel selbst zu erzählen, also in Ingame-Cutscenes. Aber das traut sich auch kaum ein Spiel in der Ära. Das kommt mit GoldenEye 97 und später, wir hatten ja gerade erst Incubation zum Beispiel, das ist ja auch ein Spiel von 97, das eins der frühen war, wo du tatsächlich Cutscenes in der Spielgrafik hattest und wir wissen ja noch, wie das aussah. Also für glaubwürdige Storytelling-Sequenzen in bestmöglicher visueller Qualität war Full-Motion-Video die Technologie der Zeit. Da war das Spiel einfach zeitgeistig. Das war halt der Kompromiss, den man machen musste. Und ich finde auch die Nickeligkeiten an der Steuerung kann man ihm nicht unbedingt vorwerfen. Das hatten wir ja vorhin auch schon. Das Genre ist da noch zu jung. Da haben sich viele Konventionen noch nicht etabliert. Also ich habe einen Tomb Raider oder einen Duke Nukem 96 noch mit der Tastatur gespielt. Ein Tomb Raider hatte ja gar keine Maus-Unterstützung. Und der Maus-Look, das, was man halt wirklich schmerzlich vermisst heutzutage an dem Spiel, das war noch nicht Standard im Genre. Dementsprechend konnte man es bei Ramps of the Haunting auch nicht erwarten.
Gunnar:
[1:43:43] Ja, da wollen wir mal nicht böse sein. Ich fand, dass es halt einfach seinen Platz in der Geschichte hat durch diese Kombi von Genres, die es so nicht so oft gibt. Du hast am Anfang schon ein bisschen angedeutet, dass Ego-Shooter zu dieser Zeit häufiger mal experimentieren. Aber ich finde das hier einen konsequenten und auch gar nicht unlogischen Mix aus Sachen. Und damit hat es ja auch eine eigenständige Identität. Während die puren Shooter zu der Zeit Doomquake auf Tempo setzen und das noch am ehesten ein ganz kleines bisschen vergleichbares System Shock, ja viel eher auf Rollenspiel und Simulation, ist jetzt hier durch diesen Ansatz, Dass es hier so konsequent auf Storytelling setzt mit den vielen Rätseln und das langsame und das ruhige Erforschen dieser riesigen Welt. Das ist schon insgesamt eine Mischung, die mir auch heute noch durchaus Spaß gemacht hat. Es hätte für mich kürzer sein können, wenn ich so offen sein darf, aber insgesamt hatte ich dann doch viele Stunden Spaß damit, obwohl es an ein paar Stellen technisch ein bisschen sperrig ist. Aber ich meine, es hat eine schöne Stimmung und es hat einen großen Abwechslungsreichtum.
Chris:
[1:44:46] Ich stimme dir da schon zu. Ich hatte da auch noch Freude damit, auch heute noch und damals sowieso.
Chris:
[1:44:51] Ich würde aber schon sagen, dieses ganze Hybride bringt Probleme mit sich und ich sagte gerade schon, welche man ihm nicht vorwerfen kann. Was man ihm schon vorwerfen kann, ist die Undurchdachtheit des Genremixes. ist. Weil da finde ich, das Spiel weiß nicht genau, was es sein will. Oder viel wichtiger noch, es weiß nicht, wie es seine Spielmechaniken wirklich sinnvoll verzahnen soll. Das hat ja diesen Adventure-Part und der ist für das Erkunden, das ist für den Erkenntnisgewinn.
