Ich habe in einem Impuls-Kauf antiquarische Romane zu den Spielen der Firma Infocom erworben. Ein Text von Gunnar Lott.

Ich bin ein großer Fan der Spiele der Firma Infocom. Ihr wisst schon, das ist die Textadventure-Schmiede, die in den 80er-Jahren des letzten Jahrtausends Hits am Fließband produziert hat: Zork, Deadline, Hitchhiker’s Guide to the Galaxy, Leather Goddesses of Phobos et cetera.

Leider besitze ich kein einziges Spiel von denen. Was jetzt nicht überraschend ist, denn in der Zeit, als andere Leute in meinem Umfeld ihre Sammlungen maßgeblich aufgebaut hat, in den frühen 2000ern – da habe ich dem Minimalismus gefrönt und über Sammler von DINGEN die Nase gerümpft. So um 2020 herum allerdings habe ich in Karlsruhe das neue Stay-Forever-Hauptquartier bezogen, das massenhaft freien Regalplatz hatte, und dann doch locker angefangen, das eine oder andere Spiel in meine kleine Sammlung aufzunehmen. In der Regel waren es solche, zu denen ich einen persönlichen Bezug habe, All-time-favorites: Dark Omen natürlich, Mechwarrior 3, Mail Order Monsters, Gunship!. Nur von Infocom ist nichts dabei, weil deren Titel mittlerweile heiß begehrte Sammlerstücke sind und ich zu geizig bin, um auf Ebay 250 Euro für eine Greybox von The Lurking Horror hinzublättern.

Naja. Aber!

Als ich neulich mal wieder über Ebay surfte, in der Hoffnung, dass vielleicht irgendein Depp sein verschweißtes Exemplar von Zork 1 versehentlich als „Zrok – ein Spiel von Ifnocom“ für 1 Euro eingestellt hat, fiel mir auf, dass es ja Romane zu den Spielen gibt. Das führte zu einer klassischen Ersatzhandlung: Dann kaufe ich eben die! 

Aber was sind das für Bücher? Zwischen 1987 und 1991 brachte der US-Verlag Avon Books sechs Romane unter dem Label Infocom Books heraus, im Design angelehnt an die Packungen der Textadventures. Die kosteten 3,95 Dollar pro Stück, sind eher billig produziert und haben mit um die 300 Seiten typische Taschenbuchstärke. Die Geschichten basieren auf den Spielen, die Texte stammen aber nicht von den Infocom-Autoren. Der Verlag hat dafür eine Reihe mittelbekannter Autoren angeheuert. Craig Shaw Gardener hat sich mit parodistischer Fantasy einen Namen gemacht, war sich aber auch für Bücher zu Filmen und Games nie zu schade. In seiner Bibliografie findet sich neben einem Buch zu Infocoms Wishbringer auch eines zum Spiel The 7th Guest. Robin W. Bailey hat Fantasy und Scifi geschrieben, sein bekanntestes Werk ist eine Fortführung von Fritz Leibers “Fafhrd and the Gray Mouser”-Serie. Arthur Byron Cover hat eine ganze Menge Scifi, Comics und TV-Serien verfasst, aber der profilierteste Autor der Reihe ist George Alec Effinger. Den kennen die Unterstützer von Stay Forever aus der „Stay Forever Spielt“-Staffel zu Circuit’s Edge, einem Spiel von Infocom und Westwood, das auf Effingers Roman “When Gravity Fails” basiert. Effinger hat es nie zur ganz großen Bekanntheit geschafft, aber er galt eine Zeitlang als DER kommende Autor und hat bedeutende Preise gewonnen.

Die Bücher im Einzelnen:

Wishbinger, Craig Shaw Gardener

Enchanter, Robin W. Bailey

Eine Trilogie von Arthur Byron Cover: “Planetfall”, “Stationfall”, “Futurefall”

Und zwei Bücher zum Zork-Universum:

“The Zork Chronicles”, George Alec Effinger

“The Lost City of Zork”, Robin W. Bailey

Äh, Gunnar, das sind sieben. Sprachst du nicht oben von sechs? Das stimmt, aber “Futurefall” ist nie erschienen. Was ein bisschen ärgerlich ist, denn das Stationfall-Buch lässt alle möglichen Fragen offen und endet auf „… to be continued in FUTUREFALL“. Vermutlich hat sich der Vorgängerband nicht gut genug verkauft, obwohl Band 1 der Trilogie, “Planetfall”, auf dem Cover von Stationfall als „Bestseller” angepriesen wird. Verkaufszahlen sind leider nicht überliefert.

Die restlichen sechs konnte ich dafür relativ problemlos erwerben, insgesamt hat mich der Spaß um die 90 Euro gekostet. Und: Mit den sechs Büchern ist zumindest die Sammlung komplett. Es gibt zwar noch mehr Bücher zu Infocom, der legendäre Steve Meretzky hat nämlich vier Spielbücher im Zork-Universum angesiedelt. Aber das ist eine andere Geschichte, die ich gern ein anderes Mal erzähle.

So, aber wie sind die Dinger denn nun? Kann man die noch lesen? Die Antwort ist: nunja. Manche leiden unter dem Humor der 80er und dem damals üblichen Sexismus, andere sind offenbar hastig heruntergeschrieben, und alle wissen nicht genau, was sie sein wollen: Fan-Service für die Spieler, die die Games sehr gut kennen, oder eigenständige Werke im entsprechenden Universum. Wir springen mal beispielhaft in “The Zork Chronicles” von Effinger:

Das Buch borgt sich Elemente aus den drei Zork-Spielen, ist aber zeitlich angesiedelt, nachdem der Held der Spiele die Überreste des Großen Unterirdischen Reiches geplündert hat. Eine Entität namens File Restorer bemüht sich, Schätze und Monster des Imperiums wieder aufzufüllen. Dem Buch geht es nicht wirklich um eine interessante Geschichte, es oszilliert zwischen Anspielungen auf Adventures („To me, it seems like we’re just in a maze of twisty little passages, all alike.“ sagt eine Figur etwa), Nerd-Witzchen (an einer Wand steht „Intentionally left blank“) und einer Art Meta-Erzählung, bei der die Helden wissen, dass sie auf einer Heldenreise sind und sich schon mal darüber unterhalten, ob sie nun eher dem Erzählmuster von Vergil oder Homer folgen sollten. Das ist manchmal lustig und zuweilen ein bisschen clever, aber irgendwie auch sehr 80ies.

Ja nun, ist kein großer literarischer Fischzug, der mein Leben bereichert hätte, aber ich bin schon glücklich, dass ich diese aus der Zeit gefallenen Werke besitze. Querlesen und sich mit warmer Nostalgie über Popkultur-Referenzen der 80er und Anspielungen auf Infocom-Spiele amüsieren, dafür gehen die schon.

Hinweis am Ende: Wer durch diesen Text angeregt wurde, mal ein Infocom-Abenteuer zu spielen, dazu habe ich vor einiger Zeit mal einen handlichen Guide geschrieben. Klick: Infocom-Spiele auf modernen Rechnern spielen