Chris:
[1:45:16] Das bremst aber auch ständig den Fortschritt aus, vor allem bei diesen Logikrätseln, die ja echt völlig deplatziert sind in dem Spiel. Und dann hat es den Shooter-Teil, der ist natürlich für die Bedrohlichkeit da, der ist letztendlich auch für die Lebendigkeit der Spielwelt da, weil wenn es keine Gegner gäbe, dann wäre die einfach völlig leer und völlig statisch. Aber der Shooter-Teil wiederum ist ziemlich trivial und unausgegoren, wie wir beschrieben haben. Und die Kämpfe finden auch oft an Orten statt, die dafür nicht gut gebaut sind, weil das ja Adventure-Umgebungen sind. Da muss man oft in engen Räumen und schmalen Korridoren kämpfen und da zeigt sich schon, wo sich das anfängt zu beißen, dieser Mix. Es gibt ja auch Passagen, wo diese Adventure-Elemente, also Interaktion und Rätsel, mal völlig fehlen, wenn man minutenlang durch den Turm läuft zum Beispiel mit seinen schmalen Stegen, wo man abstürzen kann oder wenn man durch dunkle Höhlen stolpert. Und ich finde, dem Spiel gelingt es nicht, seine Spielmechaniken sinnvoll zu verzahnen. Also der Adventure-Part zahlt so gut wie gar nicht auf die Kämpfe ein. Und die Kämpfe wiederum zahlen kaum auf den Adventure-Part ein. Du sagtest schon, man kriegt von den Gegnern zum Beispiel fast nie irgendwas.
Chris:
[1:46:20] Ganz selten und erst in der zweiten Hälfte des Spiels lassen die mal Gegenstände fallen. Und zwar Quest-Gegenstände. Und das finde ich fast schon ein Ziegenrätsel, weil das Spiel hat dir nämlich lange, stundenlang beigebracht, von Gegnern bekommst du nichts. Und dann ist es auf einmal doch so. Das hat mich also schwer genervt. Aber wenn wir heute auf sowas wie Immersive Sims gucken, also auf die System Shock-Nachfolger, die lösen dieses Problem der Verzahnung zwischen Kämpfen und Rätsel-Adventure-Elementen entweder durch ein Progressionssystem, also sowas wie in Dishonored, dass du halt bessere Fähigkeiten bekommst, die dir dann wiederum in den Kämpfen helfen und sowas. Sowas gibt es hier nicht. Oder sie lösen das eben durch eine, wie auch immer, rudimentäre Simulation, also dass die Kämpfe selbst zu Rätseln werden, dass man schleichen oder austricksen kann. Und sowas gibt es hier auch nicht. Also man merkt, das wurde einfach mal gemacht, aber das wurde nicht durchdacht.
Chris:
[1:47:08] Zumal, auch das möchte ich noch erwähnen, es auch einige wirklich nervige Szenen in dem Spiel gibt. Zum Beispiel so eine dunkle Höhle unter dem Herrenhaus mit engen Stegen, wo man dauernd runterfällt, weil man nix sieht. Das ist alles super finster.
Chris:
[1:47:21] Oder es gibt ein ungeheuer blödes Level, wo man Gehirne suchen muss. Das ist so ein organisches Level in Sheol.
Gunnar:
[1:47:29] Oh, Sheol.
Chris:
[1:47:30] Wo man muss 16 einzelne kleine Gehirne finden und das letzte davon liegt hinter der verdammten Maschine, in die man die reinwerfen muss. Es ist dunkel, es gibt keine Karte, es sieht überall gleich aus. Das ist ein absolut beschissenes Level.
Chris:
[1:47:44] Und es wird gleich gefolgt von dem nächsten, das heißt Father of Lies, dieses Kapitel. Und das ist so ein kleiner Hub mit lauter nervigen Schalter- und Logikrätseln. Und am Ende gibt es dann acht miteinander verbundene Schalter und du musst die richtig einstellen, weil manche Schalter wiederum verstellen, andere und so. Also ich glaube, das ist eine Stelle, wo Leute ausgestiegen sind, wenn sie nicht in einen Walksugel geguckt haben. Und das darf man auch bedenkenlos machen. Das ist nämlich einfach nur Kacke.
Gunnar:
[1:48:08] Ja, aber so ist das ja bei Adventure-Teilen. Adventure zu der Zeit haben ja auch dann Verschieberätsel und so Quatsch.
Chris:
[1:48:15] Ja, aber das macht es doch nicht besser. Das ist doch trotzdem dumm.
Gunnar:
[1:48:18] Nee, das macht es null besser, weil es hier ja auch in dieser 3D-Umgebung dann auch noch mal mehr nervt. Ich finde, dass sich das nicht so verzahnt zwischen den beiden Spielparts. Nicht so schlimm, wie ich gedacht hätte, dass ich das finde. Weil sich ehrlicherweise Adventures einfach nicht so gut mischen lassen mit den Genres. Deswegen sind ja auch diese Immersive Sims, haben ja viel stärkere Rollenspielanteile, weil es dann viel einfacher ist, mit Progressionssystemen und mit Waffen zu arbeiten. Man hätte sicher noch mehr machen können, dass du bestimmte Sachen überhaupt erst kriegst durch den Adventure-Teil, aber das macht das ja auch schon so ein bisschen, weil viel von der ganzen Progression am Adventure-Teil hängt und nicht so sehr am Shooter-Teil. Insgesamt ist das natürlich auf eine Art ein Experiment, das ja nicht umsonst keine Nachahmer gefunden hat. Während Immersive Sims ja bis heute noch so existieren, ist jetzt der Adventure-Ego-Shooter-Hybrid nicht so ein starkes, etabliertes Genre geworden.
Chris:
[1:49:08] Ja, da hast du natürlich recht. Also ich sagte ja gerade, ich stehe dem Spiel trotzdem wohlwollend gegenüber und das liegt vor allen Dingen daran, dass das halt ein Atmosphärespiel ist. Das ist grafisch und durchaus auch soundtechnisch toll für seine Zeit, finde ich. Guckt man heute drauf und sagt, kann doch niemand gut gefunden haben. Doch, das fanden wir 96 toll.
Chris:
[1:49:26] Das war damals vielleicht nicht State of the Art, weil Quake gab es ja schon, aber es war zumindest völlig okay für seine Zeit. Und hier ist halt der Ort der Star.
Chris:
[1:49:35] Nicht unbedingt die Welt, weil die Welt ist ganz schön bizarr, aber die einzelnen Schauplätze und ihre jeweiligen Versprechenden sind cool, sind abwechslungsreich, wird auch gut eingelöst.
Chris:
[1:49:44] Aber das Killer-Feature von Reims of the Haunting, das für mich dazu führt, dass ich dem Spiel wirklich viel verzeihe, ist Rebecca als Begleiterin. Nicht wegen Rebecca als Charakter unbedingt, sondern weil sie als Begleiterin dabei ist. Und mir ist es völlig egal, dass man sie nicht sieht. Ich finde, sie fügt dem Spielerlebnis etwas Dialogisches hinzu. Das fühlt sich wie eine kooperative Erfahrung an, obwohl Rebecca eigentlich gar nichts tut, außer da zu sein und zu kommentieren. Und ich finde das toll, dass sie kommentiert. Es ist toll, dass da so eine ganz leichte Paardynamik entsteht, dass die sich auch mal ein bisschen kabbeln. Und du erinnerst dich, zwei Jahre später, 1998 kommt Baldus Gate.
Chris:
[1:50:24] Da sind wir ausgeflippt, weil die Begleiter auf einmal eine Stimme haben und einen Charakter und weil sie sich mal melden und was kommentieren und sowas. Und das ist hier schon drin. Rebecca ist genau das. Sie hat zu allem eine Meinung, sie versucht zu helfen, sie ist halt einfach da. Und ich finde, das Spiel zeigt, wie bereichernd das sein kann.
Chris:
[1:50:42] So ein einzelner Spielelement. Ich habe gerade nochmal Soma gespielt von 2015, dieses Horror-Narrative-Game von Frictional Games und das ist für mich der Nachfolger im Geiste von Realms of the Haunting. Das ist sozusagen der Enkel heutzutage, weil das ist ein beklemmendes Horrorspiel mit einem starken Erkundungsfaktor, das hat so eine leichte Rätselkomponente und vor allem hat da der Protagonist auch einen weiblichen Sidekick.
Chris:
[1:51:07] Die hat in Soma viel stärker einen eigenen Charakter, aber da funktioniert es genauso gut, dass man ständig diese begleitende Stimme dabei hat und Soma hat natürlich wirklich eine Geschichte zu erzählen. Also das wetzt diese ganzen Scharten aus.
Chris:
[1:51:20] Aber wie du schon sagtest, das ist keine Blaupause, Realms of the Haunting, für irgendwas. Das steht so für sich. Aber es ist insofern wegweisend, dass es schon mal andeutet, in welche Richtung Shooter als Erzählspiele dann gehen werden. Auch wenn sie nicht diese Richtung von Realms of the Haunting weitergehen, aber sie werden ja dann erzählende Spiele. Und um da schon mal einen Versuch zu platzieren, um da mal einen Anlauf zu wagen, finde ich, ist Realms of the Haunting aller Ehren wert.
Gunnar:
[1:51:48] Das mit der Begleiterin ist in der Tat eine ganz gute Beobachtung. Also mich hat es schon sehr gestört, dass sie nicht sichtbar war im Bild und dass sie dadurch die meiste Zeit zu einer körperlosen Stimme geworden ist, nach dieser ersten Begegnung hauptsächlich. Aber ich finde, dass viele Spiele noch eine Erzählstimme brauchen könnten und dass das als Mittel der Erzählung zu selten genutzt wird. Ob das nun ein auktorialer Erzähler ist, der darüber spricht, wie bei Transistor, oder ob der Held einen inneren Monolog hält oder ob das die Stimme eines Begleiters ist. Ich finde, das gibt dem immer eine zusätzliche Dimension und eine interessante zusätzliche Farbe im Spiel. Und das ist hier tatsächlich ein frühes Beispiel dafür, dass hier Sprachausgabe auf diese Art eingesetzt wird. Und das ist ja zu der Zeit auch nicht selbstverständlich, dass man eine Stimme im Ohr hat.
Chris:
[1:52:34] Sehr gut. Tja, heutzutage ist es selbstverständlich, dass man Stimmen im Ohr hat, zumindest wenn man Podcasts hört. Und uns habt ihr jetzt schon sehr lange gehört. Gunnar, haben wir alles gesagt, was wir zu Realms of the Haunting sagen wollten?
Gunnar:
[1:52:47] Ja, ich glaube schon. Das ist erschöpfend. Und wenn ich mir so meine Notizen durchgucke, habe ich jetzt auch gar nichts mehr offen, keinen offenen Faden, dem ich noch nachgehen wollen würde. Christian, ich glaube, wir sind durch mit dem Spiel.
Chris:
[1:53:00] Wir sind durch, genau. Und damit bedanken wir uns nochmal bei unserer Gesprächspartnerin Emma Paul. Ich bedanke mich bei dir, Gunnar, für die Recherche und für das angenehme Gespräch. Und natürlich bei euch fürs Zuhören.
Gunnar:
[1:53:12] Vielen Dank auch von mir und tschüss, bis zum nächsten Mal.
Chris:
[1:53:16] So, und jetzt muss ich aber auch noch Adam und Rebecca fragen. Wie hat es euch gefallen?
Spielsound:
[1:53:21] Beeindruckend. In meinem ganzen Leben habe ich sowas noch nicht gesehen.
Hinweis: Die O-Töne von Emma Powell sind in dieser Folge auf deutsch nachvertont, Sprecherin ist Johanna Streicher. Wer Frau Powell lieber im Original hören möchte, kann das auf Patreon tun (ohne Paywall): klick.
Hi. Leider funktionieren die Kapitelbilder wieder nicht.
In Pocket Casts auf Android gibt es keine Probleme mit den Kapitelbildern.
Gib uns mal mehr Infos bitte. Welcher Player, welche Plattform?
Oh, wie schön
Auf’m iPhone gibt’s mit Apple Podcasts keine Probleme und viele schöne Kapitelbilder.